Kaunas

Anfang September 1985 mahnte der Rektor des Priesterseminars zu Kaunas, Priester Dr. Viktoras Butkus, die Seminaristen, außer den Zusammenfas­sungen der Lehrfächer keine religiösen Bücher im Priesterseminar zu haben. »Sie werden euch zukünftigen Priestern vollkommen ausreichen«, sagte der Rektor. Er erinnerte daran, daß am Anfang des Sommers zwei Seminaristen wegen Vervielfältigung religiöser Bücher vom Priesterseminar verwiesen wor­den sind (zu jetziger Zeit wieder ins Priesterseminar aufgenommen) und behauptete, daß litauische religiöse Bücher zweifelhaften Wert hätten; dann sei es schon besser, ausländische Sprachen zu lernen. Selbstverständlich sprach der Rektor so, weil er von der gottlosen Regierung dazu gezwungen wurde, und zwar von einer Regierung, die dauernd damit vor der Welt angibt, daß es in der UdSSR Priesterseminare gebe. Was würden die Atheisten sagen, wenn sie die marxistische Philosophie nur aus Zusammenfassungen studieren dürften und ihnen zusätzliche Literatur versagt wäre? Für die Bildung der zukünftigen Priester ist nicht nur ein gerüttelt Maß an theologischem Fach­wissen notwendig, sondern auch die innere Bildung, und dafür braucht man gute religiöse Literatur.

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Anfangs des Jahres 1985 hat die Untergrundgruppe des Komitees der Ka­tholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen zwei Protestschreiben an die Regierungsorgane geschickt.

Im ersten sprach sie sich gegen die Einmischung der gottlosen Regierung in die Bildung der Priesterräte aus. In dem Schreiben wurde darauf hingewie­sen, daß die Rechtfertigung einer solchen Einmischung, die sich auf das Konkordat beruft, das zwischen dem Vatikan und dem unabhängigen Litauen abgeschlossen worden war, jeder Grundlage entbehrt. Die Regierungsgott­losen rechtfertigen ihre Taten damit, daß angeblich auch das Konkordat der Zivilregierung das Recht zugesprochen habe, sich in die kirchlichen Ernen­nungen einzumischen. Im genannten Konkordat wird nur von der Abstim­mung mit dem Präsidenten der Republik oder mit der Zivilregierung bei der Kandidatur eines Ordinarbischofs (aber nicht bei Apostolischen Administra­toren) und eines Pfarrers (aber nicht bei Verwaltern der Pfarreien, Vikaren, Benefizianten usw.) gesprochen. Man brauchte sich nach dem Konkordat weder bei einer Kandidatur der Apostolischen Administratoren noch der Verwalter der Diözesen oder Kanoniker mit der Zivilregierung abzustim­men. Es wird in dem Protestschreiben darauf hingewiesen, daß es doch recht sonderbar sei, wenn die atheistische Regierung, die kein Konkordat mit dem Vatikan abgeschlossen habe, glaube, mehr Rechte für die Einmischung in die Angelegenheiten der Kirche zu haben.

Im zweiten Schreiben wird gegen die Verhaftung des Priesters Jonas-Kąsty-tis Matulionis und des Jugendlichen Romas Žemaitis protestiert. In dem­selben Schreiben wird auch das Verbot der Regierungsgottlosen, für die gefangenen Priester öffentlich zu beten, streng zurückgewiesen mit dem Hinweis, daß so ein Verbot beweise, daß die Lage der Christen Litauens in dieser Hinsicht schlimmer ist als die Lage der ersten Christen, die sich in Jerusalem versammeln durften, um gemeinsam für die inhaftierten Apostel zu beten, wie in der »Apostelgeschichte« geschrieben steht.

Panevėžys

Am 11. April 1985 fand im Veranstaltungssaal der XV. Mittelschule zu Panevėžys eine Versammlung der Vertreter der religiösen Gemeinschaften der Stadt Panevėžys und des Rayons statt. Die Versammlung führte der Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegenheiten, P. Anilionis. Am Anfang der Versammlung berührte der Bevollmächtigte die Frage des Prie­sterseminars. Der Redner war darüber verärgert, daß sich die Gläubigen im­mer wieder über die Regierung beklagen, weil diese die Zahl derer, die in das Priesterseminar eintreten wollen, begrenze. Er ist der Meinung, daß jährlich genügend neue Priester geweiht werden. »Dieses Jahr werden sogar 18 Alumnen die Priesterweihe bekommen«, stellte Anilionis klar. »Mir scheint, so eine Zahl muß doch für alle Winkel Litauens genügen«, log der Bevollmächtigte kühn. Weiter wurde eine ganze Reihe von »Vergehen« gegen die öffentliche Ordnung aufgezählt. »Leider kommt es noch vor, daß Weihnachtsbaumveranstaltungen auf den Kirchhöfen der Kirchen veranstal­tet werden, beklagte sich Anilionis und nannte die Pfarreien Alytus und Prienai als Beispiele. »Die Kirche ist ein Haus des Gebetes und nicht ein Saal für verschiedene Veranstaltungen«, erklärte der Bevollmächtigte. — »Die Kultusdiener der erwähnten Gemeinschaften sind verwarnt worden und es wurden ihnen entsprechende Strafen auferlegt. Ihr sollt es wissen und daran denken, damit sich solche Sachen in euren Gemeinschaften nicht wiederholen, denn ihr werdet nach dem Gesetz bestraft«, drohte mit deutlich erhobener Stimme der Bevollmächtigte. In seiner Rede erinnerte er an einen »nicht-wiedergutzumachenden« Fall: In der Pfarrei Vadokliai habe der Priester Juoza Janulis in der Kirche ständig Filme gezeigt, weswegen man ihn sogar aus der Pfarrei habe versetzen müssen. Da bei der Messe minderjährige Kin­der und Jugendliche ministrieren, sehe der Bevollmächtigte auch vor, gegen den Pfarrer von Šilai, Priester Jonas Balčiūnas sowie gegen den Pfarrer von Mažeikiai, Priester Kostas Balsys, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Die öffentliche Ordnung werde, nach P. Anilionis, auch in der Kirche, von Panevėžys verletzt, wo 5 bis 7 Kinder im Kirchenchor singen und ständig während der Messe ministrieren. »Das ist Minderjährigen nicht erlaubt. Wenn sie einmal volljährig sind, dann bitte; niemand wird es dann ver­bieten«, erhitzte sich der Redner. Während der Begegnung erkundigten sich die Gläubigen nach der Herausgabe des liturgischen Gebetbuches. Von ver­schiedenen religiösen Gemeinschaften bekam Anilionis Beschwerden wegen Mangel an religiöser Literatur und an Gebetbüchern. Bei der Beantwortung der gestellten Fragen versuchte der Bevollmächtigte alles so darzustellen, daß gerade in der letzten Zeit verschiedene religiöse Literatur in großen Auflagen herausgegeben worden sei. Nach seiner Meinung sei die Auflage vielleicht sogar für so ein kleines Litauen zu groß. Auch die Frage der Prozessionen wurde bei der Versammlung berührt, beispielsweise bei der Beerdigung der Verstorbenen. »Solche Prozessionen stören die öffentliche Ordnung, die Banner und die Sänger lenken die Aufmerksamkeit ab, und das alles ge­schieht ohne jegliche Erlaubnis der Regierung, sprach er weiter und er­mahnte gleichzeitig die Komitees der religiösen Gemeinschaften, daß dies alles nicht notwendig sei. Der Bevollmächtigte war verärgert über die Sen­dungen von Radio Vatikan, in denen Fälle der Verfolgung Gläubiger er­wähnt werden. Er betrachtet das alles als Lüge. »Wir werden in der Zukunft gegen solche Hitzköpfe, die es da gibt, strengere Maßnahmen anwenden. So ist es ja auch mit den Priestern A. Svarinskas und S. Tamkevičius geschehen. Solche Kandidaten haben wir noch mehr. . . Der Glaube ist verboten! . . . Der Glaube wird verfolgt! . ..« — immer wieder mußte der Redner vor Er­regung einhalten. Es wurde auch über die Renovierung der Kirchen, über die Katechese der Kinder gesprochen, es gibt sie zur Genüge. Sie können natürlich nicht verlangen, daß jedes Mitglied der Familie seinen eigenen Ka­techismus hat. Die Bücher muß man ehren und schonen. Ich warne die Ko­mitees der Gemeinschaften: Sorgt dafür, daß kein Priester die Kinder im Glauben unterrichtet. Die Eltern selber müssen sie unterrichten. Die Ko­mitees sollen der Erfüllung der Bestimmungen des Staates größere Auf­merksamkeit widmen.« Der Bevollmächtigte vermied es, die Fragen der Gläubigen direkt zu beantworten. Die Frage der Gewissensfreiheit identifi­zierte er beispielsweise mit dem Wachstum des materiellen Niveaus. Auf manche Fragen gab der Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegenhei­ten überhaupt keine Antwort mit der Begündung, es fehle auf dem Zettel der Name, der Familienname, das Alter, die Ausbildung oder die religiöse Gemeinschaft des Fragestellers.

Naujoji Vilnia (Rayon Vilnius)

Am 21. Juni 1985 kamen der Rayonsekretär der Kommission zur Einhal­tung der religiösen Bestimmungen mit noch zwei Mitgliedern der Kommis­sion in die Kirche von Naujoji Vilnia und stellten für den Pfarrer der Pfar­rei, Gerichtsvikar der Erzdiözese Vilnius, Priester Juozas Poškus, der die Kenntnisse der Kinder für die Erstkommunion überprüfte, eine Akte zu­sammen. Am 5. September wurde Priester J. Poškus in das Rayonexekutiv­komitee vorgeladen und der Verletzung der religiösen Bestimmungen be­schuldigt. Er wurde verwarnt, weil er die Kenntnisse jedes einzelnen Kindes in Anwesenheit einer Gruppe anderer Kinder überprüfte, und die anderen Kinder aus den gestellten Fragen und Antworten hätten lernen können.

Šiluva

Am 5. Juli 1985 kamen in eine Kapelle der Kirche von Šiluva, in der Prie­ster Vladas Simaška die Kenntnisse der Kinder für die Erstkommunion überprüfte und gleichzeitig die schwerer verständlichen Wahrheiten des Glau­bens erklärte, die Vorsitzende des Amtsbezirks, Vanda Galeckienė, der Par­teivorsitzende des Kolchos, Antanas Petravičius, der Tierarzt Narbutas und einige unbekannte Personen herein. A. Petravičius drohte dem Priester V. Simaška wegen der Unterrichtung der Kinde in Glaubenswahrheiten mit Gefängnisstrafe und die Amtsbezirksvorsitzende V. Galeckienė stellte ein Protokoll zusammen. Die Mütter, die ihre Kinder gebracht hatten, fingen an, den Priester zu verteidigen, wodurch in der Kirche ein Tumult entstand. Priester V. Simaška unterschrieb die von den Gottlosen zusammengestellten Protokolle nicht.

Padubysis (Rayon Šiauliai).

In der Kirche von Padubysis, wo die Kinder zur Erstkommunion vorbereitet wurden, kam im Juni 1985 die Vorsitzende des Amtsbezirks Padubysis, Grabažienė, der Parteisekretär des Kolchos Kerbedis und die Direktion der Mittelschule Bernotienė. Sie fingen gleich an, dem Priester Feliksas Baliūnas zu drohen, weil er ja, indem er die Kinder in den Glaubenswahrheiten unter­richtete, das Statut der religiösen Gemeinschaften verletze. Der Pfarrer er­klärte, daß dies als Priester seine Pflicht sei. Außerdem sollten sich die Beam­ten lieber darum kümmern, wie man effektiver gegen die Säufer kämpfen könnte. Das paßte den Eindringlingen nicht, und sie erwiderten ironisch, daß es gerade die Pflicht eines Pfarrers sei, gegen Säufer zu kämpfen, aber nicht die Kinder zu unterrichten. Der Pfarrer erinnerte sie daran, daß er genauso um die Abstinenz der Kinder kämpfe, wenn er sie die Glaubens­wahrheiten lehre. Priester F. Baliūnas bat die ungeladenen Gäste, zu diesem Zweck nicht mehr zu ihm zu kommen und auch keine Kommissionen zu schicken. Die Akte wegen der Unterrichtung der Kinder wurde an die Rayon­verwaltung weitergeleitet. Etwas später wurde der Pfarrer in das Rayon­exekutivkomitee vorgeladen und verwarnt. Er dürfe die Kinder nicht mehr unterrichten; widrigenfalls werde er in Zukunft streng bestraft. Er wurde außerdem wegen der Teilnahme an der von der Jugend vorbereiteten Johan­nisfeier verwarnt. Wenn ein Priester dort anwesend ist, wo die Jugend sich versammelt, so ist das ein schweres Vergehen.

Šeduva (Rayon Rokiškis)

In diesem Sommer besuchten die Lehrer und Regierungsbeamten von Šeduva die katholischen Familien, die kleine Kinder haben, und schüchterten sie ein, sie sollten es ja nicht wagen, ihre Kinder den Katechismus lernen zu lassen.

Varėna

Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees, Lankelis, kam in diesem Sommer in die Kirche der Pfarrei Varėna und warnte den Pfarrer, den Konsultor der Erzdiözese Vilnius, Priester Jordanas Slėnys, er solle die Kinder nicht in Glaubenswahrheiten unterrichten. Sollte er nicht gehorchen, dann könnte die Erlaubnis widerrufen werden, das Dach der Kirche mit Blech neu decken zu dürfen.

Gargždai (Rayon Klaipėda)

Die Gläubigen der Pfarrei Gargždai haben an den Ministerrat der LSSR, an das Ministerium für das Innere der LSSR und an das Bildungsministerium der LSSR ein Protestschreiben gerichtet:

»Am 26. Juni dieses Jahres hat die Administrativkommission beim Rayon­exekutivkomitee des Volksdeputiertenrates von Klaipėda unseren Priester Šeškevičius Antanas, Sohn des Kazys, mit einer Strafe von 30 Rubeln des­wegen belegt, weil er am 5. Juni in einer Gruppe Minderjährige in der Reli­gion unterrichtet hat.

Die Zusammensetzung der Administrativkommission: Vorsitzender S. Kle-vinskas, Sekretärin D. Šeporaitienė, Mitglieder N. Ananiew, Butkevičius, J. Kiriliauskas.

1. Wir, die Eltern, bereiten unsere Kinder vor und bringen sie in die Kirche, damit der Priester ihre Kenntnisse überprüfen und sie zu der Erstbeichte und der Erstkommunion zulassen kann. Am 5. Juni hat gerade der Priester die Kenntnisse jedes Kindes einzeln überprüft. In der Kirche waren die Mütter und einige andere Gläubige anwesend. Da drangen 4 Personen in die Kirche ein und fingen demonstrativ an, die Kinder zu zählen, anzuschauen und aufzuschreiben . . Da sie niemandem gesagt hatten, wer sie seien, wur­den sie von den Müttern und den Gläubigen gebeten, nicht zu stören und die Kirche zu verlassen. Es entstand ein Tumult in der Kirche. Die Kinder begannen zu schreien: »Geht hinaus von hier!« Sie gingen hinaus.

2.     Nach einiger Zeit wurde eine der Gläubigen, die gebeten hatte, die Kirche zu verlassen, Rūta Adomavičienė, für 10 Tage eingesperrt und am 26. Juni wurde auch unser Priester von der Administrativkommission vorgeladen. Etwa 20 Mütter und Gläubige begleiteten ihn. Erst jetzt wurde klar, daß eine Kommission in der Kirche gewesen war: Jūratė Darkevičienė, Lehrerin der III. Klasse an der II. Mittelschule, Šatkauskas, scheinbar ein Vertreter der Miliz und A. Štalis, der Ortsvorsitzende. Sie hatten schriftlich eine Mit­teilung gemacht, daß der Priester die Kinder in den Glaubenswahrheiten unterrichtet hätte. Der Priester erklärte, daß diese gesehen hätten, wie er ein einzelnes Kind befragt habe. Der Priester habe zwar das vollkommene Recht und die Pflicht, alle in der Kirche zu unterrichten, die Kinder aber in einer Stunde Gebete auswendig lernen zu lassen, sei völlig unmöglich; des­wegen tun das die Eltern zu Hause. Auch die Mütter Stankienė, Skėrienė und noch zwei andere gläubige Frauen bezeugten dies vor der Kommission. Der Priester konnte nur einige von den Kindern überprüfen. Die Priester haben nicht soviel Zeit, daß sie den ganzen Tag nur die Kinder überprüfen könnten, deswegen legen sie eine bestimmte Zeit dazu fest. Es kommen nur die, die kommen wollen. Es können auch keine kommen. Einen organisier­ten Unterricht gibt es nicht und kann es auch nicht geben. Wenn die Kinder kommen, dann warten sie, bis sie an der Reihe sind. Diese Kommission hat 51 Kinder gezählt und zog einen völlig falschen Schluß daraus: Viele Kinder, also: eine Schule! Überprüfen kann man nur einzelne und nicht die ganze Gruppe auf einmal. Der Priester stellte klar, daß die Tür der Kirche für alle offen stehe und jeder hereinkommen könne. Wenn das der Regierung nicht gefalle, solle sie zwei Milizmänner an der Tür postieren und die Kinder ein­zeln zur Überprüfung hineinzulassen. Wir können so etwas nicht machen. Zu Stalins Zeiten war angeordnet, die Kenntnisse der Kinder im Beichtstuhl zu prüfen, leise ins Ohr sprechend. Wer heute verlangt, ein einzelnes Kind zur Überprüfung irgendwo hinzubringen, macht denselben Unsinn und zeigt dadurch, daß anstelle der von der Verfassung proklamierten Religions­freiheit nur eine grausame und unvernünftige Unfreiheit besteht.

3.     Die Kirche ist von der Schule getrennt, die Lehrer wirtschaften aber in der Kirche. Der Staat ist von der Kirche getrennt, die Milizmänner terrori­sieren die Gläubigen in der Kirche wie die Gendarmen zu Zeiten des Zaren in Kražiai.

Deswegen bitten wir Sie sehr, uns und unsere Kinder vor unmenschlichen und unvernünftgen Exzessen zu beschützen, damit wir unsere Kinder zu den Sakramenten führen und ruhig beten können.

4.     Uns erregt und empört die Tatsache, daß unser Priester, der uns hilft bei der Erfüllung der religiösen Pflichten, so bestraft wurde wie ein Alko­holiker wegen des Saufens. Die Verfassung gewährt Religionsfreiheit, die Regierung stellt sie aber dem Alkoholismus gleich. Soll man darüber nicht verärgert sein? Wir bitten Sie, die dem Priester auferlegte Strafe zu wider­rufen.

5.     7. 1985        Es unterzeichneten 663 Gläubige und Eltern 

Kužiai (Rayon Šiauliai)

Am 16. September 1985 wurde der ehemalige Rektor des Priesterseminars zu Kaunas, Pfarrer der Pfarrei Kužiai, Priester Kazimieras Sirūnas, beim Gehen auf dem Seitenweg von einem vorbeifahrenden Lastauto erfaßt, zu Boden geschleudert; er kam dabei ums Leben. Ein Telegramm über den Tod des Priesters hat der Vatikan erst mit Verspätung bekommen. Wer weiß, ob die Ursache dieser »Verspätung« nicht die ist, daß Priester K. Si­rūnas gerade in diesem Jahr von den Gottlosen wegen Kinderchatechese an­gegriffen wurde? Kurz vor seinem Tode hat das Rayonexekutivkomitee den Verstorbenen wegen der Unterrichtung der Kinder in den Wahrheiten des Glaubens verwarnt. Nach Erhalt der Verwarnung wegen der Kinderkatechese erklärte Priester K. Sirūnas, daß er auch weiter die Kinder den Glauben lehren werde, denn das sei eine seiner wichtigsten Aufgaben als Priester.

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Außer diesen hier beschriebenen Fällen wurden wegen der Unterrichtung der Kinder in Glaubenswahrheiten folgende Priester terrorisiert: Der Pfarrer der Pfarrei Antazava, Priester Stasys Tamulionis, der Pfarrer der Pfarrei Leliūnai, Mitglied des Konsultorenkollegiums der Diözese Panevėžys, Prie­ster Petras Adomonis und der Dekan des Dekanats Šakiai, Msgr. Juozas Žemaitis.

Garliava (Rayon Kaunas)

Am 20. Juni 1985 kamen der Vorsitzende des Exekutivkomitees von Gar­liava und zwei Frauen in die Kirche von Garliava, wo die Erstkommunikan­ten versammelt waren, um ihre Kenntnisse überprüfen zu lassen. Als sie die versammelten Kinder sahen, schrieben sie ihre Namen und Adressen auf und stellten über Jadvyga-Gema Stanelyėe wegen der Unterrichtung der Kinder eine Akte zusammen. Später wurden die Kinder und die Eltern in die Staatsanwaltschaft von Garliava vorgeladen und dort verhört.

Am 1. Juli 1985 war Jadvyga-Gema Stanelyte zu dem Untersuchungsbeam­ten Seibutis in die Rayonstaatsanwaltschaft nach Kaunas vorgeladen. Der Untersuchungsbeamte beschuldigte J. G. Stanelytė, das Gesetz über die »Trennung der Kirche vom Staat« verletzt zu haben. »Glauben ist nicht verboten, nur darf man den Glauben nicht lehren«, erklärte der Unter­suchungsbeamte. »Wenn die Kirche vom Staat getrennt ist, warum drängen sich dann die Regierungsbeamten in die Kirche und stören die Gläubigen? Sie sagen, daß Glauben nicht verboten ist; nach dem von Ihnen gegebenen Recht aber müßten wir, die Gläubigen, mit verbundenem Mund herumlau­fen, daß, Gott behüte, nicht irgend ein Wort über den Glauben heraus­kommt. Ist das nicht eine Verspottung der Gewissensfreiheit?«, sagte die Verhörte. »Sehen Sie«, setzte Seibutis fort, »die Kinder sind noch minder­jährig, sie können sich jetzt noch nicht entscheiden; deswegen darf man ihnen auch nichts über Gott erzählen.« — »Ich bin damit einverstanden, daß sie sich noch nicht entscheiden können«, antwortete Stanelytė, »aber dann darf man ihnen auch nichts gegen Gott sagen. Die Gottlosigkeit wird ihnen aber schon im Kindergarten aufgezwungen.«

Am 2. August wurde J. G. Stanelytė wieder in die Rayonstaatsanwaltschaft vorgeladen, diesmal aber zu dem Staatsanwalt Dobilas. Der Staatsanwalt hat der Vorgeladenen eine Verwarnung ausgesprochen und machte sie gleichzeitig darauf aufmerksam, daß gegen sie in Zukunft wegen der wieder­holten Kinderkatechese ein Strafprozeß nach § 142 Teil 2 des StGB der LSSR eingeleitet werde und sie bis zu 3 Jahren Freiheitsentzug verurteilt werden könne. »Diese Verwarnung ist für mich wie ein Vorschuß, den abzu­arbeiten ich mich geradezu verpflichtet fühle«, erwiderte J. G. Stanelytė ruhig.

Der Pfarrer der Pfarrei Garliava, Msgr. A. Gustaitis, war wegen der Kate-chisierung der Kinder zu einer Regierungsbehörde vorgeladen. Auf alle Drohungen antwortete er: »Wir haben unterrichtet und werden auch weiter unterrichten, denn das ist unsere heilige Pflicht!«

Kriokialaukis (Rayon Alytus)

In der Nacht des 20. August 1985 klopften bei Priester Vaclovas Stakėnas, Mitglied des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen, zwei unbekannte Frauen an seinem Pfarrhaus in der Pfarrei Kriokialaukis und baten den Priester um die religiösen Dienste für eine Kranke. Als sich der Priester genauer erkundigte, nannten ihm die Unbekann­ten den Namen einer bekannten Kranken, nämlich von Frau Aleksandra­vičienė aus dem Dorf Daugirdai, die er vor etwa einem Monat besucht hatte. Die Frauen erklärten, daß die kranke Mutter ihre Tochter Marytė nicht von zu Hause habe weglassen wollen, und als Beweis dafür, daß sie wirklich Verwandte der Kranken seien, die von Prienai kämen, nannten sie die Namen von drei Nachbarn.

Der Priester holte das Allerheiligste aus der Kirche und stieg in das Auto ein, in dem die beiden Frauen und der Fahrer, der sie hergebracht hatte, saßen.

Nach dem Verlassen der Ortschaft schaltete der Fahrer das Fahrlicht aus und verlangsamte das Tempo. Zur selben Zeit versuchte ein hochgewachsener Mann auf der linken Straßenseite, der mit einer Hand das Gesicht gegen das Licht abschirmte, das Auto anzuhalten. Auf der rechten Seite der Straße ging ein anderer Mann. Der Priester bat, nicht anzuhalten, weil es Betrunkene sein könnten; er aber habe das Allerheiligste bei sich. Trotzdem hielt das Auto sofort an. Sogleich sprangen die Übeltäter in das Auto hinein und drehten dem Priester die Hände auf den Rücken. Als er versuchte, alles zu erklärten und um Hilfe zu rufen, drückte ihm einer der Männer die Hals­schlagader zu

Der Priester kam erst wieder zu sich, als das Auto schon eine beachtliche Strecke zurückgelegt hatte. Da wurden die Übeltäter plötzlich nervös. Etwas später wurde klar, daß ein entgegenkommendes Auto ihre Unruhe verursacht hatte: Man befahl dem Priester, sich zu bücken. Da es den Räubern aber schien, als habe er sich nicht weit genug heruntergebeugt, packten sie den Priester an den Haaren und stießen ihn gegen die Lehne des Vordersitzes; dadurch wurde ihm schwindelig und sein Gesicht blutete.

Eine der Frauen forderte von ihm: »Gold, Geld oder das Leben!« Als der Priester sagte, daß er kein Geld bei sich habe und daß sie im günstigsten Falle, im Pfarrhaus etwa 400 Rubel finden könnten, da befahl eine der Frauen: »Zählt ihm die Rippen durch! — Laßt ihn die Pistole riechen! — Versengt ihm die Sohlen!« usw. Da schlugen ihn die Männer gehörig zu­sammen, spotteten über ihn und erklärten ihm, sie würden ihn in den Wald bringen und dort an einen Baum fesseln; sie selber würden in das Pfarrhaus zurückfahren.

Wenn sie durch Ortschaften kamen, machten ihn die Räuber mit einem Schlag auf den Kopf benommen oder drückten ihm die Schlagader zu. Als sie einen Wald erreicht hatten, bog das Auto in einen schmalen Waldweg ein und weit genug von der Straße entfernt, hielt es nach einer Weile an.

Die Banditen zerrten ihr Opfer in den Wald hinein, schlugen ihn ins Gesicht, rissen ihm die Krankenburse mit dem Allerheiligsten weg, fesselten ihn an Händen und Füßen und fragten ihn immer wieder: »Wo hast du Gold und

Geld aufbewahrt?« Dann stopften sie ihm den Mund mit einem Stoffetzen und fingen an, ihn zu schlagen, aber so raffiniert, daß keine Spuren der Schläge blieben. Als sie ihn einige Zeit gequält hatten, zogen sie ihm den Stofflappen wieder aus dem Mund und fragten ihn aus. Das Interessanteste war, daß sie seinen Antworten keinerlei Aufmerksamkeit schenkten, sondern gleich wieder anfingen, ihn auf den Mund zu schlagen und zu verspotten.

Am aktivsten dabei waren die Frauen; sie bestimmten, wie und weswegen der gefesselte Priester zu schlagen sei.

Als sie ihr Opfer zur Genüge gepeinigt hatten, ließen sie den Priester mit verstopftem Mund liegen und banden ihm einen Strumpf um den Mund, damit der Stofflappen nicht herausfällt. Mit Gummibändern fesselten sie die Hände und die Füße des Priesters noch fester und warfen ihn dann ziemlich weit von der Hauptstraße entfernt in eine nicht sehr große Waldgrube hin­ein. Bevor sie wegfuhren, nahmen die Missetäter die Krankenburse mit dem Allerheiligsten und alle anderen liturgischen Bedarfsartikel an sich.

Mit äußerster Kraftanstrengung kam der Priester aus der Grube heraus. Etwa vier Stunden lang kroch und rollte er in der Nacht, Hände und Füße von der Spannung geschwollen und blutig gerieben, auf die Hauptverkehrs­straße zu.

Gegen 6 Uhr morgens fanden ihn Menschen, die zur Arbeit eilten, am Straßenrand zwischen Alytus und Simnas, etwa 10 km von Alytus entfernt. Priester Stakėnas wurde in die Miliz nach Alytus gebracht. Die Miliz suchte angeblich nach den Verbrechern, aber bis jetzt hat man nichts gehört, daß sie gefunden worden wären.

In das Pfarrhaus sind die Missetäter in jener Nacht nicht zurückgekehrt, um nach dem Geld zu suchen.

Die Gläubigen sind überzeugt, daß dieser Vorfall ein bewußter Terrorakt gegen Priester Vaclovas Stakėnas als Mitglied des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen gewesen ist.

Kiaukliai (Rayon Širvintai)

Der Pfarrer der Pfarrei Kiaukliai, Priester Rokas Puzonas, war am 5. Juni 1985 in das Rayonexekutivkomitee nach Širvintai vorgeladen. Hier wurde er vom Stellvertreter des Exekutivkomiteesvorsitzenden D. Tvirbutas und dem Stellvertreter des Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten, Juozėnas, erwartet. Der Stellvertreter machte dem Priester Vorwürfe, warum er die jetzigen Aktualitäten in seinen Predigten berühre: Er erinnere oft an die inhaftierten Priester und erwecke so bei der Öffentlichkeit den Eindruck, als ob die Kirche verfolgt würde. Besonders mißfielen dem Stellvertreter Juozėnas die von Priester Puzonas zum 500. Gedenktag des Todestages von Mykolas Giedraitis in Giedraičiai und die an den vernichteten Kreuzweg­stationen von Vepriai gehaltenen Predigten. Juozėnas tadelte den Priester, weil dieser die Leute von seiner Anwerbungsgeschichte in Kenntnis gesetzt habe. Nach den Worten des Bevollmächtigtenstellvertreters hätten sich die Leute versammelt, um zu beten, um Gott zu verehren, aber nicht um sich den Lebenslauf des Priesters anzuhören. Es sei eine Verleumdung, daß der Tod des Priesters Leonas Šapoka ein Werk des Sicherheitsdienstes sei. Juozėnas behauptete, daß in Litauen niemand die Kirche verfolge. Als Prie­ster R. Puzonas Beispiele aufzählte, wie in der Achtjahresschule zu Kiaukliai ständig Schüler von ihren Lehrern wegen ihres Glauben verfolgt, geängstigt und mit Drohungen eingeschüchtert werden, erwiderte Juozėnas, das sei völlig normal, denn die Kirche sei ja vom Staat getrennt. Einem Priester sei es verboten, mit der Jugend zu verkehren, denn hier sei nicht mehr die Sphäre der Religion. Wenn der Priester sein Verhalten in der Zukunft nicht ändern werde, werde er unverzüglich festgenommen und die Kirche von Kiaukliai geschlossen. Alle Gläubigen würden dann in ihm, dem Priester, den Schuldigen an der Schließung der Kirche sehen; sie würden ihn verur­teilen und sich von ihm abkehren. »Vielleicht wird dann einige Male der Priester Juozas Zdebskis hierher kommen, oder der Priester Leonas Ka­linauskas, um seiner zu gedenken, aber dann werden ihn alle vergessen, wie auch den Priester A. Svarinskas, den das Radio des Auslands immer sel­tener erwähnt«, sagte Juozėnas. Der Stellvertreter behauptete, daß die Nach­richten über Kiaukliai über Priester R. Puzonas an Radio Vatikan über­mittelt würden, daß er, nach den Worten von Juozėnas, zum »Generalstab der Extremisten gehört, der junge Priester ins Feuer schickt und selbst unan­getastet bleibt.« Juozas behauptete, daß einige -zig Priester die Protest­schreiben nur aus Angst unterschreiben, das Auslandsradio könnte sie für »rot« erklären; nachher aber bitten sie ihn, Juozėnas, um Vergebung wegen ihrer Unterschriften. Wegen der Festnahme des Priesters A. Svarinskas »ha­ben sich viele Priester sogar bedankt und gesagt, daß man es schon früher hätte so machen sollen«. Der Stellvertreter des Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten sagte, daß er nicht zweifle, daß der Stoff dieses Gesprächs den Vatikan erreichen werde, doch würden sich die Atheisten nicht fürchten, auch in Zukunft das zu tun, was sie bis jetzt getan hätten. »Es ist schade, daß jetzt nicht die Zeiten Stalins sind, du hättest schon längst 25 Jahre verdient. Wenn du dich auch weiter so benimmst, dann wird die Sache die Kompetenz der Behörde von P. Anilionis überstreigen und sie wird dem Staatsanwalt übergeben, dann werden wir dich ohne Vorwarnung ver­haften, und das wird der Kirche nichts Gutes bringen. Was hat die Aktivität des Priesters A. Svarinskas und des Priesters S. Tamkevičius den Gläubigen schon gegeben? Sind deswegen die Gläubigen zahlreicher geworden?«, ver­suchte Juozėnas den Nutzen der Anpassung an die Gottlosenregierung zu beweisen.

Am Schluß versprach der Stellvertreter Juozėnas, den Bischof von Kaišia­dorys, S. Exz. Vincentas Sladkevičius, über dieses Gespräch zu unterrichten.

Priester R. Puzonas machte bei einer Predigt seine Pfarrgemeinde mit den Forderungen und Drohungen der Gottlosen bekannt und erinnerte sie daran, wie mutig die Einwohner von Kiaukliai vor hundert Jahren ihre Kirche vor den Kosaken des Zaren beschützt haben; er forderte die Leute auf, ihrer Ahnen würdig zu bleiben.

Santaika (Rayon Alytus)

Ende des Jahres 1984 wandte sich der Pfarrer der Pfarrei Santaika, Priester Vladas Babonas, an das Exekutivkomitee von Alytus mit der Bitte um Er­laubnis, die Holzumzäunung des Kirchhofes gegen eine aus Metall austau­schen und den Glockenturm neu errichten zu dürfen, denn der alte sei schon verfault und die Glocke könnte herunterstürzen und Menschen verletzen oder sogar tödlich treffen. Da er bis Ende Februar 1985 keine Antwort er­halten hatte, wandte sich der Pfarrer wiederum an den Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees, Makštutis, mit der Bitte um Er­laubnis, mit den Reparaturarbeiten anfangen zu dürfen. Der Stellvertreter erklärte ihm, daß dem Ersuchen mit Sicherheit entsprochen werde, deswegen könne man auch jetzt schon mit den Arbeiten beginnen; nach der nächsten Sitzung des Exekutivkomitees werde er die Erlaubnis zuschicken.

Nachdem das Gebälk des Glockenturmes schon errichtet war und mit Bret­tern beschlagen werden sollte, kamen der Rayoninspektor L. Alekserūnas, der Amtsbezirksvorsitzende von Kriokialaukis, J. Tamulynas, und der In­genieur G. Rinkevičius am 26. März auf den Kirchhof, erstellten ein Proto­koll und befahlen gleichzeitig, die Arbeit abzubrechen. Eine Wand der Kirche war aufgerissen, deswegen war es unmöglich, die Arbeit abzubrechen. Am 8. April wurde Priester V. Babonas in die Rayonverwaltung vorgeladen, wo ihn der Vorsitzende des Exekutivkomitees wiederholt aufforderte, die Ar­beiten abzubrechen. »Warum ist dann eine mündliche Erlaubnis erteilt wor­den? Vielleicht nur dazu, damit man nachher vorgeladen, ausgeschimpft und terrorisiert werden kann?« fragte der Pfarrer den Vorsitzenden. Der Vor­sitzende gab auf die Frage keine konkrete Antwort und befahl nur, auf eine spätere Mitteilung zu warten. Am 10. April kam dann die schon genannte Kommission wieder in die Kirche von Santaika, stellte wieder eine Akte zusammen mit dem Vermerk, daß Priester V. Babonas für den Glockenturm der Kirche ohne Erlaubnis ein Gebälk errichtet und es mit Brettern beschla­gen habe; außerdem wiesen sie in der Akte darauf hin, daß der Glockenturm bis zum 24. April abgerissen werden müsse. Am 15. April bestrafte eine beim Rayonexekutivkomitee eingerichtete Administrativkommission Pfarrer V. Babonas wegen Übertretung der Baubestimmungen mit einer Straße von 30 Rubeln.

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An das Rayonexekutivkomitee von Alytus Protokoll

der Versammlung des Kirchenkomitees der Pfarrei Santaika vom 19. Mai 1985

 

Abschriften: An die Diözesen verwaltenden Bischöfe an den Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten

Wir alle, das Exekutivkomitee der Pfarrei Santaika, die Revisionskommis­sion und die Mitglieder des Zwanzigerrates haben als Punkte der Tagesord­nung die Anschuldigungen behandelt, die die Stellvertreterin des Vorsitzen­den des Exekutivkomitees von Alytus, Laukiene, am 29. April 1985 im Bei­sein des Amtsbezirksvorsitzenden von Kriokialauskis, Tamulynas, gegen den Pfarrer der Pfarrei Santaika, Priester Vladas Babonas, erhoben hat. Es waren folgende Anschuldigungen:

1.     Der Pfarrer, Priester V. Babonas, soll die Frühjahrsarbeiten auf dem Kolchos zunichte gemacht haben, indem er eine Mithilfeaktion für die Ar­beiten an der Kirche gestartet habe;

2.     Er habe die kommunistische sonnabendliche Mithilfeaktion durchkreuzt, denn er habe die Leute gezwungen, nicht dort zu arbeiten, wo sie hinge­schickt wurden;

3.     Er habe die gesellschaftlichen Veranstaltungen der Schule zum Zusam­menbruch gebracht, indem er die Schüler gezwungen habe, an der Kirche zu arbeiten; der vorgesehene Sportwettbewerb habe deswegen nicht stattfinden können;

4.     Er habe durch eigenmächtigen Anschluß an den elektrischen Strom am Schulgebäude das Leben der Schüler gefährdet;

5.     Er habe in der Produktionsleitung des Kolchoses Willkür getrieben, habe eigenmächtig die Fahrtpapiere ausgefüllt, ein Auto genommen und sei nach Kaunas gefahren, um den Zaun zu holen. Er habe nicht bei den zuständigen Personen um das Auto nachgesucht;

6.     Er habe den Vytautas Smaidziünas gezwungen, an der Kirche zu arbeiten. Deswegen seien die Schweineställe ungereinigt geblieben.

Nach der Behandlung der erhobenen Fragen und Anschuldigungen geben wir zur Antwort:

1.     Die arbeitsfähigen Männer haben an der Kirche erst nach der Arbeitszeit gearbeitet; außerdem fanden die Renovierungsarbeiten an der Kirche statt, als noch keine Früh Jahrsarbeiten auf dem Kolchos im Gange waren. Des­wegen konnte er sie gar nicht zunichte machen;

2.     Am Tag der kommunistischen Mithilfeaktionen hat der Pfarrer geraten, das zum Wegfahren bestimmte Erdreich nicht irgendwo weit auf die Felder hinauszufahren, wie es vorgesehen war, sondern es gleich in eine Niederung neben dem Kirchhof zu kippen. Die Mithilfeaktion konnte also dadurch nicht durchkreuzt werden, sondern nur noch glatter vor sich gehen;

3.     Bei den Renovierungsarbeiten an der Kirche haben keine Kinder gear­beitet, und nur einige von ihnen sind mit ihren Müttern gekommen, um Abfälle aufzulesen;

4.     Der elektrische Strom ist nicht am Schulgebäude, sondern an einer Stütze, und zwar von einem Spezialisten, ohne Verletzung der Sicherheitsbestim­mungen angeschlossen worden, deswegen konnte es keine Gefährdung des Lebens geben;

5.     Allen ist bekannt, daß nur eine bestimmte Person die Fahrtpapiere aus­stellt. Zu bestimmen, wer das Recht hat, ein Auto freizustellen, ist nicht Pflicht des Pfarrers;

6.     Der Pfarrer hat keinerlei Möglichkeit, jemanden zum Arbeiten oder Nichtarbeiten zu zwingen, schon gar nicht den V. Smaidziünas.

Die gegen den Pfarrer erhobenen Beschuldigungen sind also verleumderi­schen Charakters und müssen als solche widerrufen und die Verleumder bestraft werden. Wir bitten Sie, das Pfarrkomitee der Pfarrei Santaika dar­über zu informieren.

Sudeikiai (Rayon Utena)

Auf dem Kirchhof der Kirche von Sudeikiai liegt der ehemalige Pfarrer der Pfarrei, der Dichter und Priester Šnapštys-Margalis (1877 — 1921) beerdigt. Durch die lange Zeit ist sein Grabmonument zerfallen. Der jetzige Pfarrer, Priester Povilas Juozėnas, und die Gläubigen sorgten mit Unterstützung des Dekans von Utena, Priester Jonas Pranevičius, für ein neues Grabmonu­ment. Das Grab des Priesters J. Šnapštys ist in der Liste der Kulturdenk­mäler eingetragen. Die Gläubigen wandten sich an das Ministerium für Kultur und erhielten eine Zustimmung zur Errichtung eines neuen Grab­denkmals. Es wurde eine schöne litauische Säulenkapelle mit entsprechenden Inschriften geschnitzt, das Rayonexekutivkomitee erlaubte aber nicht, sie auf dem Grab des Priesters aufzustellen. Die Verwaltung selbst stellte ein scha­blonenmäßiges Grabmal auf, auf dem geschrieben steht: »Dichter J. Snap-stys-Margalis«. Die Gottlosen erlauben nicht, auf den Gräbern der verstor­benen Priester, die durch ihre kulturelle Tätigkeit bekannt wurden, Kreuze aufzustellen und darauf zu schreiben, daß hier ein Priester beerdigt liegt. Die Säulenkapelle der Gläubigen wurde an einer anderen Stelle des Kirch­hofs aufgestellt.

Daugailiai (Rayon Utena)

In diesem Sommer haben beim Ortspfarrer, Priester Petras Baltuška, die Kinder seiner Schwester ihre Ferien verbracht. Das fröhliche Geschrei der Kinder auf dem Kirchhof gefiel den örtlichen Gottlosen nicht. Auf Anord­nung des Rayonexekutivkomitees befahlen die Beamten der Kinderabteilung und der Ortsbevollmächtigte der Miliz dem Pfarrer, die Kinder wegzuschaf­fen, obwohl es seine nahen Verwandten sind.

Meškuičiai (Rayon Šiauliai)

Am 2. Mai 1985 versammelten sich auf dem Berg der Kreuze die Freunde der Eucharistie aus allen Ecken Litauens, wo sie bei leichtem Nieselregen und unter scharfer Beobachtung des Sicherheitsdienstes dieses Eckchen der Sinnbilder des Kreuzes Christi verschönerten. Nach getaner Arbeit versam­melten sich alle Helfer unter der Statue der Mutter Gottes zu gemeinsamem Gebet. Mit tränenvollen Augen schauten die Gläubigen zu der Abbildung der Mutter Gottes hinauf. .. Der Kopf Mariens war von Missetätern abge­schlagen gewesen, ist aber von guten Menschen wieder befestigt worden; der Statue fehlt ein Arm, sie ist also stark beschädigt. Nach dem Gebet hielt Priester L. Kalinauskas eine dazu passende Predigt. Er bedankte sich bei allen für ihre Arbeit und Opferbereitschaft. Priester K. Daknevičius er­innerte alle an die inhaftierten Priester A. Svarinskas, S. Tamkevičius, J. K. Matulionis und an die Laien, die nicht vor Leiden zurückgeschreckt sind und eine schwere Last auf sich genommen haben. Er forderte alle auf, durch ein persönliches, mit Liebe angenommenes Opfer die Inhaftierten und alle Leidenden zu unterstützen. Bevor das Rosenkranzgebet begonnen wurde, erinnerte Priester A. Jokubauskas an den Sinn der Worte Christi vom Kreuze. Nach dem Rosenkranzgebet wurde das Lied »Maria, Maria« gesungen. Zum Schluß segnete der Pfarrer der Pfarrei Žarėnai, Priester A. Pakamanis, alle Teilnehmer dieser Hilfsaktion und erinnerte sie daran, wie wichtig es ist, geduldig und mit Liebe die alltägliche Last der eigenen Verpflichtungen zu tragen, vor Verfolgungen sich nicht zu fürchten, für die Verfolger zu beten, konkret auch für jene, die vor kurzem den Berg der Kreuze geschändet haben.

Es verbreiten sich Gerüchte, daß die Regierungsgottlosen wieder dazu rüsten, den schon so oft verwüsteten Berg der Kreuze zu zerstören. Zur Zeit wird in das Flüßchen, das am Berg der Kreuze vorbeifließt, aus einer Schuhfabrik in Šiauliai stinkendes Wasser abgelassen.

Žemaičių Kalvarija (Rayon Plungė)

Während der großen Ablaßfeier dieses Jahres haben die Regierungsbeamten mitten in der Woche die Mitglieder des Pfarrkomitees vorgeladen und ihnen gedroht, daß sie wegen der Verletzung der sowjetischen Gesetze während der Ablaßfeiertage zur Verantwortung gezogen würden. Den Gottlosen mißfiel besonders, daß bei der Prozession zu den Kreuzwegstationen Kinder die Fahnen und den Traghimmel tragen.

Gerade zu derselben Zeit verteilten die sowjetischen Beamten an die in die UdSSR kommenden Touristen kleine Bücher, in denen als Beweis der Reli­gionsfreiheit eine Aufnahme abgedruckt war, in der Kinder und Jugend­liche in der Prozession der Ablaßfeierlichkeiten von Žemaičiu Kalvarija zu sehen waren, die das Kreuz und die Fahnen trugen.

Am 6. Juli 1985 haben an den Ablaßfeierlichkeiten in Žemaičių Kalvarija Massen von Menschen, darunter auch viele Jugendliche teilgenommen. Die Sicherheitsbeamten beobachteten die Menschen beim Begehen der Kreuz­wegstationen. Als der Einwohner von Telšiai, Stanislovas Baškys, zu foto­grafieren begann, stürzten sechs KGB-Beamte auf ihn zu, nahmen ihm die Kamera ab und führten den Jugendlichen zu einem Auto. Die Sicherheits­beamten wurden noch wütender, als sie die Kamera leer gefunden haben. S. Baškys wurde ausgefragt, wem die Kamera gehöre, woher er die in Kelmė lebende Regina Teresiūtė kenne und was er mit Rita Bubliauskaitė aus Telšiai gesprochen habe. S. Baškys wurden von den Tschekisten etwa eine Stunde lang festgehalten.

Žalioji (Rayon Vilkaviškis)

Anfang April 1985 hatte der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayonexe­kutivkomitees, Juozas Urbonas, den Dekan von Vilkaviškis, Priester Vytautas Vaitauskas, vorgeladen und von ihm dringend verlangt, daß er dem Pfarrer der Pfarrei Didvyžiai, Priester Antanas Lukcšaitis, verbieten solle, auf dem

Friedhof von Žalioji religiöse Handlungen vorzunehmen. Nach der Weg­nahme und Umfunktionierung ihrer Kirche in eine Mühle beten die Gläu­bigen der Pfarrei Žalioji auf dem Friedhof.

Am 2. Mai beobachtete Urbonas die auf dem Friedhof von Žalioji betenden Gläubigen selber. Er rief Priester Lukošaitis zu sich und verlangte, den Got­tesdienst zu unterbrechen. Die versammelten Gläubigen waren von einer solch groben Einmischung der Regierung in die Gottesdienstordnung sicht­lich verärgert. Um ein Gespräch mit den Gläubigen zu vermeiden, entfernte sich Urbonas eilig vom Friedhof.

Am 27. Mai 1985 kam Urbonas in das Pfarrhaus der Pfarrei Alksnėnai, in dem Priester A. Lukošaitis wohnt. Da er den Pfarrer nicht zu Hause an­traf, teilte er der Kirchenreinigerin mit, daß der Pfarrer am 18. Mai in der Rayonverwaltung vorstellig sein soll. Am nächsten Tag kam Urbonas wieder nach Alksnėnai und las dem Pfarrer, Priester Lukošaitis, eine Ermahnung wegen des Feierns der Gottesdienste auf dem Friedhof von Žalioji vor und verlangte von ihm, sie zu unterschreiben. Der Pfarrer verweigerte die Unter­schrift.

Am 11. Juni fuhr eine Gläubigendelegation der Pfarrei Žalioji zu dem Stell­vertreter des Rayonvorsitzenden J. Urbonas. Dieser zeigte den Leuten ver­schiedene Verbotsschreiben, las sie selbst vor und erklärte sie. Das Abhalten der Gottesdienste betrachtet der Stellvertreter als Verletzung der Gesetze und versuchte, sie gefühlsmäßig anzusprechen, indem er ihnen sagte, daß sie durch solches Verhalten den Priester ins Gefänignis bringen würden.

Am 14. Juni fuhren Ona Murauskiene und Alfonsas Kalvaitis zu dem Stell­vertreter Urbonas, um dem Pfarrer die Erlaubnis zu erbitten, am 15. Juni (Jahrestag des Todes der Familienangehörigen) auf dem Friedhof die hl. Messe feiern zu dürfen. Das Gesuch wurde zurückgewiesen mit der Dro­hung, wenn der Gottesdienst ohne Erlaubnis stattfinden werde, werde der Priester dem Staatsanwalt übergeben.

Anfang August schickten die Gläubigen eine Erklärung an den Rayonpartei­sekretär, unter der etwa 50 Personen unterschrieben haben. Darin fordern sie für ihren Priester die Erlaubnis, am 18. August auf dem Friedhof von Žalioji die hl. Messe feiern zu dürfen. Die Erklärung wurde zur Bearbeitung dem Amtsbezirksvorsitzenden von Klausučiai, Adomas Gudynas zugeleitet, der das Ersuchen befriedigte.

Am 21. August fuhren Elena Lapinskienė und Kazimiera Bubnaitienė in Vertretung der Gläubigen der Pfarrei zum Rat für Religionsangelegenheiten nach Vilnius. Der Stellvertreter des Bevollmächtigten des Rates für Reli­gionsangelegenheiten hörte die Forderungen der Gläubigen an und erklärte, daß es die Pfarrei Žalioji nicht gibt, denn sie sei aufgelöst, und das alles sei in Vereinbarung mit den Bischöfen geschehen. Gottesdienst für die Verstor­benen dürfen die Priester nur am 1. November abhalten, und wenn sie an einem anderen Tag auf dem Friedhof die Messe feiern, könnten sie auf der Stelle verhaftet werden.

E. Lapinskienė wurde am 2. September zum Stellvertreter des Rayonvor­sitzenden J. Urbonas vorgeladen, der die Frau wegen des Schreibens der Erklärungen an die Behörde des Rates für Religionsangelegenheiten aus­schimpfte. Er wollte wissen, wer die Erklärung geschrieben habe und ärgerte sich darüber, daß der Amtsbezirksvorsitzende A. Gudynas dem Priester erlaubt hatte, am 18. August die hl. Messe zu feiern. Gegen Ende des Gesprächs traute sich Urbonas aber zu behaupten, daß die Bischöfe die Pfarrei Žalioji aufgelöst hätten.

In der letzten Zeit beten die Gläubigen von Žalioji immer noch auf dem Friedhof. In dem Kapellchen am Friedhof legen sie die liturgischen Meßge­wänder auf den errichteten kleinen Altar, lesen die Gebete und singen die Meßlieder.

Sasnava (Rayon Kapsukas)

Im April 1985 schickte Petras Gražulis, wohnhaft im Dorf Sasnava, an den Staatsanwalt der LSSR eine Erklärung folgenden Inhalts: (Den Anfang der Ereignisse kann man in der »Chronik der LKK« Nr. 66 nachlesen.)

»Wie ich schon in meiner ersten Erklärung, die ich am 28. März 1985 ab­geschickt habe, schilderte, hat mich in der Černiachovskio gatvė, in der Stadt Šakiai, beim Fahren mit dem Auto BA 3 21-06, amtliches Kennzeichen Nr. 77 - 05, der Mitarbeiter der staatlichen Verkehrspolizeit des Rayons Šakiai, Kęstutis Astrauskas, angehalten. Wegen bei ihm entstandenen Unklarheiten befahl er mir, hinter ihm mit in die Milizabteilung zu fahren. Der Beifahrer Vitas Kačergis, der mit mir im Auto fuhr, bat mich, ihn aussteigen zu las­sen. Ich habe angehalten, er stieg aus und ging weiter. Der schon genannte Polizist begann den jungen Mann zu verfolgen. Vitas Kačergis erschrak und begann zu rennen. Ein Feuerwehrautofahrer des Rayons Sakiai hat ihn angehalten. Kęstutis Astrauskas rannte zu ihm hin, schlug ihm ins Genick und brachte ihn zusammen mit dem Feuerwehrautofahrer V. Kačergis zu den Autos. Es hielt ein Spezialauto »Viliukas«, das gerade des Weges kam an und setzt uns beide und noch zwei Männer zu unseren Seiten hinein. Einer von ihnen war derselbe Feuerwehrautofahrer, der den jungen Mann ange­halten hatte, der andere war ein Soldat, der in dem Auto gefahren ist. Mein Auto blieb unabgesperrt und ohne Aufsicht auf der Straße stehen. Der Polizist befahl dem Fahrer des Spezialautos »Viliukas«, hinter ihm zu fah­ren und den neben uns sitzenden Männern, uns zu bewachen. Sie brachten uns in die Milizabteilung. Nach etwa 15 Minuten verlangte Astrauskas die Schlüssel des von mir gefahrenen Autos. Ich gab sie ihm. Kurz darauf kam der Vorsteher der Fahndungsabteilung der Rayonkriminalpolizei von Šakiai, Jokūbaitis, herein und befahl, bei mir eine Leibesvisitation vorzunehmen. Als ich einen Durchsuchungsbefehl des Staatsanwaltes für die Leibesvisitation verlangte, sagte der Beamte: »Schon wieder ein Kenner der Gesetze! Der Staatsanwalt kommt, bleibt hier stehen, und wir werden die Leibesvisitation durchführen.« Ich antwortete darauf, daß es nicht genügt, hier zu stehen, sondern daß man dazu eine schriftliche Erlaubnis braucht. Major Jokūbaitis ging zu dem Rayonstaatsanwalt von Šakiai, Vidmantas Diržius, um einen Durchsuchungsbefehl zu holen. Der Staatsanwalt gab ihm aber anstelle eines Durchsuchungsbefehls ein Strafgesetzbuch mit und sagte ihm, er soll mir den § 195 vorlesen, auf Grund dessen ein Durchsuchungsbefehl nicht notwendig sei. Nach dem Durchlesen habe ich begriffen, daß dieser Para­graph auf den Artikeln 188 und 192 basiert und daß im Teil 3 des Artikels 188 der Kommentar fünf Ausnahmen nennt, bei denen, um eine Durchsu­chung vorzunehmen, kein Durchsuchungsbefehl benötigt wird. In diesem Falle gelten aber die Ausnahmen nicht, deswegen war ich auf Grund des Artikels 188 nicht einverstanden, die Durchsuchung ohne Durchsuchungs­befehl durchführen zu lassen, den er, da er gleich hier in der Nähe war, mit Leichtigkeit hätte ausstellen können.

Ungeachtet meiner Forderungen hat der Vorsteher der Fahndundsabteilung der Kriminalpolizei im Beisein der Zeugen Gudaitis Algimantas und Mani-sevičius Algis die Durchsuchung durchgeführt. Da er bei der Durchsuchung nichts gefunden hat, protokollierte er sie nicht. Deswegen richte ich an Sie, den Staatsanwalt der LSSR eine Beschwerde, die auch die genannten Zeugen unterschrieben haben. Später wurde im Beisein derselben Zeugen auch in dem von mir gesteuerten Auto eine Durchsuchung gemacht. Dort haben sie zwei Brecheisen und einen Teil der Literatur mitgenommen. Das Durch­suchungsprotokoll unterschrieb ich nicht mit folgender Begründung:

1.     Als sie uns in die Milizabteilung fuhren, blieb das von mir gesteuerte Auto unverschlossen und unbeaufsichtigt auf der Straße stehen. Der Inspek­teur Astrauskas hat die Autoschlüssel von mir genommen, als ich schon in der Abteilung war; das Auto stand also mehr als eine halbe Stunde auf der Straße.

2.     Ich habe erst nach zweieinhalb Stunden das Auto auf der Straße neben der Milizabteilung, d. h. erst nach der Durchsuchung gesichtet, die etwa gegen 13 Uhr stattfand.

3.     Als sie anfingen, das Auto zu duchsuchen, herrschte im Inneren des Autos eine Unordnung: Unter den Sitzen waren Putzlappen und andere Sachen herausgezogen. Wer im Auto gewirtschaftet hat, weiß ich nicht.

4. Da das Auto und die Sachen, die darin waren, nicht mir gehören, konnte ich nicht durch meine Unterschrift bezeugen, daß diese Sachen dem Fahr­zeughalter gehören, oder daß sie möglicherweise jemand in der verstrichenen Zeit von zweieinhalb Stunden dorthin legte, um mich zu provozieren und mich zu beschuldigen.

Ich habe ebenfalls erklärt, daß man in der Zeit, wo ich nicht im Auto an­wesend war, etwas in das Auto hineinlegen konnte. Ich könnte nur die Rich­tigkeit der aus dem Auto herausgenommenen Sachen bestätigen; daß sie aber mir bzw. dem Halter des Fahrzeugs gehören, könnte ich nur dann be­zeugen, wenn sie mich bis zu meiner Durchsuchung für keine einzige Minute aus dem Auto entfernt hätten. Die Beamten schrien: »Phantasiere nicht, hier arbeiten gewissenhafte Beamte!« Ich habe aber geantwortet, daß ich mich nicht auf ihre Gewissenhaftigkeit verlasse, weil sie sich nicht an die Gesetze halten. Gerade jetzt, wo sie sicherlich bewußt solche Fehler gemacht hätten, hätten sie mich gezwungen, an ihrer Gewissenhaftigkeit zu zweifeln. Ich sagte: »Ihr wart überzeugt, daß ich die Gesetze nicht kenne, und habt deswegen ungeniert Willkür getrieben. Ich glaube nicht, daß ihr die Gesetze nicht kennt. Mit der Absicht, mich durch die Nichteinhaltung der Gesetze hereinzulegen, habt ihr euch selber hereingelegt.«

Als sie das Auto durchsucht hatten, führten sie uns wieder in die Milizab­teilung zurück. Anschließend verhörten sie andauernd entweder mich oder Kačergis.

Während des Verhörs fragten sie mich, wo ich wohne, wo ich arbeite. Ich beantwortete die Fragen, damit sie meine Personalien feststellen konnten. Gleichzeitig habe ich erklärt, daß ich kein Vergehen begangen habe und auch nicht beabsichtige, eines zu begehen. Deswegen gab ich auf alle anderen Fragen, etwa wohin, mit wem und zu welchem Zweck ich unterwegs war, keine Antwort.

Ich stehe weder unter Hausarrest, noch bin ich zu freier Bauarbeit verurteilt. Nur solche Delinquenten müssen, bevor sie verreisen, eine Genehmigung einholen und in der Abteilung für innere Angelegenheiten anmelden, wohin sie fahren. Ich bin ein freier Bürger, deswegen bin ich nicht verpflichtet, mich bei der Abteilung für innere Angelegenheiten zu melden, bevor ich ins Rayon Šakiai fahre. Das Auto, das ich fuhr, ist ein privates Auto, des­wegen war auch kein Reiseblatt erforderlich. Um etwa 17 Uhr hat mich Major Jokūbaitis wieder aus der Milizabteilung, wo ich im Zimmer des Wachhabenden saß, zum Auto gerufen. Das zweite Mal wurde das Auto von zwei unbekannten Personen in Zivilkleidung etwa eine halbe Stunde lang durchsucht. Sie suchten nach irgendetwas Bestimmtem und wiederholten immer wieder: »Es müßte mehr sein.«

Der Rayonstaatsanwalt von Šakiai, Vidmantas Diržius, kam gerade des Wegs. Ich beklagte mich bei ihm, daß die Beamten der Abteilung für innere Angelegenheiten des Rayons Šakiai Willkür treiben, indem sie eine Leibes­visitation und eine Durchsuchung des Autos ohne seinen Befehl durchfüh­ren. Er antwortete mir, daß jetzt nicht einmal mehr für eine Wohnungs­durchsuchung ein Befehl erforderlich sei. Wenn sie das aber jetzt tun, dann sieht man daran, daß sie den Verdacht hegen, daß ich ein Vergehen begangen habe. Auf meine Vorwürfe, warum nach der Leibesvisitation die Durch­suchung nicht protokolliert wurde und warum bei der zweiten Durchsuchung des Autos nicht einmal Zeugen hinzugezogen wurden, gab mir der Staats­anwalt keine Antwort.

Nach der Durchführung der zweiten Autodurchsuchung haben sie von dem, was »mehr sein« müßte, nichts gefunden, deswegen haben sie die Durch­suchung wieder nicht protokolliert.

Sie haben mich auf Grund des § 146 angehalten mit dem Verdacht, ein Ver­brechen begangen zu haben. Da sie in dem Auto zwei Brecheisen gefunden haben, wurde ich der Einbrüche in Autos und Garagen verdächtigt. Während der Durchsuchung und des Verhörs wurde aber klar, daß sie die Garagen und die Brecheisen am wenigsten interessierten. Einer von ihnen, der sich Untersuchungsbeamter nannte, fügte hinzu: »Ihr brecht keine Garagen auf, ihr seid größere Verbrecher als die Räuber, Strolche und sogar als Mörder.«

»Was sind wir denn dann? Was haben wir denn getan und warum laßt ihr uns laufen, wenn wir schon so gefährlich sind?« Er schrie: »Ich weiß, wo ihr überall hingefahren seid, was ihr in Šakiai, Kudirkos Naumiestis, Gelgau­diškis, Griškabūdis und anderswo gemacht habt: Ihr habt Unterschriften für eine Erklärung gesammelt, die an den Staatsanwalt der LSSR adressiert war, mit der Bitte, die Priester aus dem Gefänignis freizulassen!« Aus diesen Worten wurde völlig klar, daß während der Durchsuchung nicht nach Spuren der Garageneinbrüche gesucht worden war, sondern nach Unterschriften und nach Erklärungen, die nach ihrer Ansicht grausamere Verbrechen seien als sogar ein Mord. Nach dieser Diskussion, Genosse Staatsanwalt, erhob sich die Frage, ob man sich überhaupt an Sie wenden soll; Sie um irgendetwas zu bitten oder sich bei Ihnen zu beklagen ist doch ein Verbrechen und sogar, wie sie sagen, ein größeres als Menschenmord! Vielleicht werde ich nach diesen zwei Erklärungen, die ich an Sie adressiert habe, mit einer strengeren Strafe belegt als die Menschenmörder? Ich bitte Sie um Ihre Antwort. Soweit ich weiß, verbietet die sowjetische Verfassung nicht einmal einem Delin­quenten, sich zu beklagen und um Gnade und Erbarmen zu bitten. Oder gibt es vielleicht neben dieser Verfassung noch eine ungeschriebene, die dies alles als grausames Vergehen betrachtet?

Sie haben mich auf Grund des § 146, d. h. wegen des Verdachts, daß ich ein Verbrechen begangen habe, angehalten, festgenommen und in die Milizab­teilung gebracht. Aber als nach zwei Tagen klar wurde, daß ich keine Ga­rage ausgeraubt und auch nicht das Verbrechen begangen habe, das schlim­mer ist als Mord, d. h. daß ich auch keine Unterschriften gesammelt habe, die an Sie, den Staatsanwalt, adressiert waren und mit denen um Freilassung der Priester Alf. Svarinskas, S. Tamkevičius, J. K. Matulionis gebeten wer­den sollte, hat mich die Miliz freigelassen.

Ich bitte Sie, Genosse Staatsanwalt, mir zu beantworten, mit welcher Be­gründung ich zur Zeit wie ein Verbrecher oder sogar noch schlimmer be­handelt werde. Am ersten Tag meiner Festnahme gab mir keiner etwas zu essen; allen Verbrechern wird aber dreimal am Tag zu essen gegeben. Nach dem ersten Tag meines Verhörs haben sie mich in einer Zelle untergebracht. Sie war kalt. Nachher führten sie mich in eine andere, eine heizbare Zelle, die voll Rauch war. Damit ich durch das Kohlenoxyd keine Vergiftung be­käme, wurde mir geraten, das kleine Fenster offen zu lassen. Der Rauch biß mir in die Augen, ich bekam Kopfschmerzen. In der Zelle kann man kaum das Tageslicht sehen. In das Fensterloch ist ein dickes Blech einge­mauert, aus dem mit einem Schweißapparat einige Teile ausgeschweißt wa­ren. Es war schwer zu unterscheiden, wann es Tag und wann es Nacht ist. Hoch über der Tür leuchtete hinter einem metallenen Gitter bräunlich eine dunkle elektrische Lampe. Etwas zu lesen, war unmöglich. Es gab keinen Stuhl, kein Bänkchen, von einem Bett oder einer Zudecke überhaupt keine Rede. Für die Toilette hatte man gleich in die Zelle einen Eimer gestellt, und ich mußte den ganzen Gestank eben ertragen.

Um die Verpflegung war ich ebenfalls nicht zu beneiden. Am Morgen gab es Brot und eine kleine Tasse Tee, zu Mittag Brot und Suppe, am Abend Suppe und Brot. In der zweiten Nacht war es zu kalt zum Liegen, denn die Zellen sind unbeheizt. Mich hat gefroren. Es gab keine Möglichkeit, um sich waschen oder rasieren zu können. Da man nicht zwei Tage lang auf den Beinen stehen kann, legte ich mich mit meinem Straßenanzug auf den drecki­gen Fußboden. Als sie mich freiließen, waren meine Kleider zerknittert und dreckig. Bis nach Hause mußte ich 60 km mit dem Omnibus fahren. Wo sollte ich hin? Ich habe mich geschämt, so unter die Menschen zu gehen und fürchtete nur, daß mich jemand erkennt. Wo soll man hin? So sieht ein so­wjetischer Bürger aus, der nach zwei vollen Tagen die Abteilung für innere Angelegenheiten verläßt! Wer wird diese moralische und materielle Krän­kung wieder gutmachen?

Ohne eine Akte aufzustellen und ohne es zu versiegeln, haben sie das Auto, als sie mich eingesperrt hatten, abgestellt und mit meinen Sachen nahmen sie auch den Autoschlüssel mit. Als sie mich nach zwei Tagen herausgelassen hatten, weigerte ich mich, das Auto abzunehmen, denn es gehörte mir nicht, und was von dem Inhalt dem Autoeigentümer gehörte, wußte ich nicht. Ich hatte also Angst,- daß mich der Eigentümer beschuldigen könnte, wenn etwas fehlt.«

Josvainiai (Rayon Kėdainiai)

Am 23. Juni 1985 versammelte sich am Ufer des Flusses Šušvė in der Nähe von Josvainiai eine Schar gläubiger Jugendlicher, um dort nach alten Volks­sitten die Johannisfeuer zu begehen, um zu tanzen und zu singen. Auch Er­wachsene waren darunter. Während die Teilnehmer der Feierlichkeiten sich versammelten, kamen ein Oberleutnant der Miliz, zwei Gefolgsmänner und eine Zivilperson. Letztere zeigte einen Ausweis des Inspektors für Natur­schutz des Rayons Kėdainiai, ausgestellt auf den Namen Mykolas Armana-vičius, und erklärte, daß die Ufer des Flusses Šušvė unter Landschaftsschutz stehen, in denen es verboten sei, Scheiterhaufen zu verbrennen und mit Autos zu befahren. Die Eltern der örtlichen Kinder zuckten vor Staunen nur mit den Schultern, denn von solchen Verboten hörten sie zum ersten Mal. Die Jugendlichen machten den Inspektor darauf aufmerksam, daß sie gerade die ganze Umgebung sauber gemacht hätten, denn als sie gekommen seien, hätten sie schwarze Feuerstellen und einen Haufen verschiedenster Schnaps-flaschen gefunden. »Wo ist der Naturschutz vorher gewesen?! Sagen Sie doch gleich, daß Sie der Sicherheitsdienst hergeschickt hat«, meinten die Leute, die sich nicht für dumm verkaufen lassen wollten. Der Pfriem stach erst dann aus dem Sack, als sich nach der Uberprüfung der Dokumente der Kraft­fahrer herausstellte, daß ein Priester dabei ist: der Pfarrer der Pfarrei Kiaukliai, Priester Rokas Puzonas. Einer der Milizmänner begann aufgeregt zu erklären, daß ein Priester kein Recht habe, Kinder herumzukutschieren. Die Beamten fingen an, mit Strafen und Arrest zu drohen. Es wurde klar, daß es jetzt damit aus sei, nach der Farnblüte zu suchen und sich an die alten Bräuche zu erinnern. Die Leute entfernten sich aus dem von den Be­amten sogenannten Landschaftsschutzgebiet, auf dessen Existenz kein Warn­schild oder eine Hinweistafel hindeutet, und redeten miteinander über die so großen Rechte der Christen in Litauen.

Kelmė

Am 19. Juli 1985 kam ein Milizmann in das Haus von Regina Teresiūtė, wohnhaft in Kelmė, Laisvės 11. Da er das Mädchen nicht zu Hause antraf, schüchterte der Milizmann ihre Mutter ein und sagte, er werde ihre Tochter verhaften, denn sie sei eine, die sich mit antisowjetischer Tätigkeit beschäf­tige, keine staatliche Arbeit verrichte und schmarotze. (R. Teresiūtė ist als Organistin der Pfarrei Žalpiai beschäftigt.) Die Mutter antwortete, daß ihre

Tochter arbeite und sich nicht mit derlei Tätigkeiten beschäftige. Einige Tage später schüchterte derselbe Beamte noch einige Male die Eltern des Mäd­chens ein. Innerhalb von zwei Wochen wurden etwa 15 Einwohner von Žalpiai und beinahe alle Nachbarn von Fr. Teresiūtė vernommen. Die Be­amten bemühten sich, wie sie nur konnten, die Leute gegen Regina aufzu­hetzen, mit der Behauptung, daß sie die Jugend schädige, Nachrichten ins Ausland übergebe, nirgends arbeite und antisowjetische Tätigkeiten betreibe.

Laugaliai (Rayon Klaipėda)

Die Bürgerinnen von Vilnius, Genovaitė Šakalienė und Eleonora Sasnaus­kienė, haben am 13. September 1985 gemeinsam mit Regina Teresiūtė, die in Kelmė wohnt, den ehemaligen Gefangenen Justas Gimbutas (der über 30 Jahre in Lagern in Sibirien verbracht hat) besuchen wollen. In dem Inva­lidenheim von Laugaliai, in dem J. Gimbutas zur Zeit untergebracht ist, fiel eine Frau, die sich als Stellvertreterin des Direktors dieser Einrichtung be­zeichnete, die Besucherinnen an. Ohne eine Bescheinigung ihrer Person oder ihres Amtes vorzulegen, verlangte die Unbekannte die Namen der Besuche­rinnen. Als diese beim Vorzeigen der Ausweispapiere keine Eile zeigten und erklärten, daß sie nichts verbrochen hätten, begann die Stellvertreterin zu schreien, sie habe eine Aufnahme von R. Teresiūtė gesehen und wisse, daß sie eine unerwünschte Person sei. Unterwegs zur Omnibusstation wurden die Besucherinnen von einem Spezialauto »Vijukas« eingeholt, aus dem ein Mann heraussprang, seine Papiere vorzeigte, die auf den Namen des Bedien­steten der Abteilung für innere Angelegenheiten von Klaipėda, Vytautas Šiaulys, ausgestellt waren, und verlangte, die Papiere vorzuzeigen, andern­falls werde er sie alle in die Abteilung für innere Angelegenheiten bringen, um ihre Personalien festzustellen. Als R. Teresiūtė ihren Personalausweis gezeigt hatte, ließ er alle drei frei. Nach Erfüllung seiner Dienstpflicht fuhr der Bedienstete der Abteilung für innere Angelegenheiten V. Šiaulys wieder ab.

Alytus

Unterwegs zwischen Alytus und Seirijai stand neben der Straße ein vor etwa 10 Jahren von den Freunden der Eucharistie errichtetes Kreuz. In diesem Jahr wurde anläßlich der Vorbereitungen für den 40. Gedenktag des Sieges über Hitler-Deutschland und in Erwartung von Gästen aus Frank­reich, nämlich der Veteranen des Fliegergeschwaders Normandie - Nemunas, die aus diesem Anlaß kommen sollten, die Umgebung dieser Straße gerich­tet. Die Bediensteten der Regierung nahmen Anstoß an dem neben der Straße stehenden Kreuz. Auf Befehl der Regierungsgottlosen wurde es am 4. Mai vernichtet.