Am 5. Februar 1986 kam bei einem Autounfall der Pfarrer der Pfarrei Rudamina, einer der Gründer des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen, Priester Juozapas Zdebskis ums Leben.

Am 10. Februar teilte die staatliche Autoinspektion Litauens in der Fern­sehsendung »Keliai, Mašinos, Žmonės« (Straßen, Autos, Menschen) mit, daß auf der Straße zwischen Varena und Eišiškės bei der Kreuzung von Val­kininkai das Auto der Marke Žiguli, das J. Zdebskis gehörte und von A. Sabaliauskas gefahren wurde, auf die linke Straßenseite geraten und mit einem entgegenkommenden Milchwagen zusammengestoßen sei. Bei dem Unfall seien drei Insassen des Žiguli ums Leben gekommen und der vierte, R. Žemaitis, sei dabei verletzt worden. Die Ursache des Unfalls werde noch untersucht.

Als Information für das Ausland brachte die Nachrichtenagentur TASS eine andere Version des Unfalls: Das Auto »Žiguli«, das J. Zdebskis gehörte, gefahren von A. Sabaliauskas, habe ein anderes Auto überholen wollen, sei auf die linke Seite der Straße hinausgefahren und dabei mit dem entgegen­kommenden Milchwagen zusammengestoßen. Bei dem Unfall seien J. Zdebs­kis, der Lenker des Autos, A. Sabaliauskas und eine Mitfahrerin, deren Name nicht veröffentlicht wird, tödlich verletzt und R. Žemaitis in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Der Fahrer des Milchwagens sei nur leicht verletzt und ebenfalls in ein Krankenhaus eingeliefert worden.

In keinem Fall wurde der Name des Milchwagenfahrers erwähnt. TASS gab überhaupt keinerlei Information über den Fahrer und die möglichen Insassen des Autos, das den 2iguli von J. Zdebskis, der von A. Sabaliauskas gefahren wurde, zu überholen versuchte. TASS gab auch die amtliche Zulassungs­nummer dieses Autos nicht bekannt, wobei gerade dieses Auto der Verur­sacher dieses Unfalls war und der Fahrer selbst ein Zeuge des Geschehens sein könnte.

Das Hinunterstoßen des Priester B. Laurinavičius unter die Räder eines Lastautos, die sadistische Ermordung der Priester L. Šapoka und Mažeika, die Liquidierung der Helsinkigruppe Litauens, die Anstrengungen, um jeden Preis das Komitee der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen zu vernichten, die andauernden Exzesse des Staatssicherheitsdienstes gegen Priester J. Zdebskis erlauben die Unterstellung, daß dieser Autounfall kein Zufall, sondern eine sorgfältig vorbereitete und ausgeführte Gewalttätigkeit war, um so mehr deswegen, weil auch verschiedentlich verhindert wurde, die Leiche und die persönlichen Sachen des Priesters J. Zdebskis zurückzube­kommen. Das Auto des Priester J. Zdebskis wurde nach dem Unfall in die Verkehrspolizei von Šalčininkai gebracht und dort durchsucht.

An dem Tag, an dem er ums Leben kam, war das Telefon des Pfarrhauses von Rudamina abgeschaltet, und seine Nächsten erfuhren erst einen Tag später von dem Autounfall. Die Sicherheitsbeamten beobachteten alle Be­erdigungsvorgänge aufs genaueste. Die Autos des Sicherheitsdienstes ver­folgten aufdringlich jene Jugendlichen, die sich um die Beisetzung kümmer­ten. Auch als sie nach der Beerdigung schon wieder zu Hause waren, ließen sie die Sicherheitsbeamten noch lange Zeit nicht außer acht; wo sie auch hingingen, verfolgten sie die Sicherheitsagenten von früh bis spät.

Die Regierung wollte verhindern, den Verstorbenen auf dem Kirchhof der Kirche zu beerdigen; das Grab war aber schon ausgeschaufelt, und man konnte nichts mehr ändern.

R. Žemaitis, der bei dem Autounfall am Leben blieb (sämtliche Leute, die mit dem Priester zusammen gefahren sind, waren Reparaturarbeiter, die an der Kirche von Rudamina gearbeitet hatten), sagte während seines Auf­enthaltes im Krankenhaus den Nächsten des Priesters gegenüber über den Unfall manchmal sich selbst widersprechend aus. Manchmal sagte er: »Wir sind schuld daran«, dann sagte er wieder: »Ich erinnere mich an gar nichts.« Später wurden die Leute, die R. Žemaitis besuchen wollten, überhaupt nicht in das Krankenzimmer hineingelassen. »Es gibt eine Anordnung«, rechtfer­tigten sich die Ärzte und das medizinische Personal. Nach dem Verlassen des Krankenhauses schrieb R. Žemaitis in der Rayonzeitung von Prienai eine Lobrede auf die Freundschaft der sowjetischen Völker und eine Dank­sagung für die medizinische Betreuung.

Am 10. Februar 1986 um 12 Uhr versammelten sich in der Kirche von Ru­damina die Exzellenzen Bischöfe Vincentas Sladkevičius und Juozas Preikšas, um die sterblichen Überreste des Priester J. Zdebskis auf dem leztzten Weg zu begleiten. Etwa 100 Priester und eine unzählige Menge von Gläubigen, von denen die Jugend den größten Teil bildete, nahmen an dem Gottes­dienst teil. Während der Beerdigung forderte der Priester Jonas Zubrus alle auf, die Aufgaben ungeachtet der Schwierigkeiten eifrig zu erfüllen. Priester Juozas Užupis schilderte den Lebensweg des Verstorbenen. Priester Donatas Valiukonis sprach über die Aktualitäten dieser Tage und über die Proble­matik der Rechte der Gläubigen.

Am offenen Grab sprach der Dekan von Lazdijai, Priester V. Jelinskas, einige Worte: »(...) Meine Lieben, ich danke sehr Euren Exzellenzen, den priesterlichen Mitbrüdern, den Gläubigen. Ich möchte einige Worte besonders an Sie, meine Brüder im Priestergewand, richten . .. Als Testamentsvoll­zieher und Dekan des Priesters Juozas schaute ich seine Schubladen durch und fand . . . alle mit Steinchen von den Feldern Litauens gefüllt. Ich war überrascht und kniete vor seinem Schreibtisch nieder. Ich möchte Euch ganz offen sagen, daß ich zu der Zeit und auch jetzt den Gedanken nicht loswerde, daß man jeden jungen Priester hierher führen sollte, damit er sehe und sich darüber freue, wieviel »Geld und Reichtümer« ein wahrer Priester besitzt. Ich habe verstanden, worin die Bürde des wahren Priestertums zu sehen ist — irdische Reichtümer jedenfalls belasten ihn nicht. Wir haben an Deinem Sarge gewacht, Priester Juozas. Wir haben Tag und Nacht die heilige Kom­munion ausgeteilt. Nicht Blumen, sondern eine lebendige Anbetung hat den Altar geschmückt. Ununterbrochen hat die Jugend an Deinem Sarg Wache gehalten. Als ich einen jungen Mann fragte, der in der unheizbaren Kirche frierend betete: »Was hat dir der Verstorbene gegeben? Hat er dir vielleicht ein Auto gekauft?« antwortete er mir nach einem Seufzer mit Trä­nen in den Augen: »Er hat mir Gott gegeben!« Mein Gott, er hat dir Gott gegeben! . .. Und deswegen möchte ich jedem Priester sagen: Brüder, wir werden ernten, was wir gesät haben!«

Ein Vertreter der Jugend sprach zu den versammelten Beisetzungsteilneh­mern: Ich möchte im Namen der Jugend einige Worte sprechen. Niemand braucht sich bei uns zu bedanken, daß wir uns hier versammelt haben. Es ist für uns eine selbstverständliche Sache. Er hat uns alle, die wir uns hier eingefunden haben, schon von der Volksschule an großgezogen. Er hat uns gelehrt, uns ungetrübt und christlich zu freuen und uns litauische Lieder beigebracht. Er ist bei uns gewesen und bei unseren Feierstunden, bei unseren Lieder- und Tanzkreisen. Er ist aber auch in unserem Leiden bei uns gewesen, wenn wir um Christi oder unserer litauischen Heimat willen zum Verhör vorgeladen waren. Er war ein glühender Förderer der Freunde der Eucha­ristie. Wir hätten uns nicht hier eingefunden und stünden nicht hier, wir hätten nie den Adel vollkommener Keuschheit, die Schönheit der Enthalt­samkeit und die Treue zur Wahrheit lieben gelernt, wenn wir auf unserem Lebensweg nicht dem Priester Juozapas begegnet wären. Nicht durch die eigene, schwache menschliche Kraft, sondern durch die Kraft des allerheilig-sten Sakramentes hat er uns zu Gott und zu den Idealen der Heimat geführt. Bei unseren gemeinsamen Stunden hast Du, Priester Juozas, oft gesagt, daß alles, was Gott in unserem Leben zuläßt, aus Seiner überaus großen Liebe kommt und daß Er auch das Schlimmste zu unserem Besten wenden kann. Wir alle, jung und alt, haben uns hier versammelt und alle empfinden wir eine tiefe Wunde im Herzen. Wir könnten die Flut der Hoffnungslosigkeit in unserer Brust kaum bewältigen, wenn wir nicht immer noch Deine Worte, die Du oft sagtest, in uns vernehmen würden, nämlich, daß ein gläubiges Volk solange eine gesicherte Zukunft hat, solange es leidet und daß es stirbt, wenn es aufhört zu leiden. Mit diesem Gedanken schauen wir auf Deinen Sarg, und nur so verstehen und ertragen wir diesen schmerzlichen Verlust.

Lieber Priester Juozas, blickt man auf Deine letzte Ruhestätte, auf diesen Hügel in dem von Dir so geliebten Lande Mariens, dann fällt einem das vor kurzem erschienene Buch des litauischen Dichters Kazys Bradūnas »Nachschriften zur Chronik der Litauischen Katholischen Kirche« ein. Dort schreibt der Verfasser im Gedenken an Priester Bronius Laurinavičius, dessen Berufung auch die Deine war und im Gedenken an andere Märtyrer des litauischen Volkes:

Du, der Du unter ein Auto gestoßen,

Du, der Du in der Dunkelheit der Nacht erschlagen wurdest, Du, der Du in der Taiga verschollen bist, aber unbesiegt bleibst, bitte für uns.

Euer Blut ist wie ein Siegel auf jenem ungeschriebenen Gesetz, daß die Heiligen wieder aus dem Himmel auf die Erde zurückkehren, wo auf dem Altar der Heimat ihre Gebeine ruhen. Bittet für uns!«

Eine nicht geringere Menge von Menschen hat sich auch am 8. März in der Kirche von Rudamina versammelt, als des dreißigsten Todestages des Prie­sters J. Zdebskis gedacht wurde. Ergreifend sprach der Vikar der Pfarrei Alytus, Priester Antanas Gražulis zu den Versammelten: »Priester J. Zdebskis war ein großer Kämpfer für die Wahrheit und die Liebe .. . War es aber leicht für ihn? Oh nein. Er besaß dieselbe menschliche Natur wie wir alle. Einmal sagte er zu mir: »Du hast keine Ahnung, wie schwer es manchmal ist. .. man möchte sich dem Leben anpassen. Ich trage eine große Portion Angst in mir, aber wenn ich herzlich gebetet und eine Betrachtung über den Tod gemacht habe, dann fühle ich, wo ich stehen und in welchem Namen ich reden muß, und dann begreife ich, daß ich den Spuren Christi zu folgen habe. Auch in mir regte sich nicht selten ein Verlangen, an denen Rache zu üben, die Böses tun, aber, mein Gott, meine Knie, die sich niemals vor Müdigkeit beugen wollten, zwangen mich in solchen Fällen, unter dem Kreuz Christi hinzu­knien, damit ich mein eigenes Leiden mit dem Leiden des Erlösers vereinige, um so wieder gefaßt und entschlossen auf dem für mich bestimmten Weg zu gehen.«

Wenn wir für Priester Juozas beten, wenn wir uns in seinen Lebensweg vertiefen, dann fühlt sich jeder von uns verpflichtet, beim Verlassen dieser Kirche für sich selbst konkrete Beschlüsse zu fassen. Wir haben seine Pre­digten noch gut in Erinnerung; seine Gedanken, sein heiliges Beispiel und Leben mögen auch uns herausfordern, uns zu opfern. Wenn wir jetzt am Grabe des Priesters Juozas stehen, dann begreifen wir, daß unser Volk nicht Heuchler oder Feiglinge, sondern heilige Söhne und Töchter braucht. Wir müssen vom Priester Juozas lernen, sich in Schwierigkeiten an unseren Erlöser zu wenden und Ihn um Seine Hilfe bitten. Wir müssen von ihm lernen, die Mühsal des Alltags wie er Gott als Buße für die eigenen und fremden Sünden zu opfern. Wir müssen von ihm lernen, in Schwierigkeiten und Gefahren voller Mut unter dem Kreuz Christi zu stehen. Wir wollen nachdenken, uns besinnen und den Weg der Hingabe und des Verzichts wählen.

Der irdische Weg des Priesters Juozas Zdebskis ist zu Ende. Möge das bei dem Unfall vergossene Blut ein belebender Morgentau für das weite Brach­land der Kirche Litauens und für das Wohl der Gläubigen werden.«

»Verleihe mir, Gott, alles, was schwer ist, als verdiente Strafe für die Ver-schmähung Deiner Liebe, für die eigenen Sünden und die Sünden aller so zu ertragen, wie Du es am Kreuze ertragen hast.« (Priester J. Zdebskis).

Welch grausame Worte, unverhofft und unerwartet,

doch wahr in schmerzlicher Realität:

Du brachtest gestern noch dem Herrn dar dein Opfer,

und heut knien wir betend vor deinem Grabe.

Damit er nicht sinnlos gehe dahin,

kann keiner der Menschen, der lebt auf der Welt

nur dastehn als ferner Betrachter.

Durch rühriges Schaffen beherrsch er die Welt,

mit Tropfen des Schweißes benetz er sein Brot

und mach sich bereit, Geglücktes und auch Frohes,

Schmerz auch und eben auch das Leid

als Geschenk Gottes mit Freuden zu empfangen.

Und so spricht er, der Allerhöchste:

Wenn dich dein irdischer Bruder,

verzweifelt, vom Weg abgekommen,

um Hilfe ruft, so eile ihm zu helfen!

Wo Hilfe nötig war, da eiltest du dorthin,

wo drohte Gefahr dem so einsamen Schäfchen,

damit du als Bonus Pastor, wieder alle

mit festem Band zusammenschließen kannst.

Ist da nicht einer, den quält die Unruh,

vielleicht ein Soldat in Gewissensnot?

Oder einem Verbannten werden die Tage zu lang?

Soll dann nicht hier die innige Liebe

heilend berühren den bohrenden Schmerz?

Vom eisigen Norden zum südlichsten Süden

hast du dich selbst mit offenem Herzen

mit schützender Hand gegeben als Opfer,

denn unauslöslich eingetragen, eingewoben

»Tu es sacerdos in aeternum« steht in deinem Herzen.

Und trotzdem schien auf deinem Weg schon oft

das Tor zur Ewigkeit sich dir zu öffnen.

Ein Schatten eines unverhofften Todes

oftmals schon ging an dir vorbei.

Doch du hast dennoch immer gesagt,

daß des Allmächtgen Pläne

des Menschen Denken übersteigen.

Noch nicht war dir die große Zeit beschieden,

noch fehlte der letzte Tropfen dir in deinem Kelch,

und auf der letzten Seite stand noch nicht geschrieben:

»Dein Wille, Herr, gescheh, ich bin bereit!«

Jetzt, wie ein Blitzstrahl! Die Stunde entschied!

Zerrissen in Trauer sind all unsre Herzen.

Und im Gebete nur stammelnd wir sagen:

Gott nur allein kann es wissen, ob du auf Erden

oder im Himmel wirst nötger gebraucht.

Drum bitten den Herrn wir heiß auf den Knien:

Das Licht in der Ewigkeit möge dir strahlen,

damit deine Obhut wir alle erfahren

und glücklich uns fühlen, ob jung oder alt!

 

Priester Juozas Zdebskis wurde 1929 im Kreis Marijompolė in der Pfarrei Mindaugai geboren. In der Familie wuchsen drei Kinder auf. Sein Schwester­chen ist noch im vorschulischen Alter gestorben, großgeworden sind nur zwei — der Sohn Juozapas und die Tochter Maria. Juozas besuchte die Volksschule in Kalvarija. Nach erlangter mittlerer Reife trat er 1948 in das Priesterseminar zu Kaunas ein. Hier verbrachte er fünf Studienjahre. Am 21. September 1952, am Fest des hl. Matthäus, spendete ihm Bischof Ka­zimieras Paltarokas die Priesterweihe. Die erste seiner Pfarreien war Šiluva. Später arbeitete er in Raseiniai, dann in der ehemaligen Garnisonskirche zu Kaunas (zur Zeit von den Gottlosen geschlossen und in eine Bildergalerie umgewandelt). Während der Zeit, die er in Kaunas verbracht hatte, studierte er am akademischen Kursus für Theologie weiter. Er war Pfarrer der Pfarrei Šiupiliai, dann Vikar der Pfarrei Šakiai, später Pfarrer der Pfarrei Kapčia­miestis, nachher der Pfarrei Gudeliai, wo er wegen der Kinderkatechese zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Das Gefängnis konnte den Geist des Priesters nicht brechen — er arbeitete zum Wohle der Kirche weiter. Da er die traurige Zukunft der Katholischen Kirche in Litauen wegen der großen Einschränkung der Zahl der Kandidaten für das Priesterseminar sah (damals wurden nur fünf Kandidaten angenommen, obwohl etwa zwanzig Priester jährlich starben), schrieb er gemeinsam mit Priester Sigitas Tamkevičius eine Erklärung, in der sie die Erlaubnis erlangen wollten, mehr Seminaristen in das Priesterseminar zu Kaunas aufzunehmen. Aufgrund dessen aber nahm die sowjetische Regierung den Priestern J. Zdebskis und S. Tamkevičius die Anmeldungsbescheinigungen ab und damit auch das Recht, das priesterliche Amt offiziell auszuüben. Beide Priester wurden gezwungenermaßen zu Ent­wässerungsarbeiten herangezogen. Da Priester J. Zdebskis ein Mensch mit unerschöpflicher Energie und Opferbereitschaft war, setzte er in der von körperlicher Arbeit freien Zeit seine seelsorgerische Tätigkeit fort. Damals umfaßte sein Arbeitsfeld beinahe ganz Litauen. Die sowjetische Regierung mußte einsehen, daß die Strafe keine ausreichenden Ergebnisse gebracht hatte, und erlaubte ihm wieder, in einer Pfarrei als Priester zu arbeiten. Während seiner Tätigkeit in Prienai war er einer der ersten, der die Kinder und die Jugendlichen sammelte, ihnen während der hl. Messe zu ministrieren erlaubte, private Exerzitien für die Jugend leitete und ein eifriger Förderer der Freunde der Eucharistie war. In Prienai wurde er zum zweiten Mal wegen der Kinderkatechese verhaftet und zu einem Jahr Lager verurteilt, Zu der Zeit wurden wegen der Kinderkatechese auch die Priester Antanas Šeškevičius und Prosperas Bubnys verurteilt.

Aus dem Gefängnis zurückgekommen, arbeitete er als Pfarrer in Šlavantai. Die Regierung war der Uberzeugung, daß der Priester, solange er in einer so abseits gelegenen Pfarrei tätig sei, keine Möglichkeit für breitere Tätigkeit haben werde. Aber Priester J. Zdebskis hörte nicht auf: Er bemühte sich, für den aktiven Kampf um die Erneuerung des Glaubens in Litauen und für die Verteidigung der Grundrechte der Menschen so viele Priester und Laien zu gewinnen wie möglich. 1978 nahm Priester J. Zdebskis aktiv an der Gründung des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen teil und wurde Mitglied dieses Komitees.

Während die meisten Priester mit Studium und Büchern beschäftigt waren und die Familien gemütlich am Tisch zum Abendessen saßen, wanderte Priester J. Zdebskis unermüdlich auf Wegen, die nur er selbst kannte. Manchmal schien es, als ob er keine Müdigkeit kenne und keine finde ... Wenn er am Tag keine Zeit gehabt hatte, einen Kranken mit den heiligen Sakramenten zu stärken, so besuchte er ihn in der Nacht; wenn er wegen der schlechten Wege nicht hinfahren konnte, so ging er zu Fuß . . . Oft fuhr Priester J. Zdebskis hunderte oder sogar tausende Kilometer weit, nur um die in der sowjetischen Armee dienenden jungen Männer zu besuchen und sie mit den heiligen Sakramenten versorgen zu können oder um in irgend­einem abseits liegenden Dorf einen auf dem Krankenbett Leidenden, nicht selten von den eigenen Leuten verlassenen alten Menschen besuchen zu können. Als Priester erreichte er die im weiten Rußland lebenden Verbann­ten, trug das Licht des Glaubens bis nach Tadschikistan, Armenien oder an die Wolga und auch zu den anderswo lebenden Gläubigen, die wegen der Unterdrückung durch die sowjetische Regierung ohne Kirche und ohne Prie­ster geblieben sind. Man konnte ihn fast bei sämtlichen Prozessen gegen die Gewissensgefangenen in der Nähe des Gerichtssaals sehen.

Als die sowjetische Regierung weder mit Prozessen noch Mahnungen und Drohungen den Geist des Priesters brechen konnte, wendete sie gegen Prie­ster J. Zdebskis Terrormaßnahmen an: Es wurden ihm unter ungeklärten Umständen und mit ungeklärten Mitteln Körperverbrennungen zugefügt (an manchen Stellen seiner Körpers wurden Verbrennungen 3. Grades festge­stellt). Wegen angeblicher Autofahrt nach Alkoholgenuß (Priester J. Zdebs­kis war ein absoluter Abstinenzler) wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Einige Male wurden Autounfallsituationen fabriziert, denen eine ganze Reihe Durchsuchungen und Verhöre folgten.

Elf Jahre lang war Priester J. Zdebskis in der Pfarrei Šlavantai tätig. Zuletzt wurde er zum Pfarrer der Pfarrei Rudamina ernannt, wo er bis zu seinem tragischen Tode gearbeitet hat. Dieses Jahr hätte Priester J. Zdebskis sein 35jähriges Priesterjubiläum feiern dürfen, der gütige Gott weiß aber besser, was wir brauchen.

Der Tod des Priesters J. Zdebskis hat das ganze gläubige Litauen tief er­schüttert. Der Verlust eines jeden Priesters bedeutet für Litauen eine Wunde, der Verlust des Priesters J. Zdebskis aber ist besondern schmerzlich.

Du kommst noch zurück ...

... wie der Hieb eines Degens

mit schmerzbringender Schneide

fiel mir ins Herz unverhoffte Kunde. ..

Den eigenen Ohren möcht ich nicht glauben!

    Und was sollen wir hier? ...

         Ohne Dich? ...

Es ist nicht Deine Art, im Grabe zu ruhen!

Leider, leider...

Du bist aber noch nicht gestorben:

Du bist nur plötzlich aufgeleuchtet,

weil um langsam zu verlöschen

Du noch nicht hattest die Zeit.

(Wer wird es sagen können, warum —

        vor Schmerzen,

          oder aus Liebe —

     zerrissen ist Dein Herz? —)

Ist es nicht gleichgültig? —

             Besonders jetzt? ...

Es hat noch niemand verstanden

Deine »Eigenarten«, niemals.

Du aber — wie ein schuldbewußtes Kind —

hast schüchtern Dich verteidigt:

»Aus Liebe zu meinen Brüdern

habe ich doch das Maß verloren . . .«

Du kanntest niemals »ich kann es nicht«

und leichte Wege ebenfalls nicht,

nach Ruhe hast Du nie gesucht.

»So muß es sein!« —

Der Preis ist nicht wichtig!

Die Freiheit ist unwichtig und ...

sogar das Leben selbst!

(. .. wer weiß,

      womit Du das verdient hast?

Für was Du Dich

     dieser schrecklichen Fügung geopfert hast? . ..)

Ob nicht vielleicht deswegen, weil nur Du allein so oft

die richtigen Schlüssel hattest gefunden,

um härteste Herzen aufschließen zu können,

und von der Liebe mit ihnen zu reden

      wie kein anderer zu reden vermag . . .

Aber auch mit Worten ...

   Ja, auch mit Worten,

          denn Du hast sie nicht mit Lippen gesprochen,

           sondern mit dem Feuer der Liebe und Aufopferung.

Ein Samariter für alle konntest Du sein

wenn Du auch ein Priester gewesen bist!

Und doch — irgendwie anders ...

Deswegen floß heilender Balsamstrom

von Deinen Lippen und aus Deinem Herzen,

in die Tiefen der ausgeraubten Herzen!

Hoch oben — wie ein Falke bist Du geflogen

und hast uns alle auch aufgefordert,

      zur Sonne der Liebe zu streben empor.

Oh, wie uns lockten die schwindligen Höhen!

Doch leider ... nicht immer

    hatten wir den Mut,

die schwachen Schwingen

     gegen den Wind zur Probe zu stellen ...

Klage uns nicht an! —

      wir sind ja so schwach

      und auch noch so ängstlich

      und müde wir sind noch dazu...

Erbitte uns lieber

     wenigstens einen winzigen Funken

     der Aufopferung und Liebe,

      der Entschlossenheit und auch des Mutes,

Damit wir nicht vergessen

     im Taumel der Begierden

    den von Dir gezeigten Weg.

Lehre uns jetzt von droben

    »nicht für uns selbst zu leben«,

   »auch unschuldig Leid zu ertragen« ohne Furcht,

          »der Liebe niemals das verweigern,

                  um was sie bei dir bittet«,

Und »für den verurteilten Geliebten

sich mit Beherztheit einzusetzen« ...

 

*

Du kommst noch zurück —

Du kannst ja nicht anders!

Denn nur die verlorenen Söhne

gehen ohne Rückkehr weg . . .

Die Wegränder sind überall voll

mit verwundeten und armen,

mit ausgeraubten

und lahmgeschlagenen Herzen ...

Die »Priester« gehen vorbei und auch die »Leviten«,

alle, die keine Liebe kennen,

die nur noch unecht lieben,

 

und sie vermögen nicht

      im dreckigen Gesicht

unauslöschbare Züge

des Göttlichen zu erkennen.

Oh, wie schwer ist es,

wenn man mit Deinen Augen schaut:

Die Wahrheit ist so grausam,

             unerbittlich,

             aber klar!

Lieben muß man so,

           wie Christus uns gelehrt hat!

Denn ein zweites Evangelium

           gibt es nicht!

Es gibt auch keine Feinde

         auf dieser Erde hier!

Es gibt nur verwundete Herzen,

Ausgeraubte —

       ohne Liebe,

        ohne Licht...

Wir sind alle für sie mit Schuld beladen,

       wenn wir »das Maß nicht verloren haben«,

      wie damals Du.

*

An Deinem Grabe bin ich nicht gestanden

und kein Körnchen Sand hab ich

auf Deine hellen Augen nachgeschüttet...

Doch dieser Blick

soll mich immer begleiten.

Auch keine Blume habe ich gebracht,

die in der frostigen Kälte sich eröffnet...

Man braucht sie nicht,

wenn jetzt Dein Blut erblüht.

Ich bin nicht gekommen, um mein Haupt zu senken

Du weißt aber jetzt schon,

was niemand wissen wird —

auch was ich Dir nicht auf Erden sagen konnte.

Auch jetzt habe ich noch nicht alles gesagt,

deswegen sag ich auch heute nicht »adieu«,

denn Du kommst doch wieder —

    kannst ja nicht anders.

Du bist doch weggegangen

damit Du uns näher sein kannst...

Viel lauter sprichst Du jetzt

und Deine Worte

dringen in mein Herz

wie erquickender Morgentau

        und leuchten so deutlich

                 wie des Blitzes Schein;

Denn sie zu übertönen

niemand heut vermag.

Geh nicht zu weit von uns! . ..

Und schweige nicht, ich bitte!

Und Deinen klaren Blick

    möchte ich nie vergessen ...

Möge er für mich

nicht zur Anklage werden,

sondern zu einem Leuchtturm

für meinen Lebensweg!

Leuchtturm jenes Weges,

auf dem Du stehen geblieben bist,

um Dich bis Ewigkeitsmorgen selig auszuruhen...

Lodere und brenne

lebendig in Worten und in Taten auch!

Als Blüte der Liebe und Opferbereitschaft

uns auf dieser Erde für ewig erblühe!

Damit das duftende öl uns nicht plötzlich ausgeht

für die Lampen, die in unseren Herzen brennen,

wenn wir auf das Hochzeitsmahl wartend

einnicken und einschlafen sollten,

Du uns alle

     jetzt —

schon vollkommen liebend —

hilf!

*

Du kommst noch zurück!

Du kannst ja nicht anders . ..

Was sollen wir hier?

Ohne Dich?

. .. So lang ist der Weg

   der Heiligen

nach Litauen,

gereinigt mit Taufwasser

und mit Blut der unschuldigen Opfer!