Kaunas

Marytė Gudaitytė, die 1985 von der P. Mazylis-Krankenschwesternschule in Kaunas verwiesen wurde (siehe »Chronik der LKK« Nr. 68), fuhr am 26. März 1986 in das Ministerium für Hoch- und Fachschulbildung Litauens, um sich zu erkundigen, ob ihr erlaubt wird, ihre Ausbildung an der P. Ma-zylis-Krankenschwesternschule abzuschließen. Die für die Krankenschwestern-schule zuständige Mitarbeiterin des Ministeriums Lesnickienė sagte, sie erin­nere sich an dieses Mädchen, sie wisse, daß es gläubig sei und daß es voriges Jahr von der Schule verwiesen worden sei. Ein dort anwesender Mann begann gleich zu erklären, daß die Medizin und der Glaube zwei gegensätzliche Ge­biete seien. Deswegen dürfe eine gläubige Person nicht in der Medizin arbei­ten. Es wurde geraten, sich zuerst an die Schule zu wenden und erst nachher an das Ministerium.

Am 2. April fuhr M. Gudaitytė in die P. Mazylis-Krankenschwesternschule nach Kaunas. Der Stellvertreter der Schuldirektorin Grigas und die Dozentin Pečiulienė empfingen sie. Zuerst fragten sie, wo ihre ehemalige Schülerin arbeite, ob sie sich nicht mehr mit antisowjetischer Tätigkeit beschäftige, und rieten ihr, nichts vor ihnen zu verheimlichen, denn alles werde so oder so eines Tages klar. Als Gudaitytė fragte, was, ihrer Meinung nach, als anti­sowjetische Tätigkeit betrachtet werden könnte, sagte Pečiulienė, gehört zu haben, daß sie für die inhaftierten Priester Spenden gesammelt hätte, die ins Gefängnis geschickt würden. Das werde als antisowjetische Tätigkeit be­trachtet ... Die Dozenten interessierten sich, ob M. Gudaitytė noch immer gläubig sei. Die Schülerin sagte ihnen, daß sie sich ein Leben ohne Glauben nicht vorstellen könne, und daß der Glaube der Arbeit nicht schade, sondern im Gegenteil, er könne nur helfen. Pečiulienė verbesserte M. Gudaitytė und sagte, sie sei nicht wegen ihres Glaubens von der Schule verwiesen, sondern wegen ihrer antisowjetischen Tätigkeit (wegen Briefeschreiben an Gefangene! .— Anm. d. Red.). Schließlich wurde M. Gudaitytė gesagt, sie solle eine Be­urteilung von ihrer Arbeitsstelle mitbringen und mit dem Praktikum be­ginnen.

Als M. Gudaitytė am 16. April die Beurteilung und andere Unterlagen mit­gebracht hatte, begann die Dozentin Pečiulienė ihr zu erklären, daß ihre Eingabe unvollständig sei, in der Beurteilung fehle eine Bemerkung über ihre gesellschaftliche Tätigkeit. . . »Es scheint, daß du dich nicht geändert hast. Deswegen wird der Pädagogenrat seinen Beschluß nicht ändern, es sei denn, daß du in einer Erklärung versprichst, die Überzeugungen zu ändern«, sagte Pečiulienė. Die Schülerin antwortete, daß sie ihre Uberzeugungen nicht ändern und ihre Eingaben nicht noch einmal schreiben werde. M. Gudaitytė wurde vorgeschlagen, ihr Zeugnis abzuholen und zu versuchen, in eine andere gleich­rangige Schule einzutreten. Etwas später ließen der Stellvertreter der Direk­torin, Grigas und de Abteilungsleiterin Kiaunytė M. Gudaitytė zu sich kom­men. Der Stellvertreter Grigas sagte genau dasselbe, wie auch die Dozentin Pečiulienė. »Die Beurteilung ist unvollständig, die Eingabe ist ungeeignet, und da kann der Pädagogenrat nicht helfen.« Der Stellvertreter Grigas riet der Schülerin, sich einen Grund für den Schulwechsel auszudenken und in eine andere Schule zu gehen. Es sei für die Schule und für sie selber besser, über diese Unterhaltung niemandem etwas zu sagen.

M. Gudaitytė fuhr in die Medizinschule nach Utena. Hier wurde ihr ver­sprochen, den Abschluß ihres Studiums machen zu können. Die Stellvertre­terin des Direktors verlangte unbedingt die Ursache des Wechseins von einer Schule zur anderen zu sagen. M. Gudaitytė sagte, daß sie der Sicherheitsdienst von der Schule verwiesen habe, aber weswegen wisse sie selber nicht ganz genau. Es wurde in Kaunas telefonisch angefragt. Nach dem Gespräch mit der Direktorin der P. Mažylis-Krankenschwesternschule in Kaunas veränderte sich die Situation; die Stellvertreterin begann zu erklären, daß der Glaube und die Medizin zwei unversöhnliche Sachen seien, daß die Schule nur atheistische Mediziner vorbereite, aber nicht Gläubige. »Sie müssen sich eine andere Schule aussuchen, denn auf diesem Gebiet werden Sie nicht arbeiten können«, versuchte die Stellvertreterin zu überzeugen. M. Gudaitytė wurde gefragt, wo sie zuletzt gearbeitet habe. Als die Stellvertreterin erfuhr, daß sie im Kindergarten gearbeitet habe, war sie erstaunt: »Wie konnten Sie denn mit Kindern arbeiten, und warum sagt Ihnen das niemand, Sie können doch die Kinder verderben?!« Das Mädchen legte klar, daß sich die Eltern der Kinder nicht über ihre Arbeit beklagen. Als M. Gudaitytė bat, ihr zu erklären, warum man sie so ungerecht behandele, die sowjetische Verfassung garan­tiere doch allen, den Gläubigen wie den Ungläubigen das Recht zur Aus­bildung, erwiderte die Stellvertreterin, daß auch sie lernen dürfe, aber sie müsse nur ein anderes Fach aussuchen, damit die Arbeit nicht unmittelbar mit Menschen zu tun habe.

Endlich wurde M. Gudaitytė in der Medizinschule von Utena gesagt, sie solle nach einiger Zeit die Schulleitung anrufen, die Stellvertreterin habe ver­sprochen, sich mit dem Sicherheitsdienst in Kaunas und in Vilnius in Ver­bindung zu setzen und die ganze Angelegenheit zu klären. Als M. Gudaitytė nach der vereinbarten Zeit anrief, wurde ihr erklärt, daß sie das Praktikum nicht mehr schaffen werde und im allgemeinen würde ihr geraten, sich an die P. Mažylis-Krankenschwesternschule zu wenden.

Kiaukliai (Rayon Širvintai)

Am 1. Juni 1986 fand in der Basilika zu Kaunas die Priesterweihe statt. Auch einige gläubige Kinder und Jugendliche der Pfarrei Kiaukliai fuhren zu den Feierlichkeiten. Am 2. Juni ging eine Kontrollkommission, zusam­mengesetzt aus dem Ortsvorsitzenden Vladas Karaliūnas, Parteiführer des Kolchos Juozas Sabakonis, Schuldirektorin Jadvyga Grigaitienė wie auch ihre Stellvertreterin Aldona Kalininka in die Häuser der Betreffenden. Bei den Familien Gudonis, Matijošius und Novikas verlangten die Kontrolleure, an­zugeben, mit wem ihre Kinder weggefahren seien und was sie besuchen wollten sowie die Adressen anzugeben, wo sie sich aufhalten wollen. Die Eltern verhielten sich mutig, ließen sich nicht ausfragen und brachten ihre Zufriedenheit zum Ausdruck, daß ihre Kinder mit gläubigen Menschen und nicht mit Säufern verkehren.

Als Frau Matijošienė sich weigerte, die verlangten Adressen anzugeben, droh­ten die Bediensteten ihr, die Mutterschaftsrechte abzuerkennen mit der Be­gründung, daß die Mutter nicht wisse, wo ihre Kinder sind. Als Drohung wurde ihr eine »Akte« zusammengestellt und Matijošienė wurde aufgefordert, zu unterschreiben, daß sie von dem Inhalt des Schreibens in Kenntnis gesetzt worden sei. Am 3. Juni haben die Lehrer in der Schule die Schüler Vidmantas Novikas, Ruta Gudonytė und die Brüder Dainius und Gintaras Matijošius verhört und sie gezwungen, Rechtfertigungen zu schreiben. Die Kinder rechtfertigten sich nicht und haben auch nichts unterschrieben.