Liebe des ewigen Vaters umfaßt

das Land am Nemunas, Neris,

auch unter Litauens schützendem Dach

beginnt ein neues Feuer zu brennen.

Dort, wo grüne Wälder einst rauschten,

wo Opferfeuer noch haben gebrannt,

erheben jetzt sturmfeste Türme das

Kreuz unseres Heilands empor.

Keine Stürme werden uns reißen

die Liebe zu Christus aus unserem Herz!

Du, der Du die Welten besiegt hast,

sei auch der Herrscher über Litauens Land!

Mit dem hehren Kreuze gezeichnet

sind wir seit sechs Jahrhunderten schon.. .

Das Kreuz hilft uns immer zum Sieg,

wenn wir es tragen mit Christus dem Herrn.

Auf Wegen der Freude, auf Wegen des Leids

finden wir immer im Kreuze den Halt.

Aber wir haben es niemals verleugnet,

Gott wird uns schützen und unser Land!

Das Jubiläumsjahr hat bereits begonnen. In welcher Stimmung begeht es das christliche Litauen? Trotz atheistischer Hinterlistigkeiten, mit Ent­schlossenheit und Treue! Wenn es die christliche Taufe auch erst verspätet angenommen hat, so hat diese doch das Schicksal unseres Volkes in diesen 600 Jahren geprägt. Die späte Taufe war einer der Gründe für den allzu großen Einfluß des polnischen Klerus auf das kirchliche und kulturelle Leben in Litauen. Dasselbe Christentum aber, mit seiner Universalität und seiner Achtung vor den Werten der nationalen Kulturen, war zugleich auch das Fundament, auf dem die Bewegung unserer nationalen Erneuerung unter den Bedingungen des Terrors durch das zaristische Rußland im vorigen Jahrhundert reif wurde und heranwuchs. Wenn wir heute, da Litauen wieder herzlos umklammert ist vom neuen Imperium desselben Rußlands, an das Jubiläum seiner Taufe denken, dann müssen wir aus der historischen Er­fahrung der vergangenen sechs Jahrhunderte lernen, besonders aber aus den Kämpfen und Siegen gegen Ende des letzten Jahrhunderts. Der primitive atheistische Materialismus, den der Lektor des ZK der KPL, J. Sakalauskas während der Vorbereitungen zu diesem Jubiläum sehr eifrig propagiert, betrachtet die christliche Taufe Litauens als Anfang allen Unglücks für Litauen, die russische Besatzung aber, — sowohl die des vergangenen Jahr­hunderts als auch die jetzige, als Epoche der nationalen »Unabhängigkeit«.

Jeder halbwegs nüchtern denkende Litauer empfindet jedoch immer noch, daß die historische Wahrheit nicht auf der Seite der Parteipropagandisten ist.

Bei einem allgemeinen Rückblick auf das 550 jährige Jubiläum der Taufe Litauens im unabhängigen Litauen schrieb Professor S. Šalkauskis im Jahre 1939: »Kann es denn sein, daß wir, die wir uns schon einmal durch eine verspätete Taufe bestraft haben, uns jetzt anschicken, nur deswegen auf ihre Heilswirkung zu verzichten, weil die Dekadenz der zivilisierten Völker in diese Richtung geht? Dann wären wir dem Narren aus dem Märchen ähn­lich, der bei der Hochzeit geheult und bei der Beerdigung gelacht hat.«

Die staatlichen Atheisten möchten es gerne, daß wir beim Gedenken der vor 600 Jahren angenommenen Taufe weinen würden (die katholische Taufe hat doch den »segensvollen« Zusammenschluß Litauens mit dem großen orthodoxen Volke der Russen verhindert, dessen riesige Siedlungsgebiete die Großfürsten Litauens regierten).

Die Atheisten unserer Tage möchten außerdem, daß wir die Anstrengungen der zaristischen Herrscher und des heutigen russischen Imperiums, Litauen zu entchristlichen und seinem Volkstum zu entfremden, mit heller Begeiste­rung und Freude begrüßen.

Daß es keine Begründung des staatlichen Atheismus gibt, geben auch nüchtern denkende sozialistische Wissenschaftler zu. Ende Januar dieses Jahres fand in der Bibliothek der Republik zu Vilnius eine wissenschaftliche Konferenz statt, die dem 600jährigen Jubiläum der Einführung des Christen­tums in Litauen gewidmet war. Der Redner dieser Konferenz, der Philosoph B. Genzelis beurteilte die Einführung des Christentums in Litauen wie folgt: Auf dem kulturellen Sektor ist der Einfluß des Christentums positiv: Die kulturellen Güter, die die Völker des westlichen Europas geschaffen haben, wurden auch den Litauern zugänglich. Die politische Bedeutung sei angeb­lich wegen dem verstärkten nationalen Einfluß Polens negativ gewesen (obwohl verschwiegen wurde, daß die katholische Taufe, die Gefahr, russisch zu werden, vermindert hat), und auf dem religiösen Sektor weigerte sich der atheistische Philosoph ehrenvoll, die Bedeutung der katholischen Taufe Litauens zu beurteilen, denn er, als Philosoph der materialistisch-atheisti­schen Richtung, könne das nicht objektiv beurteilen.

Der Redner erinnerte an eine Reihe von Verwerflichkeiten des heutigen kämpferischen Atheismus. Als er den bei den Atheisten beliebten Terminus »religiöser Extremismus« erwähnt hatte, behauptete der Doktor der Philo­sophie B. Genzelis, daß dieser vom atheistischen Extremismus gezeugt wor­den sei. Er unterstrich außerdem, daß der in den Jahren der sowjetischen Herrschaft praktizierte »bulldozerische Atheismus« der litauischen Kultur großen Schaden zugefügt habe, als die Denkmäler der religiösen Kunst — die Kreuze und Kapellchen am Wegrand und wo immer in Litauen auf brutalste Weise vernichtet wurden; dieser »Atheismus des bulldozerischen Typus« wurde nicht selten auch in der auf Initiative der atheistischen Regie­rung herausgegebenen atheistischen Propagandaliteratur propagiert.

Der Mitarbeiter des Verlags »Mintis« Antanas Rybelis versuchte zu wider­sprechen, daß atheistische Literatur dieser Sorte nicht herausgegeben worden sei, gab aber selber zu, daß es dem Verlag wegen der Einschränkungen der gottlosen Zensur nicht möglich gewesen sei, eine objektive Sammlung der historischen Dokumente über die Taufe Litauens herauszubringen. Man mußte sich mit einer von dem strengen Atheisten Prof. Pakarklis tendenziös vorbereiteten Sammlung der Auszüge aus den Briefen der Päpste begnügen, in denen sie gegen das heidnische Litauen Kriege erklärten. Die Konferenz­teilnehmer waren beinahe alle darüber einig, daß eine solche unvollständige tendenziöse Veröffentlichung einer objektiven Einschätzung der Bedeutung des Christentums in der Geschichte unseres Volkes wirklich keine guten Dienste leisten könne.

Die Katholiken Litauens wissen, daß ungeachtet aller von M. Gorbatschow verkündeten Reformen und Kampagnen der »Offenheit« für so eine objek­tive Beurteilung im heutigen von Gottlosen regierten Litauen keine Mög­lichkeiten bestehen.

Am Anfang des Jubiläumsjahres hat der neue Stellvertreter des Vorsitzen­den des RfR für die Katholiken in Moskau, Kuznecow, Litauen besucht. Er ist ein ausgesprochener KGB-Beamter, der sieben Jahre lang in der Ge­sandtschaft der Sowjetunion in Italien tätig war. Trotz seines intelligenten Lächelns verspricht seine Visite der katholischen Kirche Litauens nichts Gutes. Kuznecow hat versucht, die Bischöfe Litauens davon zu überzeugen, daß es ihre wichtigste Pflicht sei, das gläubige Volk von einem Kampf für die Rechte der Gläubigen zurückzuhalten. Die Katholiken der Stadt Klai­pėda dürfen angeblich vollkommen glücklich sein, wenn sie auch die unbe­rechtigt weggenommene, von ihnen selber gebaut Kirche nicht zurückbe­kommen; eine Vergrößerung des alten Kirchleins werde ihnen genügen. Die Bischöfe Vincentas Sladkevičius und Antanas Vaičius würden zu den Konferenzen der Kongregationen, deren Mitglieder sie sind, nur dann nach Rom fahren dürfen, wenn sie sich einverstanden erklären, der Regierung der Gottlosen einige Dienste zu erweisen, indem sie sich aktiver der Bewe­gung der »Friedensbefürworter« anschließen. Der neue »Beschützer der Katholiken« aus Moskau war über die Aktivität der Ordensleute beunruhigt und mit Sorge erkundigte er sich ob in Litauen nicht auch die Organisation »Opus Dei« tätig sei.

Als der Rektor des Priesterseminars zu Kaunas nach Beratungen aus Moskau zurückgekommen war, teilte er Anfang dieses Jubiläumsjahres den Semi­naristen mit, daß Moskau drohe, auch noch das letzte Priesterseminar zu schließen und zwar aus zwei Gründen:

1.     weil ein Teilder Seminaristen zu klösterlichen Vereinigungen gehöre;

2.     weil im Priesterseminar antisowjetische Organisationen tätig seien (nach Ansicht des Vizerektors spalte eine solche antisowjetische Organisation die Einheit der Seminaristen; sie bestehe aus jenen Seminaristen, die öffentlich ein Gelübde der Abstinenz abgelegt haben);

3.     weil im Priesterseminar der litauische Geist lebendig sei. Das Priester­seminar bereite angeblich die Priesterkandidaten nur für Litauen vor; es müsse etwas mehr internationalen Geist geben, d. h. man sollte die Reihen der Seminaristen und des Lehrpersonals mit etwas dubiosen, also der gott­losen Regierung mehr ergebenen Persönlichkeiten »verdünnen«.

Das sind nur einige Striche, die beweisen, in welcher Lage sich die litauische katholische Kirche, die das 600jährige Jubiläum ihrer Gründung begeht, heute befindet.

Das 500jährige Jubiläum Litauens vor 100 Jahren wurde unter der schweren zaristischen Unterdrückung ähnlich begangen. Das Jubiläum im Jahre 1887 fiel gerade zwischen zwei bemerkenswerte Daten: zwischen das Massaker von Kęstaičiai 1886 und das von Kražiai 1893. Ungeachtet der schweren Erprobungen jener Zeiten ist die Katholische Kirche in Litauen in den letzten 100 Jahren stark gewachsen und kräftig geworden, und zwar sowohl organisatorisch (es wurde die kirchliche Provinz Litauens ins Leben gerufen, die direkt dem Heiligen Stuhl unterstellt ist), als auch auf geistigem und kulturellen Gebiet: Das Christentum hat seine Wurzel im Acker der litau­ischen Herzen noch tiefer geschlagen.

Wir sind fest davon überzeugt, daß trotz der schmerzlichen Erprobungen unserer Tage Gott das Christentum in Litauen auch im beginnenden siebten Jahrhundert stärker und reifer werden läßt. Und deswegen ist dieses Jubi­läumsjahr, ungeachtet der nicht leichten Verhältnisse, der Repressalien, der gebrachten Opfer der Gefangenen in den Gefängnissen, ein Jahr der Freude.

Wir wollen Gott für alles danken, besonders aber für den gemeinsamen Kreuzweg mit Ihm, der zur ewigen Auferstehung führt!

 

Seit sechshundert Jahren knien —

Narben klagen voll von Blut...

mit Hoffnungsgebet auf den Lippen:

Gott, erquick uns doch wieder!

Mit dem Taufwasser gereinigt,

geladen zum Himmelsglück,

o, nimm Dich an des kleinen Volkes,

und gib ihm Kraft und Mut zurück!

 

Seit sechshundert Jahren strömt schon

die Quelle des Lebens Deine Gnade.

Für den Glauben, für die Taufe

möge Dir danken dieses Lied.