Am 5. Februar 1989, 40 Jahre nach der widerrechtlichen Wegnahme, kehr­ten die Gläubigen feierlich in das mit dem Geist eines jeden Litauers untrennbar verwachsene Heiligtum des Volkes, die Kathedrale von Vilnius, zurück. Der 3. Februar war in der ganzen Erzdiözese Vilnius als Tag des Fastens und der Buße ausgerufen. Am Tag der Feierlichkeiten empfing die Stadt schon am frühen Morgen mit großer Gastlichkeit die frohgestimmten Wallfahrer. Die Kathedrale konnte nicht alle fassen, die hineinkommen wollten, und so mußten viele Wallfahrer aus ganz Litauen diesen nicht­alltäglichen Moment der Geschichte auf dem Platz um die Kathedrale mit­erleben. Das litauische Fernsehen übertrug den Gottesdienst aus der Kathedrale - Basilika von Vilnius (aber nicht ganz, denn für die Übertra­gung waren nur 2 Stunden Zeit vorgesehen).

Der Innenraum der Kathedrale glänzte durch den erneuerten Hauptaltar. Die Mitarbeiter des Kunstmuseums und der Restaurierungsverwaltung wie auch die Gläubigen haben in dieser kurzen Zeit sehr viel geleistet, damit die Kathedrale am Tag der Feierlichkeiten so schön wie möglich ausschaut. Es wurde aber nicht alles erreicht. Nicht wenige der Seitenkapellen blieben noch verschlossen, müssen erst restauriert werden und die Böden müssen verlegt werden. Auch in einem der Seitenschiffe der Kathedrale ist man mit dem Verlegen der Böden nicht ganz fertig geworden. Der Kathedrale fehlt es an liturgischen Gefäßen und Gewändern. Die materiellen Mängel trübten die Freuden der Feierlichkeiten nicht im geringsten. Auf den Erhö­hungen seitlich vom Hauptaltar hielten Jugendliche in nationalen Trachten hoch über den Hauptaltar die Flaggen des Papstes und des unabhängigen Litauens; Kinder und Jugendliche aus den verschiedenen Gegenden Litau­ens füllten den Altarraum und die Seitenschiffe der Kathedrale. Auch eine Delegation der katholischen Jugend aus Lettland ist zu diesen Feierlich­keiten gekommen.

Priester Vaclovas Aliulis begrüßte die ungeduldig auf den Beginn der Feier­lichkeiten wartenden Wallfahrer und erinnerte sie in kurzen Worten an die Geschichte der Kathedrale und ihre Bedeutung für das litauische Volk: Wenn es im Lande hell war, war es hell auch in der Kathedrale; herrschte jedoch im Lande eine Finsternis, war es auch in der Kathedrale finster. Sie wurde oft im Laufe der Geschichte verwüstet, jedesmal aber, wenn das Land sich aufrichtete, richtete sich auch die Kathedrale auf. (...)

Bald werden wir mit den uns allen so teuren Feierlichkeiten beginnen. Heute erlebt das Jahr der Erneuerung einen seiner heiligsten Höhepunkte - die Rückkehr in das erste Heiligtum Litauens - die Kathedrale von Vil­nius. Unter unseren Füßen ruhen die Gebeine unserer Urahnen, die vor 600 oder 800 Jahren gelebt haben, und die Überreste der ehemaligen christlichen Altäre und heidnischen Opferstätten. Hier liegen die Funda­mente der Kathedralen, die Mindaugas und Jogaila bauten, und die Wände der Kathedrale, die Vytautas errichtet hat; hier steht unser Heiligtum - die Kathedrale, die viel gelitten hat, die jetzt aber wieder aufgestanden ist...

Kurz vor 12 Uhr zogen die Priester, die Alumnen des Priesterseminars und eine schwer einschätzbare Menge von Kindern und Jugendlichen in wei­ßen Kleidern und Nationaltrachten in einer Prozession aus, um den nach 28 Jahren Zwangsverbannung in die Kathedrale zurückkehrenden Bischof der Erzdiözese Vilnius, Julijonas Steponavičius, zu empfangen. Mit einigen Worten wandte sich der Hirte an die Wallfahrer und forderte sie auf, in gemeinsamem Gebet herzlichst den Allmächtigen um Vergebung zu bitten und ihm dafür zu danken, daß er erlaubt hat, wieder in sein geistiges Haus, die Kathedrale, zurückzukehren. „Der Allmächtige wird uns wahrhaftig segnen und Sein Segen wird uns immer begleiten" - so drückte Bischof J. Steponavičius seine in schwierigen Zeiten der Verbannung reif gewor­dene, unzerstörbare Treue zu Gott aus.

Die Wiedereinweihung der Kathedrale hat begonnen. S. Exz. Bischof J. Steponavičius legte sich vor dem Hauptaltar nieder. Der Chor der Alum­nen des Priesterseminars sang die Allerheiligenlitanei. Unter den Klängen der Bußpsalmen wurden der Hauptaltar und die Wände der Kathedrale wiedergeweiht.

Die Predigt zu Beginn der hl. Messe hielt der Hausherr der Kathedrale, Bischof J. Steponavičius. Vor der Opferung bedeckten die Alumnen des Priesterseminars und die Jugendlichen in Nationaltrachten den Hauptaltar mit Leinen, schmückten ihn mit Blumen, stellten Kerzen auf den Altar und zündeten sie an, stellten in die Mitte des Hauptaltars ein Kreuz auf und brachten die Opfergaben der hl. Messe zum Altar - Brot, Wein und einen Korb voll mit Früchten.

Die hl. Messe feierten die Bischöfe Julijonas Steponavičius, Antanas Vai­čius, Juozas Preikšas, der Verwalter der Diözese Panevėžys, Prälat Kazimi-ras Dulksnys, der ehemalige Verwalter der Erzdiözese Vilnius, Prälat Algir­das Gutauskas, und der Rektor des Priesterseminars zu Kaunas, Priester Viktoras Butkus, zusammen. Während der Messe sang der neugegründete Chor der Kathedrale unter Leitung des Organisten Sližys. Auch Geistliche anderer Konfessionen nahmen an dem Gottesdienst teil - der Erzbischof der Orthodoxen Kirche von Vilnius, Viktorin, der Bischof der Lutherani­schen Kirche, J. Kalvanas, und der Leiter des Kollegiums von Keston College, der anglikanische Pfarrer M. Bourdeaux (Pfarrer M. Bourdeaux hat ein Buch über die Verfolgungen der Kirche in Litauen geschrieben, das er „Kryžių Lietuva" - „Litauen der Kreuze" genannt hatte).

Nach dem feierlichen Gottesdienst, der fast drei Stunden dauerte, gra­tulierten die Priester Litauens, darunter auch der Priester Alfonsas Svarinskas, der in den Westen umgesiedelt ist, die Kinder und die Jugend der Erzdiözese Vilnius, die Ordensleute, der Bund der Katholischen Frauen „Caritas" wie auch die Frauen des Frauenvereins und eine Delega­tion des benachbarten Lettlands dem Bischof Julijonas Steponavičius zur Wiedereinweihung der Kathedrale und zu seiner Rückkehr aus der Verban­nung. Im Namen der politischen Gefangenen und Verbannten sprachen der Priester Jonas-Kąstytis Matulionis und Nijolė Sadūnaitė. Sie schenkten dem ehemaligen Verbannten, ihrem Bischof, einen von der verbannten Bronė Česonaitė aus Brotkrümeln in der Verbannung angefertigten und bis zum heutigen Tag aufbewahrten Rosenkranz, dankten dem Hirten dafür, daß eine Kapelle der Kathedrale den ehemaligen politischen Gefangenen und Verbannten gewidmet worden ist, und versprachen fest, sie am 14. Juni jeden Jahres zahlreich zu besuchen.

Die Bewegung zur Umgestaltung Litauens und auch die einzelnen Pfar­reien gratulierten S. Exz. dem Bischof J. Steponavičius, und alle dankten

Gott für die wiedererlangte symbolische Morgenröte der Auferstehung des Volkes, die Kathedrale, und S. Exz. dem Hirten für sein dargebrachtes Opfer.

Die Predigt S. Exz. Bischofs Julijonas Steponavičius, gehalten aus Anlaß der Wiedereinweihung der Kathedrale - Basilika zu Vilnius:

»Gelobt sei Jesus Christus! Exzellenzen, meine lieben Brüder im Priester­amt, Alumnen des Priesterseminars, meine teuren Gläubigen. Heute feiern wir ein frohes Fest der Katholischen Kirche Litauens - die Rückkehr der Gläubigen in die Kathedrale von Vilnius, in das ehrwürdige Heiligtum unseres Volkes, das uns an die Zeiten unseres Königs Mindaugas, der Fürsten Vytautas, Jogaila und der ganzen Dynastie der Jagiellonen erinnert. Die Wiege des Christentums Litauens, die Mutter unserer Kirchen, die vor 40 Jahren den Gläubigen weggenommen wurde, wird heute dem ursprüng­lichen Zweck zugeführt - die Ehre Gottes zu verbreiten und die Menschen auf dem Weg des Glaubens, der Sittlichkeit und der Wahrheit zu ihrem Heil zu führen. Heute werden die Gläubigen in dieser Erzkathedrale wie­der mit Gastlichkeit empfangen, hier wird die hl. Messe gefeiert, religiöse Lieder erklingen und das Wort Gottes wird verkündet.

Es ist schwer, diesen Schmerz zu beschreiben, den die Gläubigen in den 40 Jahren erdulden mußten. Wir lesen aber in der Hl. Schrift diese von Gott eingegebenen Worte: „Alles hat seine Zeit. Es gibt Zeit zum Trauern und auch Zeit, um sich zu freuen, Zeit zum Zerstören und Zeit zum Auf­bauen; Zeit zum Schweigen und Zeit zum Reden, Zeit zum Arbeiten und Zeit zum Beten."

Eine Zeit zum Trauern... In der Tat kamen mit der Schließung der Kathe­drale Jahre der Traurigkeit und der Trauer. Der zweite Weltkrieg ging zu Ende, unsere Heimat und unsere Kirche bedeckten jedoch wiederum dunkle undurchsichtige Wolken. Im Jahre 1948 wurde die Nationalisierung der Kirchen, ihres Inventars und aller zu der Kirche gehörenden Bauten verkündet, wonach die von den Gläubigen errichteten Kirchen Eigentum des Staates wurden. Wenn die Gläubigen eine Kirche benutzen wollten, mußten sie eine religiöse Gemeinschaft aus zwanzig Personen, die soge­nannten Zwanziger, bilden, die die Regierung nach ihrem Gutdünken ange­meldet oder nicht angemeldet hat. Nur eine angemeldete Gemeinschaft durfte mit den Regierungsvertretern einen Vertrag abschließen und eine Kirche mieten. Wenn es auch in ländlichen Gebieten leichter gewesen ist, solche religiöse Gemeinschaften zu bilden, so stießen die Gläubigen in den Städten manchmal auf große Schwierigkeiten... Auf diese Weise wurde in Vilnius von 33 vor dem Kriege tätigen Kirchen nur 10 erlaubt, eine reli­giöse Gemeinschaft zu bilden, darunter auch der Erzkathedrale. Im August 1948 wurde für die Erzkathedrale ein Priester ernannt, ein Jahr danach wurde ihm aber der Anmeldungsschein entzogen und die Kathedrale blieb ohne Priester, und Anfang 1950 teilte eine gewisse Kommission dem Kir­chenkomitee der Kathedrale schließlich mit, daß die Kathedrale Eigentum des Staates sei und daß darin ein Museum eingerichtet werde. Das Kunst­museum wartete sogar sechs Jahre lang, bis die Kathedrale ihm überlassen wurde. In diesen sechs Jahren, solange die Regierung nach einem neuen Hausherrn für die Kathedrale suchte, wurde sie sogar dreimal beraubt; es wurden viele wertvolle künstlerische Werke, religiöse und liturgische Gegenstände gestohlen. Zu Beginn hatte man vor, in der Kathedrale eine Reparaturwerkstatt für Traktoren einzurichten, später sie in ein Lager umzufunktionieren, bis schließlich im Jahre 1956 die Kathedrale dem Kunstmuseum überlassen wurde. Die Erzkathedrale wurde zu einer Bilder­galerie und einem Konzertsaal umfunktioniert, es wurde alles aus ihr ent­fernt, was irgendwie in Verbindung mit religiösen Kulten stand. Es stimmt, man darf nicht unerwähnt lassen, daß das Kunstmuseum, nachdem die Kathedrale den Gläubigen wieder zurückgegeben wurde, viel guten Willen gezeigt und nicht wenige wertvolle Sachen der religiösen Kunst und des Kultes zurückgegeben hat. Die Restaurierungsorganisation führte Restau­rierungsarbeiten aus, und so konnten wir heute versammelt in einem geschmückten Tempel Gottes beten. Ein herzliches „ačiū" („Danke") dafür dem Direktor des Kunstmuseums, allen Mitarbeitern des Museums, wie auch den Arbeitern der Restaurierungsverwaltung.

Viele Kirchen wurden in den Nachkriegsjahren in Vilnius und in ganz Litauen entweiht, sie wurden in Tanz- und Konzertsäle, in Museen und Lager umgewandelt. Die Kreuze am Wegrand und die Säulenkapellen, mit denen unsere Volkskünstler Litauen geschmückt hatten und damit den Namen „Land der Kreuze" verdienten, wurden massenweise ausgerissen. Wer vermag es aufzuzählen, wieviel Verluste allein an Werken der Archi­tektur und der Kunst dadurch entstanden sind, ganz zu schweigen von den geistigen Verlusten. Man versuchte Gott aus den Herzen der Menschen herauszureißen, aus dem Leben der Gesellschaft zu beseitigen. Damit wur­den auch die Gebote Gottes, besonders das Gebot der Nächstenliebe, mit Füßen getreten - Massendeportationen unschuldiger Menschen, Verban­nungen, die am meisten die anständigen, fleißigen Landbewohner, die Bauern Litauens trafen. Wir brauchen uns nur daran zu erinnern, wieviel Intelligenz, darunter auch Geistliche, verhaftet und verbannt worden sind, und jene, die in der Heimat geblieben waren, mußten unzählige Ernied­rigungen und Verfolgungen wegen ihrer nationalen und religiösen Über­zeugungen erfahren. Das alles brachte dem Lande große moralische und materielle Verluste. Es ist schwer, das ganze Leid zu beschreiben, das unser Volk und die Kirche in den schweren Jahren nach dem Kriege erdulden mußte.

Siehe aber da, es scheint jetzt, daß nun, nach 40 Jahren, auch die Zeit gekommen ist, sich über manches zu freuen - ein Frühling der Wiederge­burt des Volkes ist da: Die Erzkathedrale von Vilnius, die St. Casimir-Kirche, die Kirche „Königin des Friedens" von Klaipėda und einige Kir­chen in der Provinz sind den Gläubigen zurückgegeben worden; es ist erlaubt, dort ein Haus des Gebetes zu errichten, wo die Mikrorayons Paši­laičiai und Justiniškiai sich berühren. Ein neuer Wind kam auf. Man beginnt die Religion mit anderen, nüchternen Augen zu sehen. Jene, die früher die christliche Moral abgelehnt hatten, bitten jetzt die Priester um Mitarbeit bei der Hebung der Sittlichkeit des Volkes, beim Wecken des Geistigen. Sie fordern auf, mit gemeinsamen Kräften gegen die Erschei­nungen des moralischen Verfalls vorzugehen, gegen Gewissenlosigkeit, Alkoholismus, Drogensucht und Haltlosigkeit anzukämpfen.

Wenn wir die Ereignisse der letzten Monate in unserer Heimat betrachten, so freuen wir uns und danken Gott für Seine kluge Veranlassung und für die Hilfe, die wir durch die Fürsprache der Heiligsten Jungfrau Maria, des Schutzpatrons unseres Landes, des hl. Casimir, und des seligen Erzbischofs Jurgis Matulaitis erfahren haben; wir danken und wir bitten zugleich den Himmel, unser Volk auf dem Wege der Wiedergeburt auch weiter zu beschützen.

Es ist also die Zeit gekommen, um zu beten und um zu arbeiten... Unsere Kirchen sind Häuser des Gebetes, ja noch mehr - sie sind Häuser Gottes. Bald wird Christus während der hl. Messe zu uns kommen und unter uns bleiben und alle Menschen einladen, zu Ihm zu kommen: „Kommt ihr alle zu mir, die ihr Not leidet und belastet seid, ich werde euch erquicken."

Ab jetzt wird die Erzkathedrale eine Verkünderin und Pflegerin der Wahr­heit, des Guten und des Schönen sein. Ab jetzt wird darin die Lehre Chri­sti verkündet, die Glaubenswahrheiten werden gelehrt, die Neugeborenen und die Erwachsenen werden getauft, die Kinder werden die Erstkom­munion und das Sakrament der Firmung empfangen, die Brautpaare wer­den den Segen zu ihrem christlichen Ehebund erhalten, die Sünder die Vergebung der Sünden; hier werden Tausende von Gläubigen in der hl. Messe und in der hl. Kommunion Gottes Gnade schöpfen. Es werden in der Erzkathedrale den Gläubigen alle religiösen Dienste erwiesen, wie auch in jeder Pfarrkirche. Wir wollen dieses wiedererlangte Heiligtum würdig schätzen und fleißig am Gottesdienste teilnehmen. Jeden Sonntag wird ein Gottesdienst für die Jugend abgehalten, und deswegen fordern wir die Jugend auf, daran teilzunehmen, damit sie, nachdem sie die Lehre Christi kennengelernt hat, durch die Gnade der Eucharistischen Liturgie gestärkt, sittlich und geistig bleiben. (...)

Wir wollen uns daran erinnern, daß der Mensch nicht nur das tägliche Brot für den Leib benötigt, sondern auch das geistige. In der Gemeinschaft mit Christus werden wir uns seelisch aufrichten und stärken. Christus ist die Wahrheit, der Weg und das Leben, er zeigt uns und führt uns auf dem richtigen Weg des Lebens.

Mit dem Frühling der Wiedergeburt des Volkes ist auch die Zeit der Arbeit, des Strebens nach geistigem Fortschritt, des Schaffens eines besse­ren morgigen Tages gekommen. „Beten und arbeiten" ist das Losungswort des christlichen Lebens. Aus dem Gebet sprudelt die Kraft für die Arbeit, und es möge aus der Arbeit das Licht für das Gebet kommen... Solange die geistige Wiedergeburt des Volkes andauert, wollen wir unsere Kräfte für unsere eigene Vervollkommnung und für den Fortschritt der anderen ganz einsetzen. Wir wollen aus dem Evangelium Christi Erleuchtung für unsere Vernunft schöpfen. Wir wollen uns mit dem religiösen Wissen nicht begnügen, das wir in unserer Kindheit erworben haben, denn jene, die damit zufrieden sind, sind einem Erwachsenen, ja nicht selten sogar einem graugewordenen Menschen ähnlich, der in ein Hemdchen zu schlüpfen versucht, das er in seiner Kindheit getragen hatte. Wir wollen also unser religiöses Wissen erweitern und vertiefen. Wir wollen aus den Quellen des übernatürlichen Lebens - aus dem täglichen Gebet, der hl. Messe und den Sakramenten - uns die Willenskraft schöpfen. Wir wollen den wahren christlichen Geist in uns bewahren und eine echt christliche Persönlichkeit in uns schaffen. Nur wenn wir echte Persönlichkeiten werden, werden wir fähig sein, denjenigen unsere Liebe, Verehrung und Geduld zu zeigen und jenen zu helfen, die unsere geistige und materielle Hilfe benötigen. Deswe­gen wollen wir fleißig die Anweisung des hl. Apostels Paulus befolgen: „Brüder, verabscheut das Böse, bindet euch an das Gute! Seid einander zugetan in brüderlicher Liebe, kommt einander mit Achtung zuvor. (...) Seid eines Sinnes untereinander, überwindet mit dem Guten das Böse."

Wir müssen alle eine große Verantwortung für die Gegenwart und für die Zukunft unseres Volkes empfinden. Das Volk wird dann stark, sittsam und edel, wenn wir alle wahre Litauer und gute Christen bleiben, wenn wir alle fleißig und gewissenhaft, nüchtern, sittsam, einig und friedfertig bleiben; aus diesem Grunde wollen wir uns entschließen, unser weiteres Leben und Tun auszurichten an der Aufforderung des hl. Paulus: „Brüder, ihr sollt am Stand der Zeit erkennen, daß die Stunde schon da ist für euch, um aufzu­stehen vom Schlaf. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag hat sich genaht. So laßt uns denn ablegen die Werke der Finsternis..." Wir wollen fleißig und arbeitsam sein.

Mit dem Segen Christi, mit der Hilfe seiner Gnade, durch die Fürsprache der Heiligsten Jungfrau Maria, der Mutter der Barmherzigkeit im Tore der

Morgenröte und unserer Schutzheiligen, wollen wir das Eucharistische Jahr in fleißiger Arbeit und in herzlichem Gebet für die Erneuerung unseres Geistes und die geistige Widergeburt ganz Litauens, des Landes Mariae, des Landes der Kreuze sinnvoll verbringen. Amen.« (Die Sprache wurde korrigiert - Bern. d. Red.)