Erzdiözese Vilnius

Vilnius

Dem Prokurator der Litauischen SSR von Lapenas Vladės, Antanas

wohnhaft Vilnius, Daugavietis-Straße Nr. 5, Wohnung 11. Eingabe

Nach Absatz 242 der Strafprozeßordnung der Litauischen SSR teile ich mit, daß die Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes, als sie unter Leitung des Oberleutnants Gudas eine Haussuchung in meiner Wohnung durch­führten, gegen den Abs. 192 der Strafprozeßordnung der Litauischen SSR verstoßen haben, indem sie zum Staatssicherheitsdienst folgende Bücher reli­giösen Inhalts mitnahmen, ohne sie im Protokoll oder in das beigefügte Ver­zeichnis aufzunehmen...

(V. Lapenas nennt dann die genauen Titel von 59 Büchern religiösen Inhalts und erwähnt dazu viele andere Bücher, Broschüren und Einzelblätter, die von den Staatssicherheitsorganen beschlagnahmt wurden, ohne daß sie in das Protokoll der Haussuchung oder in das beigefügte Verzeichnis aufge­nommen wurden. — Anmerk d. Redaktion). Der Abschnitt 192 Str. Pr. O. d. Litauischen SSR bestimmt eindeutig, daß „alle beschlagnahmten Gegen­stände und Dokumente den Zeugen und weiteren anwesenden Personen gezeigt, namentlich im Beschlagnahme- oder Haussuchungsprotokoll ge­nannt, oder aber in einem dem Protokoll angefügten Verzeichnis aufge­führt werden müssen, unter Angabe der Menge, ... und daß sie am Ort der Beschlagnahme oder der Haussuchung zu stempeln sind". In Wirklich­keit haben sich die Staatssicherheitsbediensteten nicht im geringsten an die Vorschriften des Abschn. 192 des Kodex gehalten, selbstherrlich die in die­ser Eingabe genannten und viele nichtgenannte Bücher beschlagnahmt, ohne sie in das Beschlagnahmeprotokoll oder in ein beigefügtes Verzeichnis ein­zutragen, sie haben sie nicht gestempelt, taten sie in Säcke, luden sie auf Wagen und brachten sie weg. Vor der Abfahrt sagte der Oberleutnano Gudas: „Diese Bücher bringen wir möglicherweise zurück." Die Staatssicherheitsbeamten haben nicht nur den Abschn. 192 der Str. Pr. O. der Litauischen SSR verletzt, sondern auch den Abschnitt 10 der Verfassung der Litauischen SSR (die Bücher sind mein persönliches Eigentum, da sie vom Arbeitseinkommen erworben worden sind), den Abschn. 96 (Garantie der Gewissensfreiheit), den Abschn. 97 (in dem steht, daß gesetzlich garan­tiert sei: a) die Freiheit des Wortes, b) die Freiheit der Presse). Außerdem wurden internationale Verträge verletzt: die Allgemeine Menschenrechts­deklaration und die Konvention über den Kampf gegen die Diskriminie­rung im Bildungsbereich.

Am 30. November 1973 wandte ich mich schriftlich an den Vorsitzenden des Komitees für Staatssicherheit mit der Bitte, mir die Bücher zurückzu­geben. Am 21. Dezember erhielt ich die folgende, von Morkevičius unter­schriebene Antwort: „Die in Ihrem Schreiben vom 30. 11. 1973 aufgewor­fenen Fragen werden während der Voruntersuchung entschieden werden." Im Hinblick auf das oben Dargelegte und in Übereinstimmung mit Abschn. 24 Str. Pr. O. der Litauischen SSR bitte ich zu veranlassen, die oben genann­ten Verstöße zu beseitigen und alle meine Bücher religiösen Inhalts, alle Broschüren, Notizbücher, die Manuskripte und alles weitere bei mir von den Organen des Staatssicherheitsdienstes Beschlagnahmte zurückzugeben. (V. Lapenas weist darauf hin, daß zwischen der in Lenins Schriften wahr­nehmbaren Toleranz in bezug auf die Gläubigen und dem Verhalten der Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes, die religiöse Literatur konfiszie­ren, ein tiefer Abgrund klaffte. Das kann die Gläubigen gegen die beste­hende Ordnung aufbringen. — Anmerk. d. Redaktion.) Die Forderung, daß gläubige Menschen keine religiöse Literatur besitzen und lesen sollen, käme der Forderung gleich, daß Kommunisten keine Werke des Marxismus-Leninismus besitzen und lesen sollten, oder daß Atheisten keine atheistische Literatur haben dürften.

Wie soll die gläubige Öffentlichkeit den Abschn. 97 der Sowjetverfassung verstehen, die die Freiheit des Wortes und der Presse garantiert, wenn fast alle religiösen Publikationen, mit Ausnahme einer ganz kleinen Auflage von Gebetbüchern und einer noch kümmerlicheren Auflage der Heiliger» Schrift, verboten sind und religiöse Bücher, die von den Gläubigen selbst auf Schreibmaschinen abgeschrieben oder auf eine andere Weise verviel­fältigt wurden, beschlagnahmt werden und darauf Strafandrohung steht? Diese und ähnliche Tatsachen zwingen die gläubige Öffentlichkeit zu der Annahme, daß die in der Verfassung der Litauischen SSR gewährleistete Freiheit des Gewissens, der Rede, der Presse, der Versammlungen und die Unterschrift unter der Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte ein leeres Spiel mit Worten sind, da einige Mitarbeiter des Staatssicherheitsdien­stes die menschlichen Grundrechte völlig mißachten.

„Die Beachtung der Rechtsnormen", sagte L. Breshnew im Rechenschafts­bericht auf dem 24. Parteikongreß, „muß zur persönlichen Uberzeugung jedes Menschen werden. Noch stärker bezieht sich das auf verantwortliche Arbeiter. Irgendwelche Versuche, sich vom Gesetz zu entfernen, oder es zu umgehen, können nicht geduldet werden. Ebensowenig kann eine Ver­letzung der Persönlichkeitsrechte, eine Minderung der Würde der Bürger geduldet werden. Für uns Kommunisten, die Kämpfer für die humansten Ideale, ist das oberster Grundsatz." (Tiesa, 5. 12. 1973) Sollte ich im Laufe eines Monats von Ihnen keine Antwort erhalten, werde ich mich an den Generalprokuror der UdSSR wenden.

 

4. Januar 1974        V. Lapenas

(Die Eingabe wurde verkürzt wiedergegeben — Die Redaktion.)

 

Der oberste Gehilfe des Prokurators der Litauischen SSR, Bakučionis, ant­wortete am 14. Januar: „In Ihrer Wohnung wurde eine vom Prokureur genehmigte Haussuchung im Zusammenhang mit einer Untersuchung in einem Strafprozeß durchgeführt. Die Frage nach der bei der Haussuchung beschlagnahmten Literatur werden wir im Verlauf der Untersuchung ent­scheiden. Genauere Angaben in dieser Sache können wir Ihnen persönlich in der Prokuratur der Litauischen SSR machen."

V. Lapenas beklagt sich darüber, daß Mitarbeiter des Staatssicherheitsdien-stes das Gesetz verletzt hätten, indem sie die beschlagnahmten Bücher nicht ins Protokoll aufgenommen haben und Bakučionis antwortet, daß die Haussuchung mit Genehmigung des Prokurors erfolgt sei.

 

Der Rayon Ignalina

Am 30. Oktober 1973 wurde der Pfarrer der Kirche Mielagėnai, Vincentas Miškinis, beerdigt. An der Bestattung nahmen viele Menschen teil, unter ihnen auch die Leiterin der Rayonapotheke von Ignalina Albina Meškėnaitė und die Leiterin des medizinischen Laboratoriums von Ignalina, Dr. Albina Juzėnaitė. Die Leiterin der Rayonapotheke fuhr dienstlich in die nachge­ordnete Apotheke im Flecken Mielagėnai. Sie fand sie geschlossen, weil die Apothekerin von Mielagėnai (obwohl Russin) auf der Beerdigung war. Es ist für jedermann interessant zu erleben, wie ein Geistlicher beerdigt wird. Um zu spionieren, waren auf der Beerdigung die Bedienstete des Rayon von Ignalina, Pivoriūniene, und die Vertreterin des Exekutivkomitees, Karaliūnienė, beide meldeten, daß die A. Meškėnaitė und die V. Juzėnaitė an der Beerdigung teilgenommen hätten.

Am nächsten Tage zitierte das Exekutivkomitee von Ignalina den Chef­arzt des Rayonkrankenhauses, Gaigaliene, und die Leiterin der Bezirks­apotheke, Meškėnaitė zu sich. Der Meškėnaitė befahl man, den Sachverhalt aufzuschreiben. Sie schrieb, daß sie dienstlich in die Apotheke des Fleckens Mielagėnai gefahren sei, erwähnte die Beerdigung aber nicht. Diese Ant­wort befriedigte die Bediensteten des Exekutivkomitees nicht und sie ver­langten eine Neufassung. Im Falle der Weigerung drohten sie, den Vor­gang der Hauptverwaltung der Apotheken zu melden, was sie auch sofort taten.

Die Vorsitzende des Exekutivkomitees, Gudukienė schrie, es sei eine Schande, wenn leitende Werktätige an der Beerdigung eines Geistlichen teilnähmen. Die Vorsitzende Gudukienė fragte, was Meškėnaitė in Zukunft zu tun gedenke, ob sie ihre Überzeugung zu ändern gedächte oder nicht. Sie machte der Meškėnaitė den Vorwurf, sie erziehe die Kader nicht im kommunisti­schen Sinne und dulde politische Tätigkeit in der Apotheke; Leiter aber, deren Ideologie der der Partei zuwiderlaufe, erfüllten ihre Pflichten nicht. Am selben Tage, dem 1. November, zitierte die Chefärztin Gaigalienė auch die Ärztin V. Juzėnaitė zu sich. Ihr wurde befohlen, eine Erklärung nie­derzuschreiben. Auf die Frage, ob sie die Absicht habe, sich in Zukunft von ihren religiösen Vorurteilen loszusagen, antwortete die Ärztin Juzėnaitė mit „nein". Darauf riet ihr die Chefärztin Gaigalienė, sich auf Arbeit in einem anderen Bezirk einzustellen, außerdem würde sie ihr die Arbeits­bedingungen derart gestalten, daß es einfach undenkbar wäre, auf dem jetzigen Arbeitsplatz zu bleiben. Sie teilte auch mit, daß man sie von der Arbeit der Stellvertreterin befreien würde (die Ärztin Juzėnaitė bekommt das halbe Gehalt von der epidemiologischen Station des Rayons). Am 2. November rief der Chefarzt der epidemiologischen Station des Rayons Andruška die Ärztin Juzėnaitė zu sich und befahl ihr, eine Erklärung nieder­zuschreiben.

Am 1. November wurde ins Rayonkrankenhaus von Ignalina eine Partei­versammlung des leitenden Personals einberufen, auf der die Frage erörtert wurde, wie die Leiterin der Rayonapotheke A. Meškėnaitė und die Leite­rin des Laboratoriums des Rayonkrankenhauses, die Ärztin V. Juzėnaitė zu bestrafen wären. Am 13. November erschien in der Rayonapotheke von Ignalina der Stellvertreter des Chefs der Apothekenhauptverwaltung Saka­lauskas und gab bekannt, daß die A. Meškėnaitė ihres Amtes enthoben sei und im Bezirk Ignalina auch als nachgeordnete Apothekerin nicht arbeiten dürfe. Erklärungen der A. Meškėnaitė hörte sich Sakalauskas nicht einmal an.

Da es keinen qualifizierten Arzt gab, durch den man die Ärztin V. Juzėnaitė ersetzen konnte, begnügte man sich damit, den ihr erteilten Verweis am Schwarzen Brett bekanntzumachen.

 

Vilnius

Gegen Ende 1973 wurde in Lvov ein Einwohner von Vilnius, der ukrainische katholische Geistliche Vladimir Prokopiv, festgenommen. Man erzählt, er sei nach der Festnahme in eine psychiatrische Heilanstalt in Kijew ver­bracht worden.

Es ist bekannt, daß die ukrainischen Katholiken des Bereichs Lvov 12 000 Unterschriften für ein Gesuch gesammelt hatten, in dem sie, in Uberein­stimmung mit dem in der UdSSR geltenden Recht, verlangten, es solle die Eröffnung einer katholischen Kirche genehmigt werden. Vertreter dieser Katholiken begleitete der Geistliche V. Prokopiv nach Moskau. Nach sei­ner Heimkehr aus Moskau nach Vilnius stellte er fest, daß in seiner Woh­nung, Mildos-Straße 13, Wohnung 3, eine Haussuchung erfolgt war. Das gleiche Unglück war auch den Ukrainern widerfahren, die das Gesuch nach Moskau gebracht hatten. Die Organe des Staatssicherheitsdienstes verhafte­ten auch einen zweiten ukrainischen Geistlichen, Mickevičius, der in der Stadt Strij in der Ukraine arbeitete. Keiner der beiden Geistlichen hat dagegen protestiert, daß die Staatssicherheitsbeamten die zur vertraulichen Aufbe­wahrung von den Gläubigen übergebene Eucharistie beschlagnahmt haben.

 

Der Geistliche VI. Prokopiv, geboren 1914 in der Karpathoukraine, hat die höheren geistlichen Studien in Rom absolviert. Später arbeitete er als Geistlicher in der Ukraine, wurde nach Kasachstan verbannt und betrieb missionarische Arbeit in Akmolinsk. Als die Verhaftungen der Geistlichen einsetzten, begab er sich nach Litauen und konnte hier bei körperlicher Arbeit nur im geheimen den Vilnaern und den Ukrainern als Geistlicher dienen. Der Geistliche Vi. Prokopiv führt ein geheiligtes und opferreiches Leben.

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Alduona Matusevičiūtė arbeitete als Erzieherin in der Kinderbewahranstalt Nr. 81 der Stadt Vilnius. Am 27. September wurde sie von der Kultur­abteilung der Stadt Vilnius beschuldigt, sie sei Nonne und man verlangte von ihr, sie solle ein Gesuch um Entlassung von der Arbeit „auf eigenen Wunsch" schreiben. Am 13. Oktober 1973 wurde A. Matusevičiūtė entlassen.

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Ende Mai 1973 erklärte der Lehrer für atheistische Erziehung, Staukaitis, den Studenten des 4. Semesters der Abendabteilung für Vorschulpädagogik und -psychologie des staatlichen pädagogischen Instituts von Vilnius: „Wenn Erzieherinnen in Kindergärten hören, daß ein Kind von Gott spricht, seien Sie verpflichtet, mit den Eltern des Kindes zu sprechen. Wenn dies nicht helfe, könne man auf den Arbeitsplatz der Eltern über gewerkschaftliche oder Parteistellen Einfluß nehmen."

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Am 18. Februar 1974 begann ein Prozeß gegen fünf Personen: V. Povilonis, A. Sakalauskas, S. Žukauskas, Rudaitis und Mackevičius. Sie waren im März 1973 verhaftet worden und antisowjetischer Tätigkeit ange­klagt. Der Prozeß soll etwa 2 Wochen dauern. Genauere Angaben bringen wir in der Nr. 10 der „Chronik der Litauischen Katholischen Kirche".

 

Erzdiözese Kaunas

Kaunas

Als der Direktor des hiesigen Verlages Sviesa (Das Licht) erfuhr, daß die Mitarbeiterin seines Betriebes, Monika Gavėnaitė Nonne sei, erklärte er, es sei besser, nichts mit einer Scheinheiligen zu tun zu haben und befahl ihr, eine Meldung über die Lösung des Arbeitsverhältnisses „auf eigenen Wunsch" zu schreiben. Am 11. Februar wurde M. Gavėnaitė entlassen. Diese Entlassung war zweifelsohne von Staatssicherheitsorganen sanktio­niert (siehe Chronik der Litauischen Katholischen Kirche" Nr. 8, S. 8).

Šiauliai

Am 18.12. 1973 wurde versucht, den Schaulener Juozas Šileikis S. Kulevičius zu überreden, dem Glauben abzusagen und sei es auch nur zum Schein. Anfang Dezember 1974 verlangte die Klassenleiterin der Klasse IIb der 5. Schaulener Mittelschule, die Nichtmitglieder des Komsomol sollten eine schriftliche Erklärung der Eltern darüber mitbringen, warum sie nicht im Komsomol seien. J. Šileikis schrieb: „Meine Tochter Virginia ist gläubig und tritt dem Komsomol nicht bei, weil sie nicht heucheln will." Am 26. Dezember 1973 wurde J. Šileikis zur Elternversammlung bestellt. Erneut wurde das Verhalten seines Sohnes Leonas Šileikis erörtert, der in der Stadt Šiauliai antisowjetische Flugblätter verteilt hatte („Chronik der Litauischen Katholischen iKrche" Nr. 8). Die Lehrerin Kaunenė warf dem J. Šileikis bezüglich dessen, was er bei früheren Versammlungen vorgebracht habe, „Abgeschmacktheit" vor. Die Klassenleiterin beklagte sich bei den Eltern darüber, daß es noch viele gläubige Schüler gebe. Danach sprach die Klassenlehrerin über das Vergehen der Schülerin der 7. Klasse, Nijole Martinaityte. Nijole hatte ein völlig unschuldiges Mädchen verprügelt und es mehrfach mit einem Messer verletzt. Darüber sprach die Klassenlehrerin aber nur ganz kurz und in der Hauptsache jedoch darüber, wie man Nijole vor einer Bestrafung bewahren könne. Die Täterin selbst aber erklärte, sie wolle gern ins Gefängnis, sei es auch nur, um das Prügeln richtig zu lernen! Am Abend des 26. Dezembers erschienen bei J. Šileikis die Klassenleiterin Kaunenė, die Rechtsanwältin Petrauskene und die Volksrichterin Norvilenė, zwecks „Uberprüfung" der Familie.

„Wann warst Du das letzte Mal in der Kirche?" fragten die Erschienenen den Leonas. „Liest Du die Evangelien?"

„In der Kirche war ich Sonntag. Dort hörte ich auch die Lesung des Evan­geliums." „Hast Du die Bücher von Regauskas gelesen?" „Ja!" J. Šileikis erklärte, seine Kinder läsen sowohl religiöse wie atheistische Bücher, sie fänden die Wahrheit selbst und deshalb würde es den Atheisten auch nicht gelingen, sie vom Glauben abzubringen.

»Warum glauben Sie so blind an Gott?" wandte man sich nun an den Hausherrn.

»Die Atheisten bilden blind ihre Meinung. Viele von ihnen haben nicht einmal den Katechismus gelesen und schreien doch: ,es gibt keinen Gott'."

„Warum verstoßen Sie gegen die Parteilinie und erlauben Ihren Kindern nicht, dem Komsomol beizutreten?"

„Ich sehe keine hinreichende Veranlassung. Sammeln Sie doch alle Huligans von den Schulen, reihen Sie sie in den Komsomol ein, erziehen Sie sie zu ordentlichen Menschen, dann werde auch ich Ihnen die Erziehung meiner Kinder anvertrauen können."

„Was zwingt Sie denn, so standhaft zu sein?" fragten die „Durchleuchter" den J. Šileikis.

„Die Religion", und weiter: „über Litauen sind viele Vagabunden hinge­zogen und wäre der Litauer ein Flaumenfederchen, das vom Wind getra­gen wird, wer weiß, ob er heute noch litauisch sprechen könnte. Deshalb werden wir dem nachleben, was uns die Vorfahren gelehrt haben."

 

Jonava

In den Jahren 1972 und 1973 schalt und maßregelte die Klassenlehrerin Slapauskienė der 4. Klasse der 1. Jonavaer Mittelschule den Schüler Leonas Rosinas, weil er zur Kirche gehe. Die Schüler dieser Klasse benahmen sich, entsprechend dem Beispiel der Lehrerin, nicht besser. In den Jahren 1973 und 1974 begann eine andere Atheistin, die Lehrerin Valeravičiene Leonas zu „erziehen". Sie beschimpfte ihn vor der ganzen Klasse, weil er mit der Mutter zur Kirche gehe. Nach der Schule klagte Leonas häufig darüber, daß die Kinder ihn stießen und auch schlagen. Einmal überfielen die Lehrerin Valeravičiene und ihr Ehemann die Mutter des Leonas mit Reden, sie sei ein finsterer Mensch, eine Zurückgebliebene, sie glaube an irgendeinen erdachten Gott. Die Mutter von Leonas erklärte jedoch freund­lich, sie glaube fest an die Existenz Gottes. Dann versuchte die Lehrerin sie zu überreden, wenigstens ihren Sohn nicht in die Kirche zu führen. „Ich bin für die Erziehung des Kindes verantwortlich und wenn ich es nicht in die Kirche führen würde, versündigte ich mich vor meinem Gewissen. Solange das Kind in meiner Obhut ist, werde ich es religiös erziehen." „Wenn Sie so handeln, wird das Kind ein Rüpel bleiben; man wird es ver­achten und unterdrücken."

Die Mutter brach in Tränen aus und kam wehen Herzens nach Hause. Am 5. Oktober kam Leonas arg zerschlagen aus der Schule heim. Er war blaß und klagte, daß ihn der Kopf schmerze. Die Mutter bestellte den ärztlichen Notdienst, der das Kind ins Krankenhaus brachte. Der Arzt rief die Poli­zei und es stellte sich heraus, was in der 1. Mittelschule vor sich ging. Die minderjährigen Schläger wurden zwar in die Jugendabteilung der Polizei­wache bestellt, allein sie blieben straflos. Leonas versäumte die Schule bis zum 15. Oktober und konnte bis zum Dezember an den Leibesübungen nicht teilnehmen.

Jakutiškiai

Die Direktorin des Kulturhauses von Jakutiškiai hat sich in der Kirche von Deltuva kirchlich trauen lassen. Nach diesem „Vergehen" wurde sie sofort entlassen. Die Bezirkszeitung von Ukmerge Gimtoji žeme (Heimatland) vom 10. 1. 1974 schrieb: „Laima Atkočiūnaite (jetzt nach dem Ehemann Štarkiene) hat den Komsomol verraten, da sie beim Eintritt in denselben unter anderem gelobt hatte, gegen die religiösen Vorurteile zu kämpfen ... Im vorvorigen Jahr hat in gleicher schmachvoller Weise auch die Bevoll­mächtigte der staatlichen Baubank für den Rayon Ukmerge, Vida Pakėmaite, den Komsomol verraten..."

Man zwingt sogar gläubige Jünglinge und Mädchen, in den Komsomol einzu­treten und lehrt sie zu heucheln und dann erregt man sich, wenn sie sich religiöser Riten bedienen.

Diözese Panevėžys

Utena

In der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 1974 drangen Übeltäter in die Kirche von Utena ein und raubten zwei kirchliche Kelche, zwei Monstranzen und zwei Reliquienkästen. Sie entweihten hl. Hostien, indem sie sie durch­stachen.

Man erzählt, daß das Leningrader atheistische Museum Kultgegenstände aufkaufe. Anders hätten die Diebe die geraubten Gegenstände auch nirgends zu Geld machen können.

Auch das Vilnaer atheistische Museum berichtete über Aufkauf verschiedener Kultgegenstände. In den Höheren Lehranstalten Litauens unterschreiben Lehrer Quittungen für mitgebrachte Gebetbücher oder andere Bücher reli­giösen Inhalts.

 

Smilgiai

Dem Staatsanwalt der Litauischen SSR Meldung20

 

vom Bürger Babrauskas Balis Anupro wohnhaft im Dorf Smilgiai Rayon Biržai


20 Die Meldung wird in wörtlicher Übersetzung unter Bewahrung der „Unebenheiten" und der Eigentümlichkeiten im Ausdruck des Originals gebracht.

 

Am 20. November 1973 haben die Mitarbeiter des Birzer Rayonkomitees, angeführt vom Hauptmann Jasinskis, eine Haussuchung in der hiesigen Kirche, deren Wirtschaftsräumen, der Sakristei und in meinem Wohnraum, der sich in der Sakristei befindet, durchgeführt. Ich wohne dort, da sowohl das alte wie das neue Haus der Pfarrei, die die Gemeindeglieder für die hiesigen Kirchendiener erbaut hatten, vom Exekutivkomitee von Biržai weggenom­men worden sind.

Während der Haussuchung wurden mir gehörende religiöse Literatur, Schreibpapier, sowie die Schreibmaschine, alle vorhandenen Tonbänder, so­wohl unbespielte, als auch im wesentlichen mit Kirchengesängen bespielte, beschlagnahmt. Weiter wurden sämtliche Psalter der religiösen Gemeinde der Kirche von Smilgiai beschlagnahmt.

Die Haussuchung betrachte ich als völlig ungesetzlich, weil

1.       die Haussuchung ohne jeden Zeugen durchgeführt wurde. Die Personen, die die Durdisuchung vornahmen, fungierten zugleich auch als sogenannte Zeugen, mir aber wurde nicht gestattet, einen Zeugen hinzuzuziehen;

2.       mein Eigentum beschlagnahmt: religiöse Literatur u. a. völlig ungesetz­lich, da das Naturrecht und die Verfassung jede Religion zu bekennen gestattet und den freien Gebrauch religiöser Literatur erlaubt, gleichgültig auf welche Art sie niedergeschrieben ist — mit dem Bleistift, mit Tinte oder mit meiner Schreibmaschine;

3.       in der von Ihnen gegebenen Ermächtigung nicht die Beschlagnahme dieser Dinge erwähnt war, die Person aber, die die Haussuchung durchführte, sich auf einen Befehl berief.

Seit der Haussuchung sind schon zwei Monate vergangen, von den beschlag­nahmten Sachen aber ist noch nichts zurückgegeben worden. Deshalb wende ich mich an Sie, damit Sie die21 beschlagnahmende Dienststelle an die elemen­taren Gesetze erinnern und mir mein Eigentum zurückgeben, ich kann ein derartiges Verhalten nicht verstehen.

Inwiefern sind die einfachste religiöse Literatur und die Psalter verboten, deren Besitz und Gebrauch durch die Verfassung und das Naturrecht garan­tiert sind? Ich betrachte daher den Akt der Beschlagnahme der religiösen Literatur und der Psalmen bei mir als Raub. Mit welchem Recht wurden bei mir die Tonbänder beschlagnahmt, die man im Laden kaufen kann? Das verstehe ich nicht. Aber daß man mir die Aufzeichnung der lebendigen Stimme wegnahm, die dem dauernden Andenken der entschlafenen Mutter diente (auf der Hülle war vermerkt „Mutters Stimme"), welche die kost­barste Reliquie der Familie war — eine einzige Tonbandaufnahme für die fünf von ihr großgezogenen Kinder — diese Handlung der Mitarbeiter der


21 In der Meldung lautet es buchstäblich „ihnen", „sie", „ihr"; gemeint sind die Staats­sicherheitsorgane, die die Haussuchung durchgeführt haben.

die Haussuchung durchführenden Beamten halte ich für eine beispiellos bar­barische Handlung, die zu brandmarken mir einfach die Worte fehlen. Ist der Besitz von weißem Schreibpapier und von Kopierpapier verboten, die im Laden gekauft wurden? Etwa deshalb, weil nach den Worten der die Haussuchung durchführenden Beamten „Kopierpapier schwer zu erhalten ist", aber hier soviel davon sei, daß es für einige Kanzleien reichen würde. Den Staatssicherheitsbeamten ist es bequemer, den Bürger zu berauben, als in den Läden nach Papier zu suchen.

Mich verwundern verschiedene, von den die Haussuchung durchführenden Beamten geäußerten Bemerkungen darüber, was sie gefunden und gesehen hätten. Alles das sehe ich als Erscheinungen der Plumpheit eines der Beamten an, dem die elementarste Kultur fehlte. Am 22. Februar wurde ich zum Vor­sitzenden des Exekutivkomitees von Biržai, A. Tumėnas, bestellt, der mir drohte, mir hohe Einkommensteuern aufzuerlegen, die ich ja würde bezahlen können und zählte dann auf, was die Haussucher bei mir alles gesehen und was sie ihm gemeldet hätten, beginnend mit dem Sparbuch und endend mit einem bei mir gefundenen Kaninchenpärchen. Das alles — kann man nach ungeschriebenem Recht gegenüber einem Gläubigen, erst recht gegenüber einem Geistlichen für angemessen halten: in unkultiviertester Weise über einen herfallen, ihn diskriminieren, im gegebenen Falle ihn berauben. Der­artige Handlungen zwingen mich zur Annahme, daß sie22 gegen einen Geistlichen glauben alles unternehmen zu können.

Die Beschlagnahme der Psalter der religiösen Gemeinde der Kirche von Smilgiai ist vollendete Willkür, da sie Eigentum der Kirche sind. Die Haus­suchung wurde ohne Beisein eines Vertreters der Kirchengemeinde von Smilgiai durchgeführt, den man nicht über mehrere Kilometer hätte zu suchen brauchen — er befand sich mitten im Dorf Smilgiai, nur wenige Schritte entfernt.

Am Sonntag nach der Haussuchung kamen Vertreter der Kirchengemeinde, nachdem sie die Psalter nicht an ihrem Platz gefunden hatten, zu mir und verlangten Auskunft darüber, wohin sie verschwunden wären. Sie wunderten sich und erregten sich sehr über die Willkür der Behördenvertreter. Sie be­gannen eine Unterschriftensammlung für eine Beschwerde über diese Berau­bung der Kirche. Ich bat sie abzuwarten und auf Ihre, Staatsanwalt, Unter­stützung sich zu verlassen, da das Land nach Gesetzen verwaltet werde, und nicht durch die Willkür seiner Vertreter.

Aus diesem Grunde glaube ich auch immer noch, daß im Lande Gesetzmäßig­keit besteht und ich schrieb diese Meldung, in der ich mich an Sie mit der Bitte wende, den mir zugefügten Schaden zu ersetzen und zu veranlassen, daß mir die religiöse Literatur, die Psalmen, die Tonbänder, das Papier und die Schreibmaschine zurückgegeben werden.


22 die Staatssicherheitsbeamten.

Gleichzeitig bitte ich, um die Unruhe der Leute und die Mühe beim Sammeln der Unterschriften zu vermeiden, ihnen23 die Psalter zurückzugeben.

24. 1. 1974

Geistlicher B. Babrauskas

 

Auf diese Meldung antwortete der Staatsanwaltsgehilfe Baku&onis in dem ihm eigenen Stil: „In Beantwortung Ihrer Meldung vom 24. 1. 1974 teile ich mit, daß die bei Ihnen durchgeführte Haussuchung am 20. Nov. 1973 im Zusammenhang mit einer Strafverfolgungssache vom Staatsanwalt der Re­publik genehmigt war."

Da in der Meldung des Geistlichen B. Babrauskas die Genehmigung des Staatsanwalts der Republik erwähnt war, ist die Antwort des J. Bakučionis ihrem Wesen nach eine Verhöhnung des Bürgers, die nur die in der Meldung ausgesprochene Vermutung bestätigt, daß man mit einem Geistlichen nach Gutdünken umgehen könne.

*   *   *

Salos

„Die Chronik der Litauischen Katholischen Kirche (Nr. 8) berichtete bereits über die Verfolgung des Pfarrers der Kirche in Salos, P. Nykštus, weil er Kinder zur Erstkommunion vorbereitet hatte. Das Exekutivkomitee des Rayons Rokiškis hatte beschlossen, den Geistlichen P. Nykštus mit einer Geldstrafe von 50 Rubel zu belegen, hob aber in der Absicht, keine Unzu­friedenheit der hiesigen Gläubigen hervorzurufen, den am Vorabend gefaß­ten Beschluß auf, so daß auf diese Weise der Pfarrer der Kirche unbestraft blieb.

*   *   *

Diözese Telšiai

 

Am 1.8. 1974 richtete der Vikar der Gemeinde Šilale, A. Šeškevičius, eine Eingabe an den Kultuskommissar fürreligiöse Angelegenheiten bei dem Ministerrat der Litauischen SSR, in der er um Klärung darüber bat, aus welchem Anlaß der stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees von


23 den Gemeindemitgliedern.

Šilale ihm, dem Vorsitzenden des örtlichen Kirchengemeindekomitees, ver­boten habe, bei Gläubigen Geldspenden zu sammeln.

„Kann denn der Vorsitzende des Kirchengemeindekomitees nicht jeden belie­bigen Bürger als Helfer beim Einsammeln der Spenden heranziehen?" fragt der Geistliche Šeškevičius. — Und ist der Geistliche nicht ein Bürger, wie die anderen?

Mir ist gesagt worden, daß ein Geistlicher sich an der Spendeneinsammlung beteiligen, in keinem Falle aber mit dem Teller von Spender zu Spender gehen dürfe. Anders aber — ohne jede Verpflichtung — beim Einsammeln der Spenden zu „helfen" lohnt sich für den Geistlichen nicht, weil er sonst eine Art Aufseher würde und die Gläubigen nur erzürnen könnte. Wie sind derartige Verbote mit dem Absatz 96 der Verfassung über die Trennung von Kirche und Staat zu vereinbaren? Hier „dirigiert" der Staat die Spendensammlung in der Kirche. Stellen solche Dinge dem denkenden Menschen des XX. Jahrhunderts nicht „das Hirn schief"?

*   *   *

Upyna

Am Vorabend des Verfassungstages der UdSSR fragte die Lehrerin der Mittelschule in Upyna, Jurgaitenė, die Schüler einer Klasse: „Welcher Feier­tag naht?"

„Die Heilige Weihnacht", antworteten die Schüler. Die Lehrerin errötete und sagte: „Nirgends gibt es so rückständige Eltern und Schüler, als hier bei uns in Upyna."

 

Aus dem Archiv der „Chronik der Litauischen Katholischen Kirche"

Am 7. August 1968 schickte der Pfarrer der Kirche in Adakova, V. Šlevas, dem Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR, dem Genossen Kossygin die folgende Eingabe:

„Litauen ist ein gläubiges Land. In ihm wohnen jetzt etwa 3 Millionen Menschen. Etwa 2 Millionen glauben an Gott und nutzen die Dienste der Kirche. Weder die Kirchendiener noch die Gläubigen sind gewöhnlich gegen die herrschende Ordnung eingestellt. Die Litauer sind arbeitsame, einsichtige, ernsthafte, freundliche und dazu disziplinierte Leute. Aber von Seiten der Behördenvertreter erleiden sie bestimmte Einengungen und Bedrückungen. Darum wende ich mich namens aller Geistlichen und Gläubigen an Sie, verehrter Vorsitzender des Ministerrats, mit der Bitte um Hilfe und Unter­stützung.

1.       In der Litauischen SSR gibt es rund 800 Kirchen, sie werden von Geist­lichen versorgt. Allein für 6 Diözesen gibt es jetzt nur noch ein geistliches Seminar. Früher waren es drei. Zum Studium in diesem einzigen geist­lichen Seminar wird nur eine begrenzte Zahl von Geistlichen zugelassen — etwa 30. Jedes Jahr werden nur 5 bis 6 neue Geistliche geweiht. Was bedeutet eine solche Zahl für 6 Diözesen!? Alljährlich sterben oder ver­lassen aus Gesundheitsgründen 25 bis 30 Geistliche das Amt. Gemeinden, die ohne geistlichen Beistand bleiben, leiden schwer. Diese durch nichts begründete Begrenzung beeinträchtigt die Freiheit des Glaubensbekennt­nisses der Katholiken, was in der Sowjetunion gesetzlich verboten ist. Daneben erschweren die zuständigen Behördenvertreter die Weihe der Geistlichen, die das Seminar absolviert haben. Ohne deren Genehmigung dürfen unsere obersten Kirchenbehörden diese nicht vornehmen. Das aber ist unzulässig, das ist Willkür.

2.       In den Kirchen der Litauischen SSR wird Strom verbraucht, wie in an­deren Gebäuden auch. Uns ist nicht bekannt, warum der Strompreis für uns exeptionell hoch ist. Die Kollektivmitglieder zahlen für die Kilowatt­stunde 4 Kop., die Kollektivwirtschaften für Strom für gemeinschaftliche Zwecke nur 1 Kop., die Kirchen aber, die von denselben Kollektivmit­gliedern und anderen Personen unterhalten werden, zahlen 25 Kop. je Kilowattstunde. Wir kennen die Gründe für diese unterschiedliche Rege­lung nicht.

3.       Die gläubigen Litauer haben nichts, wonach sie leben können. Die Gebet­bücher sind alt oder zerfetzt. Jetzt ist ein gutes Gebetbuch „Liturginis maldynas" (Liturgische Gebete) druckreif, die Druckgenehmigung liegt vor, es sind aber nun schon mehrere Monate vergangen, seit der Druck unter dem Vorwand, es mangele an Papier verschoben wird.

Ich vertraue auf Ihr Wohlwollen und Ihre Freundlichkeit gegenüber un­serem Volk und den Gläubigen. Wir erwarten von Ihnen wohlwollende Hilfe. Wir sind überzeugt, daß es eine Begrenzung der Anzahl der in das geistliche Seminar Aufzunehmenden nicht mehr geben wird, daß der Strompreis dem angeglichen wird, den die Kollektivmitglieder zu zahlen haben, 4 Kop. je Kilowattstunde, wir glauben alle fest daran, daß das Gebetbuch bald erscheint und frei im gläubigen Litauen verbreitet werden kann.

Mit tiefer Hochachtung, in Dankbarkeit und Hoffnung

Geistlicher Šlevas

 

Eine ähnliche Eingabe an die Regierung der UdSSR richtete auch der Pfarrer der Kirche von Batakiai Alfonsas Pridotkas.

Am 5. Oktober 1968 benachrichtigte der Vorsitzende des Exekutivkomitees von Skaudvilė den Geistlichen Slevas, daß er verpflichtet sei, sich am 7. Okt. beim Kommissar für Kirchenfragen Rugienis einzufinden.24 Am 7. Oktober fuhren beide „Verbrecher", der Geistliche Šlevas und der Geistliche Alf. Pridotkas zu Rugienis. Er bereitete ihnen einen bösen Emp­fang, erteilte ihnen einen Verweis und bedrohte sie. Sofort aber nach dieser „Visite" wurden die beiden Geistlichen in andere Gemeinden versetzt. In der Zeit, als die ersten Eingaben wegen der Einengung der Glaubensfrei­heit in Litauen bei der Regierung einliefen, fand der Gedanke, daß man für den Glauben kämpfen müsse, bei Geistlichen und Gläubigen Zustimmung. Viele bedauerten, daß sie lange abgewartet und in dieser Richtung nichts getan hatten.

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Diözese Kaišedorys

Jieznas

Am 26. Oktober 1973 wurde der Organist der Gemeinde Jieznas, Mykolas Jaudegis, zum Exekutivkomitee von Prienai bestellt. Die administrative Kommission (Vorsitzender Stakonis, Stellvertreter Arbačaūskas, Sekretär Ramanauskas, Mitglieder: Miekiene und Svežaūskas) belegte ihn mit einer Strafe von 30 Rubel wegen „Verletzung der Kultgesetze". Es erwies sich, daß im Chor der Kirche in Jieznas Kinder sangen, und daß dies als ein „schweres Verbrechen" angegeben wurde.

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Am 20. August 1973 wurde der Vikar der örtlichen Gemeinde, K. Žilys (geweiht 1973), zum Exekutivkomitee von Jieznas bestellt. Die Behörden­vertreter verlangten, daß er die Kinder vom Altar entferne. „Es ist die Pflicht des Geistlichen, die Kinder an den Altar heranzuziehen, nicht aber sie von ihm zu entfernen", erklärte der Geistliche K. Žilys. Ein wenig später wurde der Geistliche K. Žilys erneut „durchleuchtet". Der Direktor der Mittelschule von Jieznas beschuldigte ihn, daß er Kinder in den Kirchenchor aufnehme, und erklärte, daß er nicht dulden würde, wenn die Kinder auf diese Weise religiös erzogen würden. Der Vikar mußte sogar eine schriftliche Erklärung abgeben. Der Geistliche K. Žilys erklärte, es sei seine Pflicht als Geistlicher, den Menschen zu helfen. Da die Gläubigen ihn gebeten hätten,


24 Kommissar für Religionsangelegenheiten beim Ministerrat der UdSSR für die Litauische SSR.

ihre Kinder im geistlichen Gesang zu unterrichten, habe er sich bereit erklärt, dieses zu tun.

Am 31. Oktober 1973 wurden beide Geistlichen von Jieznas, V. Šidaras und K. Žilys zum Exekutivkomitee von Prienai bestellt. Den Vikar warnte man, er solle sich der Verletzung sowjetischer Gesetze enthalten; er dürfe keine Repetitionen des Kirchenchors veranstalten und Kinder nicht gruppenweise unterrichten. K. Žilys erwiderte, er könne sich nicht an Gesetze halten, die gegen die Kirche gerichtet seien. Die schriftliche Warnung unterschrieb er nicht. Die Vertreter der Rayonbehörde drohten, daß sie in ihrem Rayon einen solchen Geistlichen nicht dulden würden, sein Verhalten würde für ihn zu einem bösen Ende führen.

Am 29. Oktober 1973 sandte der stellv. Vorsitzende des Exekutivkomitees Prienai, K. Morkvėnas, an K. Žilys folgende schriftliche Warnung: „Es wurde festgestellt, daß in der Kirche der Gemeinde Jieznas während der Kulthandlungen Kinder und Jugendliche dienen. Das ist eine Verletzung sowjetischer Gesetze. Wir warnen Sie davor, derartige ungesetzliche Aktivi­täten bei der Erziehung von Kindern in Zukunft zu wiederholen und mahnen Sie, die Verletzung der Gesetze über den Kult einzustellen." Der Mittelschuldirektor von Jieznas begann eine wütende Kampagne gegen Schüler, die bei der Messe dienten und im Kirchenchor sangen. Die Kinder wurden gezwungen, Erklärungen mit Angaben darüber zu schreiben, wer sie im Kirchengesang unterrichte.

Der Schuldirektor erschreckte die Schülerin L. Kvedaravičiūtė, nachdem er sie zu sich bestellt hatte, durch die Mitteilung, er würde ihren Vater ins Gefängnis bringen und ihn mit 50 Rubel Geldstrafe belegen. Dasselbe würde auch dem Geistlichen widerfahren. Der Direktor bestellte auch die Eltern, drohte mit Herabsetzung der Betragensnoten für ihre Kinder, ja mit Ent­fernung von der Schule. Dieser engagierte Apostel der Gottlosigkeit begann sogar von Haus zu Haus zu gehen, unterließ aber diese Praxis, als er von einem der Väter beschämt wurde.

Am 2. Januar 1974 wurden die Geistlichen von Jieznas erneut zum Exekutiv­komitee von Jieznas bestellt. Da die Bestellung mündlich erfolgt war, ging K. Žilys nicht hin. Der Pfarrer erhielt einen Verweis dafür, daß er den Vikar nicht zur Ordnung gerufen habe. Am 20. Januar veranstalteten Gläubige aus Jieznas in der Wohnung des Vikars einen Abschied für den Pfarrer V. Sidaras, der in das Städtchen Vievis versetzt worden war. Die Gemeinde­glieder hatten ihre Kinder mitgebracht, die Lieder sangen, darunter auch geistliche Lieder. Unter den Fenstern des Vikars aber lungerten unterdessen Späher: der örtliche Internatsdirektor, der Mittelschuldirektor und die Inter­natserzieherin Kačergienė. Diese Kontrolleure erkannten irgendwelche Schü­ler. Am nächsten Morgen überfiel der Schuldirektor die Kinder wegen ihrer Anwesenheit beim Vikar. Einigen Mädchen befahl er, nicht ohne die Eltern wieder in die Schule zu kommen. Die Ängstlicheren schrieben eine Meldung, wonach der Vikar sie im Kirchengesang unterwiesen hätte. Es fanden sich aber nur tapfere Eltern, die erklärten: „Unsere Kinder werden auch in Zu­kunft im Kirchenchor singen und bei der Messe dienen." Am 23. Januar versammelten sich im Exekutivkomitee Jieznas der Direktor des örtlichen Internats, der Mittelschuldirektor und der Vorsitzende des Exekutivkomitees Aganauskas und versuchten nochmals, den Vikar umzu­erziehen:

„Wir haben den Organisten bestraft, obwohl Sie schuldig waren und alles organisiert haben... Sie aber hindern uns, die Kinder atheistisch zu erzie­hen", sagte der Schuldirektor.

K. Žilys bemerkte, daß die Ergebnisse der atheistischen Erziehung irgendwie leider unsichtbar blieben. Allein in dem Jahr 1973 seien Schüler aus Jieznas dreimal in die Kirche eingebrochen und hätten sie beraubt. Eine Gruppe von 11 Schülern sei als Diebesbande ermittelt worden.

Dem Vikar wurde gesagt, daß er offenbar absichtlich den Behörden nicht gehorche, damit die Kirche ihn für heilig erkläre.

Der Vikar unterschrieb das Kommissionsprotokoll nicht.

Am 1. Januar 1974 wurde der Geistliche K. Žilys von der administrativenKommission von Prienai wegen Verletzung des Gesetzes über religiöse Kulte mit einer Geldstrafe von 50 Rubel belegt.

K. Žilys erklärte, er habe als Geistlicher nicht das Recht, die Kinder von der Orgel oder vom Altar zu „vertreiben". Außerdem sehe der Erlaß des Präsi­diums des Obersten Rates der Litauischen SSR nur eine Bestrafung für die Organisierung von Kindern außerhalb des kultischen Rahmens vor, das Singen aber im Kirchenchor sei ein Bestandteil des Kults. „Wozu unterhalten wir uns hier mit ihm! Er mag sich bei Gericht beschweren, da können sie es erledigen. Wir sind nicht zur Unterhaltung zusammen­gekommen, sondern um zu bestrafen", äußerte sich eines der Kommissions­mitglieder.

 

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