Komsomol-Kongreß

Mitte Februar 1974 fand in Wilna der 18. Kongreß des litauischen Komso­mol statt, der sich insbesondere mit der kommunistischen Erziehung der litauischen Jugend befaßte. Der Erste Sekretär des ZK des litauischen kom­munistischen Jugendverbandes (LKSM) V. Baltumas rühmte sich der Erfolge bei der Erziehung der Jugend im Sinne des Patriotismus und Internationalis­mus. Nach seinen Worten erzielte die Bereisung der Stätten revolutionären, kriegerischen und werktätigen Ruhmes des Sowjetvolkes durch den AU-unions-Komsomol gute Ergebnisse. Im Laufe dreier Jahre hätten die Teil­nehmer an der Bereisung ca. 150 Denkmäler, Obelisken und Gedenktafeln enthüllt und 673 Museen, Stuben und Winkel zur Erinnerung an den Kampfesruhm eröffnet. In Zukunft fühlten sich die Organisationen des Komsomol und der Pioniere besonders verpflichtet, in der Jugend Glauben und Verehrung an und für ihre multinationale Heimat zu stärken. Der Sekretär des ZK der KP Litauen A. Barkauskas sagte: „Die Arbeit an der patriotischen und internationalen Erziehung ist in jedem Kollektiv zu planen; für die kriegerisch-patriotische Erziehung sind mit mehr Umsicht und Findigkeit die Beispiele von Heldentum in der revolutionären Bewegung und im großen vaterländischen Krieg auszunutzen; Museen und Ausstellun­gen sind zu besuchen, Treffen mit Wehrpflichtigen der Sowjetarmee, mit Veteranen, mit ehemaligen Untergrundkämpfern sind zu organisieren, Fahr­ten zu Stätten des Kampfes und des Sieges zu veranstalten." Beide Redner schmähten den sogenannten Nationalismus. Aber das Leben zeigt, daß Bemühungen, die Vergangenheit unseres Volkes zu verunglimpfen und zu negieren, die Okkupation unseres Landes aber als „heroischen Auf­stand des Volkes" darzustellen, vergeblich sind. So ist die litauische Jugend und Schülerschaft durch nichts dazu zu bringen, den 16. Februar zu ver­gessen.12 In der Stadt Alifus waren sogar drei dreifarbige Nationalfahnen gehißt, im Rayonzentrum wurden Proklamationen verbreitet usw.


12 Tag der Unabhängigkeit Litauens.

A. Barkauskas13 sagte, „die Feinde bemühen sich, den Strom der Lüge auf­rechtzuerhalten, wonach die Menschenrechte in der Sowjetunion einge­schränkt seien, versuchen Nationalhaß hervorzurufen und religiösen Fana­tismus."

Nun sind es schon zwei Jahre, daß die „Chronik der Litauischen Katholischen Kirche" die Beeinträchtigung der Menschenrechte feststellt. Wenn das Lügen sind, warum widerlegt dann die Sowjetpropaganda keinen der in dieser Veröffentlichung genannten Fakten? Die Litauer achten Angehörige anderer Nationen, sie können aber nicht gleichmütig bleiben, wenn unter dem Deck­mantel des Kampfes gegen den „Nationalismus" die Vergangenheit unseres Volkes geschmäht und unter der Bezeichnung „Internationalismus" Denatio­nalisierung betrieben wird.

Der Sekretär des ZK der KP Litauen versäumte es nicht, nochmals den Träger des Nobelpreises Alexander Solschenizyn zu verdammen; er nannte ihn einen Verräter, Spalter und entarteten Menschen. Dessen ungeachtet grüßen die litauischen Katholiken diesen bedeutenden Schriftsteller und beten für ihn.

Das Werk Solschenizyns „Archipel Gulag" erinnert viele litauische Katho­liken an die von ihnen selbst oder ihren Vätern erduldeten Leiden in Lagern, in Gefängnissen, in der Verbannung. A. Solschenizyn bleibt für die litaui­schen Katholiken ein Vorbild dafür, wie man sein Vaterland und die Wahrheit lieben muß und sich nicht mit der Gewalt solidarisieren darf. Auf dem Komsomolkongreß wurde dazu aufgerufen, mit stets wachsendem Eifer den Kampf gegen die Religion zu führen.

- Alle Mittel des Komsomol sind gegen die Bemühungen der Geistlichkeit einzusetzen, auf die Jugend einzuwirken; es muß grundsätzlicher gegen jeden Einzelfall des Auftretens von Religiosität innerhalb der Jugend gekämpft werden — verlangte V. Baltrūnas.

- Es ist ärgerlich, daß von einem Teil der Jugendlichen, die heiraten, immer noch die Dienste von Geistlichen beansprucht werden — beklagt sich A. Barkauskas.

In Wahrheit ist es noch ärgerlicher, daß die Dienste der Geistlichen sogar von einem nicht geringen Teil der Komsomolzen und sogar von Parteimitgliedern beansprucht werden.

Die litauischen Katholiken würden es begrüßen, wenn der Komsomol seine Kräfte auf den Kampf gegen das wirklich Böse richten würde. So beträgt der mittlere Verbrauch je Einwohner Litauens jetzt 10 Liter Schnaps, 14 Liter Wein und 30 Liter Bier jährlich und hinzu kommt ein ganzer Fluß Selbstgebrannten.

A. Barkauskas rühmt sich: „Wir haben was herzuzeigen, wir siegen in jedem Streit mit harten Argumenten. Die Wahrheit ist auf unserer Seite."


13 Sekretär des ZK der KP Litauens.

Warum aber bedarf es zur Aufrechterhaltung dieser Wahrheit der Kraft und der Gewalt? Seit Anfang November 1973 bis jetzt erfolgen starke Störungen für den Empfang des vatikanischen Senders, damit die Litauer nicht auch eine andere Wahrheit erfahren. Bei Haussuchungen beschlagnahmen die Mit­arbeiter des Staatssicherheitsdienstes sogar Vorkriegsjournale, damit diese nicht etwa die Sowjet-»Wahrheit" stören. Und Gläubige, wie P. Pluira, J. Stašaitis, P. Petronis wurden Ende November 1973 wegen Verbreitung nichtsowjetischer Wahrheit verhaftet, verhört und angeklagt.