ANORDNUNG NR. 20

des Rektors des staatlichen Pädagogischen Institutes in Vilnius Vilnius, den 14. Februar 1975

Über die Verantwortung der Dozenten bei Organisation und Durchführung von Studienfahrten für Studenten

Im Lehrplan sind auch verschiedene Exkursionen, künstlerische Zusammen­arbeit, Ausflüge der Sportkollektive und Studienfahrten anderer Art im Innern der Republik und außerhalb ihrer Grenzen vorgesehen. Sie alle ha­ben eine große fachliche, wie auch didaktische und erzieherische Bedeutung für die Ausbildung der zukünftigen Lehrer. Es wird angestrebt, daß die Studenten bei solchen Studienfahrten, wie auch im pädagogischen Prakti­kum, in Arbeits- und Erholungslagern, ferner bei den Hilfsaktionen bei den Bauern durch ihre Arbeit und ihr Benehmen dem ehrenvollen Namen eines sowjetischen Studenten, eines zukünftigen Pädagogen, eines Jung­kommunisten und UdSSR-Bürgers Rechnung tragen.

Für diese Studienfahrten wird nicht wenig Zeit, die eigentlich für den aka­demischen Unterricht oder für die Erholung bestimmt ist, geopfert und es werden hohe finanzielle Mittel dafür verwendet. Ihr Gelingen für die Aus­bildung eines jungen Spezialisten hängt ab von der entsprechenden und zur gegebenen Zeit durchgeführten Vorbereitung dieser Studienfahrten seitens der Kollektivführer und Lehrstuhldozenten, wie auch von der Ein­haltung der dazugehörenden Disziplin während derselben mit Hilfe der Studenten-Aktivisten. Es ist unerläßlich, die Resultate solcher Studienfahr­ten innerhalb der Lehrstühle und Kollektive zu besprechen, die Dekane über die Studienfahrten und Exkursionen zu informieren und, wenn es nötig erscheint, auch das Rektorat.

In letzter Zeit wurden die elementarsten Forderungen bei Organisation und Durchführung von Studentenfahrten verletzt und man wurde mit Er­scheinungen konfrontiert, die einen negativen Einfluß auf die ideologische Erziehung der Studenten und die Entwicklung ihrer marxistischen Weltan­schauung ausüben.

In der Zeit vom 29. Juni bis 12. Juli 1975 führte eine Gruppe von 14 Stu­denten der geschichtlichen Fakultät unter Leitung des Dozenten und Lehr­beauftragten R. Šalūga das Lehrpraktikum in Archäologie, Ethnographie und Landeskunde in dem Gebiet Joniškis, Akmene und Mažeikiai durch. Diese Gruppe hat sich, als sie im Gebiet von Akmenė weilte, dann herab­gelassen, sich mit den kirchlichen Personen zu befassen, sie erwirkte unter dem Vorwand, es sei ein Kunstdenkmal, einen Besuch in der hölzernen Klykoliai Kirche, hörte sich die unwissenschaftlichen Kommentare des Ortspfarrers an (der Pfarrer der Pfarrei Klykoliai, Jonas Paliukas, absol­vierte im Jahre 1943 das Priesterseminar Kaunas; — Redaktion), schaute vom Pfarrer gedrehte Filme und Dias an, unter anderem solche religiösen Inhalts. Es versteht sich von selbst, daß all das im Praktikumsplan nicht vorgesehen war. Ich habe auf die Dienste von Šalūga, da er meines Ver­trauens unwürdig schien, verzichtet. Šalūga arbeitet nicht mehr am Insti­tut. Der Gruppenvertreter wurde von seinen Pflichten entbunden. Mit den Studenten wurden entsprechende Gespräche geführt.

Am 27. Oktober 1974 führte eine Gruppe des zweiten Kurses derselben Fakultät unter Leitung der Dozentin A. Gaigalaitė eine eintägige Erken­nungsexkursion durch mit der Marschroute Pilaitė — Kernavė — Musnin­kai — Čiobiškis — Žąslai — Elektrėnai — Vievis — Lentvaris. In Kernavė gingen die Studenten, ohne daß die Dozentin es bemerkte, eigenmächtig in die Kirche, um sie zu besichtigen; wie sich herausstellte, ist dort ein unwis­senschaftliches, antigeschichtliches Museum eingerichtet. Als die Dozentin das bemerkte, holte sie die Studenten sofort heraus und führte mit ihnen ein erklärendes Gespräch. Jedoch machte sie nach ihrer Rückkehr dem Dekan der Fakultät über das Vorkommnis keine Mitteilung.

In der Zeit vom 4. September bis 3. Oktober 1974 nahm eine Gruppe von Studenten der geographischen Fakultät unter der Leitung des stellvertreten­den Dozenten J. Tomkus in dem Kolchos „Lienino priesakų", Gebiet Šal­čininkai, an einer Hilfsaktion für die Bauern teil. Ohne auf die strengen Vorschriften für Hilfsaktionsführer zu achten, und weil der stellvertretende Dozent J. Tomkus Kompromisse schloß, wurde die Schlußfeier des Einsatzes mit alkoholischen Getränken abgehalten. Eine Schlußfeier solcher Art und das Benehmen mancher Studenten während derselben verletzten die Würde der Helfer und ihrer Führer. Schon früher, während eines Praktikums am See Drušiai, in der Zeit vom 16. bis 21. Juli, geriet der stellvertretende Dozent J. Tomkus in Anwesenheit von Studenten an einem Lagerfeuer, ohne daß irgendein ernster Grund vorgelegen hätte, mit von weither ge­kommenen Touristen in Streit. Dieser taktlose Konflikt seitens des Dozenten bekam, ob man es zugeben will oder nicht, einen nationalistischen Anstrich. Auf solche und ähnliche negativen Erscheinungen muß streng und prinzi­piell reagiert werden, damit jeder Lehrstuhl und die Dozenten daraus die nötigen Schlüsse ziehen.

In Zusammenhang mit diesen Vorkommnissen ordne ich an:

1.   Dem stellvertretenden Dozenten Juozas Tomkus eine Rüge auszuspre­chen wegen grober Verletzung der Disziplin während der Hilfsaktion für die Bauern und wegen taktlosem Benehmen Fremden gegenüber wäh­rend des Studentenpraktikums;

2.   der Dozentin des Lehrstuhls für die Geschichte der UdSSR, Aldona Gaigalaitė, wegen Unterlassung der Information über das unpassende Benehmen mancher Studenten während einer Studienreise eine War­nung auszusprechen.

3.   Die Leiter der Lehrstühle müssen binnen 10 Tagen die Mitglieder ihres Lehrstuhls mit diesem Schreiben bekannt machen und es zusammen mit Vorschlägen zu dieser Anordnung an die Kanzlei zurückgeben.

Dozent V. Uogintas Rektor des VVPT

Kaunas

Am 11. Februar 1975 machte eine Gruppe von Studenten der tierärztlichen Fakultät, die unterwegs nach Kurtuvėnai war, einen Abstecher nach Šiluva und Tytuvėnai. Am 13. Februar 1975 begann der Dozent des Lehrstuhls für Marxismus, Bagackas, die Studenten, die an der Fahrt teilgenommen hatten, zu verhören und dafür zu beschuldigen, daß sie einen Abstecher nach Šiluva unternommen hatten. Den Dozenten, die am Faschingsfest in Kurtuvėnai teilgenommen hatten, drohte er mit Entlassung aus der Aka­demie. Der Wirtschaftsabteilungsleiter der Akademie, der den Studenten einen Omnibus zur Verfügung gestellt hatte, wurde entlassen. Im Herbst 1974 wurde im Polytechnischen Institut Kaunas eine Zusammen­kunft der Studenten mit dem Bevollmächtigten des Rates für religiöse An­gelegenheiten, K. Tumėnas, veranstaltet. Zu diesem Vortrag wurden Stu­denten beordert, die eine Prüfungsarbeit hätten schreiben sollen. K. Tumė­nas berichtete über verschiedene religiöse Gemeinschaften in Litauen. Sei­ner Behauptung nach sind die Hälfte der Einwohner Litauens praktizieren­de Katholiken, an den Feiertagsgottesdiensten nehmen noch mehr Men­schen teil. Den offiziellen Angaben nach werden 45 % der neugeborenen Kinder getauft, 25 % empfangen das Sakrament der Ehe, kirchlich werden 51 % bestattet. (Diese Angaben sind sehr reduziert. — Red.) Tumėnas er­wähnte, daß reaktionäre Priester einige Nummern der „Chronik der LKK" herausgegeben hätten, die vorwiegend fürs Ausland bestimmt seien.

Šiauliai

Am 25. Dezember 1974, am Weihnachtstag, kamen viele Defektologen (Studierende für Sonderschulen) des zweiten Kurses am Pädagogischen Institut Šiauliai in festlicher Kleidung. Wenigstens auf diese Weise demon­strierten sie ihre Anschauungen. Nach einigen Tagen wurde den Studenten dieses Kurses befohlen, in die Kirche zu gehen, die Predigt anzuhören, sie aufzuschreiben und die Notizen bei der Organisation der Kommunisten abzugeben. Die Studenten weigerten sich das zu tun, mit der Begründung, dies gehöre nicht zu ihren studentischen Pflichten.

In der 8. und 10. Nummer der „Chronik der LKK" wurde über die Verfol­gung des Schülers Zenonas Mištautas berichtet, der im Jahre 1973 ein Kreuz auf den Meškučiai Berg (Kreuzberg) getragen hatte. Er bekam eine schlechtere Note im Betragen, seine Diplomarbeit wurde abgelehnt, und er wurde vorzeitig zum Wehrdienst eingezogen. Ein Beauftragter des Sicher­heitsdienstes Šiauliai erklärte in einem privaten Gespräch mit den Dozen­ten des Polytechnikums, daß der Sicherheitsdienst wisse, daß Zenonas ein ordentlicher, begabter und fleißiger Schüler sei, doch wisse er auch, daß er vorhabe, ins Priesterseminar zu gehen. Deshalb hätte der Sicherheits­dienst auf keine Weise zulassen können, daß er das Polytechnikum ab­solviere und damit die Oberschulreife erreiche. (Die Familiennamen des Sicherheitsbeamten und der Dozenten sind bekannt. — Red.) Im Jahre 1974 wollte der Bruder von Zenonas Mištautas ebenfalls in das Polytechnikum von Šiauliai eintreten. Während der Aufnahmeprüfung wurde er zum stellvertretenden Direktor für Lehrangelegenheiten, J. Rau­dys, gerufen. Dieser erklärte ihm, wenn er hier studieren wolle, müsse er versprechen, nicht in die Kirche zu gehen, den Jungkommunisten beizutre­ten und nicht dem Beispiel seines Bruders zu folgen. Nach diesem Ge­spräch nahm der Junge seine Papiere zurück.

Utena

Der Invalide Jonas Baronas, 20 Jahre alt, lebt in einem Heim und besucht die Klasse VI b der Erwachsenen-Mittelschule von Tilvytis. Die Lehrer ver­langten, daß er einen Aufsatz gegen die Kirche und die Priester schreibe. J. Baronas weigerte sich entschieden, dies zu tun. Nach dem Unterricht wurde er ins Lehrerzimmer gerufen, wo er in bezug auf die Religion aus­gefragt wurde. „Ich bin kein kleines Kind und Sie haben kein Recht, mich zwingen zu wollen, über antireligiöse Themen zu schreiben", antwortete der Schüler.

Die Lehrer gerieten außer sich:

„Betbruder, Esel, Lausbub, Ungebildeter", waren die Ausdrücke, mit denen der Schüler beschimpft wurde. Am meisten schimpfte die Lehrerin Skvar­žinskaitė. Von diesem Tag an wurde er täglich verspottet. Am 15. Januar 1975 fuhr Jonas Baronas ins Kultusministerium und be­klagte sich. Daraufhin wurde der Schüler in die Schule nach Ukmergė ver­setzt. Dann begannen Untersuchungen über die vorher erwähnten Vor­kommnisse. Es stellte sich heraus, daß die Lehrerin Skvaržinskaitė vom Leiter der Lehrabteilung, dem Lehrer Trumpickas, dazu inspiriert worden war. Die Lehrerin Skvaržinskaitė bekam wegen ihres Betragens eine War­nung und es wurde versprochen, zum 1. April 1975 Trumpickas aus dem Dienst zu entlassen.

Am 4. März 1975 begegnete J. Baronas dem Lehrer Trumpickas auf der Straße. Dieser beschimpfte den Schüler in Anwesenheit von zwei weiteren Schülern, Grigonis und Liuima, mit dem Wort „Hund".

Klaipėda

Die Schüler der Klasse VI der 1. Oberschule von Klaipeda (Memel) muß­ten einen Fragebogen mit folgenden Fragen ausfüllen: „Glaubst du an Gott? Gehst du in die Kirche? Kannst du die Gebete? Wer hat dich zur er­sten heiligen Kommunion vorbereitet? Wer in deiner Familie glaubt und geht in die Kirche?" Die Schüler beantworteten die Fragen verschieden: „Was geht Sie das an, Lehrer, das ist meine persönliche Sache." „Ich glaube an Gott, ich besuche die Kirche, ich kann die Gebete, mich zur ersten heili­gen Kommunion vorzubereiten half mir meine Mutter", und ähnlich. Unter dem Fragebogen mußten die Kinder unterschreiben. Der Lehrer Sabockas begann über die gläubigen Schüler zu spotten. „Na, Betschwester, bist du heute mit einem Kreuzlein um den Hals in die Schule gekommen?", ver­höhnte der Erzieher ein gläubiges Mädchen.

Palanga

Die Lehrerin und Atheistin Glinskienė, die an der Oberschule des Badeor­tes arbeitet, pflegt über religiöse Schüler zu spotten. Kurz vor Ostern 1975 sagte sie zur Schülerin Atkočiūnaitė: „Du läufst zu oft in die Kirche, wie eine richtige Betschwester. Höchstwahrscheinlich bist du die einzige Zurückgebliebene in der ganzen Klasse." — „So oft gehe ich gar nicht in die Kirche, nur an Sonntagen", antwortete ruhig das Mädchen, „und das wird mir niemand verbieten können." — „Lehrerin, nicht sie allein ist so", sagte die Schülerin Šileikytė, „ich gehe auch in die Kirche. In der Osternacht wer­de ich die ganze Nacht hindurch am Grab Christi beten. Wenn Sie es nicht glauben, kommen Sie doch und Sie werden es sehen." Die Klasse lachte, die Lehrerin aber verließ das Klassenzimmer.

K. Naumiestis

In der Oberschule von Kudirkos Naumiestis sollte am Heiligen Abend 1974 nach dem Unterricht ein atheistischer Abend stattfinden. Der Klas­senlehrer der VII. Klasse, Aigis Domijonaitis, wählte als „Schauspieler" die gläubigen Schüler: Gintas Venckus, Raimundas Žibas und Aldona Ste-bulytė. Venckus sollte einen Pfarrer darstellen, die anderen hätten die Gläubigen, die die hl. Sakramente empfingen, verspotten müssen. Den übrigen Schülern hatte man befohlen, während der Vorstellung laut zu la­chen. Der Erzieher verbot den Kindern unter Strafandrohung, ihren Eltern über das Theaterstück etwas zu erzählen — anscheinend hatte er Angst, daß die Vorstellung sonst platzen könnte. Die Kinder berichteten davon aber ihren Eltern. Frau Žibas rief den Erzieher telefonisch an und erklärte: „Trampelt nicht mit Füßen auf unseren Überzeugungen herum. Für eure Vorstellung sucht Kinder aus, die nicht in die Kirche gehen, unsere lassen wir nicht hin." Andere Mütter erlaubten ihren Kindern ebenfalls nicht, mitzumachen. Der atheistische Abend platzte. Die Kinder jedoch mußten sich in der Schule rechtfertigen, warum sie an der Vorstellung nicht teil­genommen hatten.

INFORMATION

Die „Chronik der LKK" wartet auf genaue und ausführliche Informationen über die Diskriminierung der litauischen Gläubigen, über den Widerstand gegen die Russifizierung und die Bemühungen, sie gottlos zu machen.