Erklärung

des Priesters B. Laurinavičius

An den Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten, K. Tumėnas

Am 30. August 1974 haben Sie meinen Pfarrkindern P. Burokas, V. Tre­čiokas, C. Burokienė und B. Steponienė gesagt: „Ihr sollt euren Pfarrer umerziehen!" Dies bedeutet: Ihr sollt ihn so beeinflussen, daß er nicht der Kirche und seinem Gewissen gehorcht, sondern den Atheisten. Wenn Sie schon den einfachen Kolchosenarbeitern von Adutiškis geraten haben, mich umzuerziehen, erlauben Sie mir zu fragen, ob Ihr Straßenkehrer oder die Putzfrau Ihres Arbeitszimmers imstande wäre, Sie umzuerziehen? Mich lehrten und erzogen Lehrer und Professoren von hoher Moral und Kultur. Indem sie meine Weltanschauung formten, erlaubten sie mir, ja sie befahlen mir manchmal sogar, mich mit den Ideen der Marxisten-Kommunisten auseinanderzusetzen. Meine Weltanschauung bildete sich nicht nach einem Diktat, sondern frei. Ich habe auch Werke der Freidenker gelesen. Haben aber jene, die ihre Weltanschauung heute formen, die Mög­lichkeit, die Bücher derer zu lesen, die nicht kommunistisch denken? Im Jahre 1966 fragte ich in einer Moskauer Buchhandlung nach der Hl. Schrift. Treuherzig erwiderte mir der Verkäufer: „Wir haben die Hl. Schrift nie gehabt. Wenn Sie in der Hl. Schrift lesen wollen, gehen Sie in die Bibliothek, aber auch dort wird sie Ihnen nur auf Grund einer speziel­len Genehmigung zum Lesen ausgehändigt." Wenn man in der Bibliothek die Hl. Schrift nur auf Grund einer Sondergenehmigung ausgehändigt er­hält, so ist gar nicht daran zu denken, daß man Bücher von anders als kommunistisch Denkenden bekommen oder lesen kann. Jedoch muß jeder, der seine Weltanschauung formt, die Andersdenkenden kennenlernen. Mo-lotov hatte recht, als er sagte: „Nur zwischen zwei verschiedenen Meinun­gen liegt die Wahrheit."

Vor langer Zeit begeisterten mich die Ideen und Sprüche der Kommuni­sten. Doch das Leben überzeugte mich, daß alles, was sie sagen und schrei­ben, toter Buchstabe ist, das Leben aber in die Gegenrichtung verläuft. Während der polnischen Okkupation, als die litauischen Schulen geschlos­sen und die Zeitschriften beschlagnahmt wurden, entzückte uns der Ge­danke an einen Staat, in dem jede völkische Minderheit ihre Presse hat und ihre Schulen, in denen die Kinder in der Muttersprache unterrichtet werden. Es waren schwere Zeiten, aber wir hatten eine litauische Presse. Nachdem die Zeitschriften liquidiert worden waren, wurden einmalige Ausgaben herausgebracht. Als die litauischen Schulen geschlossen wurden, lernten wir privat unsere Muttersprache, außerdem existierten Leseräume.

Wie ist es denn jetzt dort, wo nur Litauer wohnen, in meiner Heimat, im Dorfe Gėliūnai (Weißrussische SSR, Kr. Astravas)? Dort müssen die Kin­der, die weder Weißrussisch noch Russisch je gehört haben, wenn sie in die Schule kommen Weißrussisch und Russisch lernen. Sogar während der Pau­sen ist es ihnen verboten, litauisch zu sprechen.

§ 124 der sowjetischen Verfassung garantiert die Freiheit der religiösen Kulte. Aber können denn die Priester und die Gläubigen frei beten, wenn nicht nur getarnte Spitzel sie verfolgen, sondern auch andere, die glauben, dazu das Recht zu haben? Am 19. Januar dieses Jahres sind der Vorsitzende des Kreises von Adutiškis, A. Laurinavičius, der Direktor der litauischen Mittelschule von Adutiškis, J. Navikas, und der Lehrer A. Baužys in die Kirche gekommen und klassifizierten sogar die Gläubigen in solche, die das Recht hätten zu beten, und in solche, die dieses Recht nicht hätten. Gegen eine solch grobe und unverschämte Einmischung protestiere ich, der Pfar­rer dieser Pfarrei, und bitte, daß sich so etwas nicht mehr wiederholt. §125 der Verfassung garantiert die Freiheit der Presse. Wenn es diese Freiheit wirklich gäbe, würden die Gläubigen Litauens nicht 60 Rubel für ein Gebetbuch bieten („Maldynas" — Red.).

Ihre Ansprache, die Sie am 28. August 1974 im Vilnaer Fernsehen hielten, und die Gedanken ihres Artikels „Die Gewissensfreiheit und die sowjeti­schen Gesetze" (Tiesa, Nr. 273) begeisterten nur diejenigen, die die wahre Lage der litauischen Kirche nicht kennen. Sie schreiben: „In Litauen gibt es Religionszentren, wie z. B. die Kurien der katholischen Bischöfe." Diese fristen ihr Dasein aber nur in dem Umfang, wie es den sowjetischen Organen recht ist. Allen ist gut bekannt, daß die Kurien die Priester Ihrer Obhut anvertraut haben, Sie aber haben diese Verantwortung an die Stellver­treter der Vorstände des Rayonsexekutivkomitees abgegeben, diese aber — an die Gemeindevorstände. Am 25. Januar 1973 gab der Stellvertreter des Vorstandes des Rayonsexekutivkomitees an V. Laurinavičius den Be­fehl: „Du mußt die Tätigkeit des Pfarrers überprüfen!" Die Hirtenarbeit eines Priesters, seine ungestörte Tätigkeit und die Renovierungen hängen von den Stellvertretern der Gebietsvorstände und den Gemeindevorsitzen­den ab, und die sogenannten Religionszentren werden nur zum Zweck der Touristenbetreuung unterhalten; ihre Aufgabe ist es, den Touristen Inter­views zu geben, ihnen ihre Villen zu zeigen ... Die Religionszentren zah­len beträchtliche Summen in den „Friedens"-Fond, sie verschicken Vertre­ter, gleich Schauspielern, in Konferenzen, die mit der Kirche nichts Gemein­sames haben, und entlassen grundlos Priester, wenn der Bevollmächtigte es von ihnen verlangt.

Sie schreiben: „Jeder Geistliche wird in jener religiösen Gemeinschaft arbei­ten, in der er registriert ist." Welches Gesetz erlaubt Ihnen, die Rechte der Priester einzuengen und zu mißachten? Wenn Sie das religiöse Zentrum anerkennen, müssen Sie auch seine Bestimmungen anerkennen. § 350 der

Vilnaer Erzbischöflichen Synode besagt, daß jeder Priester im gesamten Gebiet des Bistums das Recht hat, heilige Messen abzuhalten, Predigten zu lesen und Beichten zu hören.

In ihrem Artikel schreiben Sie: „Der Staat mischt sich nicht in die innere Tätigkeit der religiösen Vereine ein..." Und etwas weiter behaupten Sie: „Jeder Geistliche arbeitet in jener religiösen Gemeinschaft, wo er registriert ist..Welch ein Widerspruch! Wenn der Staat sich in die innere Tätigkeit nicht einmischt, wozu sind dann die „Koordinierungen mit den Ortsorga­nen" nötig? Die Praxis hat gezeigt, daß diese Organe nur Diktate geben. Die Gläubigen blicken heute mit Schmerz und Trauer auf die schamloseste Einmischung der sowjetischen Organe in das innere Leben der Kirche. Zu­künftige Generationen aber werden lachen über die jetzige Tragikomödie, deren Regisseure Atheisten sind, wie wir heute über den österreichischen Kaiser Joseph II. lachen, der den Pfarrern sogar die Zahl der Kerzen vor­schrieb, die während der hl. Messe angezündet werden sollten. Wie dreist sich die örtlichen Verwaltungsorgane in das innere Leben der Kirche einmischen, beweisen nur Fakten. Am 3. Oktober 1974 schrieb mir der Gemeindevorsitzende ein Strafprotokoll, weil am 28./29. September Priester hierher gekommen waren, um die Beichte zu hören. Das größte Übel ist, daß Sie das „Lehren und Koordinieren" den örtlichen Verwaltungsorganen anvertraut haben. Diese handeln nach dem Motto „So gefällt es mir" und werden nicht einmal für die sinnlosesten Koordinie­rungen zur Verantwortung gezogen.

2.

Am 30. Oktober 1974 sagten Sie zu Frau Skyrelienė: „Der Pfarrer hat Agitation betrieben." (Weil ihr Sohn ins Priesterseminar gehe. — Red.) J. Skyrelis ist sich dessen vollauf bewußt, daß es heute kein „Zuckerlecken" ist, Priester zu sein. Allen ist bekannt, auch diesem jungen Mann entging es nicht, daß die Atheisten einen Priester auf vielerlei Weise zu schmähen suchen. Sie nennen ihn „Kirchgänger", tragen in seinen Paß „Kultbedien­steter" ein. Die fanatischen Atheisten haben den Mut, die Priester, denn diese sind rechtlos, zu verspotten. Ohne irgendeinen Grund zu haben, schreiben sie Anklageschriften und stellen Strafprotokolle zusammen, da sie wissen, daß sie dafür sogar gelobt und in ihrer Karriere steigen werden. Wenn dieser junge Mann, ohne auf all die Unannehmlichkeiten zu achten, die den Priestern bereitet werden, bereits seit 1970 darum bemüht ist, Ein­tritt in das Priesterseminar zu erlangen, so bedarf er keiner Agitation. Als der Junge darum bat, stellte ich das Gutachten aus, das er benötigte. Ihr aber habt ihm den Eintritt in das Priesterseminar verwehrt, indem ihr „Hindernisse" erfunden habt. 1973 haben Sie seiner Mutter versprochen, dies im Jahre 1974 zu ermöglichen, aber das Versprechen nicht gehalten. Die Pfarrkinder von Adutiškis fragten mich, weshalb der Junge abgelehnt wurde. Darüber sich zu erkundigen, haben sie das Recht, da sie jährlich Spenden zur Erhaltung des Seminars schicken. Da ich keine Antwort wußte, riet ich ihnen, hinzufahren und sich zu erkundigen. Man hört immer öfter, es gäbe niemand mehr, der ins Priesterseminar gehen wolle. Das ist aber nicht wahr. Es hätte junge Priester gegeben, die die Posten der alten Pfarrer übernommen und die Ausfälle ersetzt hätten, aber ihr habt vielen von die­sen den Weg versperrt. Ob ein Junge berufen ist, entscheiden nicht diejeni­gen, die es zu tun hätten, sondern die Atheisten. So wie wir Priester kein Recht haben, die Kandidaten für die Jungkommunisten oder die Kommuni­stische Partei zu empfehlen, so habt ihr umgekehrt kein Recht, darüber zu entscheiden, ob ein junger Mann berufen ist, in den priesterlichen Stand zu treten. In der Kirchengeschichte ist es noch nie dagewesen, daß Atheisten über die Tauglichkeit von Kandidaten für das Priesterseminar entschieden haben.

Sie haben den Leuten aus Adutiškis geantwortet: „Der Junge weiß es selber nicht, warum man ihn abgelehnt hat." Sie vermeiden, eine klare Antwort zu geben, was wieder zeigt, daß Sie irgend etwas zu verheimlichen haben. Am 27. November 1974 versuchte der Vertreter des Priesterseminars, den Leuten von Adutiškis zu erklären, daß der junge Mann nicht in das Prie­sterseminar aufgenommen worden sei, da er nach Beendigung des Land-wirtschaftstechnikums erst zwei Jahre für den Staat hätte arbeiten müssen. Er habe mit den Leitern des Sowchos Differenzen gehabt, sei mit den Vor­gesetzten in Streit geraten, außerdem habe er verlangt, ihn ins Ausland gehen zu lassen.

Der Vorstand des Seminars kann, ohne die Verleumdung zu prüfen, ohne die angeklagte Seite zu hören, keinen richtigen Entscheid treffen. Die christ­liche Moral zwang mich, den zu verteidigen, dem Unrecht geschah. Der junge Mann konnte und wollte die zwei Jahre abarbeiten, aber weil er die Kirche besuchte, wurde er aus dem Dienst entlassen. Nachdem er seines Dipl.-Landwirtpostens enthoben war, begab er sich in das Kolchos Liudas Gira und war entschlossen, die Schuld gegenüber dem Staat hier als ein­facher Arbeiter abzuleisten; es kam jedoch ein Regierungsbeamter von der Gebietsverwaltung und befahl, ihn zu entlassen.

Die Leiter des Kolchos begegneten ihm stets feindselig, verspotteten ihn und warfen ihm vor: „Was für ein Beispiel gibst du den Schülern, wenn du als Dipl.-Landwirt in die Kirche gehst?" J. Aničas und J. Rimaitis schrieben in Tarybinis istatymyose apie religinius Kultus (Die religiösen Kulte in den sowjetischen Gesetzen, Vilnius 1970, S. 31): „Auch die Weigerung, Bürger arbeiten zu lassen, zieht eine Verantwortung nach sich .. . die Entlassung von der Arbeit wegen ihrer religiösen Weltanschauung." Man entließ diesen jungen Mann jedoch allein deshalb, weil er die Kirche besuchte. Nicht die Kolchosleitung wurde beschuldigt, daß sie den jungen Mann rechtswidrig entließ, sondern dieser junge Mann. Wozu sind denn die schönen Gesetze geschrieben? Sie sind es nicht um einen schuldlos Beschuldig­ten zu verteidigen, sondern allein der Propaganda wegen: „Seht, wie schön sind unsere Gesetze — sogar die Rechte der Gläubigen sind durch ein Ge­setz geschützt!" In Wirklichkeit ist dies aber nur eine Verhöhnung der Gläu­bigen.

Der junge Mann wird beschuldigt, daß er mit den Vorgesetzten in Streit geriet. Damit er den Glauben an seine Berufung verliere, hatten diese aber beschlossen, einen Brigadeführer aus ihm zu machen. Er zeigte sich nicht ein­verstanden, da er glaubte, daß er im Jahre 1974 in das Priesterseminar auf­genommen werde. Die Weigerung, die Brigadistenkurse zu besuchen, be­deutete nicht einen Versuch, den bürgerlichen Pflichten auszuweichen, da je­der seinen Beruf frei wählen darf.

Der junge Mann wird beschuldigt, „er habe verlangt, ihn ins Ausland gehen zu lassen". Dies ist eine Verleumdung — das Ausland hat er nicht einmal erwähnt.

Der Vertreter des Seminars riet ihm, irgendwohin wegzufahren, evtl. nach Lettland, und dort wenigstens drei Jahre abzuwarten. Er wartet bereits seit 1970 und weiß nicht, wie lange er noch wird warten müssen! Was wird aus einem jungen Menschen werden, der so lange warten mußte? Die Ver­leumdungen aber werden nicht verstummen! Der junge Mann ist in Un­gnade gefallen und hat den Zorn jener auf sich gezogen, die zwar eine Rehabilitierung anerkennen und dennoch den Gegner mit Füßen treten, den Zorn jener, die nur den Begriff gänzlicher Vernichtung kennen. Die Absicht der Kirchenfeinde ist durchschaubar — sie wollen, daß aus dem Seminar nur alte und kranke Priester kommen.

Sie haben gesagt: „Der Pfarrer hat Agitation betrieben!" Wie ist aber Ihr Vorschlag zu werten, den Sie der Mutter gegenüber geäußert haben, der junge Mann solle Medizin studieren? Jene, die Medizin studieren wollen, gehen Sie nichts an. Sie haben sich nur um die Jungen zu kümmern, die Priester werden wollen. Indem Sie ihnen den Eintritt in das Seminar so lange verwehren, wollen sie ihre Berufung „abkühlen" und ihren „Ge­horsam" erzwingen. Wozu solche Forderungen, die mit der Berufung eines Priesters nichts gemein haben und die mit dem Gewissen eines anständigen Menschen nicht zu vereinbaren sind?

3.

Es wird gesagt und geschrieben, daß die Renovierung der Kirchen frei sei. Das ist nicht wahr. Die Wahrheit darüber zu sagen, hat nur der aus Moskau kommende Tarasovas gewagt. Am 13. Juli 1973 erklärte er: „Ohne eine

Genehmigung der Regierung haben Sie nicht einmal das Recht, einen Nagel in der Kirche einzuschlagen." 1973 kauften die Bewohner von Adutiškis abgeschriebene, zum Verschrotten bestimmte Heizungsaggregate und repa­rierten diese. Am 16. September 1973 bat das Kirchenkomitee von Aduti­škis das Rayonsexekutivkomitee Švenčionys um die Genehmigung, die Kir­che beheizen zu dürfen. Die Rayonsverwaltung antwortete aber auf den An­trag nicht. Am 1. November 1973 wandten sich die Leute von Adutiškis an Sie. Ihr Referent, der am 21. November nach Adutiškis kam, sagte wortwörtlich: „Beheizt werden dürfen nur jene Kirchen, in denen sich wert­volle Kunstwerke befinden." Über diese Antwort waren alle empört. Man kümmert sich mehr um Kunstwerke als um Menschen, während Rundfunk und Presse ständig predigen, daß in der Sowjetunion alles zum Wohle des Menschen geschehe. Durch Ihre Antwort haben sie die Kolchosarbeiter er­zürnt, denen es nicht entgeht, daß da und dort bereits Wirtschaftsgebäude der Kolchosen beheizt werden. Sie wissen, daß auch Kulturhäuser ständig beheizt werden.

Am 9. Dezember wandten sich die Einwohner von Adutiškis an den Mini­sterrat der Litauischen SSR. Am 3. Februar 1974 taten sie dies ein zweites Mal, aber es kam keine Antwort. Am 14. März 1974 wandte man sich an das Präsidium des Obersten Rates der Litauischen SSR und an den Ersten Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Litau­ischen SSR. Jedoch niemand gab den Leuten in Adutiškis eine Antwort. Diese zogen daraus den Schluß, daß weder der Ministerrat, noch das Prä­sidium des Obersten Rates, noch das Zentralkomitee, etwas mit den Gläu­bigen zu tun haben wollten, da ihnen das Dekret über die Trennung der Kirche vom Staat wohl vertraut sei, und daß sie deshalb den Antrag unbe­antwortet ließen. Die Menschen begannen daher ruhigen Gewissens mit der Arbeit an der Heizung ihrer Kirche.

Als die Arbeiten dem Ende zugingen, kamen die Revisionen. Im Juli unter­suchte irgendein Beamter zusammen mit dem Feuerwehrinspektor, wo und was gekauft worden war. Zur Untersuchung am 23. Juli wurden folgende Mitglieder des Kirchenkomitees geladen: P. Burokas und V. Trečiokas. Der Untersuchungsrichter verlangte eine genaue Erklärung, wo und was gekauft worden war. Nachdem er alles sorgsam aufgeschrieben hatte, forderte er, daß es unterschrieben werde. Die Mitglieder des Kirchenkomitees weigerten sich, dies zu tun, da sie genaue Angaben nicht mehr im Kopfe hatten. Man führte sie daraufhin zum wachhabenden Milizposten und sie mußten dort so lange sitzen, bis sie unterschrieben hatten. Mußte der Untersuchungs­richter so handeln? Verlangt denn ein Revisor, daß die Buchhalter und die Direktoren alle Daten auswendig wissen? Später wurde zur Untersuchung noch der Kassierer des Kirchenkomitees, P. Avinas, herbeigeholt. Nach ihm wurde der ehemalige Sekretär des Kirchenkomitees, A. Bučelis, verhört. Und erst zu allerletzt befragten der Vorsitzende der Gemeinde Adutiškis und der Bevollmächtigte der Miliz mich, woher man den Heizöltank be­kommen hätte.

Als der Untersuchungsrichter keinen Grund fand, die Einwohner von Adutiškis zu beschuldigen, verlangte die Gebietsverwaltung vom Kirchen­komitee, einen Heizungsplan der Kirche einzureichen. Die Vertreter des Kirchenkomitees, P. Burokas und V. Tečiokas, wandten sich an den Gebiets­architekten Jakučionis und baten ihn, den nötigen Plan zu erstellen. Der Architekt lehnte strikt ab, den Plan zu machen, und schickte sie in das In­stitut für die Planung der Kommunalwirtschaft in Kaunas. Am 2. August wandten sich die Einwohner von Adutiškis an die empfohlene Adresse. Die Kaunaer waren sehr verwundert darüber, daß der Architekt Jakučionis, obwohl er wußte, daß das Gebiet von Švenčioniai zu Vilnius gehört, sie bis nach Kaunas geschickt hatte. In Vilnius bekamen die Leute die Auskunft, daß ohne Genehmigung des Bevollmächtigten für religiöse Angelegenheiten keine Renovierungsarbeiten an den Kirchen ausgeführt werden dürfen. Als die Leute von Adutiškis am 28. August im Fernsehen Ihre Worte hör­ten, daß die Gläubigen frei seien und ohne jegliche Hindernisse ihre Kir­chen renovieren dürften, begaben sie sich am 30. August zu Ihnen. Sie aber, der ihnen den Rat gegeben hatte, ihren Pfarrer umzuerziehen, schickten die Leute zur Gebietsverwaltung, damit diese ihnen erlaube, die Kirche zu reno­vieren. Am 24. September kam folgendes Schreiben von dort: „Die Fort­setzung der Renovierungsarbeiten wird hiermit untersagt, bis die Bauge­nehmigung erteilt wird." Die Gebietsverwaltung verlangt einen Plan, aber eine Genehmigung zur Erstellung des Planes stellt sie nicht aus ... Hier kommt mir eine Episode aus der Zeit der polnischen Okkupation in den Sinn. In Vilnius war ein litauisches Gymnasium. Die Herren Polen hat­ten beschlossen, es zu liquidieren und verlangten, daß jeder, der in das Gymnasium eintreten wolle, eine Bescheinigung vorweise, daß seine Eltern Litauer seien. Das Gymnasium hatte kein Recht, einen Schüler ohne diese Bescheinigung aufzunehmen; solche Bescheinigungen wurden aber von nie­mandem ausgestellt... Man kehrt anscheinend zu den Methoden der ver­haßten Herren zurück.

Am 23. Oktober erklärte Inspektor Jakštas, der Gebietsarchitekt von Švenčionys, P. Burokas und V. Trečiokas: „Fahrt in das Projektierungs­institut, dort wird man euch den Plan machen. Die Rayonsverwaltung hat mit dem Institut bereits eine Vereinbarung getroffen." Die Rayonsvertre­ter wollten das Versprechen bekommen, daß ohne Dokumentation die Ar­beiten nicht fortgesetzt würden.

Als die Leute von Adutiškis in das Institut kamen, mußten sie sich über­zeugen, daß niemand von den Rayonsbeamten wegen der Beheizung ihrer Kirche hier vorgesprochen hatte. Haben denn die Rayonsbediensteten das Recht, auf solche Weise Mitglieder eines Kirchenkomitees zu betrügen? Es wird gesagt, daß die Gesetze dem Priester verbieten, dem 20iger Aus­schuß der Pfarrei anzugehören und daß die Priester nicht in das Kirchen­komitee gewählt werden können. Ich habe mich aber überzeugt, daß dem 20iger Ausschuß der Pfarrei nicht nur die Priester, sondern auch die fähi­gen Gläubigen nicht angehören dürfen. So wurden z. B. aus der Liste des 20iger Ausschusses, die der Rayonsverwaltung zur Bestätigung eingereicht wurde, Mykolas Raginis, Edmundas Vaitėnas und Ciprijona Burokiene gestrichen.

Wenn der § 135 der Verfassung der UdSSR besagt, daß als „Abgeordneter in den Obersten Sowjet jeder Bürger der Sowjetunion gewählt werden kann .. .", warum darf dann ein Priester nicht zum Mitglied des Kirchen­komitees gewählt werden?

Der Rundfunk von Vilnius versuchte zu erklären: „Ein Priester kann nicht dem Kirchenkomitee angehören, damit er nicht von materiellen Gütern, die dem Kirchenkomitee gehören, Gebrauch macht." Wozu diese häßlichen Verdächtigungen? Damit man die Gesellschaft gegen die Priester aufhetzt. Warum werden die Kolchosführer und Kolchosdirektoren nicht verdächtigt? Sie alle gehören der Kolchosverwaltung an. Die Priester und die tüchtigeren Gläubigen werden nicht deshalb aus dem 20iger Ausschuß und dem Kirchen­komitee ausgeschlossen, damit sie von den materiellen Gütern keinen Ge­brauch machen (jedes Komitee hat doch seine Revisionskommission!), son­dern damit das Kirchenkomitee leichter zu betrügen ist. So sagten z. B. die Rayonsbediensteten: „Fahrt nach Vilnius, und ihr werdet den Plan be­kommen!" Ein Priester oder fähigere Mitglieder des Kirchenkomitees hät­ten geantwortet, daß ein Plan nicht blindlings gemacht werde, sondern erst, nachdem man das Bauvorhaben an Ort und Stelle besichtigt habe. Als die Mitglieder des Kirchenkomitees in das Institut kamen, konnten sie sich überzeugen, daß sie betrogen worden waren. Sie, Bevollmächtigter, waren damit einverstanden, daß das Institut das Projekt der Kirchenbeheizung macht, doch kurz war die Freude über Ihre Zustimmung bei den Leuten von Adutiškis. Der Ingenieur des Institutes, Rozentalis, verwies die Leute von Adutiškis an den Gebietslandvermesser, damit dieser einen Plan des Kirch­hofs erstelle, aber der Architekt Jakučionis teilte stolz mit: „Selbst gegen Bezahlung werden wir es nicht machen ..."

In Ihrem Artikel (Tiesa, am 22. 11. 1974) schreiben Sie: „Die materiali­stische Weltanschauung schlug tiefe Wurzeln bei einem großen Teil der Be­völkerung." Hier muß man bemerken, daß nur bei einer Minderheit der Leute die materialistische Weltanschauung angenommen wurde, und dies meist nur aus gewisser Berechnung. Diejenigen, die sie loben und proklamie­ren, sprechen oft gegen ihr Gewissen. Sie beobachten dieses Wurzelschlagen der materialistischen Weltanschauung aus der Entfernung, wir aber aus der Nähe. Sie stützen sich auf fingierte Statistiken, wir auf eine reale Wirklich­keit. Wenn jemand aus Angst auch sagt, er glaube nicht an Gott, so bedeutet das durchaus nicht, daß er ein Gottloser ist. Wäre so jemand tatsächlich gottlos, würde er das Ehesakrament nicht empfangen, würde seine Kinder nicht taufen lassen, würde die Beichte nicht ablegen. Es gibt also keinen Grund, über die Zahl der Gottlosen zu frohlocken. Wer zählt die Familien, die ohne in die Kirche zu gehen daheim beten?!

Weder die Familie noch die Gesellschaft ist über fanatische Materialisten erfreut. Vor einiger Zeit arbeitete in dem Sowchos von Jakeliai J. Galvydis. Als Direktor kümmerte er sich wenig um die Geschäfte des Sowchos, son­dern verschwendete seine ganze Energie für den Kampf gegen den Glauben. Er war entschlossen, alle Einwohner in Gottlose zu verwandeln. Auf dem Schwarzen Brett verspottete er die Gläubigen, zahlte die den Arbeitern zu­stehenden Prämien nicht aus, z. B. an P. Burokas.

Am 20. Juli 1971 starb bei der Arbeit auf dem Kartoffelfeld des Sowchos Albinas Bucelis, geb. im Jahre 1894. Der Direktor erlaubte nicht einmal, einen Lastwagen zu nehmen, um einen Sarg aus dem Geschäft für ihn zu holen. J. Galvydis versorgte nur sich selbst recht gut. Sehr bescheiden ist er in Jakeliai eingezogen, wie eine Waise. Nach einigen Jahren verließ er Jake-lai mit einer Mitgift, die der eines Königssohnes glich, der in das Haus der Schwiegereltern einzieht. Landwirtschaftliche Arbeiter, die jahrzehnte­lang in den Kolchosen und Sowchosen tätig waren, haben nicht einmal ein Tausendstel von dem verdient, was der Direktor J. Galvydis in einigen Jahren erworben hat.

Oft wird gesprochen und geschrieben, die Kirche sei die Ursache der natio­nalistischen Streitigkeiten gewesen, jetzt aber werde die junge Generation im Geiste des Internationalismus erzogen und der nationale Haß komme nicht mehr vor. Als ich heuer in Vilnius auf der Dirzinskistr. ging, fragte ich einen Halbwüchsigen, wo die Giedraichjstr. sei. Der Befragte antwortete auf russisch: „Ich verstehe nicht." — „Wie soll ich das begreifen? Du lebst in Litauen. Wird denn in eurer Schule die litauische Sprache nicht gelehrt?" fragte ich. — „Litauisch sprechen nur Betbrüder und Banditen", antwortete der Halbwüchsige. Dies sind die Früchte einer materialistischen Erziehung! Wer stimmte den Halbwüchsigen so feindlich gegen die litauische Sprache?

Am 4. Dezember 1974 wurde im Vilnaer Rundfunk berichtet, daß vor dem Krieg eine Familie den Kultusminister gebeten habe, ihr Kind vom Reli­gionsunterricht zu befreien. Die Kommentatorin unterstrich mit spürbarem Ärger, daß der Antrag abgelehnt worden war. Was würde der Bildungs­vertreter heute antworten, wenn eine Familie es wagen würde, darum zu bitten, ihre Kinder nicht durch den atheistischen Geist verderben zu lassen? Wer die Fehler der Vergangenheit verurteilt, muß darauf bedacht sein, nicht die gleichen Fehler zu begehen. Es ist wahr, früher unterrichtete man Religion, aber keiner tat es zwangsweise, so wie es heute mit dem Atheis­mus der Fall ist.

Die Thesen der Religion lehrte man nur während des Religionsunterrichts, heute aber muß jeder Lehrer in seinen Unterrichtsstunden das atheistische Gedankengut verkünden. Früher wurde Religion nur an Volksschulen und Gymnasien unterrichtet, heute fängt man damit an, bereits im Kindergar­ten den Atheismus einzuimpfen, und in den Oberschulen, im Technikum, an der Universität und am Arbeitsplatz wird er mit Gewalt aufgezwungen. Sogar die Rentner werden davon nicht verschont.

Was ist das für eine Freiheit, wenn nur Atheismus gepredigt wird, wenn man allein ihm gehorchen muß? Meint der § 124 der Verfassung der UdSSR eine solche Freiheit? Richtig sprach über die Freiheit Rosa Luxem­burg: „Freiheit nur für sich selbst, ist keine Freiheit. Wahre Freiheit schließt in sich auch Freiheit für Andersdenkende."

Sie, wie jeder anständige Bürger, müssen dafür Sorge tragen, daß alle ehr­lich leben. Empfehlen Sie also nicht, die Priester umzuerziehen, sondern jene, die mit Füßen treten, was ehrenhaft und gut ist. Da Sie den Posten eines Ministers innehaben, ist Ihnen die Möglichkeit gegeben, viele schöne Pläne anzubieten. Sie müssen nur den Mut haben, denen, die nicht sehen und nicht hören, zu sagen, was Sie sehen und hören; denn jene verschwenden all ihre Energie in einem sinnlosen Kampf gegen Gott und die Kirche.

 

Priester B. Laurinavičius

Adutiškis, den 25. Januar 1975

(Die Erklärung wurde gekürzt. — Red.)