Unlängst wurde in Litauen die Nachricht verbreitet, daß in nächster Zeit ein hoher Würdenträger der Kurie, Erzbischof Augustin Casaroli, Litauen einen Besuch abstatten werde. Diese Nachricht wurde von den Priestern mit allge­meiner Besorgnis aufgenommen: wenn Moskau eine Reise von Erzbischof Casaroli nach Litauen genehmigt, so verspricht es sich von dieser Visite einen Nutzen. Zur Zeit ist Moskau daran gelegen, den Vatikan und die ganze Welt davon zu überzeugen, daß in Litauen völlige Glaubensfreiheit herrsche. Es besteht kein Zweifel, daß, sollte Erzbischof Casaroli nach Litauen kommen, die Sowjetregierung ihm mit Hilfe von weniger standhaften Priestern ein falsches, von der sowjetischen Propaganda entstelltes Bild der in Litauen in der katholischen Kirche vorherrschenden wahren Zustände vorgaukeln würde. Moskau möchte ferner erreichen, daß zwei verbannte Bischöfe, J. Ste­ponavičius und V. Sladkevičius, völlig entmachtet werden und den Bis­tümern der Sowjetregierung bis in Kleinigkeiten hörige und treue Bischöfe vorstehen. Die Katholiken in Litauen beten bereits darum, daß es Moskau nicht gelingen möge, den Vatikan irrezuführen und von der Kurie in Rom den Wünschen Moskaus entsprechende Entscheidungen zu erlangen.

 

Skiemonys

Im Juli 1975 wurde von der Familie Andrijauskas ein Standbild der hl. Jungfrau Maria auf dem Kirchhof der Kirche von Skiemonys aufgestellt. Am 30. Juli 1975 ließ der Fahrer des Kolchos von Skiemonys, Atkočius, auf Geheiß des Kolchosvorsitzenden Augustinas die Lkw-Garage unabgeschlos­sen. In der Nacht wurde das Standbild der hl. Jungfrau Maria von Jonas Krištaponis, dem Oberleutnant der Miliz, Lionginas Michelevič, dem Arbeiter Vladas Lebeda und dem Direktor der Mittelschule, Miliūnas, auf einen Laster verladen und ins Gebüsch am Wege zum Dorf Aženiai geworfen. Die Statue wurde dort noch am Morgen von Leuten, die zur Arbeit gingen, ge­sehen und war dann völlig verschwunden. Der Pfarrer von Skiemonys, F. Savčiuk (er kam im September um), meldete diesen Kirchendiebstahl der Miliz, die jedoch die Schuldigen offenbar nicht finden wollte und deshalb auch nicht fand.

Die Anstifter zur Entfernung des Standbildes sind der Atheist Jonas Krišta-ponis, seine Frau, die Lehrerin Angelė Krištaponienė, die Komsomol-Sekre­tärin aus Vieversiai, Jočiupienė, und Kisielius aus dem Dorf Klobiniai.

 

Biržai

In dem Kolchos Laisvosios žemės (Freie Scholle), Rayon Biržai, standen zwei Kreuze. Im Juni 1975 wurden diese Kreuze von zwei Männern, die von dem Bezirksvorsitzenden Striška angeheuert waren, abgesägt.

 

Telšiai

Am 28. März 1975 bat ein Schwerkranker in der Abteilung für Innere Krankheiten des Krankenhauses von Telšiai um priesterlichen Beistand. Die Krankenpflegerin Zdanevičiūtė holte einen Priester, der den Patienten mit den Sterbesakramenten versah. Dies erfuhr der Oberarzt des Krankenhauses, Pažira, der daraufhin am 16. April 1975 folgende Verordnung (Nr. 237) erließ:

„Betrifft Verhängung von Ordnungsstrafen für die Krankenschwester Bid-vienė und die Pflegerinnen Daračienė und Zdanevičiūtė. Am 28. März dieses Jahres arbeiteten in der Abteilung für Innere Krankhei­ten die Krankenschwester Bidvienė und die Pflegerin Daračienė. Die Pfle­gerin der Stomatologischen Abteilung, Zdanevičiūtė, organisierte unterdessen eine religiöse Zeremonie. Hiervon wollen die Diensthabenden in der Abtei­lung für Innere Krankheiten ,nichts bemerkt' haben, obwohl doch aus dem Krankenzimmer einige Patienten in den Korridor gebeten wurden. Aus diesem Anlaß ordne ich an:

1.      Für die Verletzung der Aufsichtspflichten zum Schutze der Patienten in der Abteilung und für die Organisierung religiöser Zeremonien ist der Krankenschwester Bidvienė und den Pflegerinnen Daračienė und Zdane­vičiūtė eine Rüge auszusprechen.

2.      Diese Verordnung ist dem gesamten Krankenhauspersonal bekanntzu­geben.

Oberarzt Pažira Zentralkrankenhaus des Rayons Telšiai"

Smilgiai

Der Direktor der achtklassigen Schule, Vaičiulėnas, entließ die Schulköchin Petrikonienė aus dem Dienst, weil sie sich des öfteren an der Schmückung der Altäre in der Kirche von Smilgiai (Rayon Biržai) beteiligt hatte.

 

Šakiai

Im Juli 1974 wurden aus der Kapelle von Stalioriai Bilder und Skultpturen in einem Autobus abtransportiert; dies besorgten die Bezirksvorsitzende Kladienė von Lukšiai, Rayon Šakiai, zusammen mit den Mitarbeitern des Atheistischen Museums. Seitdem werden die Schlüssel zur Kapelle in dem Bezirksamt aufbewahrt, und den Leuten ist der Zugang in die Kapelle ver­wehrt.

Am 10. September 1975 sind aus der Kapelle von Šatraminas, Rayon Skuo­das, Bilder, Meßgewänder und ein Meßbuch mit demselben Autobus abgeholt worden. Die sich darüber aufregenden Ortsansässigen bekamen den Bescheid, daß sie diese Sachen bald im Atheistischen Museum wiederfinden würden. Die ausgeräumten Kapellen sind dem Verfall preisgegeben. Statt sich der Erhaltung der Kirchen und Kapellen im Lande anzunehmen, ist der dafür zuständige Trust zur Restaurierung von Architekturdenkmälern sehr erfolg­reich mit der Restaurierung der Moskauer Kremlmauer (darüber berichtete die Tageszeitung „Tiesa" vom 11. Oktober 1975) beschäftigt.

 

Višakio Rūda

Am 5. Oktober 1975 befand sich der Pfarrer von Višakio Rūda, Pranciškus Šliumpa, soeben von einer Ablaßfeier zurückgekehrt, auf dem Wege zur Kirche, um sich für die Abendandacht vorzubereiten. Unweit der Kirche ver­stellten ihm zwei betrunkene russische Soldaten den "Weg, in der Absicht, ihm die Kirchenschlüssel zu entreißen. Dem Pfarrer gelang es jedoch fortzulaufen. Die betrunkenen Soldaten riefen ihm nach: „Wir werden deine Kirche an­zünden!" Ein Zeuge dieses Vorfalls benachrichtigte den Truppenteil. Die Patrouille nahm daraufhin drei Soldaten fest, zwei andere liefen fort. Pfarrer P. Šliumpa reichte eine Klage bei der Militärverwaltung ein. Ein General fuhr persönlich vor, um sich für den Vorfall zu entschuldigen; er versprach, die Soldaten zu bestrafen. Nach einigen Tagen erschienen bei dem Pfarrer Sicherheitsbedienstete von Kapsukas, die die Anweisung erteilten, sich in derartigen Fällen an keine andere Stelle außer an den Sicherheitsdienst zu wenden.

Solche Vorfälle lassen Böses ahnen. Soldaten verlassen oftmals ihren Trup­penteil, betrinken sich und belästigen die Leute. Sie sind durchaus in der Lage, ihre Drohungen auszuführen. Bis heute sind die Hintergründe für die Brände der Kirchen von Sangrūda, Batakiai und Gaurė noch nicht geklärt.

 

Liudvinavas

In der Nacht zum 25. Oktober schändeten unbekannte Bösewichte die Kirche von Liudvinavas. Sie durchbrachen die große Kirchentür, drangen in die

Sakristei ein, wo sie das Tabernakel herausrissen und viel sonstigen Sach­schaden anrichteten. Die Kirche von Liudvinavas war, dank der Initiative des Priesters Jonas Maksvytis, gerade renoviert worden. Von Bediensteten der sowjetischen Staatsanwaltschaft wird in solchen Fällen nichts zur Aufklärung der Schuldigen getan.

 

 

Panevėžys

 

1975 wurde die Kirche von Vaškai beraubt und das hl. Sakrament geschän­det.

Bösewichte verübten gleichfalls Einbrüche in die Kirchen von Zarasai und Ramygala.

Im Jahre 1975 erhielten 4954 Personen in dem Bistum Panevėžys das Firm­sakrament: unter ihnen in Zarasai 1417, in Biržai 937 und in Panevėžys 2500 Personen.

 

 

Molėtai

 

Die 1805 in Molėtai errichtete große Kirche brannte im letzten Krieg ab, ihre Türme wurden abgerissen. In den Nachkriegs jähren ist die Kirche nach und nach restauriert worden. 1973 wurde von dem Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten die Genehmigung zur Wiederaufrichtung der Türme erteilt. Zur Aufsicht der Bauarbeiten ist Priester J. Dobrovolskis eigens nach Molėtai versetzt worden. 1974 war alles zum Wiederaufbau der Türme vorbereitet: die Pläne angefertigt, Ziegelsteine und anderes Bau­material bereitgestellt. Da schaltete sich völlig unerwartet die Rayon-Ad­ministration von Molėtai mit einem Bauverbot der Türme ein, unter der Be­gründung, daß die auf einer Anhöhe gelegene Kirche ja auch ohne Türme weit sichtbar sei.

Die Ortsansässigen staunen über die Doppelzüngigkeit der sowjetischen Ob­rigkeit: was die Behörden in Vilnius genehmigen, wird von den örtlichen Be­hörden widerrufen.

 

 

Meteliai

 

An den Generalsekretär der KPdSU,

den Ersten Sekretär der KP der Litauischen SSR,

den Vizevorsitzenden des Exekutivkomitees des Rayons Lazdijai

Erklärung

des Bürgers Ignas Klimavičius, Sohn des Kazys,

wohnhaft: Rayon Lazdijai, Bezirk Žagarė, Dorf Buckūnai

Im Sommer 1974 habe ich in meinem Gehöft, an meinem Wohnhause, ein Holzkreuz als Symbol des Sieges des Heilands über Sünde und Tod aufge­stellt.

Am 25. Juli 1975 wurde das Kreuz im Auftrag des Exekutivkomitees des Rayons Lazdijai von zwei Personen umgehauen.

Am 30. Juli 1975 wandte ich mich an die Staatsanwaltschaft von Litauen mit der Bitte, die Übeltäter zu bestrafen, denn von der gesamten zivilisierten Welt wird die Schändung des Kreuzes als schweres Verbrechen betrachtet. Im Namen der Staatsanwaltschaft von Litauen, schickte mir der Staatsanwalt des Rayons Lazdijai, Pigėnas, folgende Antwort: „Der Beschluß des Exe­kutivkomitees des Rayons Lazdijai und das Verhalten der Personen, die im Auftrag des Exekutivkomitees handelten, ist gesetzlich rechtmäßig. Die Erlaubnis zu diversen Baulichkeiten im eigenen Hof erteilt der Architekt des Rayons."

Am 30. Juli 1975 wandte ich mich mit einem Schreiben an den Rat für reli­giöse Angelegenheiten in Vilnius, ohne darauf eine Antwort zu erhalten. Am 17. August 1975 wandte ich mich an den Architekten des Rayons Laz­dijai mit der Bitte, mir die Erlaubnis zur Aufstellung eines Kreuzes am Wohnhaus zu erteilen. Er hielt es ebenfalls nicht für nötig, mir zu antworten. Hierdurch ist der Eindruck entstanden, daß die Behörden der Republik nicht das Recht zur Genehmigung der Aufstellung eines Kreuzes haben. Ich bitte deshalb den Generalsekretär persönlich, die zuständigen litauischen Behörden zu veranlassen, mir die Erlaubnis zu gewähren, das geschändete Kreuz wieder aufzustellen.

30. September 1975        I. Klimavičius

 

 

 

AUS DER SOWJETISCHEN SCHULE

Šakiai

Am 26. August 1975 fand in Šakiai eine Konferenz der Lehrer des Rayons statt, auf der ein Vertreter aus Vilnius, A. Sinkevičius, eine Rede hielt. Wir drucken eine Zusammenfassung dieser Rede ab:

Sinkevičius sprach darüber, daß er während eines Auslandsaufenhaltes reges

Interesse an Litauen wahrgenommen habe. Außerdem sprach er über das Wohlgedeihen von Litauen und den Wunsch des Auslandes, das litauische Volk gegen das russische aufzuhetzen. Der Westen suche nach Schwachstellen in den Lebensverhältnissen von Litauen. Die Litauer würden in der west­lichen Welt für äußerst religiös, beinahe für Märtyrer gehalten. „Woher stammen denn solche Gedanken", fragte A. Sinkevičius die Ver­sammelten und kam zu folgendem Schluß: „Kudirka ist mit seiner Familie ausgereist und wurde prompt zum Märtyrer gestempelt. Stellt euch das vor! Dabei saß er nur vier von zehn Jahren ab. Nun spielt er sich als Märtyrer auf und wird zu Versammlungen eingeladen. Jurašas durfte mit seiner Familie ebenfalls ausreisen, weil er hier nicht mehr leben wollte. Auch er ist nun ein Märtyrer. Na, und Prof. Jurgutis, Lehrer am Konservatorium, un­glücklicherweise außerdem noch Mitglied des Zentralkomitees der Kommuni­stischen Partei von Litauen, selbst er wurde zum Märtyrer erklärt... Ich gestehe, als ich zum 60. Geburtstag meiner Mutter in der Žemaitija (Schemaiten) war, da sah ich zum erstenmal, wie Frauen in Nationaltracht (stellt euch das vor!) zur Kirche gingen."

A. Sinkevičius erwähnte, daß er 16 Nummern der von litauischen Nationa­listen verfaßten „Chronik der LKK" gelesen habe.

„Euch Lehrern möchte ich folgendes sagen: Ihr sollt wissen, daß eine jede taktlose Bemerkung von euch gegenüber einem gläubigen Schüler oder seinen Eltern minutiös, ohne jede Übertreibung, unter Nennung der Namen, der Schule und des Datums, durch dieses Blatt bei uns bekannt wird und sogar ins Ausland dringt. Dieses Blatt wird ins Englische, Französische, Spanische und andere Sprachen übersetzt. Das Ausland ist stets bereit, solche Vorfälle breitzutreten."

„Für niemanden unter euch ist es ein Geheimnis", sagte der Vortragende weiter, „daß seit dem 1. Januar 1975 aus München Radio Liberty Nachrich­ten in litauischer Sprache überträgt, die von vielen gehört werden. Seit dem 1. Juli werden von dieser Station auch Sendungen in lettischer und estnischer Sprache übertragen. Das beweist noch einmal, wie stark das Ausland an den Geschehnissen in unserem Land Anteil nimmt."

Dann sprach A. Sinkevičius über seine Eindrücke auf einer Negerversamm­lung, auf der man über verschiedene, Litauen betreffende Fragen diskutierte. Unter anderem wurde gefragt, weshalb Sniečkus solange an der Regierung bleiben konnte. Es wurden daraufhin viele sehr verschiedene Theorien auf­gestellt, von denen selbst Sinkevičius, als Mitarbeiter des ZKdLKP, über­rascht war.

Zum Abschluß seines Vortrages beschwor Sinkevičius die Lehrer, ihren festen Grundsätzen treuzubleiben und nicht zuzulassen, daß die durch westliche Radiosender und diverse obskure Blättchen verbreitete Propaganda die Mei­nungsbildung beeinflusse und sich vor allem nicht in die Herzen der Kinder einschleiche.

Gargždai

Die Lehrerin der Mittelschule, Paulauskaitė, befahl den Zweitklässlern, die an Gott glaubten und zur Kirche gingen, die Hand zu heben. Da gingen die Hände der ganzen Klasse hoch.

„Was seid ihr doch für Dummerchen", sagte die Lehrerin. „Nur alte Weib­lein, die nichts anderes mehr zu tun haben, glauben an Gott und gehen zur Kirche."

„Das ist nicht wahr", meldete sich eine Schülerin zu Wort. „Wenn ich sonn­tags zur Kirche gehe, dann treffe ich dort auch viele jüngere Leute und Kin­der."

Die Lehrerin der neunten Klasse der Mittelschule von Gargždai, Kalvaitienė,

fragte die Schüler, wie die Welt entstanden sei.

„Die Welt ist von Gott geschaffen", antwortete der Schüler Venckus.

Bei einem Hausbesuch sagte die Lehrerin zu Venckus vorwurfsvoll:

„Du hast mich vor der ganzen Klasse blamiert."

„Aber ich habe doch ganz richtig geantwortet. Die Welt ist doch wirklich von Gott geschaffen worden.*

 

 

Antašavas

An den kirchlichen Prozessionen am Palmsonntag und zu Ostern 1975 nah­men viele Mädchen teil. Für dieses „Vergehen" wurden die Mädchen streng getadelt. Die Terrorisierung der Mädchen geschah auf Initiative der Klassen­lehrerin Luckienė.

 

 

Akmenė

 

Im Jahre 1975 erhielten in Akmenė 1400 Schüler das Firmsakrament.