Arminai (Rayon Vilkaviškis)

Die Direktorin der Mittelschule in Arminai setzt ihre Verfolgungen der gläubigen Schüler wegen des Kirchgangs fort. Am 20. November 1976 be­rief sie eine Versammlung der Schüler der XL Klasse und deren Eltern. Hierbei befahl sie der Schülerin der XL Klasse, Julija Bušauskaitė, zur Re­ligionsfrage Stellung zu nehmen. Die Direktorin ärgerte sich, weil Bušaus­kaitė sich als einzige zu äußern gewagt hatte: „Ich bin zur Kirche gegan­gen und werde dies auch weiterhin tun, ich war stets gläubig und werde es auch weiterhin bleiben." Auch jetzt bestätigte J. Bušauskaitė, daß sie zur Kirche gehe. Die Direktorin erklärte, daß die Sowjetschule von der Kirche getrennt sei und Bušauskaitė bedenken solle, daß sie ja auf einer Sowjet­schule sei. Außerdem drohte sie, man werde sich während des Examens ihrer Äußerungen erinnern. Am Ende ihrer Rede bemängelte die Direk­torin, daß Bušauskaitė kein Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes sei. Die Mutter von J. Bušauskaitė merkte an, das Benehmen der Komso­molzen hätte die Direktorin schon manches Mal vor Scham erröten lassen müssen. Was für ein Beispiel könnten denn die Komsomolzen sein, die des Nachts Leute belästigten.

Am 30. November 1976 kam an der Mittelschule von Arminai eine Trauer­prozession vorbei. An der Spitze des Leichenzuges wurden ein Kreuz und die Trauerfahne getragen. Als Direktorin J. Bėrentienė das Kreuz erblickte, suchte sie sofort festzustellen, ob auch keine Schüler an der Prozession teil­nähmen. Zugleich erklärte die Direktorin den Schülern, wenn bei der Pro­zession ein Kreuz getragen werde, so sei es den Schülern verboten, daran teilzunehmen. Der Schüler der XL Klasse, A. Bagdonas, wollte den Trauer­zug fotografieren, doch die Direktorin verbot ihm das strikt.

Kybartai

Am 12. Oktober 1976 kamen zwei Sicherheitsagenten in die Mittelschule in Kybartai. Die Schüler, die in der Kirche in Kybartai bei der hl. Messe mi-nistrierten, wurden einzeln verhört. Man fragte die Ministranten, wer sie darum gebeten hätte; ob der Pfarrer ihnen Bonbons, Geld oder Bücher zum Lesen gäbe? Die Knaben erklärten, daß sie freiwillig zum Ministrieren kämen und vom Pfarrer nichts dafür bekämen. Die Sicherheitsagenten ver­suchten sogar, einige der Ministranten anzuwerben, an das KGB Informa­tionen weiterzuleiten.

Bei der gleichen Gelegenheit erteilten die Sicherheitsbeamten der Schul­leitung Instruktionen, wie sie sich bezüglich der gläubigen Schüler verhalten solle.

Am 19. Oktober fand in der Mittelschule in Kybartai eine Sitzung des Pädagogenkomitees statt. Schuldirektor Dirvonskis beauftragte die Klassen­leitungen, Namenslisten derjenigen Schüler aufzustellen, die in die Kirche gehen und bei religiösen Riten ministrieren. Der Direktor erklärte, daß die Lehrer selbst am Sonntag in die Kirche gehen müßten, um dort zu beob­achten, welche Schüler in der Kirche seien.

Der stellvertretende Direktor Sinkevičius befahl der Klassenleitung, jenen Schülern, die in die Kirche gingen, die Betragensnoten herabzusetzen; hin­gegen könne man nicht motivieren, daß die Betragensnote wegen Kirchen­besuchs verschlechtert sei, sondern wegen „Inaktivität in der Öffentlichkeits­arbeit".

Sofort nach der Sitzung begann die Erforschungskampagne der Schüler­religiosität. Die Klassenleiterin der Klasse Va, Fräulein Stankevičiūtė, ließ alle Schüler aufstehen, die zur Kirche gingen. Fast die ganze Klasse erhob sich. Die Namen dieser Schüler wurden aufgeschrieben.

Der Klassenleiter der Klasse Vd, Mickevičius, erklärte seinen Schülern, der Priester selbst hätte die Namen der Ministranten aufgeschrieben und die Liste in die Schule gebracht. Kein Schüler hielt die Worte des Lehrers Mickevičius für wahr, denn der Gemeindepfarrer von Kybartai paßt nicht in die Gruppe der Verräter, der Lehrer Mickevičius hingegen — wunderbar. Die Klassenerzieherin (in Litauen und in Lettland sagt man nicht „Klassen­lehrer, -rin", sondern „Klassenerzieher, -erzieherin") der Klasse VIb, Frau Palionienė, ließ ebenfalls alle aufstehen, die zur Kirche gehen und vor dem Altar knien. Sie fragte die Schüler, ob sie dies freiwillig täten oder ob sie jemand dazu zwinge.

In der Klasse VIII ließ Erzieherin 2eižienė ebenfalls alle, die zur Kirche gehen, aufstehen.

Die Lehrer der Klassen VIe und VIa, Žakas und Frau Kazlauskienė, ließen ihre Schüler Fragebogen ausfüllen: Gehst du in die Kirche? Glaubst du an Gott, usw.

In einigen Klassen mußten die Sekretäre des Kommunistischen Jugend­verbandes die gläubigen Schüler aufschreiben.

Šiauliai

Am 16. November 1976 fand in der V. Mittelschule die Lehrerin Jasiūtė bei einer Schülerin der Klasse IIc ein Gebetbuch und begann, diese auf vielerlei Art und Weise zu verhöhnen, daß sie z. B. wie ein altes Weib ein Gebetbuch mit sich herumtrage. Die Lehrerin ordnete an, vor die Kirche zu gehen und darauf zu achten, ob Schülerinnen zur Kirche gingen. Bald darauf organisierte die Lehrerin Jasiūtė einen Elternabend. Hierfür erhielten die Eltern eine schriftliche Einladung. Letztere mußte unter­schrieben zurückgegeben werden; diejenigen, die verhindert waren, zu kom­men, mußten dies begründen. Lehrerin Šiupienė, die Leiterin des Atheisten­zirkels der Schule, war als Lektorin vorgesehen. Hier einige „Perlen" aus ihrem Vortrag: „Der Kirchenbesuch macht die Kinder nur zu Heuchlern. Die Regierung hat als Entschädigung für die verbrannte Kirche in Šiauliai eine gehörige Versicherungssumme ausbezahlt... Für das Priesterseminar finden sich bereits keine Kandidaten, nur der ein oder andere Schmarotzer würde dort eintreten und ähnliches." Die Lektorin beschwerte sich, daß die Eltern ihre Kinder in die Kirche führten, daß ein atheistischer Schüler nach Abschluß der XL Klasse in das Priesterseminar eingetreten sei, daß die alten Frauen den Kindern Gebete beibrächten usw.

Am 26. Oktober 1976 organisierte die Lehrerin Jasiūtė für ihre Klasse eine atheistische Unterrichtsstunde. Eingeladene Pioniere der höheren Klas­sen erzählten, daß man sich in der Kirche beim Benetzen mit dem Weih­wasser mit allen möglichen Krankheiten anstecken könne. Lehrerin Jasiūtė erzählte, daß bei einigen Kindern zu Hause Heiligenbild­nisse hingen; sie befahl, nicht in die Kirche zu gehen, und wenn es die Eltern verlangen würden, sollte man sich mit Lügen über erfundene Kopf- oder sonst irgendwelche Schmerzen herausreden.

Die Lehrerin ließ alle Kinder aufstehen, die noch keinen Stern der Oktober­organisation hätten. Die größere Hälfte der Klasse stand auf. Lehrerin Ja­siūtė warnte, falls morgen jemand ohne Stern erscheinen würde, bekäme er eine Vier in Betragen. „Ich weiß nicht, was ich mit dem, der kein Zeichen hat, anstellen werde" — sagte am Ende drohend die fanatische Lehrerin.

Obeliai

Am Anfang des Monats September 1976 rissen zwei Schüler der Mittel­schule in Obeliai, die Komsomolmitglieder Fleita und Banagas — erbost darüber, daß man sie fortwährend wegen ihres Glaubens behelligte —, aus ihrem Geschichtsbuch das Portrait Lenins, klebten es auf ein Blatt Papier und schrieben darunter: „Lenin — der größte Feind des 20. Jahrhunderts". Die KGB-Funktionäre befanden Fleita als den Schuldigeren und wiesen ihn deshalb aus dem kommunistischen Jugendverband, für Vanagas begnügten sie sich mit öffentlichem Verweis.

Lehrer Jakštas der Mittelschule in Obeliai zeichnet sich in seinem Kampf gegen den Glauben durch großen Fanatismus aus. An einem Sonntag im Juni 1976 bestiegen zwei Knaben in Obeliai den Autobus und wollten in die Kirche nach Rokiškis fahren, doch Lehrer Jakštas zerrte sie am Kragen aus dem Autobus.