Zum Jahresende 1977 erschien im Selbstdruck eine kleine Broschüre „Die Kirche und die Chronik der LKK". In sämtlichen Aufsätzen dieser Veröffent­lichung wird auf die eine und andere Weise die „Chronik der LKK" ange­griffen. Die Hauptanklagepunkte bestehen im folgenden: die „Chronik der LKK" spalte die Kircheneinheit, sie schmähe Priester und Bischöfe und untergrabe das ihnen entgegenzubringende Vertrauen, außerdem habe sie „das Ansehen eines mächtigen Staates" verletzt, u.s.w. Bis zum Erscheinen der „Chronik der LKK" ging es den Kollaborateuren des KGB ganz ausgezeichnet: man konnte unbesorgt die Unwahrheit bezüg­lich der „Freiheit" der Gläubigen in Litauen verkünden, in Berlin „den Frieden verteidigen" und niemand prangerte offen dieses Benehmen an. Jetzt hat die „Chronik der LKK" einen Strich durch die Rechnung gezogen, und sie beabsichtigt dies auch in Zukunft zu tun.

Die „Chronik der LKK" möchte bei dieser Gelegenheit folgendes erklären:

Die Spaltung der Kircheneinheit wird nicht durch die „Chronik der LKK", sondern durch das KGB und seine Kollaborateure herbeigeführt.

Die „Chronik der LKK" deckt nicht verborgene persönliche Vergehen der Geistlichkeit und der Regierungsfunktionäre auf, sondern sie spricht über öffentlich bekannte Ärgernisse. Die verlorene Autorität kann nicht durch Heuchelei, sondern nur durch Einsicht gerettet werden.

Die „Chronik der LKK" begleicht keine persönlichen Rechnungen mit Bischöfen und Priestern. Sollte ein sich der Gesellschaft gegenüber schuldig gemachter sowjetischer Funktionär, ein Lehrer oder ein Priester sich bessern, so würde die „Chronik der LKK" das begrüßen.

Wenn die „Chronik der LKK" nur die Fälle der Verfolgung der Gläubigen und die Taktlosigkeiten der Lehrer gegenüber ihren Schülern anprangerte, aber zu den von Priestern — Kollaborateuren des KGB — begangenen Verbrechen, die die Kirche nicht minder untergraben, schwiege, so würde sie sich schuldig machen und nicht der Kirche, sondern den Atheisten zu Diensten sein.

Die „Chronik der LKK" fordert nicht dazu auf, die Kirchenobrigkeit grundlos zu verdächtigen, ihr den gebührenden Respekt zu verweigern, die Kirche zu spalten; sie möchte jedoch denjenigen den Weg verstellen, die bewußt oder unbewußt den Vernichtern der Kirche dienen.

Die „Chronik der LKK" dankt zum wiederholten Male allen Brüdern in der freien Welt, deren Stimme noch nie Schaden angerichtet, sondern stets nur der Kirche Litauens genützt hat. Am ärgsten haben unter der Willkür atheistische! Regierungen diejenigen Länder zu leiden, über die in der freien Welt nichts berichtet wird. So werden z.B. in der Moldauischen SSR z.Zt. die Kirchen mit Bulldozern eingeebnet, Priester haben praktisch nicht das Recht zu einem Krankenbesuch im Krankenhaus, hierfür bedarf es fünf verschiedener Bescheinigungen.

Die „Chronik der LKK" glaubt an die göttliche Vorsehung, an die Kraft des Gebetes, doch im Namen dieses Glaubens hält sie das gegenüber Mördern gezeigte stumme Wohlverhalten der katholischen Kirche in Litauen für ein Verbrechen.

Abschließend noch eine Leserzuschrift zu den Anschuldigungen gegen die „Chronik der LKK":

1. Die von der „Chronik" hervorgehobenen negativen Seiten der Geist­lichkeit sind auch in der breiteren Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben, von einer „Nestbeschmutzung" kann keine Rede sein. Verbergen zu wollen, was nicht zu verbergen ist, ist kindische Straußvogelpolitik. Gerade zur Reinhaltung des „Nestes" müssen die Übel bekämpft werden und das kann man nur, indem man sie an den Pranger stellt. Wo es keine Selbstkritik gibt, sammelt sich Spinngewebe an, ohne Durchzug wird die Luft stickig. In diesem Falle sind nicht diejenigen der Stein des Anstoßes, die reden, sondern diejenigen, die durch die Minderwertigkeit ihrer Persönlichkeit zu solchen Reden provozieren. Paulus schrieb zu seiner Zeit an seine christliche Gemeinde: „viele unter euch benehmen sich wie Feinde Christi".

2. Einigkeit ist eine unbedingte Voraussetzung, jedoch mit wem und für was? Soll die Kirche „aufbauen oder verderben"? (II Kor., 10, 8). Als Kern der Einigkeit wird die Hierarchie, werden die Bischöfe angesehen. Doch handelt ein Hierarch immer im Sinne des Evangelismus, ist er stets den kirchlichen Interessen ergeben

Bischof M. Valančius schrieb über den im 16. Jh. lebenden Bischof Petkevičius: „Die Jagd war seine Leidenschaft, von Sonnenaufgang bis -Untergang jagte er mit seinen Hunden über die Felder (in Žemaičių vyskupystė" — Die Bistümer Schemaitens, 1848 —). Noch ist die Dynastie von Hierarchen solchen Typs nicht ausgestorben. Sollte man sich im Namen der Einigkeit nach ihnen richten?

Der Bischof von Kaunas, Motiejus Valančius (erster litauischer Bischof bäuerlicher Herkunft, lebte von 1801 bis 1865, ab 1850 Bischof der Žemaitija — Schemaiten — mit Sitz in Varniai, ab 1964 in Kaunas, neben geistlichem

Schrifttum Verfasser mehrerer bis jetzt beliebter Volksbücher für Erwachsene und Kinder in litauischer Sprache, bekämpfte die Trunksucht, war vom Zarenregieme stets mit Mißtrauen verfolgt. Übers.), hat seine sämtlichen Ersparnisse an Arme, an von Repressalien ausgesetzte Priester und zur Finanzierung von Veröffentlichungen ausgegeben. Sein Zeitgenosse dagegen, der Verwalter des Wilnaer Bistums, Prälat P. Žilinskas, ein Werkzeug des Zarenregimes, raffte soviel er nur konnte an Reichtum an sich, er war voll­auf mit dem Bau und Ankauf von Häusern beschäftigt. Auf Verlangen der Regierung führte Prälat Žilinskas im Bistum Vilnius das Russische als Kirchen­sprache ein, der Bischof M. Valančius hat sich diesem Gebot nicht gebeugt.

Mit welchem dieser Hierarchen sollen sich denn die Priester und die Gläu­bigen solidarisch zeigen? Paulus schrieb an die Galater (2, 11), daß er Petrus „ins Angesicht" widerstanden habe, „denn er war Grund zur Klage" ... da er nicht wandelte „nach Wahrheit des Evangeliums". Das heißt, nicht jede Regung eines Hierarchen kann für wahre Münze genommen werden: „...glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind" (1 Joh., 4, 1).

3. Man verübelt der „Chronik", daß sie Bischöfe ablehnt. Wir haben genug Bischöfe, wenn sie nur ihres Amtes walten dürften. Die Frage stellt sich nur, ob diejenigen Bischöfe, welche blind ergeben die Instruktionen der Atheisten ausführen, der Kirche nützlich sein können?

4. Ein friedliches Miteinander mit der Regierung wäre ideal, wenn dieses „Miteinanderleben" nicht durch Verrat an den Prinzipien des Evangeliums erkauft würde. Zu so einem „Miteinanderleben" braucht es nicht viel an Verstand, es genügt den Atheisten hörig zu sein. Die Apostel „konnten" das auch nicht, mit der Obrigkeit auskommen; die Welt stempelte sie zum Narren. Dieser Stempel wird auch so manchem in unseren Tagen aufgedrückt. Das mußhingenommen werden.

5. Die „Chronik" ist aufrichtig darum bemüht, Ungenauigkeiten und Unwahrheiten zu vermeiden. Unter den gegebenen Bedingungen kann nicht alles überprüft werden, man ist auf das Zeugnis ehrenhafter Leute angewiesen. Außerdem berichtigt die „Chronik" vorkommende Irrtümer. Hierbei sollte nicht vergessen werden, daß es Leute gibt, die vom Sicherheitsdienst unter Druck gesetzt, gewisse Angaben der „Chronik" ableugnen und so kommt es dann dazu, daß die „Chronik" und der „Vatikan" in der „Tiesa" der Lüge bezichtigt werden.