Kaunas

Am 9. Januar 1978 hat der Einwohner von Jonučiai (Rayon Kaunas), Juozas Vitkūnas, den Priester Vincentas Jalinskas zur Einweihung seines Hauses eingeladen. Aus diesem Anlaß sind viele Gäste gekommen, besonders Jugendliche und Schüler, zu denen der Priester über religiöse Themen gesprochen hat. Plötzlich, mitten im Gespräch, ist ein uniformierter Miliz­beamter in das Zimmer eingedrungen. Ihm folgten noch zwei Milizbeamte und einige Beamte in Zivil. Ein geschlossener Milizwagen fuhr vor, andere Autos mit Milizsoldaten und Sicherheitsdienstbeamten folgten. Das Haus wurde umzingelt und der Weg bis zur Hauptstraße umstellt. Der ins Zimmer eingetretene Milizmann verlangte nach dem Hausherrn und wies mit dem Finger einige Erwachsene an, in ein anderes Zimmer zu gehen. Sie wurden verhört: woher sie gekommen seien, wie ihr Name laute u.a. Die Befragten erklärten, daß sie kein Vergehen begangen hätten und ihre Namen nicht sagen wollten. Eine Teilnehmerin der Versammlung sagte zu den Eindring­lingen: „Sind wir denn Verbrecher? Ihr habt kein Recht, so einzudringen und die Menschen zu erschrecken!" Daraufhin antwortete der Mann vom Sicherheitsdienst: „Dich werden wir separat zur Ordnung bringen!" Hochw. V. Jalinskas verlangte von den Eindringlingen ihre Papiere vorzuzeigen. Der Sicherheitsdienstbeamte wies seinen Dienstausweis vor und erklärte, daß er das Recht habe, die Versammelten zu vertreiben, denn eine solche Versamm­lung sei verboten. Als die Beamten den Priester aufforderten, sich anzu­ziehen und in den Wagen zu steigen, konterte dieser: „Weder wir Erwachsenen werden mitfahren, noch geben wir die Kinder her!" Die Milizbeamten versuchten, die Erwachsenen mit Gewalt in den Wagen zu zerren. Unterdessen haben die Kinder hinter der Wand gesungen: „Du gaideliai" (Zwei kleine Hähne), „Jurgeli, meistreli" (Jörgelein, Meisterlein) u.a. Einer Gruppe von Kindern ist es gelungen, zu flüchten, aber die anderen wurden von den sorgfältig alle Zugänge bewachenden Beamten zurückgehalten. Nachdem der erste Schreck vorbei war, fingen die Teilnehmer der Zusammenkunft an, über die Beamten zu spötteln und gingen nicht auseinander. Die Eindring­linge forderten sie auf, auseinanderzugehen und notierten sich die Namen der Gehenden. Die Mehrheit nannte erdachte Namen. Zum Verhör hat man nur zwei Erwachsene mitgenommen.

Eine Miliz, die Kindern nachjagt, — welch' eine „schöne" Illustration der Glaubensfreiheit im heutigen Litauen!

In der Milizabteilung fragte der Untersuchungsrichter die Festgenommenen, wobei er einen Gummiknüppel — Symbol seiner Gerechtigkeit und Macht — auf dem Tisch liegen hatte. Er fragte, wer die Gäste zu dieser Zusammen­kunft eingeladen, was der Priester geredet habe u.a.

Ceikiniai

Am 7. Oktober 1977, um 17 Uhr, klopfte jemand stark an die Tür des Hochw. K. Garuckas. Nach der Aufforderung einzutreten, kam ein mittel­großer, kräftiger Mann herein und sagte in schroffem Ton: Labas (Gruß).

Er fragte, ob der Priester ihn kenne, dann raffte er die auf dem Tisch liegenden Briefe an sich. Nach deren Durchsicht fing er an in den Büchern zu wühlen. Er drang auch in den Arbeits- und Schlafbereich des Hochw. K. Garuckas ein. Hochw. K.Garuckas hat nur einen Raum, der durch einen Schrank unterteilt ist. Auf der einen Seite des Zimmers empfängt er die Besucher und Gäste, auf der anderen — arbeitet und schläft er. Als der Beamte eine Schreib­maschine auf dem Tisch sah, las er das dort Geschriebene und fragte: „Schreibst du etwa für die „Chronik"?"

Erst jetzt erinnerte sich Hochw. K. Garuckas daran, daß dieser Mann ihn vor einigen Jahren verhört hatte. Er — Chef des Sicherheitsdienstes des Rayons Ignalina. Als der Tschekist den Brief und das Bild eines Soldaten sah, fragte er: „Was, spionierst du auch in der Armee? Von wem ist dieses Bild?" Der Sicherheitsdienstbeamte beschuldigte den Priester, daß dieser für die „Chronik" schreibe und Nachrichten ins Ausland vermittle. Als er liturgische Bücher mit Bändern in verschiedenen Farben erblickte, schrie er: „Was ist das, die litauische Fahne!?" Überzeugt, daß er sich geirrt hatte, ergriff er den mit der Schreibmaschine getippten Predigtstoff über die Auferstehung Christi vom Tisch. Den Sicherheitsdienstbeamten interessierte alles. Als er das Bild von Papst Paul VI. an der Wand hängen sah, fragte er: „Wo hast du es bekommen?" — und fügte hinzu: „Ihr haßt die Sowjet­union..." Als der Priester sah, daß der Tschekist zu sehr in Fahrt geriet, fragte er: „Sind sie gekommen, um bei mir eine Durchsuchung zu machen?"

Die Willkür des Sicherheitsdienstchefs hätte wohl kaum Grenzen gefunden, wenn nicht der Priester zu einem Schwerkranken gerufen worden wäre. Er händigte dem Priester eine Vorladung aus, in der geschrieben stand, daß er am 1. Oktober 1977 zum Untersuchungsrichter im Komitee des Staats­sicherheitsdienstes, Lazarevičius nach Vilnius kommen müsse. Der Untersuchungsrichter Lazarevičius empfing Hochw. K. Garuckas sehr freundlich. Am Anfang erklärte er, daß Frau O. Lukauskaitė-Poškienė und Frau E. Finkelšteinas schon verhört worden seien; nur er, Hochw. K. Garuckas, allein sei übrig geblieben. Den Untersuchungsrichter interessierte folgendes:

wie der Priester K. Garuckas in die Öffentlichkeitsgruppe Litauens zur Überwachung der Verwirklichung der Verträge von Helsinki gelangt sei, wo und wann der Priester mit Tomas Venclova und Viktoras Petkus bekannt wurde.

Der Untersuchungsrichter zeigte auf einen Stapel Dokumente der Öffentlich­keitsgruppe Litauens zur Überwachung der Verwirklichung der Verträge von Helsinki und fragte, ob der Preister diese gesehen habe. Er fragte nach den

Verbindungen der litauischen Helsinkigruppe zu den in Moskau ansässigen Dissidenten. Wer der Vorsitzende dieser Gruppe sei? Wie oft die Mitglieder dieser Gruppe zusammenkamen? Welche Erklärung sie an die Konferenz in Belgrad geschrieben hatten? Welche Erklärungen alle gemeinsam verfaßten?

Ganz besonders interessierte sich der Untersuchungsrichter für das Baltische Nationalkomitee. Das Verhör dauerte 7 Stunden.

Švenčionys

Am 10. November 1977 haben die Geistlichen des Rayons Švenčionys folgende Einladung erhalten:

„Das Exekutivkomitee des Volksdeputiertenrates des Rayons Švenčionys teilt mit, daß am 15. November 1977, um 11 Uhr, im Erholungsraum des Kultur­hauses des Rayons Švenčionys (Švenčionys, Vilnaus Str. Nr. 2, I.Stock) eine Begegnung mit den leitenden Mitarbeitern des Exekutivkomitees des Volk­deputiertenrates des Rayons stattfindet. Wir laden Sie ein, an dieser Begegnung teilzunehmen". Diese Mitteilung war vom Stellvertretenden Vorsitzenden des Exekutiv­komitees des Rayons Švenčionys, V. Mačionis, unterzeichnet. Die angereisten Priester versammelten sich im Pfarrhaus von Švenčionys, und später gingen sie gemeinsam zum Kulturhaus. Hier hat sie der Stell­vertretende Vorsitzende Mačionis höflich empfangen, jedem die Hand gegeben und dann zum Erholungsraum geleitet. Auf den Tischen waren Kaffee und Bonbons, die im Handel selten sind. Die Geistlichen wurden gebeten, Platz zu nehmen. Eine sehr höfliche Dame bemühte sich um die Bedienung der Priester. Die Mehrzahl der Priester verzichtete auf den Kaffee, denn sie empfanden das Ganze als lächerliche Komödie. Am anderen Tisch hatten sich der Stellvertretende Vorsitzende Mačionis, der Chef der Land­wirtschaft des Rayons Lisauskas und der Leiter der Kulturabteilung des Rayons, hingesetzt.

V. Mačionis berichtete über verschiedene Kleinigkeiten: Wieviel wovon verkauft wurde, welche Betriebe es im Rayon gebe u.a. Lisauskas sprach über Schweineställe, Ernteerträge, Entwässerungsarbeiten auf den Feldern und der Leiter der Kulturabteilung über die Schulen. Danach gestattete man den Priestern. Fragen zu stellen, die sie interessieren. V. Mačionis, befragt, für wieviel Rubel pro Jahr im Rayon Schnaps verkauft werde, antwortete: „Schnaps wird verkauft für 2 500000 Rubel, Wein — für 1 300000 Rubel." (Im Rayon leben 40000 Menschen.) Er sagte, daß in den anderen Rayons, z.B. Mažeikiai, noch mehr getrunken wird.

Die Geistlichen baten V. Mačionis, daß Katechismen und Gesangbücher gedruckt und wiederholt in grösseren Auflagen Gebetbücher herausgegeben werden, daß pro Kilowatt Strom, der in der Kirche verbraucht wird, nicht 25 Kopeken gezahlt werden müssen, sondern nur 4 Kopeken (soviel zahlen alle Sowjetbürger), daß man das für die Renovierung der Kirche benötigte Material frei kaufen kann, und daß ein Rentenbeschluß für Kirchenangestellte verfaßt werde. Mačionis notierte alle Wünsche und erklärte: „Ich bin kompetent, sie zu erfüllen". Er versprach, sie an die zuständige Organe weiterzuleiten.

Ähnliche Begegnungen der Mitarbeiter eines Rayons mit Geistlichen, wurden auch in den anderen Rayons organisiert. Was wird damit bezweckt? Man hat offenbar die Konferenz von Belgrad auf die „Religions- und Gewissens­freiheit" in Sowjetlitauen aufmerksam machen wollen. Oder ist das etwa eine Erziehungsbemühung der Partei und Regierung für die „Dunkelmänner", um sie zu beschwichtigen, — seid schön ruhig, schickt nirgendwo eure Wünsche hin, denn wir haben sie ja notiert, werden darüber beraten u.s.w.

Kaunas

Am 11. Dezember 1977 — einem Sonntag — hat ein Oberleutnant der Miliz die alten Mütterchen auseinandergejagt, die an der Kathedralkirche von Kaunas Devotionalen verkaufen.

Die Kirchgänger versuchten, die Mütterchen zu verteidigen. Der Milizmann drohte: „Unzufrieden? Ruft Brežnev an. Wenn ihr Politik machen wollt, dann bringe ich euch zur Wache, da könnt ihr sie machen.". Die Gläubigen versuchten klarzumachen, daß sie sonst keine Gelegenheit hätten, Devotio­nalien zu kaufen. Wie soll man die neue Verfassung und die Rechtlosigkeit der Gläubigen miteinander vereinbaren?

Daraufhin versetzte der Milizleutnant: „Habt ihr die Verfassung gut gelesen? Leset und ihr findet, daß die Zeiten vorbei sind, da ihr machen konntet, was ihr wolltet. Ihr solltet wissen, daß die Kirche dem Staat gehört, ihr mietet sie nur. Jetzt werden auch die kirchlichen Angelegenheiten alle vom Staat dirigiert".

Raseiniai

Am 17. Oktober 1977 sandte der Pfarrer von Viduklė, Hochw. Alf. Svarinskas, an den Stellvertretenden Vorsitzenden des Rayons Raseiniai folgende Bittschrift: „Es nähern sich die für die Katholiken teuren und sinnvollen Feiertage:

Allerheiligen und Allerseelen. An diesen Tagen freut sich die Kirche über das Glück ihrer Kinder, die schon den Himmel erlangt haben, und betet an den Pforten des Fegefeuers um Gottes Erbarmen für die Leidenden. Nach einer tausendjährigen Tradition gahen die Gläubigen am Vorabend von Allerseelen zum Friedhof, um ihre Verstorbenen zu ehren. Deshalb bitte ich auch, den Katholiken von Viduklės die Erlaubnis zu erteilen, ihre heilige Pflicht nach dem Ritual (herausgegeben 1966), erfüllen zu dürfen. Die Prozession wird rein religiös sein, wobei die Allerheiligen­litanei und der Psalm 45 — Gott ist unsere Zuflucht und Stärke — gesungen werden. Voraussichtliche Zeit: von 17 - 18 Uhr. Deshalb werden wir die Atheisten überhaupt nicht stören."

Die Rayonregierung hat die Erlaubnis nicht erteilt, aber die Prozession hat trotzdem stattgefunden. Solche Erlaubnisse gibt die Rayonregierung niemandem.

Kaunas

Wir bringen den Text einer Eingabe an die Bischöfe, welche im September 1977 an die Ordinariate verschickt und unter den Priestern und Gläubigen verbreitet wurde:

„An die Bischöfe und Bistumsverwalter Litauens!

Ein großes Unglück hat Litauen getroffen — es ertrinkt im Alkohol. Es wird vor der Arbeit, während der Arbeit und danach getrunken; es wird getrunken auf den Straßen, Gassen, Toiletten, in den Omnibussen und Zügen; es wird getrunken bei Kindtaufen, Hochzeiten und Begräbnissen. Es trinken die Betriebsleiter und Arbeiter, es trinken Männer und Frauen, schon trinken Minderjährige und sogar Kinder. Es ist kein Geheimnis, daß die ,Teufelstropfen' auch von einigen Gläubigen und von einem Teil der Priester gebraucht werden.

Es brechen die durch Alkohol zerütteten Familien auseinander, bei Auto­unfällen kommen Tausende von Unschuldigen um, die Ernüchterungsräume und Spezialkrankenhäuser sind überfüllt. Als Folge des Lebens mit Alkohol­mißbrauch sind kriminelle Delikte und Geschlechtskrankheiten weit verbreitet.

Wir vertrauen auf Eure Taten, beten für Euch, daß Gott Eure Hirtenarbeit segnen möge und durch Euch senden möge das Licht des Hl. Geistes, Glauben, Mut und eucharistische Liebe. Deshalb bitten wir, mit der gesamten fortschrittlichen Öffentlichkeit mutig den Kampf für Abstinenz einzutreten. Unsere Priester müssen zuallererst Beispiel für Abstinenz sein. Führt eine strenge Kontrolle ein, befehlt aus den Pfarrhäusern sämtliche Flaschen hinauszuwerfen und die Empfänge im Geiste der Abstinenz und hoher Kultur zu veranstalten. Das betrifft insbesondere die Priester der älteren Generation mit den überholten Umtrunktraditionen.

Wir erwarten Predigten, deren Themen die Fragen der Abstinenz und der Wiedergeburt des Volkes anschneiden.

Wir wünschen sehr, daß die Priester durch Predigten und ihr Lebensbeispiel dem Volke den Weg der Wahrheit weisen, wie auch vor einem Jahrhundert, zu den Zeiten des Bischofs Motiejus Valančius und in den Kampf zur Rettung des Volkes eintreten.

Wir erwarten, daß Ihr dieses Schreiben nicht vernichtet oder in den Schub­laden der Kanzleien liegenlaßt, sondern durch eure Taten und konkrete Maßnahmen darauf antwortet. Dadurch zeigt ihr, daß Euch das Schicksal des litauischen Volkes am Herzen liegt.

September 1977 Die Katholiken Litauens"

Diese Bitte der Gläubigen ist begründet, denn Litauens Ordinariatsleiter sind angesichts dieser furchtbaren Situation recht passiv. Zum Beispiel gibt es Großstadtpfarreien, in denen in ganz Litauen bekannte Alkoholiker-Priester tätig sind und die Ordinariatsleiter wagen nicht, sie zu versetzen, denn sie werden von der atheistischen Regierung beschützt.

Pociūnėliai

Am 15. Dezember 1977 ist zum Pfarrer von Pociūnėliai, Hochw. A. Joku-bauskas, eine fünfköpfige Kommission aus dem Rayon gekommen, um zu prüfen, ob der Pfarrer nicht womöglich das Kirchendach mit gestohlenem Blech gedeckt hat. Die Mitglieder der Kommission haben nur durch An­schauen die Fläche des Kirchendaches abgemessen und ausgerechnet, wieviel Tonnen Blech verwendet wurden. Sie haben mit einem Prozeß gedroht. Unverrichteter Dinge sind sie zur Verteilungsbasis nach Kaunas gefahren und beschimpften die Lagerarbeiter, weil sie für die Kirche eine solche Menge Blech verkauft hätten.

Bisher erfahren die Priester während der Renovierungsarbeiten von Seiten der sowjetischen Regierung nur eine solche Hilfe wie Ausschimpfen, Überprüfung der Dokumente, Einschüchterungen u.a.

 

Viduklė

Am 17. Januar 1978 wurde der Pfarrer von Viduklė, Hochw. Alf. Svarrinskas, zum Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten, K. Tumėnas in Vilnius, vorgeladen. Am Gespräch hat auch der Mitarbeiter des RRA, Raslanas (Vertreter des KGB), teilgenommen. Der Bevollmächtigte beschuldigte Hochw. A. Svarinskas, daß er bei der Beerdigung von Hochw. J. Aleksa in Tabariškės während des Mittagessens eine Rede gehalten und die Priester, die Friedensanhänger sind, erpreßt habe.

In der Tat hat Hoschw. A. Svarinskas bei der Gelegenheit eine Rede gehalten, in der er einige Mißstände und Fehler im Leben von Priestern hervorgehoben hat. Er sagte, daß es Priester gibt, die nach Berlin fahren, um den Frieden zu verteidigen, derweil wir keine Katechismen und Gebetbücher haben. Solche Priester, welche die Kirche nicht verteidigten, könnten sie auch nicht vertreten, deshalb sollten sie, wenn sie nach Berlin fahren, ihre Priesterröcke ausziehen.

Öffentliche und mutige Stellungnahmen von Priestern zu aktuellen Fragen der Gegenwart sind gute Zeichen, die bezeugen, daß die kath. Kirche in Litauen fähig ist, sich zu erneuern und die Wiedergeburt des Volkes zu leiten.

Šiluva

In der „Chronik der LKK" Nr. 30 war die Wallfahrt der litauischen Jugend zum Marienheiligtum in Šiluva beschrieben. Die Jugendlichen wollten nicht, daß das an der Begegnungsstelle im Wäldchen errichtete Kreuz vom KGB vernichtet wird und verlegten es deshalb an eine mehr Sicherheit bietende Stelle bei dem Anwesen von Zosė Alubickienė. Aber in der Nacht vom 22. August, um 1 Uhr, kamen vier Männer in einem geschlossenen Wagen vorgefahren. Sie haben das Kreuz herausgerissen, abtransportiert und die Rautenkränze weggeworfen. Am Morgen des 22. August sind zwei Tschekisten von Raseiniai gekommen und haben Frau Alubickienė und ihren Sohn verhört, um in Erfahrung zu bringen, wer das Kreuz bei ihrem Anwesen errichtete. Zur großen Enttäuschung des Vernehmungsbeamten hatten weder Mutter noch Sohn gesehen, wann das Kreuz erichtet worden war.

Telšiai

Auf dem Kirchplatz der Kathedralkirche stand ein Kreuz mit der Inschrift: „Priester J. Noreika und Priester A. Gargasas, Verteidiger des Vaterlandes, von den Russen erschossen 1863". Irgend jemand hat die ganze Inschrift erneuert, aber das Wort „Russen" entfernt. Wer hat dazu das Recht gegeben, eine histrorische Inschrift zu beschädigen, die den Volksgenossen über ein Jahrhundert verkündet hat, wer diese Verteidiger des Vaterlandes erschossen hat.

Jetzt steht das Kreuz in einem Eckchen des Kirchplatzes mit einer offenen — neuen, gleichsam blutenden Wunde jener Priester, die ihnen im Frühjahr 1977 durch die Hand eines mißratenen Landsmannes zugefügt wurde.

Vilnius

Jedes Jahr müssen die Pfarrer in Litauen ihren Ordinariaten folgende aus­gefüllte Fragebogen zustellen, die dem Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten übergeben werden:

Fragebogen

I. Rest der Geldmittel am 1. Januar 1976 Einnahmen: 1. Freiwillige Spenden

2. Andere Einnahmen (aufführen, welche) Gesamteinnahmen

Gesamteinnahmen mit dem Rest des vergangenen Jahres

II. Ausgaben:

1. An Bedienungspersonal ausbezahlt

2. Für die Renovierung der Kirche

3. Bodenrentensteuer

4. Pflichtversicherung

5. Für Unterhaltung der Kirche

6. Abgaben an den Friedensfonds

7. Für Architektur- und Geschichtsdenkmalfonds

8. Für Unterhaltung des Priesterseminars

9. Andere Ausgaben

1. Rest am 1. Januar 1977 Von dieser Summe:

a) b) auf der Staatsbank

in den Gemeinschaftskassen

III. Religiöse Dienste geleistet:

1. Taufen insgesamt: .........

Von dieser Zahl:

a) Kleinkinder

b) Kinder von 3 bis 7 Jahren

c) Kinder im Schulalter

d) Erwachsene

2. Trauungen

3. Beerdigungen

4. Zulassungen zur Erstkommunion

5. Spendungen des Firmungssakraments

IV. In der Kirche arbeiten als feste Angestellte:

1. Organisten

2. Sakristane

3. Glöckner

4. Putzer

5. Wachmänner

6. Kirchplatzwächter

7. Heizer

8. Zahl der Kirchenchormitglieder

Weil diese Informationen von den Atheisten Litauens benötigt werden, die darüber entscheiden, in welchen Pfarreien die atheistische Arbeit intensiviert werden muß, machen die Geistlichen ganz falsche Angaben. Die einen verringern die Zahlen, die anderen vergrößern sie; deshalb sind diese Angaben wertlos.Ist es nicht an der Zeit, daß die Priester diese Angaben verweigern? Die Atheisten sollen selber die Informationen sammeln, für die sie sich interessieren.

Žvirgždaičiai

Am 10. Oktober 1977 durfte in der Kapelle von Žvirgždaičiai nach einer 19-jährigen Unterbrechung wieder ein Beerdigungsgottesdienst gehalten werden. Die Rayonregierung von Šakiai ist einverstanden, daß der Pfarrer von K. Naumiestis, Hochw. J. Jakaitis, die Gläubigen von Žvirgždaičiai betreut. Die Kapelle und der Altar wurden eingeweiht. Die Menschen weinten vor

Freude, aber der Vorsteher des Kolchos Junge Garde, Lisauskas, auf dessen Gebiet sich Žvirgždaičiai befindet, war erbost und fragte die Leute, wer wohl der eigentliche Initiator des Kampfes der Gläubigen um ihre Kapelle sein könnte. Dieser Kolchosvorsteher zeichnet sich aus durch sein despotisches Wesen, und die Menschen fürchteten ihn wie einen Gendarmen. Am Vorabend von Allerseelen fand wieder ein Gottesdienst statt, an dem viele Menschen teilgenommen haben. Danach äußerte sich der Kolchosvorsteher: „Ich werde diese Nester Vatikans zerstören". Die Gläubigen von Žvirgždaičiai müssen für jeden Gottesdienst eine schriftliche Genehmigung des Exekutiv­komitees des Rayon Šakiai haben.

Žalioji

Der Vorsitzende der Gemeinde Klausučiai, St. Kundrotas, redete auf die Menschen ein, welche die Öffnung der Kirche verlangten, sie sollten ihre Unterschriften zurückziehen. Er hat die Leute zu seinem Amtssitz vorgeladen und sich nicht geniert, die Gläubigen zu verhöhnen.

Am 16. November 1977 wurden zwei Mitglieder der Religionsgemeinschaft (des Zwanzigerrats) nach Vilkaviškis zum Stellvertretenden Vorsitzenden des Rayons, Urbonas, vorgeladen. Hingefahren sind sieben. Der Stellvertreter erklärte, daß der Sekretär des ZK der KP Litauens, Griškevičius, auf die Eingabe der Gläubigen (s. „Chronik der LKK" Nr. 30) negativ geantwortet habe — das ZK werde die Frage in der Kirchenangelegenheit nicht entscheiden. Der Stellvertreter Urbonas erklärte, daß auch der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten in dieser Sache ohnmächtig sei. Die ganze Gewalt, über das Schicksal der Pfarrei von Žalioji zu entscheiden, sei der Rayonregierung von Vilkaviškis anvertraut, und er, der Stellvertreter, werde werde seinen Einfluß geltend machen, damit das Exekutivkomitee des Rayons sich nicht damit einverstanden erklärt, die Kirche in Žalioji zu öffnen. Am 20. November 1977 haben 126 Gläubige von Žalioji eine Eingabe an Brežnev abgeschickt, in der sie bitten, ihre Pfarrkirche wieder eröffnen zu helfen. Zum Schluß der Eingabe heißt es:

„In diesem Jahr haben wir viele schöne Worte über neue Verfassung gehört, womit den Bürgern alle Rechte auf Gewissens- und Religionsfreiheit garantiert werden. Aber in unserem Rayon werden die Rechte der Gläubigen nicht mehr respektiert als die Rechte der Neger in Südafrika.

Wir bitten Sie, Herr Generalsekretär, sich in diese für uns schmerzliche Angelegenheit einzuschalten, denn wir sehen keine andere Möglichkeit, wohin wir uns sonst noch wenden könnten, es sei denn an die internationale Organisation zur Verteidigung der Menschenrechte."

Am 26. Dezember 1977 sind Gläubige von Žalioji zum Bevollmächtigten dės Rates, K. Tumėnas, gefahren: J. Nešukaitis, J. Jasaitis, B. Gudaitienė, K. Bubnaitienė und T. Kaminskienė. K. Tumėnas machte den Vorwurf, daß die Gläubigen, anstatt Weihnachten zu feiern, zu ihm kommen. Sie konterten, daß sie keine Gebetstätte hätten, denn in der Kirche habe man eine Mühle eingerichtet. Der Bevollmächtigte erklärte, daß es für ihn leichter sei, irgend­eine Kirche in Vilnius zu eröffnen, aber nicht in Žalioji, und erteilte den Rat, irgendwo anders einen Raum für Kultzwecke zu mieten. Der Kampf der Katholiken von Žalioji für ihre Kirche verdeutlicht die recht­lose Lage der Gläubigen — wohin du dich auch wenden magst, alle schicken dich zur Rayonregierung, und an deren Spitze steht irgendein roher und blinder Beamter, der alles fanatisch verneint und verbietet.

Slabadai

Am 28. Oktober 1977 wurden zwei Frauen aus Slabadai zum Stellvertretenden Vorsitzenden des Rayons Vilkaviškis, Urbonas, vorgeladen: O. Bušauskienė und J. Naujokienė. Der Stellvertreter erklärte ihnen, daß die Pfarrkomitees von Slabadai und Žalioji nicht bestätigt werden. Voller Hohn fragte J. Urbonas die Angereisten: „Was gibt euch denn dieser Glaube?" — „Sehr viel!" — konterte J. Naujokienė.

Girdžiai

In der Nacht vom 24. Sepbtember sind Unbekannte in die Kirche von Girdžiai eingedrungen. Unerklärlich warum, aber die Eindringlinge interessierten sich für zwei dicke Predigthefte. Sie haben diese aus einem kleinen Schrank entwendet, diesen wieder mit dem dort befindlichen Schlüssel abgeschlossen und den Schlüssel mitgenommen.

1977 wurden im Rayon Jurbarkas drei Kirchen beraubt — in Girdžiai, Vertimai und Eržvilkas.