Vilnius

Der Bevollmächtigte des Rats für religiöse Angelegenheiten beim Ministerrat der UdSSR für die Litauische SSR

11. November 1977 70

An den Vorsitzenden des Exekutivausschusses des Rats der werktätigen Depu­tierten des Rayons . . .

Bitte bis zum 15. Januar 1978 Informationen über die Lage der religiösen Ge­meinschaften aller Konfessionen und den Stand der Religiosität des Rayons im Jahre 1977 erstellen.

Innerhalb des Informationsberichts ist die nähere Schilderung folgender Pro­blemkreise erwünscht:

1.   Religiöse Lage im Rayon bzw. Stadtkreis bei Schilderung der Tätigkeits­merkmale der religiösen Gemeinschaften, Maßnahmen der Geistlichkeit zur Aktivierung des religiösen Lebens, Inhalt der Predigten, unter Beilegung vor­handener Mitschriften, Besucherfrequenz der Kirchen und anderer Bethäuser, Besucherzahl der Gläubigen, Anzahl des Bedienungspersonals (nach beiliegen­dem Formblatt), Zahlenangaben über Geburten, Trauungen und Sterbefälle des Rayons bzw. Stadtkreises.

2.   Angaben über die allgemeine finanziell-wirtschaftliche Tätigkeit der Reli­gionsgemeinschaften (nach beiliegendem Formblatt).

3.   Organisation der Kontrolle über Einhaltung der Kultgesetze; Tätigkeit der Kult-Kontrollkommission; Analyse der Verstöße gegen Kultgesetze und Be­schlüsse über Maßnahmen gegen Übertreter.

4.   Eingegangene Beschwerden und Eingaben zu Religionsfragen; ihre Thema­tik und Schlußfolgerung ihrer Erörterung.

Der Informationsbericht darf auch weitere, Ihrer Ansicht nach bemerkenswerte Fragen behandeln sowie Vorschläge zur Verbesserung dieser Arbeit enthalten.

 

Der Bevollmächtigte des Rats für religiöse Angelegenheiten

K. Tumėnas

Kaunas

Am 2. Osterfeiertag, dem 27. März 1978, veranstaltete der KGB-Vorsitzende der Stadt Kaunas, Bagdonas, eine »Pressekonferenz« für Korrespondenten, Presse- und Propagandaleute sowie Aktivisten der Partei und Sonderabteilun­gen. Der Geheimdienstleiter beschwerte sich bei den Anwesenden, daß die Zahl der Kirchenbesucher in der Kathedral-Basilika und anderen Gotteshäusern zur Zeit größer sei als in früheren Jahren. Bagdonas erklärte ferner, in ihren Predig­ten versuchten die Geistlichen, an nationalreligiöse Gefühle zu appellieren und dadurch mehr Menschen in die Kirche zu locken. Er ersuchte seine Zuhörer um Rat, was zu unternehmen sei, um dieser Tendenz eines wachsenden nationalen Bewußtseins zu entgegnen.

Bischof Labukas, Apostolischer Administrator des Erzbistums Kaunas und des Bistums Vilkaviškis, trat Anfang Mai 1978 eine Vatikanreise an. Die Geistlich­keit wartet mit Ungeduld auf seine Rückkehr, da man befürchtet, eine schlecht informierte Kurie könnte KGB-Kollaborateure zu Bischöfen ernennen.

Kaunas

Der Kleriker E. Paulionis wurde am 28. April 1978 im Zusammenhang mit dem Prozeß gegen V. Petkus von der Geheimdienststelle Vilnius vorgeladen. Am 5. Mai wurde der Kleriker R. Dalgėla in derselben Sache vernommen.

Kaunas

Das Studienjahr im Fach Marxismus-Leninismus am Institut für Bauarchitektur wurde am 14. April 1978 mit Gastvorträgen von H. Zimanas (Mensch geht vor Gott) und K. Tumėnas (Zur religiösen Lage in Litauen)abgeschlossen. Als Zu­hörer waren auch außenstehende Nichtteilnehmer des Kurses, verschiedene Leh­rer und Funktionäre eingeladen.

K. Tumėnas betonte in seinem Referat, Konflikten mit Gläubigen sei aus dem Wege zu gehen, Beleidigungen religiöser Gefühle und Verschärfung der Lage zu vermeiden.

Neben anderen Informationen eröffnete K. Tumėnas, daß die Gläubigen in Li­tauen für den Unterhalt der Kultstätten und Kultdiener jährlich rund eine Mil­lion Rubel an Spenden aufbringen. Hiervon falle »zwar nicht viel, doch immer­hin einiges — rund 23 000 Rubel« jährlich für den Staat ab. In Wirklichkeit ist das für den Staat abfallende Sümmchen wohl kaum so bescheiden, wie K. Tu­mėnas verkündet. Eine kleine Gemeinde mit nur einem Holzkirchlein zahlt z. B. einen halben Tausender an den Staat. Verfügt die Gemeinde über einen massi­ven Kirchenbau, so fallen für den Staat bereits 2000—3000 Rubel ab, Stadtge­meinden zahlen noch mehr. Es gibt über 700 amtierende Priester, und so läßt sich unschwer ermitteln, wieviel der Staat jährlich an Einnahmen aus Kreisen der Gläubigen einkassiert.

Nach dem Vortrag wurde um Zusatzfragen gebeten, doch sah sich der Ver­sammlungsleiter bald genötigt, lautstark zu verkünden: »Keine anonymen Fra­gezettel mehr, Namen des Fragestellers angeben!« Darauf Raunen im Saal. »Man hat Angst.« Nicht nur Furcht vor unliebsamen Fragen äußerte sich hier. Man vergaß auch zwischen Fragestellung und anonymen Schreiben zu unter­scheiden, wobei es hier weniger um den Fragesteller als um die zu entscheidende Unklarheit ging. Nun, im »Land der Freiheit« ist dies eben anders . . .

Zum Abschluß seiner Vorlesungen des Atheismus-Kursus am medizinischen In­stitut hatte der Dozent A. Tytmonas am 11. November 1977 den Ersten Sekretär des Požėla — Stadtrayonkomitees, A. Guiga, als Gastredner eingeladen. Den Studenten wurde er als »Atheismus-Praktiker« vorgestellt, der die Hörer mit aktuellen Themen der atheistischen Arbeit bekannt machen werde. In seinem Referat stellte Guiga ausdrücklich fest, es gebe reaktionäre Geistliche, und be­zog sich in diesem Zusammenhang wiederholt auf Pfarrer Laurinavičius von der Gemeinde Adutiškis. Dieser Priester versuche möglichst viele Kinder zum Meßdienst heranzuziehen. Ein anderer, bereits unter den Sowjets ausgebildeter Geistlicher, Pfarrer Valančiauskas (Rayon Švenčionys), beschränke sich nicht auf den Kirchenraum, sondern dringe regelrecht in Farmen und Werkstätten ein. Manche Pfarrer hätten sich verschiedene Bauvorhaben ausgedacht, wie in den Rayons Alytus und Prienai. Auf die Frage der Studenten, um was für Bau­ten es sich dabei handele, erklärte der Redner, es seien Bauwerke vom Typ wirt­schaftlicher Anbauten und Stallungen.

(Bei dem »Bauwerk« in Simnas, Rayon Alytus, handelte es sich allerdings we­der um einen »Anbau« noch um einen »Stall«, sondern um eine Statue der Mut­tergottes. Der Sekretär wird hier wohl einem bewußten Irrtum erlegen sein. — Anmerkung der Redaktion.)

Während des Referats döste das Publikum vor sich hin. Dozent Tytmonas ließ einen Zettel mit Suggestivfragen herumreichen, die man dem Redner stellen sollte, etwa: »Ich bin ein Komsomolmitglied. Wie soll ich mich verhalten, wenn sich jemand aus meiner Verwandtschaft kirchlich trauen läßt? Was tun im Falle einer kirchlichen Bestattung eines Verwandten?«

Die Antwort: »Tun Sie alles, damit man ohne so etwas auskommt. Doch bitte taktvoll, ohne die Gefühle anderer zu verletzen.« Wiederholt stellte der Redner fest, die meisten Gläubigen ließen Trauungen und Kindtaufen in anderen Kir­chen als den ihres Wohnorts vornehmen. So seien z. B. im Jahre 1977 in der Pfarrkirche von Labanoras 36 Kindtaufen registriert worden, während im gan­zen Kirchspiel nur sieben Neugeborene registriert wurden. Die Mehrzahl der Gläubigen sei »doppelgesichtig« und scheue sich, ihr wahres Gesicht zu zeigen. Und kommt dazu noch Angst, einen höheren Posten zu verlieren, so fährt man halt anderswohin, um sich zu verbergen.

Nach dem Vortrag bekam Guiga nicht wenige Zettel — vorwiegend mit guten Ratschlägen an die Adresse des Referenten. Dieser gab abschließend mit trauri­ger Stimme zu, er habe Zettel von Studenten erhalten, die sowohl mit dem In­halt wie der Form des Vortrages unzufrieden sind. Um alle Unstimmigkeiten auszugleichen, ergriff schließlich Dozent Tytmonas das Wort. »Ein gutes halbes Jahr haben wir also geredet, geredet und diskutiert. Abschließend ergibt sich nun ein Bild, als hätte ich persisch gesprochen, während ihr serbisch verstanden habt« — meinte Tytmonas.

Telšiai

Der stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees des Rayons, Tamaškas, verlangte am 30. Dezember 1977 die Amtsversetzung des hiesigen Kanonikus K. Gasciünas. In derselben Angelegenheit telefonierte auch der Bevollmächtigte des Rats für religiöse Angelegenheiten, K. Tumėnas, mit dem Verwalter, Pfar­rer A. Vaičius.

Das Rayon-Exekutivkomitee Telšiai verweigerte die Bestätigung des nunmehr dritten gewählten Kirchenkomitees der Gemeinde Telšiai. Den Vorsitz müsse wieder Jonaitis übernehmen, der bereits vor den drei Wahlen Vorsitzender ge­wesen war und Kanonikus A. Gasčiünas mitgeteilt hatte, er müsse den Posten des Gemeindepfarrers verlassen.

Taurage

Sehr glücklich waren die Gläubigen des Kirchspiels Taurage darüber, daß der Gemeindepfarrer Bagdonas den ganzen Sommer hindurch ihre Kinder auf die erste Kommunion vorbereitete. Um so enttäuschter sind sie allerdings, daß er den Kindern nicht erlaubte, Meßdienste zu verrichten und an Prozessionen teil­zunehmen. Um Erklärung seines Verhaltens ersucht, gab Pfarrer Bagdonas zu, er wolle das Verhältnis zur Staatsmacht nicht betrüben. Die Gemeindemitglie­der in Taurage meinen jedoch, der Kaufpreis guter Beziehungen zur atheisti­schen Obrigkeit sei zu hoch.

Gargždai

Ein Raubüberfall auf die Kirche in Gargždai ereignete sich in der Nacht vom 14. zum 15. Januar. Das Tabernakel wurde aufgebrochen, das Allerheiligste Sakra­ment verstreut.

 

Gargždai

Der hiesige Pfarrer Antanas Šeškevičius wurde am 24. März zu dem schwer­kranken Stanislovas Milašius ins Alters- und Invalidenheim Gargždai gerufen. Hierüber hatte sich die Krankenschwester Frau Katkienė mit der Feldscherin Frau Juškevičienė geeinigt, die dem Krankenbesuch des Geistlichen zugestimmt hatte. Bei dieser Gelegenheit ersuchten auch andere Heiminsassen den Geistli­chen um Beichte und Kommunion. Kaum hatte Pfarrer Šeškevičius einigen der alten Leute die Beichte abgenommen, tauchte auch schon Direktor Striauka vom Alten- und Invalidenheim auf.

»Wie kommst du hier hinein?« fuhr er den Geistlichen an. »Weißt du nicht, daß Geistlichen das Betreten staatlicher Behörden verboten ist!?« »Wohl doch«, antwortete Pfarrer A. Šeškevičius in aller Ruhe. »Das Sowjetge­setz gestattet es, Kranke mit den Allerheiligsten Sakramenten zu versorgen. Bit­te darüber in der Zeitschrift Die Arbeit der Sowjets (Nr. 5, 1975) nachzulesen. In dem dort abgedruckten Beitrag von K. Tumėnas (Das Gesetz und die religiö­sen Gemeinschaften) steht, daß Priester das Recht haben, die Sakramente in Hospitälern, Haftanstalten und anderswo zu spenden, wenn Kranke dies wün­schen.«

»Raus hier! Ich will dich hier nicht wieder sehen!« — brüllte Direktor Striauka als Antwort zurück.

Eine halbe Stunde nachdem Pfarrer A. Šeškevičius das Heim verlassen hatte, verstarb der greise St. Milašius. Wegen dieses Vorfalls wurde Pfarrer A. Šeške­vičius beim stellvertretenden Vorsitzenden des Rayon-Exekutivkomitees Gargž­dai, Leitas, vorstellig, der zugab, Striauka habe sich nicht richtig benommen; er versprach, ihn deshalb zu verwarnen und Pfarrer Šeškevičius Bescheid zu ge­ben. Als dieser nach Ausbleiben einer solchen Mitteilung Leitas erneut darauf­hin ansprach, erklärte dieser, er sei sehr beschäftigt gewesen und habe den Heimdirektor nicht getroffen.

Zarasai

Bischof R. Krikščiūnas entließ den Gemeindepfarrer von Zarasai, Dekan G. Šu­kys, aus diesem Amt und setzte an seiner Stelle Pfarrer Vytautas Tvarijonas, den Gemeindepfarrer von Spitrėnai, ein. Dem widersetzte sich jedoch der Be­vollmächtigte des Rats für religiöse Angelegenheiten, K. Tumėnas, der seiner­seits S. Pelesynas, Gemeindepfarrer von Pabiržė, für den Posten vorschlug.

Salos

Frau Danute Česonienė, Sekretärin der hiesigen Gemeindeverwaltung, ließ ihre älteste Tochter Vida im Kirchspiel Kamajai taufen und wurde deshalb aus ihrer Arbeitsstelle entlassen.

Salos

Die Brigadierin des hiesigen Sowchos, Frau Janė Butkevičienė, Parteimitglied, ließ ihre Großmutter kirchlich bestatten und nahm selbst an der Beerdigung teil. Danach wurde sie auf Beschluß der Parteiversammlung entlassen.

Skuodas

Im hiesigen Krankenhaus verstarb am 8. Februar 1977 im Alter von 81 Jahren die greise Frau Kazimiera Aklienė. Nach einer Operation in Klaipėda hatte man sie ins Krankenhaus Skuoda verlegt, um hier unter »garantiert qualifizierter me­dizinischer Betreuung« (Artikel 42 der Verfassung) wieder zu Kräften zu kom­men. Am Morgen des 7. Februar verschlechterte sich ihr Zustand, und die Pa­tientin bat um den Beistand eines Pfarrers und die Erteilung der Sakramente. Als der Oberarzt des Hospitals, Mažrimas, davon hörte, erklärte er: »Solange ich hier amtiere, wird kein Pfarrer seinen Fuß in mein Krankenhaus setzen.« Die Patientin bat daraufhin, man möge sie dann für eine Stunde zu Bekannten in Skuodas bringen, damit sie dort die Sakramente empfange, wonach sie sofort wieder ins Krankenhaus zurückkehren werde. Oberarzt Mažrimas befahl jetzt, die Patientin aus dem Krankenzimmer auf den Korridor zu bringen, und erklär­te ihrem Mann: »Diese Frau wird nicht wieder ins Krankenhaus aufgenommen.« Während der alte Mann noch versuchte, einen Autotransport ins benachbarte Dorf Palaukė zu organisieren, mußte seine schwerkranke Frau ohne Betreuung auf dem zugigen Korridor warten. Frau K. Aklienė verstarb am 8. Februar 1977. Dieser Vorfall ereignete sich im Vorjahr, als noch die alte Verfassung der UdSSR in Kraft war.

Auch die 88jährige Frau Magdalena Sėlenienė wurde im Krankenhaus Skuodas behandelt. Als die Kranke nach einem Priester verlangte, brüllte Oberarzt Maž­rimas zurück: »Auch wenn der Vatikansender mich bereits verflucht hat, solan­ge ich lebe, werde ich keinen Priester ins Krankenhaus lassen.« Am gleichen Ta­ge, dem 8. Januar, verstarb die alte Frau Sėlenienė, ihr Leben lang eine gläubige Christin, ein stets rechtschaffener und arbeitsamer Mensch, ohne Versorgung mit den letzten Sakramenten. Ein rechtschaffener Hausherr erbarmt sich in der Stunde der Not selbst eines Hundes. Oberarzt Mažrimas vom Krankenhaus Skuodas vertritt gläubigen Mitmenschen gegenüber freilich andere Maximen. Beschwert man sich über ein solches Verhalten beim Ersten Parteisekretär des Rayons Skuodas, Sabanskis, lautet die kurze angebundene Antwort: »Uns ist er gut.«

Wer wagt es, Oberarzt Mažrimas vom Krankenhaus Skuodas und dem Ersten Rayonparteisekretär Sabanskis die Einhaltung der neuen Verfassung der UdSSR und der Litauischen SSR zu empfehlen? Artikel 164 der Sowjetverfas­sung bestimmt: Die Oberaufsicht darüber, daß . . . sämtliche Behörden und Beamten ... die Gesetze genau und gleichmäßig in Anwendung bringen, obliegt den Staatsanwälten.

Notėnai (Rayon Skuodas)

Der Priester Antanas Tyla wurde hier am 27. Januar 1978 bestattet, wo er seit 32 Jahren tätig war, als geistliche Führungsgestalt von den Gläubigen geliebt und verehrt. Während der Vatikansender gerade einen Nekrolog zum Tode des Pfarrers Tyla verbreitete, war bereits ein Kampf zwischen den Gläubigen und den Rayongewaltigen in Skuodas über den Beerdigungsort des verstorbenen Ge­meindepfarrers entbrannt. In seinem Testament hatte der Verstorbene verfügt, man möge ihn neben seiner, vor acht Jahren auf dem Kirchhof Notėnai beerdig­ten Mutter bestatten. Nichts leichter, anscheinend, als diesem letzten Wunsch des Toten zu entsprechen. Seit jeher pflegt man ja Geistliche in Kirchennähe zu bestatten, und waren sie besonders lange tätig, so werden sie sogar in den Ge­wölben unter dem Kirchenbau selbst beigesetzt. Doch als die Gläubigen von No­tėnai darangingen, die Grube für die Beisetzung des Verstorbenen neben dem Grab seiner Mutter auszuheben, erfolgte auch schon das Veto des Vorsitzenden der Ortsverwaltung Notėnai, Šetkauskas, man müsse erst die Rayonverwaltung Skuodas um Erlaubnis bitten. So reisten die Gläubigen dann zu Frau Luožienė, der stellvertretenden Vorsitzenden der Rayonverwaltung Skuodas. Diese wie­derum befahl, erst die Genehmigung des Ersten Sekretärs der KP, Sabanskis, einzuholen. Der Sekretär erhob jedoch kategorischen Protest: »Für den ist's gut genug, wenn er auf dem öffentlichen Friedhof hinter dem Fluß begraben wird. Für eine Bestattung auf dem Kirchhof besteht keinerlei Veranlassung.« Die Gläubigen fuhren zur Kurialverwaltung des Bistums Telšiai, wo sie erfuh­ren, die Kurie sei nicht in der Lage zu helfen. Das Amt des Bevollmächtigten für religiöse Angelegenheiten teilte der Kurie auf Anfrage mit, Bestattungsangele­genheiten seien Sache der örtlichen Behörden.

So dämmerte der dritte Tag heran, und immer noch war unklar, wo man den to­ten Pfarrer bestatten werde. Schließlich begaben sich die Gläubigen zum Orts­vorsitzenden von Notėnai und erklärten: »Vorsitzender — du magst ihn begra­ben. Wir selbst werden das Testament unseres Gemeindepfarrers nicht antasten. Wenn Ihr seine Bestattung auf dem Friedhof verbietet, so weigern wir uns, ihn überhaupt beizusetzen; möge er daher unbestattet daliegen.« Der Ortsvorsitzende Šetkauskas wandte sich seinerseits erneut an Parteisekretär Sabanskis, verwies auf den Zorn der Leute und daß die Sache womöglich in die Chronik der Litauischen Katholischen Kirche geraten könne usw. Parteisekretär Sabanskis mußte schließlich nachgeben:

»Sollen sie ihn beerdigen, wo sie wollen . . .« Nur, wo bleibt das Prinzip,der Sowjetverfassung über Trennung von Kirche und Staat — wenn selbst über den Grabplatz eines Geistlichen der Parteisekretär zu bestimmen hat . . .

Žvirgždaičiai (Rayon Šakiai)

Auf der Mitgliederversammlung der Kollektivwirtschaft »Junge Garde« wurde die Pensionierung mehrerer Kolchosmitglieder beschlossen und die Ruheständ­ler vom Vorsitzenden P. Lisauskas mit Transistorenempfängern beschenkt. Nur die als tüchtige Arbeiterin bekannte Bäuerin Frau E. Daniliauskienė, Teilneh­merin an der Eröffnung der Kapelle von Žvirgždaičiai, bekam kein Geschenk. Dazu erklärte der Vorsitzende P. Lisausjcas mehreren Personen, Frau Dani­liauskienė möge sich von der Kirche etwas schenken lassen.

Žalioji (Rayon Vilkaviškis)

In Nr. 32 der Chronik der Litauischen Katholischen Kirche war eine Erklärung von Gläubigen des Wohnorts Klausučiai zur Eröffnung der Kirche von Žalioji abgedruckt. Das Schreiben war nach Moskau geschickt worden, von wo es an den Bevollmächtigten für religiöse Angelegenheiten, K. Tumėnas, gelangte, der es seinerseits an das Exekutivkomitee des Rayons von Vilkaviškis weiterleitete. Hier ließ der stellvertretende Vorsitzende J. Urbonas den Arbeiter Bronius Mickevičius von dessen Arbeitsstelle sofort zu sich rufen: »Hast du diese Erklärungen geschrieben?« faucht ihn der Stellvertreter an. »Ja, ich«, bestätigt der Arbeiter.

Urbonas begann nun zu begründen, warum die Kirche zu Žalioji niemals eröff­net werden könne — denn, so laute ein ausdrücklicher Beschluß des Exekutiv­komitees von Vilkaviškis, und diesem sei das Recht verliehen, über die Kirche in Žalioji zu entscheiden. Als Mickevičius diese Antwort in schriftlicher Form zu erhalten wünschte, erklärte Urbonas, schriftliche Antworten seien nicht üblich. Doch sei er, Mickevičius, als Vorsitzender des Kirchenkomitees verpflichtet, die Unterzeichner mündlich darüber aufzuklären, warum die Kirche in Žalioji nicht eröffnet werden könne.

So also verfährt Moskau nach Annahme der neuen Verfassung mit Eingaben der Gläubigen: man leitet sie weiter an diejenigen, gegen die sich die Beschwer­den richten.

Der Zwanzigerrat (22 Mitglieder) des Kirchspiels Žalioji übersandte am 10. Mai dem Vorsitzenden des Ministerrats der Litauischen SSR eine Entschließung, in der es heißt: »Jetzt erkennen wir deutlich, daß der stellvertretende Vorsitzende des Rayon-Exekutivrats von Vilkaviškis, J. Urbonas, nicht nur die Gläubigen, sondern auch seine direkten Vorgesetzten zum besten hält . . . Die Leiter unse­res Rayons dürfen anscheinend eigene Gesetze und Verordnungen erlassen, un­ter Mißachtung der Bestimmungen sowohl des Ministerrats wie der Verfassung der UdSSR.«

Der Ortsvorsitzende in Klausičiai, Stasys Kundrotas, hat erklärt, kein Gläubiger werde jemals seinen Fuß in die Kirche von Žalioji setzen — sei sei denn über sei­ne Leiche. Welch heldenhaftes Treuebekenntnis zur Besatzungsmacht! U. Urbonas ließ die Agronomin des Experimentierguts Rumokai, Frau Stanai­tienė, vorladen und rügte sie wegen ihrer Unterschrift unter die Eingabe zur Er­öffnung der Kirche in Žalioji.

Vepriai (Rayon Ukmerge)

Beim Devotionalienhändler erschien am 14. Mai 1978 ein Mann, der nach Vor­zeigen eines Milizausweises alle Waren in einen Sack verstaute und in sein Auto brachte. Dies ist nicht der erste Fall dieser Art in Vepriai. Während des Ablaßfe­stes über Pfingsten verboten Milizangehörige und Tschekisten den Verkauf von Devotionalien, notierten Autonummern und beobachteten Teilnehmer auf den Kreuzwegstationen. Zum Fest in Vepriai hat die Rayonverwaltung nur einen Priester zugelassen. Trotzdem erschienen mehrere Geistliche, Menschen ver­sammelten sich in Mengen und beteiligten sich an dem Kalvarienkreuzgang.

Druskininkai

Die beim hiesigen Stadt-Exekutivkomitee als Sekretärin tätige Aldona Bale­vičiūtė hatte ihre Hochzeit für den 15. April 1978 festgesetzt. Gleichzeitig war eine kirchliche Trauung vorgesehen. Als ihre direkten Vorgesetzten — der stell­vertretende Komiteevorsitzende Marinionokas und die Leiterin der allgemeinen Abteilung, Frau Navickienė, davon erfuhren, wurde Frl. Balevičiūtė beschul­digt, »religiösem Aberglauben« anzuhängen. Ihr wurde mit Entlassung ge­droht: wenn sie sich nicht von der Kirche trenne, bekomme sie keine Wohnung und die Hochschule in Vilnius werde verständigt, so daß sie ihr Studium abbre­chen müsse. Frl. A. Balevičiūtė entgegnete, es handele sich um eine alte Fami­lientradition, und der Wille ihrer Eltern sei ihr heilig. Daraufhin wurde ihr Va­ter vorgeladen, dem man vorwarf, er »vergewaltige« seine Tochter und zwinge sie, religiöse Praktiken einzuhalten.