Weißrußland

Etwa ein dutzend Kilometer von Druskininkai entfernt gibt es ein schönes Eckchen mit kleinen Seen, hineingezwängt zwischen Pariečė und Aziorai. Als der Sonntag kam, habe ich mich entschlossen, mich umzuschauen, die Augen zu entspannen, und das um so mehr, weil ich von Prozeduren frei war und in Druskininkai nichts unternehmen konnte. Nachdem ich einen Freund angesprochen und einen Wagen aufgetrieben, gelangte ich nach Weißrußland, wo zwischen Kiefernwäldchen beeindruckend blaue Wasser­flächen lagen. Unterwegs entdeckten wir, zwischen zwei kleinen Seen ein­geklemmt, das Städtchen Naujoji Rūda. So schön die Natur, so nieder­drückend waren die anderen Eindrücke, die nicht im geringsten an festliche Sonntagsstimmung erinnerten. Wir sahen arbeitende Menschen — sie sägten Holz, stapelten Stroh. Was wir an Männern in dem Städtchen getroffen haben, alle waren angetrunken. Ein Pärchen ging vorbei — ein Soldat und ein Mädchen, aber nicht er hat sie geführt, sondern sie ihn geschleppt... Wir bemerkten eine Kirche — aus Holz, nicht alt, recht imposant, von außen nicht übel aussehend. Wir wollten sie von innen anschauen. Nach einigem Herumfragen fanden wir eine Frau, die für uns aufgeschlossen hat. Wir erblickten ein trauriges Bild, wie nach dem Krieg. Die Türe der Sakri­steischränke aufgebrochen ... Altarbilder heruntergerissen, der Tabernakel aufgebrochen, nur die Figur des Gekreuzigten über dem Hochaltar war heil. Diese vermochten sie offenbar nicht abzureißen.

Die Frau erzählte, daß an Sonntagen Menschen zusammenkommen. Sie beten und singen auch. Auch an diesem Tag sind Menschen zum Beten dagewesen. Anstelle der geraubten alten Bilder hingen an den Seitenaltären einige Bilder primitiven Geschmacks, man sah noch Reste von abgebrannten Kerzen.

Einen Priester gibt es hier seit vielen Jahren nicht mehr. Jetzt erlaubt man nur ein- oder zweimal im Jahr einem Priester aus Goza (unweit von Gar­dinas) zu kommen, um auf dem Friedhof die Gräber einzusegnen. Vor einigen Jahren sind eines Tages aus dem Rayon in Milizuniform gekleidete Männer herangefahren und haben alles, was es in der Kirche an Wertvollem gab, geraubt, auf den Lastwagen geworfen und abtransportiert.

Im Gesicht der erzählenden Frau war Schmerz zu sehen und ihre Augen wurden feucht.

Es läuten keine Sonntagsglocken mehr — und was bleibt den Menschen da noch übrig: Die Fron eines Ackergauls und die Flasche ...