Nach der Verurteilung des Priesters A. Svarinskas und der Verhaftung des Priesters Sigitas Tamkevičius sammelten die Gläubigen Litauens Unter­schriften unter Protesterklärungen; sie forderten darin die Freilassung der zu Unrecht verhafteten Priester und adressierten sie an den Generalsekretär des ZK der KP, Jurij Andropow und an den Generalstaatsanwalt. Damit die Texte der Protesterklärungen mit den Unterschriften die Adressaten auch wirklich erreichen und nicht in die Hände des KGB in Litauen ge­raten sollten, wurden sie von den Gläubigen aufgeteilt, nacheinander nach Moskau gebracht, wo man sie registriert im Empfangszimmer abgab. Um die Freilassung des Priesters zu erreichen, haben 123 000 Gläubige die Protesterklärung unterschrieben, 22 von ihnen mit eigenem Blut. Es hätten noch mehr Gläubige unterzeichnet, wenn die Atheisten nicht repressalische Maßnahmen ergriffen hätten, um das Sammeln der Unterschriften zu ver­hindern. Die Gottlosen Litauens befahlen unter Drohungen, daß auch die Priester den Gläubigen verbieten sollen, die Texte der Erklärungen zu un­terschreiben. Die Sicherheitsbeamten jagten nach den Menschen, die Unter­schriften gesammelt hatten. Unter Anwendung von Gewalt setzte man sie in Autos und brachte sie in die Milizabteilungen. Dort ängstigte man sie, drohte ihnen, nahm ihnen die Unterschriften und die Texte weg und belegte sie mit 50 Rubel Administrativstrafe. Das Volk wurde durch die litauischen Fernsehsendungen damit eingeschüchtert, daß die Unterschriftensammler mit Gefängnis bestraft werden könnten. In einigen Rayons verhörten die Sicherheitsbeamten die Leute, die die Erklärungen unterschrieben haben, und zwangen sie, ihnen vorgelegte dubiose Texte zu unterschreiben.

Den Protesterklärungen, die nach Moskau gebracht wurden, fügte man Er­klärungen an den Generalstaatsanwalt und an den Vorsitzenden des Präsi­diums des Obersten Rates bei, die Aldona Šukytė, Albina 2emaitytė, Al­fonsas Bambulis und Juozas Kazalupskas im Namen der Gläubigen Litauens unterschrieben hatten.

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An den Generalstaatsanwalt der UdSSR Erklärung

der gläubigen Katholiken Litauens

Wir, die gläubigen Katholiken Litauens, wenden uns an Sie, Generalstaats­anwalt, mit der Bitte, die Gerichtsakten unserer Priester Alfonsas Svarinskas und Sigitas Tamkevičius zu überprüfen und sie freizulassen, weil sie zu Unrecht gemäß § 68 des StGB im Mai vom Obersten Gericht der Litauischen

SSR verurteilt worden sind: der Priester Alfonsas Svarinskas ist zu 7 Jahren und 3 Jahren Verbannung verurteilt worden und S. Tamkevičius wurde nach § 68 im Gerichtssaal verhaftet.

1.     Wir haben sehr oft ihre Predigten gehört und bezeugen mit gutem Ge­wissen, daß sie keine antisowjetische Propaganda getrieben haben, sondern nur die Religionswahrheiten erklärten, die Rechte der Gläubigen verteidig­ten und ab und zu die Exzesse der Atheisten gegen den Glauben und die Gläubigen kritisierten, was gemäß Artikel 49 und 52 der sowjetischen Ver­fassung erlaubt ist.

2.     Die Atheisten Litauens führen ihre Propaganda gegen die Religion, die Kirche und die Gläubigen sehr falsch und ungerecht; sie zwingen die Gläu­bigen mit Gewalt, den Atheismus anzunehmen. Hier eine ganze Reihe von Beispielen aus dem Leben:

a)        Sie greifen durch Zeitschriften, Journale und Broschüren, sehr oft mit
lügenhaften Verleumdungen, die Religion, die Kirche und die Priester an.
Wir bitten Sie, die Artikel gegen die Religion zu lesen, und Sie werden sich
überzeugen können.

Sogar unvernünftige Lebewesen verteidigen sich. Haben dann die Priester und die Gläubigen kein Recht, sich zu verteidigen? Die Priester müssen sich für die Gläubigen einsetzen. Wie sollen sie es aber machen? Schon seit 40 Jahren haben wir keine religiösen Zeitungen. Die einzige Möglichkeit, sich zu verteidigen, sind die Predigten in den Kirchen. Das mißfällt aber den Atheisten sehr, denn die Priester legen deren lügenhafte und verleumderische Exzesse und Verleumdungen offen dar.

b.     Oft zwingen die Atheisten die Kinder der Gläubigen, in den Schulen gegen den Willen ihrer Eltern den Organisationen der Gottlosen beizutreten, verbieten ihnen den Kirchenbesuch und bestrafen den, der nicht beitreten will. Alle gläubigen Kinder sind verpflichtet, an atheistischen Versamm­lungen teilzunehmen. Müssen denn dann die Priester und die Gläubigen darüber schweigen, wenn Artikel 50 der sowjetischen Verfassung die Ge­wissens- und Glaubensfreiheiten garantiert?

c.     Schon seit 40 Jahren haben die Gläubigen Litauens keine religiöse Presse mehr: keine Bücher, keine Zeitschriften, keine Gebetbücher. Es stimmt, in den letzten 40 Jahren sind einige Gebetbücher in einer geringen Auflage herausgegeben worden; das waren aber nur Bücher für die Priester. Gebet­bücher gab es so wenig, daß 10 000 Gläubige ein Exemplar bekommen ha­ben. Sogar die Bettler haben früher von den Leuten größere Almosen be­kommen, als die Gläubigen von den staatlichen Gottlosen an religiöser Presse bekommen. In den anderen demokratischen Staaten wie Polen, der

DDR, Ungarn u. a. sieht es dagegen ganz anders aus: Dort erhalten die Kinder in den Kirchen Religionsunterricht, die Gläubigen haben religiöse Zeitschriften und Bücher. Wir sind neidisch auf die Neger Afrikas wegen ihrer Religionsfreiheit.

Sie verstehen sehr gut, Staatsanwalt, daß unser Volk in einer solchen Lage nicht schweigen kann, und es wird auch nicht schweigen, selbst wenn noch mehr Priester ins Gefängnis gehen müssen.

d.     Während in den anderen kommunistischen Ländern die Gläubigen frei ihre religiösen Prozessionen zu den Friedhöfen oder in die anderen Kirchen durchführen, werden sie bei uns deswegen vor Gericht gestellt, obwohl in unserem Lande solche Prozessionen seit 600 Jahren stattfinden und die Verfassung sie durch den Artikel 50 erlaubt.

e.     Beamte und Lehrer haben kein Recht, frei und ungehindert die Kirche zu besuchen. Die Gläubigen haben keine Sendungen im Rundfunk und im Fernsehen. Alles ist nur für die Atheisten vorgesehen.

f.      Noch mehr — die Exzesse der Gottlosen sind oft mit der Verfassung un­vereinbar. Auf diese Weise wird nicht nur die Partei in Mißkredit gebracht, sondern auch die gesamte kommunistische Ordnung: Die Atheisten behindern den Eintritt junger Männer in das Priesterseminar, die Vorbereitung der Kinder bei der Hl. Messe und mischen sich ein bei der Ernennung der Priester und der Bischöfe.

 

3.        Die sowjetischen Zeitungen tadeln sehr oft das schlechte Betragen der Arbeiter und Beamten; sogar milde Gerichte ermahnen die Ordnungsbrecher streng.

Die Priester A. Svarinskas und S. Tamkevičius waren auch gegen die Ver­letzung der durch die Verfassung und die internationalen Vereinbarungen garantierten Menschenrechte. Man hätte sich nur freuen können, daß sich Menschen gefunden haben, die sich darum kümmern, daß die Ordnung eingehalten wird, die das ungerechte Betragen der Atheisten den Gläubigen gegenüber kritisieren (der Partei und der Regierung bringt das nur Nutzen). Aber sie wurden dafür grausam bestraft. Ist das vernünftig und gerecht?! Dasselbe hat auch Stalin getan. Deswegen hat ihn die Partei und die ganze Welt verurteilt. Warum muß man dieselben Fehler noch einmal wiederholen?

 

4.        Wir alle, beinahe unser gesamtes Volk, verurteilen die Exzesse der Atheisten ebenso wie dies die genannten Priester tun. Dann müßte man uns allefestnehmen und in Gefängnisse werfen. Das wird aber auch nichts helfen. Stalin bemühte sich, mit Gewalt den Glauben der Menschen an Gott zu unterdrücken, der Mensch kann aber ohne seine Rechte genau so wenig leben wie ohne Brot.

5.     Es ist nicht verwunderlich, daß das gläubige Volk unter dem Gerichts­prozeß gegen Priester A. Svarinskas ebenso schwer trug und so mit ihm fühlte, als ob es selbst vor Gericht stünde. Die Miliz vertrieb die Gläubigen mit Gewalt vom Gerichtspalast, brachte sie in die Wälder 40 km weg, setzte sie für 10 Tage in Arrestzellen oder belegte sie mit Administrativstrafen von 50 Rubel. Damit hat man aber nur noch eine größere Empörung bei den Menschen hervorgerufen. Ist die Lage vielleicht besser geworden, seit Priester A. Svarinskas verhaftet ist?

6.     Das gläubige Volk trägt außerdem auch zur Erhaltung des sowjetischen Staates bei: Gläubige arbeiten bei den Behörden, in Fabriken und auf dem Feld... nicht selten noch besser und gewissenhafter als die Gottlosen. Wir, eben dieses Volk der Arbeitenden, bitten Sie, die Gerichtsakten der Priester A. Svarinskas und S. Tamkevičius zu überprüfen und beide freizulassen.

Bemerkung. Nach Ihrem Rat haben wir uns mit einer Erklärung in dieser Frage an den Staatsanwalt der Republik gewandt. Er gab uns aber nur eine mündliche Antwort: »A. Svarinskas ist ein Verbrecher und wird nicht frei­gelassen, und der Prozeß gegen S. Tamkevičius wird nicht abgebrochen.« Deswegen wenden wir uns an Sie und hoffen, daß Sie die Prozesse über­prüfen und die genannten Priester freilassen werden. Damit man sie in der Zukunft nicht wieder vor Gericht stellen muß, bitten wir Sie, dafür zu sorgen, daß diese illegitimen Exzesse der Atheisten sich nicht mehr wiederholen.

Am 16. Juli 1983.

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An den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Rates der UdSSR

Erklärung

der Gläubigen Litauens

Wir wenden uns in entscheidend wichtigen Fragen an Sie, verehrter Vor­sitzender, und wir hoffen, daß Sie sie vernünftig lösen werden. Entsprechend Artikel 52 der sowjetischen Verfassung haben wir Religions­und Gewissensfreiheit; dieser Artikel wird aber in Litauen ständig verletzt.

1. Schon seit 40 Jähen haben wir keine religiösen Zeitungen oder Journale, und die wenigen religiösen Bücher haben nur die Priester bekommen. Von 10 000 Gläubigen hat nur ein einziger ein Gebetbuch erhalten. Wir beneiden unsere Urahnen, die zu Zeiten des Zaren lebten, und die Neger Afrikas, die genügend religiöse Literatur haben. In den anderen demokratischen Ländern sieht es diesbezüglich ganz anders aus. Wir sind die einzigen, die benach­teiligt sind.

2.     In den Schulen zwingen die Lehrer die gläubigen Schüler, den Organisa­tionen der Gottlosen beizutreten. Oft wird die gesamte Schulklasse zwangs­weise in solche Organisationen eingeschrieben; wenn sich jemand widersetzt, bestrafen sie ihn andauernd und verfolgen ihn; allen wird der Gottesdienst­besuch verboten. Die gläubigen Lehrer dürfen die Kirche nicht besuchen, sonst werden sie aus der Arbeit entlassen. Dasselbe machen sie auch mit den anderen Angestellten.

3.     Für die Gläubigen gibt es weder im Rundfunk noch im Fernsehen ent­sprechende Sendungen.

4.     Die atheistische Regierung mischt sich in die inneren Angelegenheiten des Priesterseminars ein. Sie hindert die Kandidaten, die das Priestertum anstreben, dort einzutreten. Bei Ernennung oder Versetzung der Bischöfe und Priester drängt sie ihren Willen auf. Warum werden wir so erniedrigt, daß wir keine Rechte haben, die uns die Verfassung des Landes zugesteht? Als augenfälliges Beispiel: Bischof Juli jonas Steponavičius ist wegen der gewissenhaften Erfüllung seiner Pflichten schon über 20 Jahre aus Vilnius verbannt.

5.     Während in anderen demokratischen Ländern die Gläubigen ihre religiösen Prozessionen zu den Friedhöfen oder in die anderen Kirchen frei durchfüh­ren, werden bei uns die Leute deswegen bestraft und vor Gericht gestellt, obwohl unsere Verfassung durch den Artikel 50 dies erlaubt. Warum ist das so? Solche Prozessionen werden in unserem Lande schon seit 600 Jahren abgehalten.

6.     Warum müssen wir für den elektrischen Strom in den Kirchen 6mal soviel bezahlen wie die anderen? Man sagt, daß uns die Kirchen unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. In Wirklichkeit aber müssen wir riesige Summen dafür aufbringen, obwohl wir sie selber errichtet haben. Wo kann man noch so einen Staat finden?

7.     Sie haben uns zu Unrecht die Kirche von Klaipėda weggenommen, die mit unseren eigenen Händen und auf unsere Kosten erbaut wurde. Bis jetzt gab man sie uns nicht zurück, sondern verspricht nur immer, eine andere zu errichten. Wo ist denn da die Gerechtigkeit?

8.     Vielerorts verbietet die atheistische Verwaltung den Gläubigen, bei der Beerdigung eines Gläubigen, den Toten mit Kreuz und Trauerflaggen zum Friedhof zu geleiten, wie es unsere Zeremonien vorschreiben. Es wird auch nicht gestattet, Kreuze auf den Gräbern der Gläubigen oder beim eigenen Haus zu errichten, wie es bei uns von alten Zeiten her der Brauch ist. Es haben also auch die Verstorbenen keine Religionsfreiheit mehr.

9.        In den neuen Städten, wie Akmenė, Elektrėnai, Sniečkus wird nicht er-
laubt, Gebetshäuser zu eröffnen, obwohl die Mehrheit der Einwohner dies
wünscht.

10.   Das Präsidium des Obersten Rates der SSR Litauen beschloß am 28. Juli 1976: »Die religiösen Gemeinschaften haben das Recht, Transportmittel zu erwerben.« In der Praxis wird aber den Gläubigen nicht einmal erlaubt, einen Omnibus zu mieten oder einen alten zu kaufen.

11.   Nach dem leninistischen Prinzip, daß »die Kirche von der Schule ge­trennt ist«, darf in der Schule kein Religionsunterricht abgehalten werden. Bei uns aber verbieten die Atheisten sogar, die Kinder in der Kirche in Re­ligion zu unterrichten. In den demokratischen Ländern wird so etwas unge­hindert gemacht.

12.   Die atheistische Verwaltung zwingt die Gläubigen, an Sonn- und Feier­tagen zu arbeiten, obwohl sie in der Mehrheit sind. In Polen dürfen die Katholiken ungehindert Feiertage einhalten und werden mit der Arbeit trotzdem fertig.

13.   Die Unterdrückung durch die Gottlosen zeigte sich ganz deutlich und folgerichtig in der Festnahme der Priester A. Svarinskas und S. Tamkevičius, die sich bemüht haben, die Rechte der Gläubigen zu verteidigen.

Diese und andere schmerzliche Dinge belasten uns sehr und reizen das ganze gläubige Volk; wir können ohne Religionsfreiheit genausowenig leben wie ohne Brot. Wir bitten Sie, diese antikonstitutionelle Unterdrückung durch die Gottlosen aus der Welt zu schaffen.

Am 26. 7. 1983.

Unsere Adresse: Litauen, Kaunas, Mažoji g-vė 1-10, Juozas Kazalupskas.

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An den Generalsekretär des ZK der KPSU J. Andropow, an das Präsidium des Obersten Rates der UdSSR

E rklärun g

der Gläubigen Litauens:

Aldona Šukytė Albina Žemaitytė Alfonsas Bambulis Juozas Kazalupskas

Im Mai 1983 sprachen wir beim Generalstaatsanwalt in Moskau vor mit der Bitte, die Akten der Priester Alfonsas Svarinskas und Sigitas Tamkevičius zu überprüfen und sie, weil unschuldig verurteilt, freizulassen. Der Staats­anwalt Utkin empfing uns und wies uns darauf hin, daß man sich zuerst an den Staatsanwalt der LSSR zu wenden habe, und erst dann mit seiner schriftlichen Antwort wieder zu ihm kommen könne.

Am 24. Juni 1983 wandten wir uns in dem Anliegen der Freilassung der Priester A. Svarinskas und S. Tamkevičius mit einer Erklärung der Gläu­bigen Litauens an die Staatsanwaltschaft der LSSR. Empfangen hat uns der Stellvertreter des Staatsanwaltes, Bakučionis, der uns versprach, innerhalb eines Monats eine Antwort zu geben. Wir bekamen aber nur die mündliche Antwort, daß der Priester A. Svarinskas ein Verbrecher sei und nicht frei­gelassen werde. Die Prozeßakte des Priesters S. Tamkevičius werde nicht widerrufen.

Am 25. August 1983 kamen wir um 9.20 Uhr in Moskau an mit dem Ziel, uns an die höchsten Regierungsinstanzen zu wenden mit der Bitte, die zu Unrecht bestraften Priester Alfonsas Svarinskas und Sigitas Tamkevičius freizulassen.

Folgende Dokumente hatten wir mitgebracht:

1.     Eine Erklärung der Gläubigen Litauens an den Generalstaatsanwalt der UdSSR, in der auf die ungefähre Zahl von 123 000 Unterschriften hingewie­sen wurde, von denen 22 Unterzeichner mit dem eigenen Blut unterschrieben haben. Das gläubige Volk Litauens bezeugt darin, daß die Priester A. Sva­rinskas und S. Tamkevičius zu Unrecht bestraft worden sind und bittet, sie als völlig Unschuldige freizulassen.

2.     Acht Pakete Unterschriften mit Texten bezüglich der Freilassung der genannten Priester.

3.     Eine Erklärung der Gläubigen Litauens an das Präsidium des Obersten Rates der UdSSR bezüglich der Verfolgung der Gläubigen in Litauen mit der Bitte, ihnen ihre Freiheiten und Rechte zu gewähren.

4.     Ein Paket mit Texten und Unterschriften (über 5000), adressiert an den Generalsekretär des ZK der UdSSR, J. Andropow, mit der Bitte, die Priester A. Svarinskas und S. Tamkevičius freizulassen.

5.     Zwei Briefe mit Erklärungen an den Bevollmächtigten für Religionsfragen beim Ministerrat der UdSSR.

Als wir in Moskau angekommen waren, kam eine Gruppe von Milizbeamten und Menschen in Zivil auf uns zu. Die Beamten nahmen unsere Sachen an sich und schleppten uns unter Androhung von Gewalt und Zwang in die Milizabteilung. Sie durchsuchten unsere persönlichen Sachen und verlangten unsere Personalausweise. Dann wollten auch wir ihre Personaldokumente und die Ermächtigung des Staatsanwaltes sehen. Am Anfang waren die Be­amten nicht geneigt, ihre Dokumente vorzuzeigen, sondern sie drohten uns. Später legten die Beamten Ruslow und Tichonow ihre Dokumente vor, die restlichen aber, darunter zwei aus Litauen, zeigten ihre Dokumente und die Ermächtigung des Staatsanwaltes nicht. Der Beamte Tichonow machte No­tizen aus unseren Personalausweisen und schrieb die beschlagnahmten Do­kumente auf. Nach einer Beratung mit den anderen Beamten kam Ruslow zu uns zurück und legte einen rechtlich nicht haltbaren Beschluß zur Unter­schrift vor, wonach wir kein Recht hätten, Moskau und die Umgebung von Moskau zu besuchen. Er versprach uns, daß er uns frei nach Hause fahren lasse, wenn wir unterschreiben, widrigenfalls werde er uns mit Waffengewalt aus Moskau vertreiben. Wir verweigerten die Unterschrift. Dann verlangte er von neuem nach unseren Personalausweisen. Jetzt wurde uns klar, daß wir unsere Dokumente (die Erklärungen und die Texte mit Unterschriften) nicht mehr zurückbekommen und daß sie es nicht zulassen würden, daß wir uns an die obersten Regierungsorgane der UdSSR wenden.

Wir blieben still und reagierten auf die unberechtigten Forderungen dei Milizbeamten nicht. Da nahmen uns die Beamten mit Gewalt unsere Perso­nalausweise weg. Sie stellten eine Anklageakte zusammen, nach der wir angeblich die Reisenden und die Gepäckträger behindert haben sollen. Sie riefen zwei Gepäckträger herbei, die die Akte unterschrieben, obwohl wir niemanden behindert hatten und niemand sich deswegen beschwert hatte. (...)

Die Milizbeamten nötigten uns mit Drohungen, den oben erwähnten unbe­rechtigten Beschluß zu unterschreiben, verspotteten uns und waren grob zu uns. Ein Hauptmann der Miliz, der seinen Namen nicht sagte, drohte, uns zu erschlagen. Später schleppten uns die Beamten zum Vorsteher der Miliz­abteilung, dem Oberst Filimonow Aleksiej. Dort waren schon viele Beamte und Leute in Zivil versammelt. Sie verlangten von uns, den rechtlich unhalt­baren Beschluß zu unterschreiben, wonach wir keine Berechtigung hätten, uns in Moskau und im Gebiet von Moskau aufzuhalten; sie drohten, uns einzusperren, uns dem Spezialdienst zu übergeben, nannten uns Fanatiker und beschuldigten uns irgendwelcher Agitation. Nach der ganzen Prozedur kam der Oberst Filimonow Aleksiej zu jedem von uns persönlich und ver­langte mit Drohungen, das oben erwähnte ungerechte Schreiben zu unter­zeichnen.

Wir verlangten die Rückgabe unserer beschlagnahmten Dokumente und die Genehmigung, uns an die obersten Regierungsorgane der UdSSR wenden zu dürfen. Statt dessen wurden wir auf Befehl des Obersten A. Filimonow unter der Leitung des Majors der Miliz Tschumak elf Stunden lang in der Milizabteilung festgehalten. Um 21 Uhr schleppte uns eine Gruppe von Mi­lizmännern und Zivilbeamten aus der Milizabteilung zu dem Zug Moskau— Kaliningrad und stieß uns mit Gewalt in einen Waggon hinein.

Zwei bewaffnete Milizbeamte begleiteten uns bis nach Kaunas. Am 26. August ließen sie uns gegen 15 Uhr in Kaunas aussteigen. Auf dem Bahn­steig befanden sich ungewöhnlich viele Beamte der Miliz, unter ihnen auch Zivilbeamte.

Sie händigten uns unsere Personalausweise wieder aus. Am 7. September 1983 wandten wir uns wegen der unberechtigten Fest­nahme an den Generalstaatsanwalt der UdSSR. Schon am 25. August 1983 gab uns der Staatsanwalt Golow W. B. in Moskau den Hinweis, uns mit dieser Frage an die Staatsanwaltschaft für Transportwesen in Moskau zu wenden. Wir wandten uns an die uns angegebene Adresse. Der Oberstaats­anwalt (der Staatsanwaltschaft für Transportwesen in Moskau) Trusow sagte uns, daß er über diesen Vorfall schon Bescheid wisse, uns aber nicht helfen könne. Die Milizbeamten hätten nach den Anweisungen des Innenministe­riums gehandelt.

Am 15. September 1983 reisten wir wieder zum Generalstaatsanwalt nach .vloskau mit folgenden Dokumenten:

1.     Erklärungen der Gläubigen Litauens, in denen darauf hingewiesen wird, daß 123 000 Gläubige, die sie unterschrieben haben, davon 22 mit eigenem Blut, bezeugen, daß der Priester A. Svarinskas und der Priester S. Tamkevi-cius schuldlos bestraft worden sind; sie bitten, ihre Prozeßakten zu über prüftn und sie als völlig Unschuldige freizulassen.

2.     Eine Erklärung der Gläubigen Litauens wegen der Verfolgung der Gläu­bigen in Litauen mit der Bitte, dem gläubigen Volke Litauens seine gemäß der Verfassung zustehenden Rechte und Freiheiten zu gewähren.

3.     Eine Erklärung wegen der unberechtigten Festnahme in Moskau am 25. August d. J.

Der Staatsanwalt Golow W. B. empfing uns von oben herab und sprach in gehässigem Ton mit uns. Er sagte: »Der Priester Svarinskas ist ein Feind, auch Sie und alle Gläubigen sind Feinde der sowjetischen Regierung.« Am 16. September 1983 wandten wir uns an die Redaktion der »Prawda« (»Die Wahrheit«) in Moskau mit den Erklärungen:

1.     Bezüglich der unberechtigten Festnahme am 25. August 1983.

2.     Bezüglich des Verhaltens des Staatsanwaltes Golow W. B. am 15. Sep­tember 1983.

Die  Redaktion weigerte sich, diese Fragen zu klären. Am 20. November 1983.

Die Antwort bitten wir an folgende Adresse zu senden:

Litauische SSR, Kaunas-16, Mažoji 1-10 J. Kazalupskas.

Die aktiveren Gläubigen der Pfarrei Kybartai, die versuchen, ihren verhaf­teten Pfarrer Sigitas Tamkevičius zu verteidigen, werden von den örtlichen Vertretern der Regierung terrorisiert, geängstigt, Extremisten genannt. Diese Aktionen wurden deutlich stärker, als das Kirchenkomitee eine Erklärung an die Vertreter der Regierung gerichtet hatte, und als eine Gruppe der Mit­glieder des Kirchenkomitees der Pfarrei Kybartai im August zum Bevoll­mächtigten des RfR, Petras Anilionis, fuhr mit einem Gesuch, den verhaf­teten Pfarrer Priester S. Tamkevičius freizulassen oder doch wenigstens mit ihm nicht so grausam umzugehen, wie man mit dem Priester A. Svarinskas während der Gerichtsverhandlung umgegangen ist. Damals ließ man keinen der Gläubigen in den Saal, und die Verwandten, Freunde und Bekannten des Priesters A. Svarinskas, die zur Gerichtsverhandlung angereist waren, wurden auf der Straße festgenommen, in die Wälder hinausgefahren und ihnen Arrest oder Geldstrafen erteilt. P. Anilionis ließ sich nicht in ernstere Gespräche ein und war nicht geneigt, die vorgetragenen Anliegen der Gläu­bigen aufmerksam anzuhören. Er schrie die Angereisten an und hielt ihnen vor, daß sie noch keinen neuen Vorsitzenden des Komitees gewählt hätten (der Vorsitzende des Kirchenkomitees ist Priester S. Tamkevičius). Am Schluß der Unterhaltung erklärte er, er könne nicht helfen, obgleich er es sehr gerne täte, weil das alles der Sicherheitsdienst in der Hand habe. Als die Einwohner von Kybartai ihn fragten, wie man in den Palast des Sicher­heitsdienstes gelangen könnte, antwortete P. Anilionis, er wisse es nicht genau.

Auch der Justizminister Litauens konnte keinen besseren Rat geben. Auch er bestätigte, daß alle machtlos seien, weil diesen Prozeß der Sicher­heitsdienst in seinen Händen habe.

Auf Anweisung der Regierung erteilte der Direktor der Werkstatt für Han­delseinrichtungen, Baltutis, am 1. September dem Mitglied des Kirchen­komitees, Birutė Siaurusaitytė, einen Erziehungsbericht. Zuerst vergewis­serte er sich, ob sie wirklich die Erklärung des Komitees unterschrieben habe, und dann behauptet er, daß die Gläubigen für den Pfarrer zwar beten dürften, es sei aber nicht nötig, alle Instanzen der Regierung abzuklappern und Gerechtigkeit zu suchen, denn sie könnten wegen solcher Aktivitäten bestraft werden.

Am selben Tag lud der Direktor der Werkstatt eine andere Mitarbeiterin dieses Betriebes, Ona Griškaitienė, vor. Der Direktor nannte sie Extremistin; sie sei genau so eine wie der Priester S. Tamkevičius. Er behauptete, daß ein Strafprozeß gegen sie eingeleitet sei, weil sie ihre Kinder schlecht erziehe (sie besuchen die Kirche), und daß sie eine Schande für den ganzen Betrieb sei, weil sie die Kirche besuche und sogar die Priester verteidige. O. Griš­kaitienė erschrak nicht vor den Drohungen und antwortete, daß sie sich in Zukunft für all jene einsetzen und sie verteidigen werde, die wegen ihrer religiösen Überzeugungen leiden müßten, ganz unabhängig davon, ob es sich um einen einfachen Menschen oder um einen Priester handeln werde.

Am 1. September ermahnte der Direktor der Werkstatt für Handelseinrich­tungen, Baltutis, noch ein Mitglied des Komitees, Alfonsas Bieličkas, der die Erklärung zur Verteidigung des Pfarrers, des Priesters S. Tamkevičius unterschrieben hatte.

Am 2. September wurde die Kassiererin des Kirchenkomitees, Nastutė Mačiulaitienė, zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomi­tees in das Exekutivkomitee der Stadt Kybartai vorgeladen. Der Stellver­treter Juozas Urbonas ermahnte sie offiziell, sie solle keine Erklärungen mehr unterschreiben, weil sie dafür bestraft werden könnte. Der Stellver­treter versuchte ihr klarzumachen, daß sie begreifen müsse, daß der Priester S. Tamkevičius ein Verbrecher sei. N. Mačiulaitienė erwiderte ihm, daß sie als Mitglied des Kirchenkomitees den Priester S. Tamkevičius besser gekannt habe als er, denn sie habe Gelegenheit gehabt, mit ihm zu arbeiten und könne ihn als fleißigen und guten Priester charakterisieren. Solange das Gericht sein Urteil nicht ausgesprochen habe, stehe ihr vollkommen das Recht zu, nach der Wahrheit zu suchen und seine Freilassung zu erbitten und zu verlangen.

Der Vorsteher der Zweigstelle von Kybartai der Verwaltung der Auto-transportwege mit Sitz in Vilkaviškis, rügte öffentlich und während der Dienstzeit das Mitglied des Kirchenkomitees, Tulys, weil er zu P. Anilionis, dem Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten, gefahren war, um bei ihm nach Gerechtigkeit zu suchen. Er teilte ihm mit, daß er wegen solchen Vergehens zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden könne.