Vilnius

Am 8. Oktober 1986 waren die Bischöfe, die Verwalter der Diözesen Li­tauens und der Rektor des Priesterseminars nach Vilnius zu dem Bevoll­mächtigten des RfR, Petras Anilionis eingeladen. Nachdem er in seinem gewohnten Stil zu Beginn die Bischöfe beschimpft hatte, weil sie die »Ex­tremisten« nicht zur Räson bringen, legte der Bevollmächtigte drei Entwürfe einer gemeinsamen Erklärung der Bischöfe Litauens vor, die angeblich von irgendwelchen Priestern geschrieben worden sind (wenn das auch stimmen sollte, dann selbstverständlich nicht ohne Wissen der Regierung) und in denen die politische Linie Moskaus in Fragen des Friedens und des Waffen­verzichts unterstützt werden. P. Anilionis forderte die Bischöfe eindringlich auf, eines der drei Schreiben zu unterzeichnen. Der Bischof von Kaišiadorys, Vincentas Sladkevičius, war verwundert darüber, daß für einen solchen Wunsch der Regierung die unpassendste Zeit ausgesucht worden sei. »Erst vor ein paar Tagen, am 30. September, wurden die Gläubigen und wir, die Bischöfe, in dem in der »Tiesa« — »Die Wahrheit« abgedruckten Leit­artikel aus der »Prawda«, die Vertreter der »von Anfang bis zum Ende lügnerischen Anschauungen« genannt. Wozu braucht man dann die Unter­schriften der Lügner? Höchstens um in den Augen des gläubigen Volkes unsere Autorität zertrampeln zu können ... In dem Leitartikel fordern Sie auf, gegen uns mit allen Mitteln zu kämpfen, wir werden aber gezwungen, für Ihre Interessen unsere Autorität zu opfern«, sagte Bischof V. Sladke­vičius. »Was verstehen Sie unter >mit allen Mitteln<?«, fragte der Bevoll­mächtigte. »Den Propagandaapparat, Sicherheitsdienst...«, erläuterte der Bischof. »Sie verleumden uns! Man kann sie dafür zur strafrechtlichen Ver­antwortung ziehen! Wo steht in dem Leitartikel das Wort »Sicherheits­dienst«?! — P. Anilionis zog die Zeitung heraus und schrie. »Wenn du nicht willst, dann unterschreibe nicht! Andere werden unterschreiben...«, regte er sich auf und schimpfte den Bischof aus, warum er für alle spreche.

»Die ganze Welt weiß, daß die UdSSR ein atheistischer Staat ist, der be­strebt ist, den Glauben zu vernichten. Sie schlagen uns vor, ein Schreiben zu unterschreiben, in dem geschrieben steht: »Wir stimmen mit ganzem Herzen den Führern der sowjetischen Regierung zu...« Wem nützt das?

Zur Genüge bereiten schon jene Schmerzen, die unüberlegte Interviews im Ausland geben . . .«, sagte der Bischof von Telšiai, Antanas Vaičius. »Warum sollen wir unbedingt hier unterschreiben und nicht zu Hause, wo wir gründ­lich überlegen können, was wir unterschreiben«, sagte Bischof V. Sladke­vičius dazwischen. »Geben Sie uns die Entwürfe mit, wir werden sie alleine überdenken«, wandte sich Bischof A. Vaičius an den Bevollmächtigten. Der Bevollmächtigte des RfR wollte nicht zustimmen: »Ich werde sie euch ge­ben, und Sie werden sie den Extremisten weitergeben, die das hineinschrei­ben, was sie für richtig halten!«

Auch die folgenden Worte des Bischofs V. Sladkevičius gefielen P. Anilionis nicht: »Wir werden in der Erklärung manches streichen, manches hinzu­fügen, beispielsweise, daß man den Gläubigen mehr Freiheit geben soll...« »Welche Freiheit fehlt ihnen noch?«, erzürnte sich der Bevollmächtigte. Erzbischof Liudas Povilonis erklärte ihm, daß es verboten sei, die Kinder zu katechisieren und daß die Priester deswegen bestraft werden. Die anderen Bischöfe stimmten ihm durch ihre Äußerungen zu.

Schließlich gab P. Anilionis auf: Er gestattete den Bischöfen, selber ein Schreiben aufzusetzen. Die Bischöfe unterzeichneten ein von ihnen abge­faßtes Schreiben.

Unerwartet hat der Bevollmächtigte bei diesem Treffen eine »Gnade« an­geboten: Die Zeitschrift »Gimtasis kraštas« — »Das Herkunftsland« soll einige Nachrichten aus dem Leben der Katholiken in Litauen veröffent­lichen. Zu diesem Zweck sei ein von den Ordinarbischöfen ernannter Preis­träger nötig, der in der Redaktion der Zeitschrift mitarbeite. Wenn der Be­vollmächtigte damit auch sehr unzufrieden war, verzichteten die Bischöfe doch auf diese angebotene »Gnade«.

Und trotzdem begann »Gimtasis kraštas« Nachrichten aus dem Leben der Katholiken Litauens zu veröffentlichen. Man hörte sogar optimistische Ge­sangsweisen aus dem Westen: Vielleicht wird auch die »Prawda« solche Nachrichten bringen? Aber schon die ersten Informationen waren voller Ungenauigkeiten... Es wurde erwähnt, daß die Bischöfe Antanas Vaičius und Juozas Preikšas an den Ablaßfeierlichkeiten in Šiluva teilgenommen haben, die Bischöfe Julijonas Steponavičius und Vincentas Sladkevičius aber wurden verschwiegen; außerdem wurde ausgelassen, daß Bischof A. Vaičius sogar zwei Tage lang an Wallfahrten teilgenommen hat. Und über­haupt an den Haaren herbeigezogen ist, daß am 8. Oktober im Priester­seminar ein Schreiben für den Frieden unterschrieben worden sein soll. In ihm werden nicht die Worte des von den Ordinarbischöfen redigierten Schreibens, sondern eines von P. Anilionis vorgelegten Entwurfs für dieses Schreiben für den Frieden wiedergegeben...

An den Generalsekretär des ZK der KPdSU, M. Gorbatschow Erklärung

der Priester der Erzdiözese Vilnius der Katholischen Kirche Litauens

Im Jahre 1987 werden die Gläubigen Litauens das 600jährige Jubiläum der Taufe Litauens begehen. Uber 600 Jahre hinweg ist die christliche Lehre tief in unserem Volke verwurzelt. Sowohl die Verfassung der UdSSR wie auch die SSR Litauen garantieren ihren Bürgern die Gewissensfreiheit, aber der übertriebene Eifer mancher Regierungsbeamten in der Verbreitung der atheistischen Weltanschauung machen diese Garantien der Verfassung zu­nichte.

1.     Der Apostolische Administrator der Erzdiözese Vilnius, Bischof Juli­jonas Steponavičius ist schon seit über 25 Jahren ohne jegliches Verschulden und ohne Gerichtsprozeß von Regierungsbeamten seines bischöflichen Amtes in der Erzdiözese Vilnius enthoben und wird weit von seiner Erzdiözese, in Žagarė, festgehalten. Wir bitten darum, Bischof J. Steponavičius zu ge­währen, seinen Amtspflichten nachzugehen.

2.     Die Kathedrale von Vilnius ist die Wiege des katholischen Litauens, dieses Heiligtum ist aber den Gläubigen weggenommen worden. Der heilige Kasimir ist der Schutzpatron Litauens, aber die Kirche seines Namens ist zu einem atheistischen Museum gemacht worden. Die Kirche der Königin des Friedens in Klaipėda, die durch Spenden der Gläubigen errichtet wurde, ist ihnen weggenommen und in einen Philharmoniesaal umgewandelt wor­den, die Gläubigen müssen dagegen in einem kleinen Kirchlein nach Luft ringen. In Klaipėda leben zur Zeit über 175 000 Einwohner, ein großer Teil von ihnen sind Gläubige, Katholiken. Wir bitten darum, die weggenom­menen Kirchen zurückzugeben und es zu erlauben, daß in den Städten N. Akmenė, Elektrėnei, Sniečkus wie auch in den neuen Mikrorayons der Stadt Vilnius und der anderen Großstädte Kirchen errichtet werden.

3.     Der Kodex des kirchlichen Rechts (Can. 528 § 1) verpflichtet die Pfarrer der Pfarreien, die Kinder der gläubigen Eltern in den Glaubenswahrheiten zu unterrichten. Wegen der Erfüllung dieser wesentlichen priesterlichen Verpflichtungen wurden die Priester mit Geldstrafen belegt, mit Verwar­nungen, und in der nahen Vergangenheit sogar mit Freiheitsentzug bestraft. Wir bitten das Statut der religiösen Gemeinschaften so zu korrigieren, daß es zu den vom Kirchenrecht den Priestern auferlegten Pflichten wie auch zum priesterlichen Gewissen nicht im Widerspruch steht.

4.     Es gibt nicht selten Fälle, daß Gläubige, besonders Beamte, aber auch Kinder und Jugendliche, durch Einschüchterung und Verspottung oder auch andere Terrormethoden atheistisch erzogen werden. Religiöse Kinder werden gezwungen, den atheistischen Organisationen beizutreten. Wir bitten, daß solche Maßnahmen nicht toleriert und die Gläubigen, besonders aber die Kinder nicht wegen öffentlichen und eifrigen Praktizierens der Religion terrorisiert werden.

5.     Es wird von der Verfassung das Prinzip der Trennung des Staates von der Kirche und der Kirche vom Staate proklamiert. Die Regierungsbeamten mischen sich aber in rein kanonische Tätigkeiten der Kirche ein: In die Zu­sammensetzung des Priesterrates der Diözesen, in die Ernennung der Prie­ster für verschiedene Ämter, in die Ernennung der neuen Bischöfe, sogar in die Wahl des Berufs, indem sie manche junge Männer hindern, in das Prie­sterseminar einzutreten. Wir bitten, daß die Zivilregierung sich nicht in die Ernennung der Geistlichen für kirchleche Ämter einmischt und geeignete Kandidaten nicht hindert, sich auf die eine oder andere Weise für das prie­sterliche Amt vorzubereiten und es auszuüben.

6.     Die Verfassung garantiert die Gleichheit aller Bürger. Das ist wirklich sehr schön. Die Atheisten verbreiten ihre atheistische Weltanschauung durch die Presse, den Rundfunk, Fernsehen, Film, oft durch verdrehte Erklärung der Glaubenswahrheiten und sogar durch Verleumdung der Vertreter der Kirche. Die Gläubigen werden zu diesen Kommunikationsmitteln nicht einmal dann zugelassen, wenn sie sich rechtfertigen oder sich gegen solche unbegründete Vorwürfe wehren möchten. Wir bitten, den Gläubigen solche Rede-, Presse- und Glaubensfreiheit zu gewähren, wie sie die Atheisten in Litauen beanspruchen.

7.     Wenn die Priester oder die Laien auf diese den Gläubigen zugefügten Ungerechtigkeiten wie auch die im Alltag vorkommenden Mißstände öffent­lich hinweisen, werden sie der Verleumdung der sowjetischen Ordnung be­schuldigt und bestraft. So wurden beispielsweise laut sowjetischer Presse die Priester Alfonsas Svarinskas und Sigitas Tamkevičius beschuldigt und ver­urteilt. Sie haben aber lediglich die Fakten des Alkoholismus in unserer Gesellschaft genannt. Wir bitten Sie, Generalsekretär, als den Führer des Staates, diese verfassungswidrigen Zustände zu beseitigen und das den Gläubigen zugefügte Unrecht wieder gutzumachen.

Vilnius, am 13. Juni 1986

Es unterzeichneten die Priester:

Antanas Andriuškevičius Vaclovas Aliulis Josifas Aškelovičius Romualdas Blažys

Jonas Burota Aldas Antanas Čeponis Metardas Čeponis Vladas Černiauskas

Petras Daunoras Antanas Dziekanas Kazimieras Gailius Konstantinas Gajauskas Stasys Idzelis Ignas Jakutis Pijus Jakutis Vytautas Jaskelevičius Bronislovas Jaura Nikodemas Jaura Juozas Juodagalvis Pavelas Jurkovlianecas Jonas Kardelis Algis Kazlauskas Algimantas Keina Juzafas Kvietkovskis Jonas Lauriūnas Stasys Lidys Stasys Markevičius Kazys Meilius Konstantinas Molis H. Naumovičius Juzefas Obremskis Edmundas Paulionis

Mykolas Petravičius Alfonsas Petronis Juozas Donatas Puidokas Stasys Puidokas Vytautas Pūkas Petras Purlys Bronislovas Sakavičius Justinas Saulius Leonas Savickas Marijonas Savickas Antanas Simonaitis Martynas Stonys Jordanas Slėnys Alfonsas Tamulaitis Česlovas Taraškevičius Steponas Tunaitis Albertas Ulickas Jonas Vaitonis Domas Valančiauskas Antanas Valatka Kazimieras Valeikis Stanislovas Valiukėnas Donatas Valiukonis Kazimieras Žemėnas

Nicht angetroffen wurden die Priester:

Jonas Charukevičius        Zenonas Patiejūnas

Jonas Grigaitis        Kazimieras Pukėnas

Kazimieras Kulakas        Vladislovas Velymanskis

*

An die Bischöfe und Verwalter der Diözesen Litauens Erklärung

der Priester der Erzdiözese Vilnius

Aus Sorge um ein würdiges Begehen des 600jährigen Jubiläums der Taufe Litauens bitten wir, die unten unterzeichneten Priester der Erzdiözese Vil­nius, die Bischöfe und die Verwalter der Diözesen Litauens:

1. Den Heiligen Vater Johannes Paul II. einzuladen, aus Anlaß dieses Ju­biläums Litauen 1987 zu besuchen.

2.     Den heiligen Vater Johannes Paul II. zu bitten, aus Anlaß des 600-jährigen Jubiläums der Taufe Litauens, den Diener Gottes, Erzbischof Jurgis Matulaitis, selig zu sprechen. Dafür zu sorgen, daß das gläubige Volk während der Vorbereitungszeit ausführlich über das Leben, die Tugenden und die Tätigkeit des Dieners Gottes, Erzbischof Jurgis Matulaitis, informiert wird. Auch die Verehrung des selig genannten Mykolas Giedraitis zu regeln. Wir bitten die anderen Persönlichkeiten unseres Volkes der Öffentlichkeit vorzustellen, wie Priester Andrius Rudamina, Priester Jurgis Pabrėža, Prie­ster Alfonsas Lipniūnas, Erzbischof Mečislovas Reinys, Bischof Vincentas Borisevičius, Professor Stasys Šalkauskis, Professor Pranas Dovydaitis, Marija Pečkauskaitė und andere.

3.     Dafür Sorge zu tragen, daß die Leitung und der Lehrkörper des Priester­seminars Priester hohen kirchlichen Geistes sind, die Untauglichen aber entfernt werden. Sich darum zu bemühen, daß die Kandidaten für das Priesterseminar sorgfältig, unter Einhaltung der Forderungen des kirch­lichen Rechts und der Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils ausgesucht werden. Besondere Aufmerksamkeit den auftretenden Mißständen zu wid­men und die ungeeigneten Seminaristen aus dem Priesterseminar zu ver­weisen.

4.     Die so schön begonnene Verbreitung der Abstinenz fortzusetzen und wenigstens einmal im Jahr Abstinenzfeiertage in allen Diözesen und Pfar­reien zu veranstalten.

5.     Die Verordnung des Apostolischen Stuhles vom 8. 3. 1984 über die Teil­nahme der Priester an internationalen Konferenzen streng zu befolgen.

6.     Die Bischöfe und Verwalter der Diözesen möchten auch die Regierung der Sowjetunion um folgendes bitten:

7.     Der verbannte Apostolische Administrator der Erzdiözese Vilnius, Bi­schof Julijonas Steponavičius soll wieder in sein Amt eingeführt werden;

8.     die Priester sollen nicht gehindert werden, die Kinder zu katechisieren, wie es das kirchliche Recht (Can. 528 § 1) von ihnen verlangt;

9.     die Gläubigen, besonders aber die Jugend und die Kinder sollen wegen öffentlichen Praktizierens der Religion nicht mehr verfolgt und terrorisiert und nicht mehr gezwungen werden, den atheistischen Organisationen beizu­treten;

10.   die Kathedrale von Vilnius und die Kirche von Klaipėda sollen den Gläubigen zurückgegeben werden und man soll es erlauben, in den neuen Städten (N. Akmenė, Elektrėnai, Sniečkus, Ignalina) und in den Mikro-rayons der Städte Vilnius, Kaunas und anderen Städten Kirchen zu errichten;

11.   Die Verurteilung der Priester Alfonsas Svarinskas, Sigitas Tamkevičius, Jonas-Kąstytis Matulionis wie auch die der gläubigen Laien wegen der Ver­teidigung der Rechte der Kirche und der Gläubigen zu überprüfen und sie in die Freiheit zu entlassen;

12.   den Gläubigen sollen die Freiheit der Rede, die Freiheit der Presse und des Bekenntnisses des Glaubens gewährt werden, wie sie die Atheisten in Litauen haben;

13.   Die Zivilregierung soll geeignete Kandidaten für das Priesteramt nicht hindern, sich dazu auszubilden und Priester zu werden;

h)        Die Zivilregierung soll sich in die Ernennung der Geistlichen für ein
kirchliches Amt nicht einmischen.

Vilnius, am 13. 7. 1986

Jonas Launūnas Stasys Lidys Stasys Markevičius Edmundas Minkevičius Konstantinas Molis H. Naumovičius Juzefas Obremskis Ignas Paberžis Edmundas Paulionis Mykolas Petravičius Alfonsas Petronis Juozas Donatas Puidokas Vytautas Pūkas Petras Purlys Bronislovas Sakavičius Justinas Saulius Leonas Savickas Marijonas Savickas Antanas Simonaitis Martynas Stonys Jordanas Slėnys Alfonsas Tamulaitis Česlovas Taraškevičius Adolfas Trusevičius Juozas Tunaitis Steponas Tunaitis

Es unterzeichneten folgende Priester:

Antanas Andriuškevičius Vaclovas Aliulis Josifas Aškelovičius Romualdas Blažys Jonas Boruta Aldas Antanas Čeponis Metardas Čeponis Vladas Černiauskas Petras Daunoras Antanas Dziekanas Kazimieras Gailius Konstantinas Gajauskas Stasys Idzelis Ignas Jakutis Pijus Jakutis Vytautas Jaskelevičius Bronislovas Jaura Nikodemas Jaura Juozas Juodagalvis Pavelas Jurkovlianecas Jonas Kardelis Aleksandras Kaškevičius Algis Kazlauskas Algimantas Keine Tadas Kondrusevičius Juzefas Kvietkovkis

Albertas Ulickas Jonas Stanislovas Ulickas Jonas Vaitonis Domas Valančiauskas Antanas Valatka

Kazimieras Valeikis Stanislovas Valiukėnas

Donatas Valiukonis Kazimieras Žemėnas Stasys Puidokas

Nicht angetroffen wurden folgende Priester:

Jonas Charukevičius Jonas Grigaitis Kazimieras Kulakas

Zenonas Patiejūnas Kazimieras Pukėnas Vladislovas Velymanskis

An den Generalsekretär des ZK der KPdSU, M. Gorbatschow 

Erklärung

der Priester der Erzdiözese Kaunas der Katholischen Kirche Litauens

1987 werden die gläubigen Katholiken Litauens das 600jährige Jubiläum seit der Einführung des Christentums in Litauen begehen. Uber 600 Jahre hindurch hat die christliche Lehre in unserem Litauen tiefe Wurzeln ge­schlagen. Die Verfassung der UdSSR garantiert die Gewissens- und die Religionsfreiheit, die Aktivisten des Atheismus aber machen diese Garantien der Verfassung zunichte:

1.     Die Kinder der gläubigen Eltern werden wegen öffentlichen Besuchs der Kirche verfolgt, sie werden zwangsweise gegen den Willen ihrer gläubigen Eltern in die atheistischen Organisationen eingeschrieben. Denen, die sich nicht einschreiben lassen wollen, wird gedroht, keine höhere Schule oder Hochschule besuchen zu dürfen. Jenen, die sich einschreiben lassen, wird verboten, ihren religiösen Pflichten nachzugehen; sie müssen es heimlich tun und werden so schon von ihren jungen Tagen an zum Heucheln ge­zwungen. Das ist ein schmerzlicher Mißstand unserer Gesellschaft.

2.     Verschiedene Staatsbedienstete und Lehrer dürfen nicht öffentlich ihren religiösen Pflichten nachgehen, wie es ihre Uberzeugungen und ihr Ge­wissen von ihnen verlangen. Deswegen sind sie gezwungen, in weitentfernte Ortschaften zu fahren, wo niemand sie kennt, um dort ihren religiösen Pflichten nachgehen zu können, oder sich in der Nacht trauen und die Kin­der taufen zu lassen, damit es niemand sieht. Die gläubigen Lehrer werden gegen ihr eigenes Gewissen gezwungen, wie Atheisten zu reden, obwohl Artikel 50 der Verfassung der LSSR die Gewissensfreiheit garantiert. Wenn ein Mann, der einen verantwortungsvollen Posten innehat, seine Frau und seine Kinder verläßt und eine neue Familie gründet, dann wird das als seine persönliche Angelegenheit betrachtet, und er wird deswegen nicht bestraft, wenn aber ein Staatsbediensteter seinen religiösen Pflichten öffent­lich nachgeht, dann wird er diskriminiert.

3.     Die Verfassung der UdSSR garantiert die Gleichheit aller Bürger. Wie sieht sie aber im konkreten Leben aus? Für die Atheisten ist alles da: Die Presse, der Rundfunk, das Fernsehen . .. , die Gläubigen werden zu diesen Kommunikationsmitteln nicht zugelassen. Nach dem 2. Weltkrieg konnte nur ein Teil der gläubigen Familien ein Gebetbuch oder einen Katechismus erwerben. Alle Schulen, angefangen vom Kindergarten bis hin zur Univer­sität, dienen ausschließlich den Atheisten; die Kinder der gläubigen Eltern den Kathechismus zu lehren, ist dagegen sogar in der Kirche verboten; die Priester werden wegen der Unterrichtung der Kinder bestraft. Die Gläu­bigen dürfen keine Ausflüge veranstalten und sich keine Busse mieten, ja nicht einmal mit einem Taxi darf man zu den Ablaßfeierlichkeiten z. B. nach Šiluva oder Žemaičių Kalvarija fahren. Nicht immer dürfen die Gläubigen für einen Kranken im Krankenhaus, Alten- oder Invalidenheim vor seinem Sterben einen Priester rufen. Es wird nicht erlaubt, wie das bei den Katho­liken üblich ist, bei einem Verstorbenen im Aufbahrungssaal zu beten. Hier sind nur einige Fakten erwähnt worden.

4.     Gemäß Artikel 50 der Verfassung der LSSR ist die Kirche vom Staat getrennt, im Leben ist es aber anders: Wenn die Bischöfe oder die Verwalter der Diözesen für die Pfarreien die Priester ernennen oder sie versetzen, so liegt die letzte Entscheidung darüber doch beim Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten als dem Vertreter der atheistischen Regie­rung, und das ist dem Wohl der Kirche nicht dienlich. Er entscheidet bei der Wahl der Kandidaten für das Bischofsamt oder für den Verwalter der Diöze­sen, bei der Berufung des Lehrpersonals für das Priesterseminar, über die Aufnahmen der Kandidaten für das Priesterseminar und läßt nur eine viel zu geringe Zahl zu, wodurch ein Mangel an Priestern entstanden ist. Der Bevollmächtigte des RfR mischt sich in die inneren Angelegenheiten der Kirche: In die Zusammensetzung des Priesterrates und des Konsultoren­kollegiums; die Bediensteten der Zivilregierung mischen sich sogar in die Angelegenheiten des Gottesdienstes und wollen z. B. wissen, warum dieser und nicht jener Priester den Gottesdienst abgehalten hat, warum für die leidenden inhaftierten Priester gebetet wird... Ja, sie mischen sich sogar ein in die Zusammensetzung der Kirchenkomitees und in rein familiäre An­gelegenheiten ...

5.     Das Christentum wurde zuerst in Vilnius eingeführt. Deswegen ist die Kathedrale von Vilnius die Wiege des Christentums in Litauen. Aber dieses Heiligtum ist den Gläubigen weggenommen worden. Der heilige Kasi­mir ist der Schutzpatron Litauens, die Kirche seines Namens in Vilnius aber ist in ein atheistisches Museum umgewandelt worden. Das ist eine Verhöhnung der Gläubigen.

6.        Die UdSSR hat sich verpflichtet, die Allgemeine Deklaration der Menschenrechte einzuhalten, deren Artikel 18 besagt: »Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Religion oder seine Uberzeugungen allein oder in der Gemeinschaft mit anderen, in der Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden.«

Die UdSSR hat sich ebenfalls verpflichtet, die Vereinbarungen der Kon­ferenz von Helsinki zu erfüllen, in deren Teil VII gesagt wurde: »Die Teilnehmerstaaten werden ihre Verpflichtungen gewissenhaft erfüllen, und zwar sowohl jene, die sich aus dem internationalen Recht ergeben, als auch jene, die aus den allgemein anerkannten Prinzipien und Normen hervor­gehen; sie werden sich auch an alle Vereinbarungen und Beschlüsse halten, die dem internationalen Recht entsprechen und an denen sie teilnehmen.« Deswegen sind alle oben angeführten Fälle von Unrecht gegenüber den Gläubigen gegen die internationalen Verpflichtungen.

7.        Wenn die Priester oder die Gläubigen das ihnen zugefügte Unrecht und die Verleumdungen vor der Öffentlichkeit aufzeigen, werden sie der Verleumdung der Sowjetunion beschuldigt und verurteilt: Priester Alfonsas Svarinskas, Priester Sigitas Tamkevičius, Priester Jonas-Kąstytis Matulionis und manche christliche Laien sind nur wegen der Verteidigung der Rechte der Gläubigen verurteilt worden. Wir bitten, sie in die Freiheit zu entlassen.

Wir bitten Sie als Oberhaupt des Staates, die oben aufgeführten, aber auch andere nicht der Verfassung entsprechende Mißstände zu beseitigen und das den Gläubigen zugefügte Unrecht wiedergutzumachen.

Im Jahre 1986

Es unterschrieben folgende Priester:

Jonas Albavičius Jonas Aleksiūnas Jonas Augustauskas Jonas Babonas

Feliksas Baliūnas Eugenijus Bartulis Vytautas Brilius Viktoras Brusokas

Prosperas Bubnys Alfonsas Bulotas Mykolas Buožius Izidorius Butkus Juozas Čepėnas Kęstutis Daknevičius Antanas Danyla Juozas Dobilaitis Gerardas Dunda Jonas Fabijanskas Pranciškus Gaižauskas Bronislovas Gimžauskas Jonas Girdzevičius Zigmas Grinevičius Stanislovas Gruodis Vytautas Griganavičius Gustavas Gudanavičius Antanas Ylius Antanas Imbras Juozas Indriūnas Leonardas Jagminas Leonas Jakubauskas Antanas Jokubauskas Gintautas Jankauskas Antanas Jurgutis Stanislovas Kadys Juozas Kaknevičius Leonas Kalinauskas Jonas Kazlauskas Algirdas Kildušis Petras Liubonas Vladas Luzgauskas Romualdas Mackevičius Eimutis Marcinkevičius Petras Martinkus Pranciškus Matulaitis Kleopas Jakaitis Aleksandras Markaitis Juozapas Matulevičius Petras Meilus

Ričardas Mikutavičius Petras Mikutis Aleksandras Milašius Romualdas Mizaras Algirdas Močius Petras Našlėnas Bronislovas Nemeikšis Pesliakas

Vladas Petkevičius Steponas Pilka Petras Petraitis Vaclovas Polikaitis Jonas Povilaitis Vladas Požėla Povilas Pranskūnas Boleslovas Radavičius Vytautas Radzevičius Vaclovas Ramanauskas Aleksandras Ramanauskas Juozapas Razmantas Liudvikas Semaška Eduardas Simaška Antanas Slavinskas Boleslovas Stasuitis Kazimieras Statkevičius Jonas Survila Viktoras Šauklys Pranciškus Ščepavičius Jonas Tamonis Vaclovas Tamoševičius Petras Tavoraitis Jurgis Užusienis Juozapas Vaičeliūnas Alfredas Vanagas Boleslovas Vairą Juozapas Varvuolis Jonas Voveris Lionginas Vaičiulionis Jonas Racaitis Pijus Žiugžda

An. die Bischöfe und Verwalter der Diözesen Litauens Bittgesuch

der Priester der Erzdiözese Kaunas

In Besorgnis um den würdigen Verlauf des 600jährigen Jubiläums der Taufe Litauens bitten wir, die unten unterzeichneten Priester der Erzdiözese Kau­nas, die Bischöfe und die Verwalter der Diözesen Litauens um folgendes:

1.     Den Heiligen Vater Johannes Paul II. einzuladen, während der Jubi­läumsfeierlichkeiten 1987 Litauen zu besuchen.

2.     Den Heiligen Vater Johannes Paul II. zu bitten, aus Anlaß des 600-jährigen Jubiläums der Taufe Litauens den ehrwürdigen Erzbischof Jurgis Matulaitis selig zu sprechen und dafür zu sorgen, daß das gläubige Volk während der Vorbereitungszeit ausführlicher über das Leben, die Tugenden und die Tätigkeit des Erzbischofs Jurgis Matulaitis informiert wird, ebenso die Verehrung des selig genannten Mykolas Giedraitis zu regeln. Wir bitten Sie auch, die anderen geistigen Personen unseres Volkes den Gläubigen vorstellen zu wollen: Priester A. Rudamina, Priester A. Pabrėža, Erzbischof M. Reinys, Erzbischof T. Matulionis, Bischof V. Borisevičius, Priester A. Lipniünas, Professor S. Šalkauskis, Professor P. Dovydaitis, Barbara von Žagarė, die Schriftstellerin M. Pečkauskaitė.

3.     Dafür zu sorgen, daß sich die Zivilregierung nicht in die Angelegenheiten des Priesterseminars zu Kaunas einmischt, schon gar nicht, wenn es um die Ernennung der Seminarleitung, der Dozenten und um die Auswahl der Kandidaten für das Priesterseminar geht. Seit diese unnormalen Umstände herrschen, gibt es eine ganze Reihe von Fällen, wo Alumnen das Priester­seminar zwar abschließen und zu Priestern geweiht werden, aber nicht nur nicht geneigt sind, für das seelische Leben der Gläubigen zu sorgen, sondern auch selber kein geistliches Leben führen wollen. Das ist nicht nur schmerz­lich, sondern auch schädlich für die Kirche. Es ist schade, daß sogar psy­chisch Kranke zum Priester geweiht werden. Die Cañones der Kirche, die Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils fordern eine sehr sorgfältige Aus­lese der Kandidaten: »Bei der Auslese und der Prüfung der Kandidaten soll man mit der nötigen geistigen Festigkeit vorgehen, auch dann, wenn Priestermangel zu beklagen ist. Gott läßt es ja seiner Kirche nicht an Die­nern fehlen, wenn man die fähigen auswählt, die nichtgeeigneten aber recht­zeitig in väterlicher Weise anderen Berufen zuführt. . .« (Dekret über Prie­sterbildung). Die Lage der Kirche ist sehr schwer, wenn die Zivilregierung sie behindert und sich in die inneren Angelegenheiten der Kirche einmischt, z. B. in die Ernennung der Priester für die Pfarreien, in die Auswahl der Bischöfe und Verwalter der Diözesen, selbst in die Zusammensetzung des Priesterrates und des Konsultorenkollegiums.

4.     Wir bitten Sie, die so schön begonnene Arbeit der Abstinenz weiter zu führen: Wenigstens einmal im Jahr sollen in allen Diözesen und Pfarreien Abstinenzfeste durchgeführt werden. Nicht nur die Nüchternheit der Geist­lichen und der Laien ist anzustreben, sondern eine totale Abstinenz.

5.     Wir bitten Sie, den Geistlichen nicht zu erlauben, sich an Tätigkeiten zu beteiligen, die vom Heiligen Vater Johannes Paul II. verboten worden sind.

6.     Die Bischöfe und die Verwalter der Diözesen sollen sich bei der Regie­rung der Sowjetunion dafür einsetzen,

7.     daß der verbannte Apostolische Administrator der Erzdiözese Vilnius S. Exz. Bichof Julijonas Steponavičius wieder in sein Amt eingeführt wird;

8.     daß die Gerichtsakten der wegen der Verteidigung der Rechte der Kirche und der Gläubigen verurteilten Priester Alfonsas Svarinskas, Sigitas Tamkevičius, Jonas Matulionis wie auch der gläubigen Laien überprüft und sie in die Freiheit entlassen werden;

9.     daß die Priester nicht gehindert v/erden, die Kinder so in den Glaubens­wahrheiten zu unterrichten, wie das Christus und die Cañones der Kirche von ihnen verlangen;

10.   daß die Gläubigen, besonders aber die Kinder und die Jugendlichen wegen der öffentlichen Ausübung der Religion nicht geängstigt oder terrori­siert werden, da doch die Verfassung der LSSR durch den Artikel 50 Reli­gionsfreiheit garantiert, und daß die Kinder nicht gezwungen werden, den atheistischen Organisationen beizutreten; daß bei der Erziehung der Kinder und der Jugend in Ausbildungsanstalten die Rechte der gläubigen Eltern, ihre Kinder nach religiösen Anschauungen zu erziehen, nicht verletzt werden;

11.   daß den Gläubigen das gleiche Recht eingeräumt wird, die Informations­mittel zu benützen, um ihre Weltanschauung zu verbreiten, wie es die Atheisten haben;

12.   daß die Sonntage nicht zu Arbeitstagen gemacht und die Katholiken an der hl. Messe teilnehmen dürfen und daß der Weihnachtstag nicht zum Arbeitstag gemacht wird, sondern die Gläubigen ihn frei begehen können;

13.   daß die Kathedrale von Vilnius, die St. Kasimir-Kirche und die Kirche von Klaipėda den Gläubigen zurückgegeben werden und daß erlaubt wird, in den neuen Städten, wie Naujoji Akmenė, Elektrėnei, Sniečkus, wie auch in den Mikrorayons der Städte Vilnius und Kaunas und auch der anderen Großstädte Kirchen zu errichten.

Wir hoffen, daß das 600jährige Jubiläum der Taufe Litauens viel feier­licher begangen wird als das Hauptjubiläum des 500. Todesjahres des hl. Kasimir im Jahre 1984.

Es unterschrieben folgende

Jonas Albavičius Jonas Aleksiūnas Jonas Augustauskas Jonas Babonas Feliksas Baliūnas Eugenijus Bartulis Vytautas Brilius Viktoras Brusokas Prosperas Bubnys Alfonsas Bulotas Mykolas Buožius Izidorius Butkus Juozas Čepėnas Kęstutis Daknevičius Kazimieras Dambrauskas Antanas Danyla Juozas Dobilaitis Gerardas Dunda Jonas Fabijanskas Pranciškus Gaižauskas Bronislovas Gimžauskas Zigmas Grinevičius Vytautas Griganavičius Gustavas Gudanavičius Antanas Ylius Antanas Imbras Juozas Indriūnas Leonardas Jagminas Kleopas Jakaitis Antanas Jokubauskas Jonas Girdzevičius Eugenijus Jokubauskas Gintautas Jankauskas Antanas Jurgutis

Stanislovas Kadys Juozas Kaknevičius Leonas Kalinauskas Jonas Kazlauskas Algirdas Kildušis Petras Liubonas Vladas Luzgauskas Romualdas Macevičius Eimutis Marcinkevičius Petras Martinkus Pranciškus Matulaitis Juozapas Matulevičius Petras Meilus Ričardas Mikutavičius Petras Mikutis Antanas Milašius Romualdas Mizaras Algirdas Močius Petras Našlėnas Bronislovas Nemeikšis Kazimieras Pesliakas Vladas Petkevičius Petras Petraitis Steponas Pilka Aleksandras Počiulpis Vaclovas Polikaitis Jonas Povilaitis Vladas Požėla Povilas Pranskūnas Jonas Račaitis Vytautas Radzevičius Boleslovas Radavičius Jonas Rakauskas Vaclovas Ramanauskas

Juozapas Razmantas Liudvikas Semaška Eduardas Simaška Antanas Slavinskas Boleslovas Stasuitis Kezimieras Statkevičius Jonas Survila Viktoras Šauklys Pranciškus Ščepanavičius Jonas Tanonis

Vaclovas Tamoševičius Petras Tavoraitis Jurgis Užusienis Juozapas Vaičeliūnas Boleslovas Vairą Alfredas Vanagas Pijus Žiugžda Juozapas Varvuolis Jonas Voveris Lionginas Vaičiulionis

*

An den Generalsekretär des ZK der KPdSU, M. Gorbatschow,

den Vorsitzenden des Rates für Religionsangelegenheiten, K. Chartschew,

den Ministerrat der LSSR

Erklärung

der Katholiken von Klaipeda und ganz Litauen

Wir, die Katholiken der Stadt Klaipėda und ganz Litauens, haben 1961 auf eigene Kosten in der Stadt Klaipėda die Kirche der Königin des Friedens, ein 200 qm großes Wohnhaus und drei Garagen errichtet. Noch in dem Jahr, bevor sie benützt wurde, wurde uns die Kirche mit den obengenannten Bauten, auf Anordnung N. Chruschtschows, weggenommen und in einen Konzertsaal umgewandelt. Es wurde uns Unrecht zugefügt, denn wir sind unschuldig. Wir haben die Kirche mit Erlaubnis der Regierung gebaut und jetzt haben wir nichts, wo wir beten können. Das jetzige Kirchlein ist 12 m breit und 20 m lang. 48 qm beansprucht der Altarraum, 216 qm bleiben für die Gläubigen übrig. Wir haben keinen Platz mehr darin: Die einen fallen in Ohnmacht wegen Luftmangels, die anderen sind gezwungen, bei Hitze, Kälte oder Regen draußen zu stehen, sich auf verschneiten oder schmutzigen Gehwegen hinzuknien; die installierten starken Ventilatoren verursachen einen ungeheuerlichen Lärm. Die Fenster stehen Winter wie Sommer offen, von dem Luftzug werden die Menschen krank.

1939 lebten in Klaipėda 60 000 Einwohner, damals arbeiteten aber fünf Kirchen. Als 1961 die Kirche gebaut wurde, waren es schon etwa 80 000 Einwohner, jetzt sind es 200 000. Nach der Schließung der Kirchen in Nida und Juodkrantė 1961 lebten in Klaipėda und in der Umgebung 130 000 Katholiken.

Bis jetzt sind wegen der Rückgabe der Kirche der Königin des Friedens in Klaipėda folgende Dienststellen angegangen worden:

1.     Im Jahr 1974 wurde eine Erklärung mit über 3000 Unterschriften an den Vorsitzenden des Komitees für Angelegenheiten der Religionen Kurojedow geschickt.

2.     Im März 1979 wurde eine Erklärung mit 10 241 Unterschriften an den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Rates L. Breschnew und an Kurojedow geschickt.

3.     Im Oktober 1979 ging eine Erklärung mit 148 149 Unterschriften an L. Breschnew und Kurojedow.

4.     1980 eine Erklärung mit 600 Unterschriften an L. Breschnew und Ku­rojedow.

5.     Im Juni 1981 suchte eine Delegation aus 3 Personen das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei und den Rat für Angelegenheiten der Reli­gionen in dieser Angelegenheit auf.

6.     1981 suchte eine Delegation von 10 Personen zum zweiten Mal den Rat für Angelegenheiten der Religionen auf.

7.     1982 wurde eine Erklärung mit 21 033 Unterschriften an L. Breschnew und Kurojedow abgeschickt.

8.     1982 wurde eine Erklärung an L. Breschnew abgeschickt.

9.     1982 hat eine Delegation von 10 Personen zum dritten Mal den Rat für Angelegenheiten der Religionen in Moskau aufgesucht.

10.   1983 wurde eine Erklärung mit 22 539 Unterschriften an Andropow und Kurojedow abgeschickt.

11.   1983 hat eine Delegation von 10 Personen zum vierten Mal den Rat für Angelegenheiten der Religionen aufgesucht.

12.   1984 wurde eine Erklärung mit 11 102 Unterschriften an Tschernenko und Kurojedow abgeschickt.

13.   1984 hat eine Delegation von 4 Personen zum fünften Mal den Rat für religiöse Angelegenheiten in Moskau aufgesucht.

14.   1984 hat eine Delegation von 3 Personen zum sechsten Mal den Rat für religiöse Angelegenheiten in Moskau aufgesucht.

15.   Im Januar 1985 suchte eine Delegation von 3 Personen zum siebten Mal den Rat für Religionsangelegenheiten in Moskau auf.

16.   Im Mai 1985 fährt eine Delegation von 4 Personen zum achten Ma' nach Moskau.

17.   Im Mai 1985 haben die Kriegsveteranen und Kriegsteilnehmer eine Erklärung an Gorbatschow und den Rat für Angelegenheiten der Reli­gionen abgeschickt.

18.   1985 haben die Gläubigen von Klaipėda eine Erklärung mit 1135 Un­terschriften an M. Gorbatschow abgeschickt.

19.   1986 wurden Erklärungen mit 10 501 Unterschriften an den Vorsitzen­den des Ministerrates der UdSSR und an den Rat für Angelegenheiten der Religionen abgeschickt.

20.   1986 hat eine Delegation der Gläubigen zum neunten Mal den Rat für Angelegenheiten der Religionen in Moskau aufgesucht.

Schon seit einigen Jahren wird vorgeschlagen, das jetzige Kirchlein umzu­bauen und um einige hundert Meter zu vergrößern. Mit diesem Vorschlag sind wir nicht einverstanden, denn dann könnten wir überhaupt ohne Kirche bleiben. Solche Umbaugeschichten dauern unheimlich lange: Am Umbau ies Theaters in Klaipėda wird schon seit sechs Jahren gearbeitet, an dem Haus der Lehrer schon sogar seit etwa 10 Jahren usw. Wir wiederholen noch einmal: Einem Umbau des Kirchieins werden wir nicht zustimmen. Leute, die per Schiff aus allen Erdteilen zu uns kommen, wundern sich über so ein Benehmen der Regierungen, wenn sie unsere Lage und das uns zuge­fügte Unrecht sehen.

Aus Anlaß des 600-jährigen Jubiläums der Taufe Litauens bitten wir Sie, das uns zugefügte Unrecht gutzumachen — die von uns selber errichtete Kirche uns zurückzugeben oder eine gleichwertige für uns zu errichten. Wir werden so lange bitten und so lange schreiben, bis das uns zugefügte Unrecht wieder gutgemacht wird. Das zu tun, zwingen uns unsere Lebensbedin­gungen.

Klaipėda, im Jahre 1986

Unter der Erklärung haben unterschrieben:

In der Erzdiözese Vilnius 507 Gläubige, in der Erzdiözese Kaunas 2313 Gläubige, in der Diözese Panevėžys 6600 Gläubige, in der Diözese Telšiai 1259 Gläubige, in der Diözese Kaišiadoriy 2242 Gläubige, in der Diözese Vilkaviškis 7706 Gläubige.

*

An den ersten Sekretär des ZK der KP LSSR, P. Griškevičius Abschrift: An die Redaktion des Journals »Tarybinė moteris«

Erklärung

In der Verfassung der UdSSR und der LSSR wird die Gleichberechtigung aller Bürger unterstrichen und darauf hingewiesen, daß das Schüren von Haß im Zusammenhang mit religiösen Bekenntnissen verboten ist.

Nach unserer tiefsten Überzeugung hat die Redaktion des Journals »Tary-binė moteris« — »Die sowjetische Frau«, die den Artikel »Šventoji šeima« — »Die heilige Familie« von VI. Balkevičius in den Nummern 2 und 3 Jes Jahres 1986 veröffentlicht hat, gegen diese Prinzipien der Verfassung verstoßen. Dieser Artikel enthält die abscheulichsten Verleumdungen Jesu und Marias, zweier Personen also, die den Gläubigen heilig sind. Der Ver­fasser dieses Artikels weiß sehr gut, daß die von ihm vorgebrachten Ver­leumdungen längst widerlegt sind, wiederholt sie aber trotzdem wieder. Man muß daraus folgern, daß es das einzige Ziel des Verfassers ist, den Glauben der Christen zu verhöhnen wie auch die Gläubigen zu verletzen und zu erniedrigen. Wie würden die Kommunisten darauf reagieren, wenn Verleumdungen ähnlicher Art über ihnen teure Personen — Parteifunktio­näre z. B. in der katholischen Presse erscheinen oder in den Predigten der Priester vorkommen würden? Die Kommunisten würden sich verletzt und :-rniedrigt üüii'-n. Hin derartiges Verhalten würde Haß zwischen den Gläu­bigen und den Atheisten hervorrufen.

Genauso unehrenhaft aber haben sich V. Balkevičius und die Redaktion von »Tarybinė moteris« benommen. Wir verlangen, daß die Redaktion von »Tarybinė moteris« und V. Baskevičius die Verleumdungen der uns heili­gen Personen Jesus und Maria öffentlich widerrufen und sich bei den Gläu­bigen entschuldigen. Sie aber, Erster Sekretär, bitten wir, dafür zu sorgen, daß atheistische Artikel dieser Art nicht mehr erscheinen.

Es unterschrieben:

In der Erzdiözese Vilnius 486 Gläubige, in der Erzdiözese Kaunas 2313 Gläubige, in der Diözese Panevėžys 6600 Gläubige, in der Diözese Telšiai 1259 Gläubige, in der Diözese Vilkaviškis 5720 Gläubige, in der Diözeee Kaišiadorys 2301 Gläubige.

*

An den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Rates der LSSR Erklärung

des Priester Alfonsas Pridotkas, wohnhaft in Žarėnai, Rayon Telšiai

Der Papst der römisch-katholischen Kirche hat den Bischof Julijonas Ste­ponavičius zum Apostolischen Administrator der Erzdiözese Vilnius er­nannt. Der Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegenheiten hat den Bischof seines Amtes enthoben und nach Žagarė im Rayon Joniškis ver­bannt. Er hat ihn aus der ihm gehörenden Erzdiözese Vilnius in eine fremde Diözese, eine fremde Pfarrei verbannt. Das hat der Bevollmächtigte des

RfR vor 25 Jahren getan. Die Verbannung dauert auch jetzt, nach 25 Jahren, noch an. Diese Tatsache hat die Aufmerksamkeit vieler Einwohner Litauens erregt. Es erheben sich Fragen:

1.     Darf der Bevollmächtigte für religiöse Kulte einen Bischof versetzen und ihn aus seiner Diözese in eine andere verbannen?

2.     Wer hat dem Bevollmächtigten diese Macht verliehen und wann?

3.     Für welche Höchstdauer darf der Bevollmächtigte für religiöse Kulte einen Bischof in eine fremde Diözese verbannen?

Ich werde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie mir diese Fragen erklären würden.

Es ist schon sehr befremdend, daß Bischof J. Steponavičius schon seit 25 Jahren in der Verbannung lebt und die Verbannung immer noch andauert. Es kam der Gedanke, sich bei Spezialisten in Rechtsfragen zu erkundigen, ob gegen Bischof J. Steponavičius nach dem gültigen, öffentlichen, allen bekannten, bekanntgemachten Gesetz vorgegangen worden ist. Oder hat sich vielleicht einer zuviel zugetraut und seine Kompetenz überschritten? Ich habe mich in dieser Frage an die juridische Beratung des Advokaten­kollegiums der LSSR gewendet und gebeten, mir einige Fragen zu beant­worten:

1.     Für wie lange darf ein Volksgericht zum Freiheitsentzug verurteilen? Mir wurde geantwortet: Zu 15 Jahren.

2.     Für welche Vergehen?

Wegen Staatsverrat (§ 62), wegen Spionage (§ 63) wegen Mordes in schwe­rem Fall (§ 104), wegen Hamstern in besonders großem Maße (§ 95).

3.     Welche höchste Verbannungsstrafe darf ein Volksgericht auferlegen? Antwort: 2 bis 5 Jahre.

4.     Wegen welcher Vergehen?

Antwort: Wegen Vergehen, die in §§ 62, 63, 96 vorgesehen sind.

5.        Darf außer dem Volksgericht noch jemand eine Verbannung aussprechen,
wonach ein Bürger nur an einem bestimmten Ort leben darf?

Antwort: Niemand darf es.

6.        Darf vielleicht eine Behörde oder ein Regierungsbeamter einen Bürger
ohne Beschluß des Volksgerichts verbannen?

Antwort: Sie dürfen nicht.

7.        Darf vielleicht der Bevollmächtigte für religiöse Kulte einen Priester oder
einen Bischof aus seinem Wohnsitz in einen anderen Rayon, in einen ande-
ren Wohnort ohne Beschluß des Volksgerichts verbannen?

Antwort: Gegen einen Arbeiter des Kultes darf er diese Strafe nicht an­wenden. Ein entsprechendes Gesetz gibt es nicht.

8.        Sieht es nicht so aus, als ob da jemand Willkür treibt?
Antwort: So könnte man annehmen.

Welche Gedanken kommen auf? Nur Verräter der Heimat, Spione, Mörder dürfen durch Urteil des Volksgerichts mit Verbannungsstrafen belegt wer­den, aber auch nicht länger als für 5 Jahre. Der Bischof hat in der Verban­nung schon 25 Jahre verbracht, und ein Ende ist immer noch nicht in Sicht. Es wäre sehr interessant zu erfahren, wie das mit dem Strafgesetzbuch in Einklang gebracht werden soll? Der Bischof ist kein Verräter der Heimat gewesen, hat keine Spionage getrieben, hat niemals gehamstert, der Dauer der Verbannung nach aber ist er in einer schlimmeren Lage als die anderen. Die dem Bischof auferlegte Strafe hat der Verbannungsdauer nach die Höchststrafe der größten Verbrecher schon um 500 Prozent überstiegen. Die größten Verbrecher haben das Recht, sich vor einem Gericht zu ver­teidigen. Sie dürfen sich an die Verteidiger wenden, damit diese sie ver­teidigen und Entlastungszeugen vorladen lassen; sie dürfen Unschuldsbe­weise einreichen und sich auf die veröffentlichten Gesetze stützen. Sie wissen schon, welche Strafe auf sie wartet, und wenn sie verurteilt werden, dann wissen sie auch, daß die Strafzeit vorbeigehen wird. Das Urteil bei einem Gericht bildet der Richter nach der Beratung mit den Räten, nach der An­hörung der Augumente des Staatsanwaltes und des Verteidigers; mit Bischof J. Steponavičius geschah aber etwas Außergewöhnliches. Sogar dem Spezia­listen der Jurisprudenz scheint es, daß hier etwas vorliegt, was nach Willkür aussieht, daß das Strafgesetzbuch keine entsprechende Paragrafen hat, denen zufolge man einen Bischof aus seiner Diözese verbannen und in der Ver­bannung über 25 Jahre festhalten könnte. Nach meiner Ansicht ist es Will­kür; irgend jemand übertritt die öffentlich verkündeten Gesetze. Und wie scheint Ihnen das alles? Wurde Bischof J. Steponavičius richtig behandelt? Sollten Sie anderer Meinung sein, dann lassen Sie es mich bitte wissen. Sollten Sie aber in meiner Erklärung etwas Wahres finden, dann bitte ich Sie herzlichst, alles zu unternehmen, was nur möglich ist, daß die Verban­nung für Bischof J. Steponavičius aufgehoben wird, und daß er nach Vilnius zurückkehren und dort sein Amt ausüben kann, für das ihn der Heilige Vater ernannt hat.

Helfen Sie, ihn zu verteidigen, damit er am 18. Oktober 1986, wenn er sein sehr teures diamantenes Jubiläum seines Lebens (den 75. Geburtstag) feiern wird, Ihr gutes Herz verspüren und wenigstens am Vorabend seines Jubi­läums von Ihnen eine erfreuliche Nachricht erhält, daß seine Verbannung widerrufen ist. Seine Adresse: Rayon Joniškis, 235467, Žagarė, Zdanovo 5-2.

Ich werde dankbar sein, wenn ich von Ihnen eine Antwort auf diese Er­klärung erhalten werde.

Žarėnai, am 1. 10. 1986

Kaunas

In diesem Jahr besucht der Bevollmächtigte des RfR, Petras Anilionis, sehr oft das Priesterseminar zu Kaunas. In seinem Gespräch mit den Semina­risten des ersten Kursus zu Beginn des Studienjahres forderte der Be­vollmächtigte sie auf, einig zu sein, sich nicht zu spalten und nicht nachzu­forschen, welche Seminaristen vom KGB angeworben worden sind. Eine solche Spaltung sei nach den Worten von P. Anilionis schädlich sowohl für den Staat als auch für die Kirche. An einer solchen von den »Extremisten« inspirierten Spaltung nehmen angeblich die Litauer in den USA in ihrem Journal »Akiračiai« — »Der Horizont« Anstoß.

Vilnius

Im Sommer 1986 haben die Priester der Erzdiözese Vilnius ein Schreiben an den obersten Führer des Staates der UdSSR, M. Gorbatschow, abge­schickt, in dem sie auf einige Mißstände hingewiesen und einige Bitten vor­gelegt haben. Als Absender dieses Schreibens wurde der Pfarrer der Pfarrei Linkmėnai, Priester Jonas Lauriūnas, angegeben.

Am 17. Oktober kam der Bevollmächtigte des RfR, Petras Anilionis, zu Priester J. Lauriūnas und brachte ihm mündlich die Antwort der sowjeti­schen Regierung auf das Schreiben der Priester.

Am 4. November wurden 20 von den Priestern, die das gemeinsame Schrei­ben der Priester unterzeichnet hatten, in die Kurie von Vilnius eingeladen. Ihnen wurde die Antwort mündlich mitgeteilt.

Die wesentlichen Punkte der Antwort sind folgende:

Bischof Julijonas Steponavičius wird nicht nach Vilnius zurückkommen, weil er für die Diözese Kaišiadorys vorgesehen war, wohin zu gehen er sich geweigert hatte. Außerdem sei er nicht geneigt, den Gesetzen des Staates zu gehorchen.

Die Kathedrale von Vilnius wird den Gläubigen ebenfalls nicht zurückgege­ben: Würde ein Bischof nach Vilnius kommen, dann könnte er eine beliebige andere Kirche zur Kathedrale ernennen.

Die St. Kasimir-Kirche wird nicht zurückgegeben. Die Gläubigen können eine andere zur Verfügung stehende Kirche nach Belieben nach dem hl. Ka­simir benennen.

Es ist nicht nötig, die Zahl der Kirchen in Vilnius zu vergrößern, denn die jetzigen (11 Kirchen), die an gewöhnlichen Sonntagen nicht voll sind, rei­chen aus. (Es stimmt nicht! Die Kirchen sind voll von Gläubigen).

Es hat keinen Sinn, in den Mikrorayons Kirchen zu errichten: So wie die Leute mit Bussen in die Arbeit fahren, so können sie auch in die Kirche kommen. (Die Regierung strengt sich aber an, daß die Klubs, Kindergärten, Kaufläden und Kinos möglichst in der Nähe sind, so dürfen auch die Kir­chen keine Ausnahme sein — Anm. d. Red.).

Es ist nicht nötig, in den neuen Städten wie Elektrėnai, N. Akmenė usw, Kirchen zu bauen. Die Einwohner dieser Städte können die Kirchen der benachbarten Pfarreien benützen.

Die verstaatlichte Kirche der Königin des Friedens wird den Gläubigen von Klaipėda nicht zurückgegeben. Daran sind die Geistlichen schuld, die beim Bau der Kirche Machenschaften getrieben haben. Es wurde eine Er­laubnis gegeben, die jetzige Kirche von Klaipėda zu vergrößern. Sie würde anstatt 300 qm dann 800 qm groß sein und den Bedürfnissen der Gläubigen entsprechen.

Eine Unterrichtung der Kinder in Gruppen ist verboten, weil ein entspre­chendes Gesetz erlassen worden ist.

Die Kinder der Gläubigen in unserem Lande werden nicht diskriminiert: Sie dürfen ohne Behinderung die Hochschulbildung erreichen und verant­wortungsvolle Posten einnehmen. Der Bevollmächtigte nannte einige Bei­spiele aus der Pfarrei Linkmėnai wie auch aus dem Rayon Ignalina; er sagte nur nicht, ob diese Leute auch jetzt noch ungehindert öffentlich die Kirche besuchen dürfen.

Der Staat mische sich in die inneren Angelegenheiten der Kirche nicht ein, er schaffe bloß Ordnung: Der Priesterrat der Erzdiözese Vilnius sei nach Ansicht von P. Anilionis nicht nach den Cañones zusammengestellt worden, deswegen habe sich die Regierung einmischen müssen; manche Priester halten die Gesetze des Staates nicht ein, deswegen dürfe man sie nicht für die Arbeit in der einen oder anderen Pfarrei einsetzen; manche Kandidaten für das Priesteramt sind politisch nicht sauber — wie kann man solche für das Studium am Priesterseminar zulassen?

Eine Amnestie für Priester Alfonsas Svarinskas und Priester Sigitas Tam-kevičius wird es nicht geben.

Es ist nicht vorgesehen, für die Gläubigen eine Zeitschrift herauszugeben; die Predigten genügen.

Der Bevollmächtigte ist der Überzeugung, daß die Schreiben der Priester nicht deswegen geschrieben werden, um irgendetwas zu erreichen, sondern nur um mehr Aufsehen zu erregen.

Ein derartiges Denken kann nur in den Köpfen der Gottlosen zustande kommen, so auch bei P. Anilionis. Welchen Nutzen haben die Priester oder die Gläubigen von einem Aufsehen? Nutzen kann man nur aus der Freiheit haben! Warum schreibt ein Unterdrückter? Um des Aufsehens willen oder damit er nicht unterdrückt werden soll? Zu Zeiten des Zaren haben die Litauer keine »Chronik« gehabt, sie schrieben aber trotzdem an die Regierung wegen ungerechtem Presseverbot, sie schrieben, um die Pres­sefreiheit zu bekommen. Hat der Benachteiligte vielleicht nicht einmal das Recht, zu schreien? Verbieten vielleicht die sowjetischen Gesetze den Gläu­bigen als Bürgern der Sowjetunion, sich mit Bittgesuchen an die eigene Regierung zu wenden?!

Šiluva

Die vom Heiligen Vater Johannes Paul II. vor den versammelten Pilgern in Rom gehaltene Rede, in der der gläubigen Welt die in Litauen stattfin­denden Ablaßfeierlichkeiten der Gottesmutter Maria von Šiluva bekannt­gemacht wurden, haben in den Herzen der Gläubigen Litauens ein tiefes Echo gefunden. Große Menschenmassen versammelten sich aus ganz Litauen im Heiligtum von Šiluva, um die achttägigen Ablaßfeierlichkeiten des Na­mens der heiligsten Jungfrau Maria zu begehen. Aber auch dieses Jahr ver­gingen sie nicht ohne Störungen seitens der Regierung. Es wurde nach den Devotionalienhändlern gejagt und nach den Unterschriftensammlern gesucht, die Erklärungen, in denen es um die Interessen der Gläubigen Litauens geht, unterzeichnen ließen. Am letzten Tag der Ablaßfeierlichkeiten fuhren die Linienbusse aus der Autobusstation von Raseiniai und die Taxis an Šiluva vorbei, ohne Šiluva anzufahren. Unter den Gläubigen gab es Men­schen, die sich entschlossen hatten, zu Fuß von Raseiniai nach Šiluva zu wandern. Die Wallfahrer beteten unterwegs den Rosenkranz für die inhaf­tierten Priester und anderen Gewissensgefangenen.

Um während der Ablaßfeierlichkeiten die Predigten zu halten, war der Pfarrer der Pfarrei Eržvilkas-Paupys, Priester Petras Meilus, eingeladen. Alles geschah im Einvernehmen mit der Rayonverwaltung. Etwa 10 Tage vor Beginn der Ablaßfeierlichkeiten teilte die Behörde des Bevollmächtigten des RfR mit, daß es dem Priester P. Meilus nicht erlaubt ist, in Šiluva zu predigen. Msgr. V. Grauslys bekam die Anweisung, eine Liste von Predigern aus den allernächsten Nachbarpfarreien aufzustellen. Erst die Bischöfe, die zu den Ablaßfeierlichkeiten kamen und auch ohne Sondererlaubnis von P. Anilionis ihre Predigten nach dem Hochamt hielten, brachten etwas Ent­spannung. Am Mittwoch, dem Tag der Priester und der Abstinenz, sprach der Bischof von Telšiai Antanas Vaičius und hob die Schönheit und die Macht des Glaubens und seine Wichtigkeit im Leben des Volkes hervor; am Sonnabend, dem 13. September, dem traditionellen Tag der Verehrung Mariens, hat Bischof Julijonas Steponavičius das Hochamt gefeiert und die Predigt gehalten. Der Bischof verwarf mit überzeugenden Argumenten den im Journal »Tarybinė moteris« — »Die sowjetische Frau« veröffentlichten Artikel, der die heiligste Jungfrau Maria und die Gefühle der Gläubigen verletzte und forderte alle auf, sühnende Fürbitte zu leisten. Am Sonntag zelebrierte Bischof Juozapas Preikšas das Hochamt und hielt die Predigt und erinnerte an den besonderen Segen des Heiligen Vaters, den er den Šiluva-Pilgern erteilt hatte, die zu den Ablaßfeierlichkeiten nach Šiluva ge­kommen waren. Am Montag sprach Bischof Vincentas Sladkevičius zu den Gläubigen.

An allen acht Tagen der Ablaßfeierlichkeiten waren besonders viele Men­schen in der Kirche. Es wurden etwa 50 000 hl. Kommunionen ausgeteilt.

Nach der unrühmlich bekanntgewordenen »Schweinepest« wurden die Pro­zessionen der Wallfahrer von Tytuvėnai nach Šiluva von den Gottlosen streng verboten, aber die gläubige Jugend, eifrige Priester und Wallfahrer, die sich dieser schönen Initiative zugesellten, änderten diese Prozession in eine andere Gebets- und Sühneform um: Schon seit einigen Jahren beten sie gemeinsam den Rosenkranz und gehen auf den Knien auf dem Kirch­hofpflaster um die Kirche von Šiluva herum. Nach der Ermutigung durch den Heiligen Vater Johannes Paul IL, aktiv an den Ablaßfeierlichkeiten von Šiluva teilzunehmen, haben in diesem Jahr die Gläubigen Litauens beschlossen, in der Nacht vom 13. zum 14. September das Allerheiligste Sakrament in der Kirche von Šiluva anzubeten und in aller Frühe mit dem Rosenkranzgebet die Gottesmutter Maria um Segen für das litauische Volk und für die ganze Welt zu bitten, indem sie auf den Knien um die Kirche von Šiluva gehen. An der Fürbitteprozession haben Tausende von Gläubi­gen, vor allem aber Jugendliche teilgenommen.

*

Auf dem Rückweg von den Ablaßfeierlichkeiten in Šiluva ging am 19. Sep­tember 1986 der Pfarrer der Pfarrei Užuguostis, Priester Jonas Katilius, in

Raseiniai in ein Geschäft für Landwirtschaftsartikel. Als er darin seinen Geldbeutel herauszog, zog er durch Zufall auch ein Bündel religiöser Bild­chen mit heraus. Als ein Beamter in Zivilkleidung das gesehen hatte, kam er auf den Priester zu und bat ihn, mit in die Miliz zu gehen, damit man überprüfen könne, was er in seinem Koffer transportiere. Erst als er begriff, daß er es mit einem Priester zu tun habe, ließ der Tschekist ab.

Rozalimas (Rayon Pakruojis)

Am 8. Juni 1986 wurde in der Kirche von Rozalimas die große Ablaßfeier des Herzens Jesu begangen. Die Gläubigen betrachten die Kirche von Ro­zalimas schon von alten Zeiten her als heilige Stätte, berühmt durch die wundertätige Statue von Jesus dem Nazarener. Gewöhnlich kommen ganze Scharen von Wallfahrern zu dieser Ablaßfeier. Der Pfarrer der Pfarrei, Priester Anicetas Kisielius, bat den Pfarrer der Pfarrei Šeduva, Kanonikus Bronius Antanaitis, die Predigt zu halten. Eine Woche vor der Ablaßfeier erkundigten sich die Beamten der Rayonverwaltung bei dem Vorsitzenden des Kirchenkomitees, welche Priester während der Ablaßfeier die Predigt halten würden. Der Vorsitzende erklärte, daß Kanonikus B. Antanaitis dafür eingeladen sei. Ganz kurz vor der Ablaßfeier teilte die Stellvertreterin des Rayonexekutivkomitees dem Pfarrer Kisielius mit, daß die Rayonver­waltung im Einvernehmen mit Vilnius dem Kanonikus B. Antanaitis ver­biete, in der Kirche von Rozalimas zu predigen. »Der Kanonikus B. Anta­naitis soll seine Flügelchen einziehen! Er soll seine Lebensweise ändern und von seinen extremistischen Anschauungen lassen...«, sprudelte die Stellvertreterin.

Pilviškiai (Rayon Vilkaviškis)

Die Administrativkommission beim Ravonexekutivkomitee von Vilkaviškis, bestehend aus dem Vorsitzenden J. Urbonas, seinem Stellvertreter B. But­kevičius, der Sekretärin J. Gudzinskienė und den Mitgliedern S. Kasparai-tienė und A. Kreivėnienė bestraften am 13. September 1986 den Pfarrer der Pfarrei Pilviškiai, Priester Gvidonas Dovydaitis wegen Organisierens eines Ausflugs nach Königsberg mit einer Geldstrafe von 25 Rubeln.

Priester G. Dovydaitis war mit diesem Beschluß nicht einverstanden und schickte am 20. September an den Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees, J. Urbonas, und an alle Mitglieder der Admini­strativkommission folgenden offenen Brief ab:

»Während der französischen Revolution, als die Kreuze aus den Schulen ent­fernt wurden, erklärte der Bürgermeister einer Stadt sein Bedauern darüber.

Kurz darauf bekam er ein Schreiben des Präsidenten, mit dem er seines Amtes enthoben wurde. Der Entlassene schickte einen Brief an den Präsi­denten, in dem geschrieben stand: >Ich werde mir diesen Entlassungsbefehl an der Wand aufhängen, und er wird mein Ehrendiplom sein, der unseren Kindern erzählen wird, daß es die heiligste Sache im Leben ist, dem eigenen Gewissen zu folgen.< Zu diesem selben Zweck und von denselben Gefühlen bewegt, schreibe auch ich diesen Brief.

Das Schreiben, das Sie mir geschickt haben, macht mir als Priester keine Schande. Im Gegenteil, es ist für mich wie ein Ehrenschreiben.

Sie und Ihre Kollegen, die an meiner Bestrafung teilgenommen haben, Sie fühlen sich vielleicht in Ihrem Gewissen ruhig, denn Sie haben nach dem Gesetz gehandelt. Noch nicht so arg weit zurück liegt jene Vergangenheit, als den Bürgern der jüdischen Nationalität in Litauen und in manchen ande­ren Ländern nicht erlaubt wurde, auf den Bürgersteigen zu gehen. Sie mußten auf dem Pflaster der Straßen laufen, das für die Tiere vorgesehen ist. Das wurde gemäß den Gesetzen getan. Dieselben Juden wurden durch Erschießen hingerichtet, auch das wurde aufgrund der Gesetze getan. Dr. J. Stakauskas, jener Priester, der während der deutschen Besatzung mein Professor war und damals das staatliche Archiv in Vilnius leitete, hat 18 Juden vor dem Tod gerettet. Nach den Gesetzen drohte ihm damals der Tod. Er folgte aber seinem Gewissen und nicht den auf jeden Pfosten auf­geklebten Gesetzen. In den grausamen Jahren des Krieges blieb er ein Mensch ohne Furcht, während viele Gesetzgeber und ihre Vollzieher zu Bestien geworden sind. Er rettete da, wo andere aufgrund der Gesetze mit Genuß Tausende erschossen.

Wie die Geschichte und die Menschheit diese Gesetze und ihre Vollzieher beurteilt haben, ist uns heute schon bekannt.

Die Gesetze sind niemals beständig, sie ändern sich, weil sich jene ändern, die sie herausgeben. Es ist schade um alle, die vor lauter Bedachtsein auf die Gesetze vergessen, daß sie Menschen sind.

Ein Jammer und eine Schande ist es, wenn der Mensch nur sich selbst liebt und nur seine eigenen Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten kennt; noch ein größerer Jammer und eine größere Schande ist es aber, wenn der Mensch das liebt, was nicht wert ist, geliebt zu werden, und daß der Mensch sich vor dem fürchtet, was er nicht fürchten brauchte, weil ihn diese Furcht erniedrigt; wenn der Mensch das zu Götzen seines Lebens erwählt, was ihm zur Erniedrigung und zur Schande gereicht.

Jeder von uns bedauert vieles in seinem Leben, aber niemals hat jemand bedauert und wird es auch nicht bedauern, wenn er etwas Gutes getan hat...«

Priester G. Dovydaitis schreibt in seinem Brief, daß ihm während der Sitzung der Administrativkommission nur erlaubt wurde, Stellung zu neh­men: »Als ich gebeten habe, mir die Begriffe zu erklären, beispielsweise was das Wort >Ausflug< bedeutet, war keine der fünf Frauen in der Lage, es zu beantworten. An Stelle der Erklärung schrien sie nur: >Stören Sie uns nicht!< und damit war die Sitzung beendet.«

In dem Brief wird darauf hingewiesen, daß in der Anklageakte das Datum des Ausflugs nicht stimme; die besuchten Ziele seien falsch angegeben. »Die Vorsteher der ernsten Ämter sollten die Angelegenheiten ernst untersuchen, andernfalls kann man sich nur lächerlich machen. Solche »Angaben« ent­stehen in den Akten nur deswegen, weil man sich auf Gehörtes und Ver­mutetes verläßt, das sollte aber bei so wichtigen Ämtern nicht vorkommen.

»Die Fehler der Vergangenheit können uns manches lehren. Wir wollen immer lernwillige Schüler bleiben«, schließt der Pfarrer der Pfarrei Pilviš­kiai, Priester Gvidonas Dovydaitis, seinen offenen Brief.

Kiaukliai (Rayon Širvintai)

Am 11. März 1986 kamen der Rayongerichtsvollzieher von Širvintai, Ri­mantas Bilotas, und die Leiterin des Militärmeldungsamtes der Ortschaft Žibalai, Janina Četrauskienė, in das Pfarrhaus der Pfarrei Kiaukliai. Sie verlangten vom Pfarrer, Priester Rokas Puzonas, seine Strafe von 50 Rubeln wegen der Prozession der Gläubigen zum Friedhof am Allerseelentag ver­gangenen Jahres zu bezahlen. Als der Priester R. Puzonas erklärte, daß solche Strafen ungerecht seien und daß er das als Diskriminierung der Gläubigen betrachte, holten die Bediensteten in Anwesenheit der vorgela­denen Zeugen Algimatas Danilevičius und Arunas Naina aus der persön­lichen Bibliothek des Priesters etwa 17 Bücher im Wert von 50 Rubel heraus und stellten eine »Akte der Eigentumspfändung« zusammen. Der Pfarrer unterschrieb die Akte nicht.

*

Am 3. Juni 1986 wurde auf dem Friedhof von Kiaukliai die Einwohnerin des Dorfes Bajorai, die Mutter des Redakteurs der Zeitung »Tėviškės žiburiai« — »Lichter der Heimat«, also des Priesters Pranas Gaida, Teofilė Gaidamavičienė beerdigt. Die Verstorbene starb im Alter von 94 Jahren, von denen sie 10 zusammen mit anderen Angehörigen in der Verbannung in Igarka, Sibirien, verbracht hatte. Die hl. Messe für die Seele der Verstor­benen haben der Pfarrer der Pfarrei, Priester Rokas Puzonas, und die Prie­ster der benachbarten Pfarreien, der Pfarrer von Želva, Priester Jonas Tomkus, und der Pfarrer von Pusnė, Priester Antanas Arminas, konzele­briert. Während der Predigt wurde der schwere, aber auch sinnvolle Lebens­weg der litauischen Mutter erläutert. Die Menschen gingen zahlreich zur hl. Kommunion und alle drei Priester begleiteten die Verstorbene zum Friedhof. Dort wurden die Lieder »Marija, Marija« und »Lietuva brangi« — »Teures Litauen« gesungen. Gleich nach der Beerdigung tauchten auch schon der Ortsvorsitzende von Zibalai, Vladas Karaliūnas, die Lehrerin der Achtjahreschule, Aldona Kalinina, der Parteifunktionär des Kolchos, Juozas Sabakonis, im Pfarrhaus der Pfarrei Kiaukliai auf und stellten dort eine Akte zusammen, in der darauf hingewiesen wird, daß der Priester R. Pu-zonas während der Beerdigung der Verstorbenen T. Gaidamavičienė eine Prozession zum Friedhof organisiert und damit den § 214 des Kodex des Administrativrechts der LSSR verletzt habe. Der Pfarrer weigerte sich, die Akte zu unterschreiben und erklärte, daß die Verstorbenen zum Friedhof zu begleiten, die Pflicht eines Priesters ist.

Am 16. Juli bekam Priester R. Puzonas eine schriftliche Vorladung in das Rayonexekutivkomitee nach Širvintai, wo der Administrativprozeß wegen der Beerdigung von T. Gaidamavičienė stattfinden werde. Der Priester fuhr nicht zu dieser »Gerichtsparodie«. Am 22. Juli warteten der Ortsvorsitzende A. Karaliūnas, die Schuldirektorin Jadvyga Gaitienė und der Parteifunk­tionär Sabakonis am Pfarrhaus in Kiaukliai. Der Ortsvorsitzende erklärte, daß der Pfarrer zwei Rechtsverletzungen begangen habe: Am 17. Juni habe er den Verstorbenen Juozas Gėliūnas zum Friedhof begleitet und am 19. Juni eine Prozession von der Kirche bis zum Friedhof zum Grab des minder­jährigen Söhnchens der Familie Polkai organisiert, das im vergangenen Jahr tragisch ums Leben gekommen war. Die Staatsbediensteten drohten, den Priester wegen jeder Begleitung eines Verstorbenen zum Friedhof zu be­strafen. Der Priester erklärte, er werde niemals Gesetze einhalten, die den Gesetzen der Kirche und den Traditionen widersprechen, und bat, ihn in der Zukunft mit ähnlichen Angelegenheiten nicht mehr zu belästigen.

Am 22. Juli bekam Priester R. Puzonas eine Mitteilung, daß ihm wegen der Beerdigung der verstorbenen T. Gaidamavičienė eine Strafe von 50 Rubeln zugesprochen wurde.

Molėtai

Am 19. Juni 1986 kamen gegen 11 Uhr die Stellvertreterin des Vorsitzen­den des Exekutivkomitees, Danutė Gančerienė, die Sekretärin Sidagienė, die Mitarbeiterin der Finanzabteilung, Girskienė, die Lehrerin der I. Mittel­schule, Lašinskienė, die Lehrerin Lauckienė, die Lehrerin der II. Mittel­schule, Kirilova, in die Kirche der Pfarrei Molėtai und fanden dort 70 Kin­der vor. Am 20. August 1986 wurde in der Zeitung »Tarybinis mokytojas«

— »Der sowjetische Lehrer« ein Artikel von Vytautas Mockevičius ver­öffentlicht, in dem geschrieben stand: ». ..die Kommission hat festgestellt, daß der Priester Juozas Kaminskas und seine Helferin Stasė Rokaitė in zwei Gruppen Kinder, und zwar Schüler aus den Schulen der Städte Molėtai, Utena, Panevėžys, Vilnius und anderen Städten gemeinsam im Katechismus unterrichtet haben«. Der Verfasser dieses Artikels behauptet, daß »Kinder nicht das Eigentum der Eltern sind« und daß ein solches »Vergehen« — Un­terrichtung der Kinder und ihre Vorbereitung zur Erstkommunion — eine Verletzung »der konstitutionellen Garantien der Gewissensfreiheit« ist.

Šilalė

Am 17. Juli 1986 drang der Schuldirektor Leščiauskas, begleitet von der Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees, J. Paulauskienė, und der In­spektorin der Abteilung für Angelegenheiten der Minderjährigen, O. Guda-navičienė, in die Kirche von Šilalė ein. Das ist schon der zweite Besuch der Regierungsbediensteten in der Kirche von Šilalė (vergi. »Chronik der LKK« Nr. 71). Die angebliche Kommission fand in der Kirche eine ältere Frau und eine Schar Kinder, die sich zur Überprüfung vor der ersten Beichte vor­bereiteten. Dem Pfarrer, Priester A. Ivanauskas, wurde angekreidet, daß die Kinder allein in der Kirche seien, d. h. ohne ihre Eltern, und es wurde ein Protokoll zusammengestellt. Am 21. Juli wurde Priester A. Ivanauskas zu einer Sitzung der Administrativkommission beim Rayonexekutivkomitee vorgeladen. Da nicht nur der Pfarrer allein davon betroffen war, sondern auch die ganze Pfarrei Šilalė, besonders aber die gläubigen Familien, die ihre Kinder zur ersten Beichte und Erstkommunion vorbereitet hatten, waren an dem befohlenen Tag, als der Priester in das Rayonexekutivkomitee kam, schon beinahe 200 Leute mit einer Erklärung an den Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees versammelt. Die Gläubigen brachten in der Erklä­rung ihre Entrüstung über die Willkür der Bediensteten zum Ausdruck. Sie schrieben: »Keines der Kinder ist ohne Wissen seiner Eltern in der Kirche gewesen. Zum ersten Mal sind sie von ihren Eltern gebracht worden und da hat man erklärt, daß es der Wille des Kindes und auch der eigene ist, daß die Kinder zur erstenBeichte und zur Kommunion gehen. Die Eltern der Kinder in diesem Alter sind alle berufstätig und keine Pensionisten, und wenn wir, — so schrieben die Eltern, —jeden Tag während der Arbeitszeit mit unseren Kindern in der Kirche verbringen würden, wie würden uns dann die Regierung und unsere Vorgesetzten anschuldigen? Deswegen ist auch die Anschuldigung von Leščiauskas gegen uns, daß die Kinder nicht ohne ihre Eltern in der Kirche sein dürfen, sinnlos und unüberlegt. (...) Wegen den sogar schon wiederholten Störungen der Bediensteten in der Kirche sind wir empört und wir würden ihnen raten, sich lieber um andere

Dinge zu kümmern, z. B. Langfinger, Säufer oder Unsittliche zu stellen. Dann würden sie beim Aufstieg unseres Volkes mithelfen. (...) Wir bitten die Rayonverwaltung, mit den Überfällen in der Kirche aufzuhören.« 300 Gläubige haben die Erklärung unterzeichnet.

Die Administrativkommission, bestehend aus der Vorsitzenden M. Karinau­skiene, der Sekretärin G. Pipirienė, den Mitgliedern V. Alonderienė, A. Juška, J. Simelionis, bestrafte den Pfarrer, Priester A. Ivanauskas, mit einer Strafe von 50 Rubeln.

Pajevonys (Rayon Vilkaviškis)

Am 22. Juli 1986 wurde in Pajevonys das 100jährige Jubiläum der Errich­tung der Kirche begangen. Auch S. Exz. Bischof Juozas Preikšas kam zu der Feier. Ungeachtet dessen, daß der Besuch des Bischofs in der Pfarrei mit dem Bevollmächtigten des RfR in Vilnius abgestimmt war, lud der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees den Pfarrer J. Urbonas zu sich vor, beschimpfte ihn und erteilte ihm im Namen der Rayonverwaltung eine Ermahnung.

Veisiejai (Rayon Lazdijai)

Am 10. August finden in Veisiejai Ablaßfeierlichkeiten statt. Da der Pfarrer der Pfarrei, Priester Stasys Mikalajūnas, ohne Einvernehmen mit der Rayon­verwaltung andere Priester zur Hilfe zu den Feierlichkeiten eingeladen hatte, belegte die Rayonadministrativkommission den Vorsitzenden des Kirchen­komitees von Veisiejai mit einer Strafe von 25 Rubeln.

Paringys (Rayon Ignalina)

Im Sommer 1986 wurde in der Kirche der Pfarrei Parinys das Sakrament der Firmung gespendet. An der Feierlichkeit nahmen auch die Pfarrer der benachbarten Pfarreien Ignalina, Mielagėnai, Tverečius, Švenčionys und Švenčionėliai teil, die keine Erlaubnis der Rayonverwaltung bekommen hatten. Das Rayonexekutivkomitee von Ignalina betrachtete das als Verge­hen und sprach dem Pfarrer der Pfarrei Paringys, Priester Edmundas Pau-lionis, und dem Kirchenkomitee eine öffentliche Verwarnung aus.

Am 12. August 1986 brachte die Rayonzeitung »Nauja vaga« — »Neue Furche« einen Artikel des Oberinspekteurs des RfR, V. Kizas, »Keletas minčių, religinę šventę prisiminus« — »Einige Gedanken in der Erinnerung an ein religiöses Fest« heraus. Oberinspekteur V. Kizas versuchte mit Zita­ten und eigenwilliger Auslegung mancher Cañones der Kirche wie z. B. Can. 526 § 1 und anderer zu beweisen, daß das Statut der religiösen Ge­meinschaften den Gesetzen der Kirche nicht widerspreche und deswegen die Priester, die ohne Wissen und Einverständnis der Regierung die Priester der benachbarten Pfarreien zu sich einladen, nicht nur gegen die Regierung, sondern auch gegen die Cañones der Kirche verstoßen.

Utena

Die Rayonverwaltung von Utena bestraft intensiv die Priester der Pfarreien wegen der Einladung der Gastpriester zu Ablaßfeierlichkeiten ohne Einver­ständnis der Rayonverwaltung. Die Rayonzeitung von Utena »Lenino keliu« — »Auf dem Wege Lenins« veröffentlichte am 11. September einen Artikel des Rayonstaatsanwaltes K. Rakauskas »Įstatymų pažeisti nevalia: jie visiems vienodi« — »Gesetze darf man nicht verletzen: Sie sind für alle einheitlich«, in dem geschrieben steht: »Siehe der Pfarrer der Kirche von Saldutiškis, Zenonas Navickas, wurde schon voriges Jahr vom Rayonexeku­tivkomitee und vom Rayonstaatsanwalt verwarnt, daß man nur mit Erlaub­nis der örtlichen Verwaltung Geistliche aus anderen Pfarreien zu religiösen Festen einladen und sie kultische Handlungen ausüben lassen darf. (...) Z. Navickas hat auf diese Verwarnung nicht reagiert und deswegen wurde er zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen. In der letzten Zeit wieder­holte Z. Navickas dieselben Verletzungen wieder. Er hat die Priester von Kuktiškiai, Labanoras, Tauragnai zur Ablaßfeier eingeladen, um kultische Handlungen auszuüben. Nach den Gesetzen darf aber jeder Geistliche Got­tesdienste nur in der für ihn bestimmten Pfarrei abhalten. (...) Die Ord­nung haben dauernd die Pfarrer der Kirche von Tauragnai, Priester Bronius Šlapelis, und der Pfarrei Užpaliai, Juozas Šumskis verletzt. (...) Gleich nach seiner Ankunft im Rayon, begann der Pfarrer von Kirdeikiai, Priester Jonas Zubrus, die Arbeiterfamilien des Sowjetgutes Kirdeikiai zu besuchen und den Kindern der Werktätigen Ratschläge zu geben, wie man sich einen Beruf aussuchen solle. In welcher Beziehung steht eine solche Tätigkeit eines Kultdieners mit der Befriedigung der Bedürfnisse der Gläubigen? Die ganze Arbeit, die mit der Erziehung, mit der Ausbildung und mit der Wahl des Berufes zusammenhängt, erledigen entsprechende Organe. Deswegen kann eine Einmischung eines Priesters in deren Angelegenheiten nicht ent­schuldigt werden. Auch die Forderungen des Artikels 50 des Statuts der religiösen Gemeinschaften werden immer noch nicht eingehalten. Dieser Artikel verbietet die Ausübung von religiösen Riten oder Zeremonien ohne spezielle Erlaubnis des Volksdeputiertenrates des Rayons oder der Stadt, im Freien wie auch in den Wohnungen bzw. Häusern der Gläubigen. Unter Verletzung dieser Forderung hat die Bürgerin des Amtsbezirks Saldutiškis im Dorf Šarkiai, Apolonija Leleivaitė, ab 1. Mai dieses Jahres in ihrem Haus Gottesdienste organisiert. Manche Personen betreiben an religiösen Feier­tagen neben dem Bethaus oder auf dem Kirchhof Handel. Auf diese Weise hat am 17. August die Bürgerin unserer Stadt, die Pensionistin Pakalnienė Elena, Tochter des Antanas, und die in der Poliklinik als Reinemachefrau tätige Velykienė Elena, Tochter des Juozas, Handel getrieben (...) das ist ein administratives Vergehen, das eine Strafe für die Bürger bis 50 Rubel mit Beschlagnahme oder ohne Beschlagnahme der Ware mit sich zieht. Beide Frauen wurden entsprechend bestraft. . .«

Dem Pfarrer von Saldutiškis, Priester Z. Navickas, haben die Regierungsver­treter erklärt, daß man den Priester Petras Baltuškas auf keinen Fall zur Ablaßfeier einladen dürfe, weil ihn die Regierung zu den Extremisten-Priestern zähle.

Folgende Priester wurden im Rayon Utena mit einer Geldstrafe von 50 Rubeln belegt: Der Pfarrer von Užpaliai, Priester Juozas Šumskis, der Pfarrer von Sudeikiai, Priester Povilas Juozėnas, der Pfarrer von Pakalniai, Priester Petras Baniulis, der Pfarrer von Tauragnai, Priester Bronius Šla­pelis, der Pfarrer von Saldutiškis, Priester Zenonas Navickas, der Pfarrer von Kirdeikiai, Priester Juozas Zubrus (ihn hat der Bevollmächtigte des RfR, Petras Anilionis, außerdem noch ermahnt).

Kuršėnai (Rayon Šiauliai)

Am 15. Oktober 1986 kamen um etwa 13 Uhr zwei Männer zum Dekan von Kuršėnai, Priester Stanislovas Ilinčius. Einer von ihnen stellte sich mit dem Namen »Ąžuolas« — »Eiche« vor und verlangte vom Dekan, er solle 20 000 Rubel »für die Befreiung Litauens« geben. Er prahlte damit, daß ihn angeblich die Bischöfe beauftragt hätten, das Geld für diesen Zweck zu sammeln. Um den Dekan überzeugen zu können, zeigte er demonstrativ »Listen« jener Priester, die angeblich schon Geld gespendet und wieviel sie gespendet hatten. Als der Dekan sich weigerte, mit den Provokateuren über dieses Thema zu sprechen, zog einer der Männer einen Revolver und begann zu drohen. Der Pfarrer erwiderte darauf ganz ruhig: »Schießen Sie doch, ich bin sowieso schon alt.« Darauf steckte der Räuber die Waffe in die Tasche und versuchte den Priester S. Ilinčius im Guten zu überzeugen, daß es nötig sei, eine bestimmte Summe Geld zusammenzubringen. Er versprach, noch einmal vorbeizukommen und mit ihm zu reden.

An dem Besuchstag der Provokateure war der über dem Pfarrer wohnende Vikar Edmindas Atkočiūnas bei den Behörden der Rayonverwaltung nach Šiauliai vorgeladen. Als er zurückkam, fand er die »Gäste« bei der Unter­haltung mit dem Pfarrer. Man konnte spüren, daß irgend etwas nicht in Ordnung war, aber den Pfarrer herauszurufen, erlaubten die »Gäste« nicht, sondern vertrösteten ihn nur, die Unterhaltung bald zu beenden. Die Dro­hungen und die Versuche, ihn zu überzeugen, dauerten etwa zwei Stunden lang.

Die Provokateure fuhren von Kuršėnai nach Gruzdžiai zu Priester Juozas Čepėnas und stellten ihm dieselben Forderungen, aber Besucher, die zum Pfarrer kamen, halfen dem Pfarrer, sich von den ungebetenen Gästen zu befreien.

Nach einigen Tagen versuchten dieselben Typen, sich mit dem Pfarrer der Pfarrei Adomynė (im Rayon Kupiškis), Priester Vytautas Kapočius, zu »un­terhalten«, aber vor den Pfarrangehörigen erschrocken, zogen sie die Flucht vor.

Die Gläubigen Litauens vermuten, daß diese Welle der Drohungen und der Provokationen eine von den Methoden ist, den Priestern vor dem Jubiläum der Taufe Litauens Angst einzujagen.

Panevėžys

Die Mitglieder der Kirchenkomitees der Stadt und des Rayons waren am 7. April 1986 in das Rayonexekutivkomitee von Panevėžys eingeladen. Ein Teil der Versammelten, die außer den Eingeladenen da waren, waren inoffi­ziell Propagandisten des Atheismus, die Gläubige vortäuschten und kom­promittierende Fragen stellten. Durch die Versammlung führten der Stell­vertreter des Bevollmächtigten des RfR, Juozėnas, der Vertreter der Stadt Panevėžys, Smogius, wie auch die verantwortliche Mitarbeiterin des Rayons, Bernotavičiūtė.

Zu Beginn der Versammlung prahlte Juozėnas damit, daß dank der atheisti­schen Regierung dieses Jahr 21 Seminaristen das Priesterseminar zu Kaunas abgeschlossen haben und zu Priestern geweiht worden sind und daß 21 Priester westliche Länder besucht haben; 7 Priester besuchten Afrika. Weiter folgte eine ganze Reihe von Verboten und Einschüchterungen... Den Prie­stern sei verboten, die Kinder die Glaubenswahrheiten zu lehren. Die Un­terrichtung der Kinder sei eine Herausforderung des Staates. Als Beispiel nannte er die Pfarreien Krekenava und Vadokliai, deren Pfarrer wegen der Unterrichtung der Kinder dementsprechend bestraft wurden. Während der Ablaßfeier brauchen die Gastpriester eine Erlaubnis des Rayons, um eine Predigt halten zu dürfen. Juozėnas fand ein besonderes Mißbehagen an dem Schreiben, das von Priestern der Diözese Panevėžys an Generalsekretär M.

Gorbatschow gerichtet worden war. Den Pfarrer der Pfarrei Vadokliai, Priester Boleslovas Babrauskas, und den Benefiziant von Raguva, Priester Jonas Vaičiūnas, nannte er »etatsmäßige Provokateure« und versprach, in der allernächsten Zeit mit ihnen abzurechnen. Der Redner forderte die Mit­glieder der Kirchenkomitees dazu auf, den Priestern nicht zu erlauben, in der Kirche Opfergelder einzusammeln und Dias zu zeigen; er verlangte nach genauen statistischen Angaben, wie viele in der Pfarrei getauft, getraut wür­den usw.

Der Stellvertreter sagte ausdrücklich, daß dies alles eine atheistische Er­ziehung sei, die man nicht als Verfolgung bezeichnen dürfe. Allen, die das nicht verstehen wollten, drohte er mit demselben Schicksal, wie es die Prie­ster Alfonsas Svarinskas und Sigitas Tamkevičius erfahren hätten.

Mikoliškiai (Rayon Kretinga)

Aus dem Kapellchen auf dem Friedhof der Kirche von Mikoliškiai wurde in der Nacht zum 3. Oktober 1986 eine kleine Statue der Schmerzhaften Mutter­gottes aus Holz gestohlen.

Nevarėnai (Rayon Telšiai)

In der Nacht zum 18. Oktober 1986 sind Übeltäter durch ein Fenster, das mit einem Gitter gesichert war, in die Kirche von Nevarėnai eingedrungen; sie schnitten die Leitungen durch und trugen einen altertümlichen Kron­leuchter aus der Kirche weg.

Vilnius

In Vilnius wurde die Hl. Geist-Kirche der Dominikaner beraubt; es wurden Opferstöcke und Panzerschränke in der Sakristei ausgeraubt.

Die Kirche von Sudervė im Rayon Vilnius wurde schon zum zweiten Mal ausgeraubt.

Auch in der Kirche von Dūkštas und in anderen Kirchen in der Umgebung von Vilnius ist eingebrochen worden.

 

Adakavas (Rayon Tauragė)

Eine Gruppe von Gläubigen aus der Pfarrei Adakavas nahm am 9. Dezember 1985 am Gedenkgottesdienst zum Jahrestag des Todes ihres ehemaligen Pfarrers, des Priesters Valentinas Šikšnys, in Nevarėnai (Rayon Telšiai) teil. Innerhalb einiger Tage waren alle ermittelt, die an dem Gedenkgottes­dienst teilgenommen hatten: Wer nicht in der Arbeit oder in der Schule war, mußte sich rechtfertigen und Stellungnahmen schreiben; die Krank­heitsgeschichten der an dem Tag krank Gemeldeten wurden in der Poliklinik überprüft; genau wie vor einem Jahr wurden die Leute von Regierungs­beamten besucht. Bei den Vernehmungen, bei Einschüchterungen und Schi­kanen zeichneten sich in besonderer Weise durch ihren »Fleiß« der Partei­sekretär der Kolchose »Tarybinis kelias« — »Sowjetischer Weg«, Budrikis, der Vorsitzende Kulpavičius, der Gewerkschaftsvorsitzende Jankevičius, der Ortsvorsitzende von Skaudvilė, Mikašauskas, die Direktorin der Achtjahre­schule von Adakavas, Bajoriūnienė, und der Direktor des Altenheimes, Diksas, aus.

Gargždai (Rayon Klaipėda)

Am 4. Oktober 1986 richteten die Gläubigen der Pfarrei Gargždai eine Erklärung an den Generalsekretär des ZK der KPdSU, M. Gorbatschow, mit der Forderung, endlich die Ortsverwaltung anzuweisen, die Decke der Kirche, einer Baracke, der Pfarrei Gargždai höher setzen zu lassen. Bis jetzt hat die Ortsverwaltung, besonders aber der Stellvertreter des Rayonvorsit­zenden, A. Leita, nur über die Erklärungen der Gläubigen gespottet. Die Erklärung wurde von 1162 Katholiken unterzeichnet.

Mikoliškiai (Rayon Kretinga)

Am 12. Oktober 1986 richteten die Gläubigen der Pfarrei Mikoliškiai eine Erklärung an den RfR mit der Bitte, der Bevollmächtigte möge die Pfarrei Mikoliškiai nicht hindern, sich einen Autobus zu erwerben, der benötigt wird, um alte Menschen in die Kirche zu transportieren. Kaum waren sich die Leute in Pskow oder in Moskau mit den Behörden wegen des Erwerbs eines Autobusses einig, bekamen sie auch gleich ein Schreiben von der Be­hörde des RfR, das den Verkauf eines Autobusses an die Pfarrei Mikoliškiai verbietet. So wird der Beschluß des Obersten Rates der LSSR in der Praxis angewendet, der den religiösen Gemeinschaften erlaubt, Transportmittel zu erwerben. 185 Gläubige der Pfarrei Mikoliškiai haben die Erklärung unter­zeichnet.

Viešvėnai (Rayon Telšiai)

Am 5. Oktober 1985 wurde in Viešvėnai der Kriegsveteran, Invalide und langjährige Sakristan der Pfarrei Viešvėnai, Bronius Savickis, beerdigt. Auch die Schüler der Achtjahreschule von Viešvėnai nahmen an der Beerdigung teil. Auf Anordnung der Stellvertreterin des Schuldirektors, Riešutienė, mußten aber die Schüler, die Blumen getragen hatten, außerhalb der Kirche stehen. Da es draußen sehr kalt war und regnete, verbrachten die aus der Kirche hinausgejagten Schüler die Zeit im Glockenturm.

Kelmė

Am 26. März 1986 kamen abends um 22 Uhr zwei Beamte in Uniform zu Regina Teresiūtė, wohnhaft in Kelmė, Laisvės 11. Da sie R. Teresiūtė nicht zu Hause antrafen, fingen sie an zu schreien und ihre Eltern einzu­schüchtern, nannten ihre Tochter eine Tagediebin und Streunerin und droh­ten, sie würden Regina ins Gefängnis bringen. Sie zwangen den Vater des Mädchens, dubiose Schreiben zu unterschreiben. Zu der Zeit arbeitete R. Teresiūtė als Organistin in der Pfarrei Žalpiai. Die Beamten verlangten, daß sich die Tochter, wenn sie zurückkomme, sofort in der Abteilung für das Innere des Rayons melde. Als R. Teresiūtė in die Abteilung kam, wurde ihr erklärt, daß der Vorsitzende des Pfarrkomitees von Žalpiai, Vasiliauskas, ihren Arbeitsvertrag vor drei Monaten aufgehoben habe, deswegen werde sie, wenn sie nicht bald eine staatliche Arbeit annehme, wegen Parasiten-tums vor Gericht gestellt. Mit der Begründung, daß ihr nach Abschluß der Mittelschule wegen ihrer religiösen Überzeugungen nicht erlaubt wurde, weiter zu studieren, erklärte R. Teresiūtė, daß sie lieber ins Gefängnis gehen als eine staatliche Arbeit annehmen werde. Wie sich später herausstellte, wurde der Vorsitzende des Pfarrkomitees der Pfarrei Žalpiai, Vasiliauskas, von den Beamten eingeschüchtert, er werde Unannehmlichkeiten bekom­men, wenn er eine »politische Verbrecherin« in der Kirche beschäftige. Durch Nötigung wurde von ihm erzwungen, den Arbeitsvertrag aufzuheben und R. Teresiūtė nichts davon zu sagen.

Seit 1. April 1986 ist R. Teresiūtė in der Pfarrei Žarėnai-Latveliai und Bazilionys als Wäscherin und Putzfrau tätig; die Verfolgung hat aber im­mer noch nicht aufgehört. Von Zeit zu Zeit kommen Milizmänner zu den Eltern von Regina, schüchtern sie ein und verlangen, die Eltern sollten auf die Tochter einwirken, daß diese den Forderungen der Regierungsbeamten nachgebe und nicht in der Kirche arbeite. In der Nacht zum 22. Mai 1986 klopften etwa um 3 Uhr zwei Beamte in Uniform an die Tür der Familie Teresius. Da die Milizmänner nicht gewillt waren, sich vorzustellen und zu erklären, zu welchem Zweck sie in das Haus hereinkommen wollten, ließ die Familie Teresius sie nicht herein.

Vilnius

Am 29. September 1986 wurde auch der Bürger der Stadt Vilnius, Jonas Sadūnas, zu einer Versammlung der Vertreter der Kooperative Nr. 99 für

Wohnhäuserbau eingeladen. Der Vorsitzende der Kooperative, Petras Žiupsnys, erkundigte sich, waum J. Sadūnas seine Schwester Nijolė Sadū­naitė nicht in die Versammlung mitgebracht habe. Jonas Sadūnas erklärte, daß Nijolė schon seit länger als 14 Monaten aus der Kooperative ausge­schlossen worden sei. Deswegen brauche sie die Versammlung nicht mehr zu besuchen, außerdem sei sie kein kleines Kind mehr, das man mitbringen müßte. P. Žiupsnys erklärte, daß N. Sadūnaitė bei der Staatsbank ihre Einzahlungen für die Kooperativewohnung abholen müsse, die ihr gehören, nachdem sie aus der Kooperative ausgeschlossen wurde. Er fügte noch hinzu, daß innerhalb eines Monats das Geld auf eine Depositenrechnung überführt würde und dem Staat zufalle, wenn es innerhalb drei Jahren nicht abgeholt werde. (N. Sadūnaitė hatte für ihre Wohnung 5000 Rubel einbezahlt).

P. Žiupsnys machte Vorwürfe, daß es schon 5 Jahre seien, seit er N. Sadū­naitė nicht mehr sehe. Er versuchte zu erfahren, wo sie wohne. Ihr Bruder erklärte nur soviel, daß N. Sadūnaite widerrechtlich aus ihrer Wohnung verjagt worden sei, denn es gebe keine festgelegte Zeit, wie lange ein Mit­glied der Kooperative außerhalb seiner Kooperativen-Wohnung wohnen dürfe. Darauf beklagte sich P. Žiupsnys, daß N. Sadūnaitė durch die ganze Sowjetunion reise, und es deswegen beinahe unmöglich sei, sie zu finden.

Seda

»An einer Kreuzung von sechs Landstraßen befindet sich Seda, ein schöner Winkel in Niederlitauen. Es ist schön, seine Umgebung anzuschauen, Inter­essant ist Plinkšės. Hier liegt der See von Plinkšės ausgebreitet und die ihn umschließenden Wälder, in denen 1863 ein Zusammenstoß der Auf­ständischen mit dem Militär stattgefunden hatte. Zwischen dem See von Plinkšės und dem Flüßchen Sruoja ragt ein Hügel hervor, der Berg oder auch Burgberg der Mädchen genannt wird. Es wird berichtet, daß es unter ihm geheime Höhlen gegeben habe, die vom See zum Park führten. In diesen Höhlen seien 2000 Mädchen zusammengelaufen, um sich vor den Schweden zu verstecken. Die Schweden hätten sie entdeckt und den Eingang der Höh­len mit Steinen zugeschüttet. Am Fuße des Hügels fließe jetzt eine Quelle von Tränen.« So erzählt C. Kudaba über diesen Winkel Niederlitauens, über Plinkšės in seinem Buch »Kalvotoji Žemaitija« — »Das hügelige Nieder­litauen«. Dieses Jahr jährt es sich zum 360. Mal, daß die Schweden in jenen Tagen unser Land überfallen haben ...

C. Kudaba schreibt: »Ein wichtiges Thema sind diese hundertjährigen Kämpfe des Volkes gegen seine Unterjocher und Unterdrücker. Mit mate­riellen Kulturdenkmälern hat der einfache arbeitende Mensch Niederlitauen geschmückt, indem er in seinen Schöpfungen sein Hoffen auf eine hellere

Zukunft verkörperte, die die sozialistische Epoche zu schätzen gewußt hat und hütet...« Wenn wir aber die Fakten unserer Tage betrachten, dann können wir die Worte des Verfassers »zu schätzen gewußt hat und hütet« ganz sicher nicht bejahen.

In der Nacht zum 4. April vor 4 Jahren wurden auf dem Berg der Mädchen 20 Kreuze und 2 vom Staat »geschützte« Kapellen weggerissen. Die Ein­wohner in der Umgebung und das ganze gläubige Volk waren entsetzt über die »Aktivität« der örtlichen Gottlosen und des damaligen Vorstehers des Sicherheitsdienstes Laskutow. Es wurden Beschwerden an den Ministerrat der LSSR, an das ZK der KPL, an die oberste Militärstaatsanwaltschaft nach Moskau, an den Sekretär des ZK der KPL, an die Fernsehsendung »Argumente« geschrieben, aber statt nach den Übeltätern zu suchen, wurden die verhört, die die Erklärungen unterzeichnet hatten.

Ungeachtet der Belagerung des Berges durch die Regierungsgottlosen lebt der Berg der Mädchen auch heute weiter.. . Von Zeit zu Zeit traut sich das gläubige Volk, neue Kreuze auf dem Berg zu errichten, danach folgen wieder Verhöre, Bespitzelungen, Versuche, die »Missetäter« zu finden. Die Kreuze werden selbstverständlich sofort abgerissen.

An den Tagen der Ablaßfeierlichkeiten von Žemaičių Kalvarija bewachen Militär und Sicherheitsdienst Tag und Nacht den Berg der Mädchen und lassen nicht nur kein Fahrzeug, sondern nicht einmal einen Fußgänger näher an den Berg herankommen. Wenn jemand versucht, sich durch einen Besuch des Berges an die Geschichte des Volkes heranzutasten, wird er verhört, schikaniert und bedroht.

Skuodas

Wir geben einen am 18. Februar 1986 in der Rayonzeitung von Skuodas »Mūsų žodis« — »Unser Wort« abgedruckten Artikel »Pasistatė tvartą« — »Er hat sich einen Stall gebaut« wieder:

»Im Jahre 1930 hat der Pfarrer der Pfarrei Ylakiai in seiner Predigt gesagt, daß die Pfarrangehörigen eine Abgabe — ein Litas pro Hektar Boden — angeblich für den Bau eines Stalls entrichten sollen. Er werde das Geld während der Kaiende einsammeln. Ich habe kein Geld gegeben. Der Pfarrer wurde böse:

»Warum willst Du die heilige Kirche nicht unterstützen?«

»Weil Sie, Pfarrer, die Kirche einem Stall gleichstellen«, erwiderte ich. »Wer Schweine züchten will, soll sich auch selber einen Stall bauen.«

Der Pfarrer drohte:

»Du wirst auch noch etwas mit mir zu tun haben, dann werden wir schon sehen!«

Im nächsten Jahr starb der Vater meines Mannes. Ich machte die Tür des Pfarrhauses auf, der Pfarrer schaute mich grimmig an, schlug irgendein Buch auf und befahl mir, meine Schuld zu begleichen.

»Vergangenes Jahr hast Du die 10 Litas nicht bezahlt, dann zahlst Du jetzt 20.«

Mir fehlten nur 2 Litas. Da schob mir der Pfarrer mein Geld zurück. Ich mußte das fehlende Geld leihen, um »meine Schuld« begleichen zu können. Der Pfarrer hatte gewonnen . ..

Elf Jahre waren vergangen. An den ersten Tagen der Besatzung durch das faschistische Deutschland jammerte der Priester Martinkus in einer Predigt: »Die Kommunisten und die Gottlosen haben nur Hunger und Armut ge­schaffen. Wir wollen Gott ein Opfer bringen, daß er uns befreit hat. ..«

Als die Befreiung Litauens näher kam, verdrückte sich Martinkus nach dem Westen und verleumdet jetzt durch Radio Vatikan Sowjetlitauen. Man braucht sich nicht zu wundern, denn dort bekommt Martinkus mehr bezahlt als in seiner ehemaligen Pfarrei für den Bau des Stalls eingesammelt wurde, und für Geld mit Dreck herumzuwerfen, scheint dem Vertreter der heiligen Kirche ganz in Ordnung zu sein.«

Dieser Artikel ist kein Zufall: Ähnlichen Verleumdungen wird wie so oft auch dieses Mal unter dem gemeinsamen Titel »Akiratis« — »Umschau« in den Rayonzeitungen eine ganze Seite gewidmet. Die Verfasserschaft für ähnliche Artikel im Rayon Skuodas, wie auch für diesen, nimmt gewöhnlich Ona Vičiulienė auf sich. Es ist schwer zu glauben, daß sie als kaum mehr schreibfähige und schon seit langer Zeit in einem Invalidenheim lebende Greisin eine Neigung zur Journalistik haben könnte. Wahrscheinlicher ist, daß sich die Verbreiter tendenziöser Verleumdungen der Kirche, des Glau­bens und der Priester nur hinter dem Namen der Greisin verstecken, vor allem deswegen, weil in dem Artikel nicht das winzigste Körnchen von Wahrheit zu finden ist. In der Kirche von Skuodas hat der Pfarrer der Pfarrei Šatės, Priester Vincentas Senkus, eine Antwort zu dem erwähnten Artikel gegeben.

Er stellte folgendes klar:

1. Im Jahre 1930 konnte Martinkus von der Pfarrangehörigen keine Gelder einsammeln, denn zu dieser Zeit war er nicht nur kein Pfarrer, sondern nicht einmal Priester. Er studierte damals noch am Priesterseminar im II. Kursus. Das bezeugt auch der Schematismus für das Jahr 1930.

2.        Priester Martinkus hat überhaupt niemals in Ylakiai gearbeitet. Er ist in der nahegelegenen Pfarrei Židikai tätig gewesen, wo er nicht einen Stall, sondern ein Pfarrhaus errichtet hatte. Dieses ist jetzt enteignet und von den »Volksbeschützern« derart vernachlässigt, daß es wirklich an einen Stall erinnert.

Durch eine Bemühung des Priesters Martinkus wurde auf dem Friedhof von Židikai eine Kapelle errichtet, wo die allen gut bekannte Schriftstellerin und Erzieherin Marija Pečkauskaitė beerdigt ist.

3.        Daß der Priester Martinkus zur Zeit durch Radio Vatikan Sowjetlitauen verleumdet, ist eine präzedenzlose Anschuldigung, denn er ist schon vor fast 10 Jahren gestorben!

Man sieht, mit welchen Wahrheiten die sowjetischen Bürger gefüttert werden.