Kaunas. Am 29. April 1987 waren die Priester des Rayons zu einer Begegnung mit den Regierungsvertretern in das Rayonexekutivkomitee eingeladen. Verschiedene Beamten erzählten den Priestern von den Errun­genschaften des Rayons. Unter anderem wurde auch an eine Tatsache er­innert wie diese, daß nach Einschränkung des Schnapsverkaufs der Rayon im Jahr zwei Millionen Rubel Verlust habe. Nachdem die Beamten alles ausgesprochen hatten, fragte der Pfarrer der Pfarrei Babtai, Priester Ričar-das Mikutavičius, warum die Priester immer noch nicht dieselben Rechte hätten wie die Atheisten. Die Redner versuchten dies zu widerlegen, indem sie sagten, daß in das Prädidium dieser Begegnung auch ein Priester eingeladen sei. Priester R. Mikutavičius wies darauf hin, daß die Priester in die Denkmalschutzvereine nicht aufgenommen werden; obwohl es auch unter Priestern solche gebe, die die Feder nicht schlecht führen, ist keiner ) von ihnen in der Schriftstellerorganisation. Der Pfarrer von Tabariškės, Priester Petras Dumbliauskas, gab zu bedenken, daß die Priester nicht ein­mal in die Abstinenzvereine aufgenommen werden, hier aber könnten sie durch ihre Tätigkeit wahrhaftig zum Wohle aller wirken.

Während der Begegnung brachten die im Rayon Kaunas tätigen Priester ihren Protest gegen die von der Regierung legitimierte Tötung der unge­borenen Kinder vor, von denen jedes Jahr in Litauen wesentlich mehr ermordet werden, als Männer während des Krieges gefallen sind.

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Kaunas. Am 23. April 1987 waren die Priester des Rayons Alytus zu einer Begegnung mit dem Bevollmächtigten des RfR, Petras Anilionis, in das Exekutivkomitee der Stadt eingeladen. Es sind nur einige gekommen. Der Bevollmächtigte verlangte, daß die Priester alle Anstrengungen machen sollten, während der Jubiläumsfeierlichkeiten der Taufe Litauens „Exzesse" zu verhüten.

Kaunas. Die Priester der Stadt Kaunas wurden am 13. Mai 1987 für 12 Uhr in die Räume des Exekutivkomitees der Stadt Kaunas geladen. Zu ihnen sprach der Stellvertreter des Exekutivkomiteesvorsitzenden der Stadt Kaunas, Kazakevičius. Nachdem er die seelsorgerische Arbeit der Priester positiv bewertet hatte, sagte er wörtlich: „Ich freue mich, daß es zwischen uns keine Mißverständnisse gibt." Dann äußerte der Redner seine Hoff­nung, daß es Mißverständnisse, wie er glaubt, auch in der Zukunft nicht geben werde. Der Stellvertreter Kazakevičius ermahnte die Priester, anläß­lich der kommenden Feierlichkeiten des 600-jährigen Jubiläums der Taufe Litauens wachsam zu sein und forderte sie auf, daß:

-  in den Kirchen keine Unterschriften unter Erklärungen und Protest­schreiben gesammelt werden;

- auf den Kirchhöfen und in den Vorräumen der Kirchen kein Handel mit Devotionalien getrieben wird;

- die Jubiläumsmedaille in den Kirchen nur mit Erlaubnis des Exekutiv­komitees angebracht werden soll und der Platz, wo sie angebracht wird, mit dem Exekutivkomitee abgestimmt sein soll.

Als die Versammlung zu Ende ging, erkundigte sich der Stellvertreter Kaza­kevičius, ob es noch Fragen gebe. Es gab aber keine. Nach seiner Rede fingen die Priester an zu applaudieren, aber Kazakevičius selbst hat sie davon abgehalten und sagte: „Applaudieren ist nicht nötig."

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Klaipėda. Am 25. März 1987 hat der Bevollmächtigte des RfR, Petras Anilionis, die Mitglieder der Kirchenkomitees des Rayons Klaipėda einge­laden. Die größte Aufmerksamkeit widmete der Bevollmächtigte in seiner Rede den Feierlichkeiten des Jubiläumsjahres; er forderte sie auf, wach zu sein, damit seitens der Gläubigen keine „Exzesse" vorkommen. Der Bevoll­mächtigte schwärzte wie er nur konnte die Heiligen Litauens an, versuchte die Versammelten zu überzeugen, daß der hl. Casimir kein Litauer, son­dern ein Pole gewesen sei, der nicht einmal litauisch sprechen konnte, daß der zukünftige Selige Erzbischof Jurgis Matulaitis ausschließlich den Polen gedient habe und daß er Vilnius der Kirchenprovinz Polens überlassen habe, was die sowjetische Regierung nicht mehr rückgängig machen könne.

Am Schluß fragte ihn eine Frau, wann die Kirche der „Königin des Friedens" von Klaipėda endlich zurückgegeben wird. P. Anilionis riet ihr, geduldig zu warten, denn die Frage werde erst geklärt. „Hier können keine Unterschriften und ihre Sammler helfen", sagte der Bevollmächtigte, „ihr müßt sie zur Raison bringen und geduldig warten".

K r e t i n g a. Ende März 1987 hat der Stellvertreter des Bevollmächtigten des RfRJuozėnas, zu den Mitgliedern der Kirchenkomitees des Rayon Kretinga gesprochen. Juozėnas kann sich bis jetzt immer noch nicht beru­higen und erhebt immer noch die Frage, wie der Pfarrer der Kirche von Kretinga, Priester B. Burneikis, vor einem Jahr feierlich, mit kirchlichen Zeremonien, so einen „Verbrecher" wie den verstorbenen P. Paulaitis, beerdigen konnte. Den Stellvertreter Juozėnas beruhigt etwas die Tatsache, daß dieses Jahr, am Jahrestag des Todes von P. Paulaitis, in der hl. Messe sein Name nicht genannt und dem „Extremisten" Priester Rokas Puzonas eine Predigt zu halten nicht erlaubt wurde. „Das ist schon lobenswert", sagte Juozėnas. „Die Mitglieder der Kirchenkomitees dürfen grundsätzlich nicht erlauben, die Räume der Kirche zu benutzen, um Staatsverbrecher' zu ehren."

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Telšiai. Am 26. März 1987 waren die Mitglieder der Pfarrkomitees der Umgebung von Telšiai, die von der Regierung „Zwanziger" genannt wer­den, in das Kulturhaus von Telšiai eingeladen. Zu ihnen sprach P. Anilio-nis. Auch die Stellvertreterin des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees von Telšiai, B. Urbelytė, nahm daran teil. Das Hauptthema der Rede des Bevollmächtigten P. Anilionis war die Vorbereitung für das 600-jährige Jubiläum der Taufe Litauens. Anilionis hob die „großen" Verdienste der Regierung bei der Bemühung hervor, der Kirche Litauens zu helfen, dieses Jubiläum schöner zu begehen. Er zählte auf, wieviele Gebetbücher, Kate­chismen, Kalender der Katholiken usw. die Regierung herausgegeben habe, und daß das, „was die Regierung drucken ließ, den Gläubigen vollkommen genüge." Er versprach, daß in der Zukunft 50000 Jubiläumsbildchen her­ausgegeben würden... „und alle werden den Gläubigen übergeben, für uns werden wir nur die Muster behalten", - erzählte der Bevollmächtigte P. Anilionis. Er prahlte damit, daß, nachdem die Bischöfe sich geweigert hätten, ein farbiges Album der Kirchen herauszugeben, diese Arbeit die Regierung dem Verlag „Mintis" anvertraut habe. Die ersten 500 Alben sollen schon im April in Buchhandlungen und Kiosken erscheinen. Er erinnerte alle daran, daß Erzbischof J. Matulaitis bald im Vatikan selig gesprochen werde und betonte dabei, daß er im Vatikan Jerzy Matulewicz genannt werde, die Vertreter der sowjetischen Regierung würden aber ein Gespräch mit dem Vatikan wegen der „Rückgabe" seines litauischen Namens anzuknüpfen versuchen; er machte allen klar, daß es gelungen sei, mit den Geistlichen einig zu werden, damit diese der Regierung erlauben, Porträts von J. Matulaitis zu drucken, und daß sie jetzt schon in Vorberei­tung seien. Er vergaß auch nicht, daran zu erinnern, daß einige Genehmi­gungen für die Renovierung und Restauration von Kirchen erteilt worden sind und daß für Priester die Reiseerlaubnisse für die Feierlichkeiten, die jm Vatikan stattfinden werden, in Vorbereitung sind. Der Bevollmächtigte versuchte mit allen Mitteln die Versammelten zu überzeugen, daß die Regierung sehr darum bemüht sei, daß Litauen einen Heiligen bekommt.

Daß die Katholische Kirche in Litauen verfolgt wird, ist also nur ein Geschwätz und reine Lüge", - erklärte P. Anilionis.

Im zweiten Teil seiner Rede sprach sich P. Anilionis ausführlich und streng gegen das Sammeln von Unterschriften unter Schreiben mit der Forderung aus, die Kirche von Klaipėda zurückzugeben, und die unschuldig verurteil­ten Priester A. Svarinskas, S. Tamkevičius, J. Matulionis in die Freiheit zu entlassen. Er unterstrich dabei, daß das Sammeln von Unterschriften noch niemals eine Streitfrage gelöst habe und daß auch in Zukunft das Sammeln nichts Gutes bringen werde. Nach Ansicht von P. Anilionis seien positive Ergebnisse nur durch Verhandlungen zwischen der Regierung und dem Episkopat zu erwarten. Zum Schluß der Rede drohte er, daß die Unter-schriftensammler in Zukunft bestraft werden würden.

Nach der Rede reichten die Gläubigen dem Redner eine Reihe von Fragen ein. Auf die Frage, warum die Gläubigen ihre Gebetbücher nicht frei in Buchhandlungen und am Kiosk kaufen können, antwortete der Bevoll­mächtigte, daß die Bischöfe schuld daran seien, weil sie alle Gebetbücher an sich nehmen und von den Gläubigen einen Gewinn zu erzielen ver­suchten. Auf die Bitte der Gläubigen von Gadunavas, die Kirchenabgaben zu ermäßigen (sie müssen jedes Jahr sogar 1200 Rubel an die Regierung zahlen), erklärte der Bevollmächtigte, daß man sehen könne, daß die Gläu­bigen die Kirche nicht sehr benötigten, wenn sie kein Geld zusammenbrin­gen, um sie zu unterhalten. Er hat geraten, sich an die Regierungsorgane zu wenden, damit diese die Kirche schließen. Auf die Anfrage, warum in den Schulen gläubige Schüler genötigt und auf jede Art und Weise gezwungen werden, sich von ihren Überzeugungen loszusagen und die Kirche nicht zu besuchen, antwortete P. Anilionis, daß die Lehrer das ja gerade tun müßten; es handle sich dabei um die sogenannte antireligiöse Propaganda.

Mit solchen und ähnlichen Antworten schloß der Bevollmächtigte des RfR seine Rede ab und zeigte wieder einmal die „herzliche" Sorge der Regie­rung um die Katholische Kirche Litauens.

Obeliai (Rayon Rokiškis). Ein Sicherheitsbeamter aus Vilnius beschul­digte im März 1987 den Ortspfarrer, Priester A. Zulonas, er nehme an den von Dekan J. Janulis veranstalteten „antisowjetischen Zusammenkünften" teil. Die von dem Tschekisten genannten „Zusammenkünfte" sind die von Zeit zu Zeit vom Dekan zusammengerufenen Dekanatskonferenzen. Nach dem Wissen der Sicherheitsbeamten gibt es solche Sachen in anderen Dekanaten nicht, deswegen darf es sie auch im Dekanat Rokiškis nicht geben.

Varputėnai (Rayon Šiauliai). Am 9. Mai 1987 fand in der Kirche von Varputėnai eine Gedenkfeier zum 600-jährigen Jubiläum der Taufe Litauens statt. Kurz nach der Gedenkfeier wurde der Vikar von Kuršėnai, Priester Edmundas Atkočiūnas, der die Pfarrei versorgt, in das Rayon­exekutivkomitee vorgeladen, wo ihm der Stellvertreter des Vorsitzenden Tekorius eine Ermahnung des Bevollmächtigten des RfR wegen Verletzung des Statutes des religiösen Gemeinschaften während der Jubiläumsfeier­lichkeiten vorgelesen hat, weil Gastpriester aus anderen Pfarreien ohne Erlaubnis der Rayonverwaltung daran teilgenommen haben und der „Extremist" und Benefiziant von Plungė, Priester Petras Našlėnas, die Predigt gehalten hat; auf dem Friedhof, der sich in der Nähe der Kirche befindet, wurde ohne Genehmigung der Rayonverwaltung eine Säulen­kapelle errichtet und während der Feierlichkeiten eingeweiht. Dem Bevoll­mächtigten mißfiel auch, daß während der Gedenkfeierlichkeiten die vor kurzem aus dem sowjetischen Lager zurückgekehrte Jadvyga Bieleauskienė die Gläubigen aufgefordert hat, sich der Abstinenzbewegung anzuschließen.

Priester E. Atkočiūnas weigerte sich, die Ermahnung zu unterschreiben. Unterschrieben haben zwei aus dem benachbarten Zimmer gerufene Zeugen.

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Paberžė (Rayon Vilnius). Unbekannte Übeltäter drangen am 2. März 1987 während des Hochamtes in das Pfarrhaus von Paberžė ein und nah­men das Kassenbuch der Kirchenkasse mit. Herbeigerufene Beamte der Miliz haben nach 10-stündiger Suche keine Fingerabdrücke der Diebe gefunden. Am Schluß der Untersuchung nahmen sie die Fingerabdrücke von beiden Händen des Pfarrers, Priester Donatas Valiukonis, ab.

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Žiežmariai (Rayon Kaišiadorys). In der Nacht zum 10. Juni 1987 wurde die Kirche von Žiežmariai ausgeraubt. Nachdem unbekannte Übeltäter das Glas des Kirchenfensters eingeschlagen und die Eisenrahmen ver­bogen hatten, drangen sie in das Kircheninnere ein. Hier brachen sie die Sakristeitür auf, raubten die Opferstücke aus und nahmen die von Gläu­bigen geopferten Geldspenden mit.

 

Vilnius. Durch Litauen bewegt sich eine neue Woge der Protesterklä­rungen. Die Gläubigen verlangen, S. Exz. Bischof Julijonas Steponavičius zu erlauben, nach Vilnius zurückzukehren und ungehindert sein Hirtenamt ausüben zu dürfen, wie auch die unschuldig verurteilten Priester Alfonsas Svarinskas, Sigitas Tamkevičius, Jonas-Kastytis Matulionis aus den Gefäng­nissen zu entlassen.

Am 29- März wurden Unterschriften unter solche Erklärungen im Vorraum der St. Raphael-Kirche gesammelt. Der Pfarrer dieser Kirche, Priester Antanas Dilys, befahl den Sammlern, vor die Tür der Kirche hinaus­zugehen und erklärte: „Wollen Sie vielleicht, daß ich aus Vilnius versetzt werde?" Er drohte, die Miliz zu rufen. Das Unterschriftensammeln wurde vor der Tür der Kirche auf der Treppe fortgesetzt. Der Pfarrer kam wieder und forderte streng auf wegzugehen: „Ein gutes Wort genügt euch wohl nicht!" - wiederholte einige Male Priester A. Dilys. Eine der Unterschrif­tensammlerinnen machte ihm klar, daß sie schon hinter die Tür hinausge­gangen seien und hier die Unterschriften so sammelten, wie es der Priester verlangt habe. Priester A. Dilys verbesserte, daß auch der Kirchhof zur Kir­che gehöre, und daß er nur außerhalb des Kirchhofes oder in den Häusern die Unterschriften zu sammeln „erlaubt" habe. „Würde es ihnen gefallen, wenn ich in ihre Häuser käme und dort wirtschaften würde?" - erhitzte sich Priester Dilys. Als ihm erklärt wurde, daß die Kirche auch den Gläubi­gen gehöre, verteidigte sich Priester Dilys, daß er deswegen nicht erlaube, Unterschriften zu sammeln, damit die Regierung die Kirche nicht schließe.

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Vilnius. Am 4. April 1987 wurden die Unterschriften neben der St. Anna-Kirche gesammelt. Als einem in die Kirche gehenden Mann angebo­ten wurde zu unterschreiben, weigerte er sich und protestierte entschieden: „Wissen Sie nicht, wer ich bin? Man darf keine Unterschriften sammeln!" Während des Gottesdienstes ministrierte dieser Mann am Altar.

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Vilnius. Am 10. April 1987 fanden in der St. Theresien-Kirche die Fastenzeitexerzitien statt. Die Unterschriften für den Bischof J. Stepona­vičius und für die inhaftierten Priester wurden im Korridor der St. There­sien-Kirche gesammelt, der die Kirche mit der Kapelle im Tor der Morgen­röte verbindet. Der Sakristan der St. Theresien-Kirche Povilas Stanelis und ein junger Mann, der sich anschickt, in das Priesterseminar einzutreten, verjagten die Frauen, die die Unterschriften gesammelt haben, aus der Kirche. Sie gingen mit den Frauen sehr grob um, drohten ihnen mit der

Miliz, hetzten die Leute auf, die Erklärung nicht zu unterschreiben und sagten, daß die Unterschriften gesammelt würden, damit die Kirche geschlossen werde. Als ihnen angeboten wurde, den Text zu lesen, bemüh-ten sie sich nicht einmal darum. Als eine der Sammlerinnen die Äußerung vorbrachte, daß einem Sakristan, der sich so benimmt, eher die Uniform eines Sicherheitsbeamten und nicht ein Chorrock zu Gesicht stehe, ging P, Stanelis weg. Der junge Mann aber drohte auch weiter mit der Miliz und forderte die Frauen auf, sich zu entfernen. Als die Frauen ihm nicht gehorchten, wandte er Gewalt gegen sie an und versuchte, ihnen die schon gesammelten Unterschriften wegzunehmen. Als man sich wegen der Grob- heit der Bediensteten beklagte, antwortete der Verwalter der Erzdiözese A. Gutauskas, daß es allen Sammlerinnen noch schlimmer ergehen werde, wenn richtige Männer kämen. Der Verwalter der Erzdiözese A. Gutauskas erlaubte nur außerhalb der Türen der Kirche die Unterschriften zu sam- mein, d. h. auf der Straße, weil die St. Theresien-Kirche keinen Kirchhof hat.

Am Abend des 10. April wurden in der Kirche der Vorsehung Gottes Unterschriften gesammelt. Auch hier verlangte eine Schar junger Kirchen­diener aufdringlich, das Sammeln der Unterschriften zu unterbrechen, drohte mit der Miliz und sogar mit Zusammenschlagen. Ihr aufdringliches Verhalten zeigte unmißverständlich, daß diese Jugendlichen dies nicht aus eigener Initiative taten.

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Skuodas. Am Karsamstag und an Ostern 1987 wurden in der Kirche von Skuodas ebenfalls Unterschriften unter eine Erklärung gesammelt, die an Generalsektretär M. Gorbatschow gerichtet war, mit der Bitte, Bischof J. Steponavičius zu erlauben, aus der Verbannung nach Vilnius zurückzu­kehren, und die inhaftierten Priester zu befreien. Der Dekan von Skuodas, Priester P. Palšis, hat selbst die Erklärung von der Kanzel aus vorgelesen und die Gläubigen aufgefordert, mit ihren Unterschriften das Ersuchen zu unterstützen. Gleich nach dem Weißen Sonntag wurde der Dekan, Priester P. Palšis, in das Rayonexekutivkomitee vorgeladen, wo ihn die Stellvertre­terin des Vorsitzenden Ložienė wegen des Unterschriftensammelns ausge­schimpft hat. Die Stellvertreterin erklärte, sie hätte nie geglaubt, daß der Dekan so etwas tun könnte. „Die Regierungsbehörden haben schon gewußt, daß in den Kirchen Unterschriften gesammelt werden, daß aber der Dekan selbst die Gläubigen von der Kanzel aus auffordern würde zu unterschreiben, das ist schon zu viel, das kann man nicht dulden", -erregte sich die Stellvertreterin des Vorsitzenden.

Beim Auseinandergehen drohte die Stellvertreterin Ložienė dem Dekan, Priester P. Palšis, daß eine Begegnung mit dem Staatsanwalt nötig sein werde, wenn diese Verwarnung nicht hilft.

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Kaunas. Im März 1987 wurde im Priesterseminar der Seminarist des 3. Kursus E. Merkys zum Vizeformarius und der Seminarist M. Juršėnas zum Vizepfarrer ernannt. Sie verblieben in ihren Ämtern nur einen einzi­gen Tag. Als der Bevollmächtigte P. Anilionis von diesen Ernennungen erfuhr, ordnete er an, die Aufgabengebiete zu ändern: E. Merkys müsse Vizepfarrer, und M. Juršėnas Vizeformarius sein.

Die Regierungsbeamten haben angefangen, sich nicht nur in die Ernen­nungen der Priester, sondern auch in die Ernennungen der Seminaristen in gewisse Aufgabengebiete einzumischen; und das in einem Lande, wo die Kirche vom Staat getrennt ist.

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Miroslavas (Rayon Alytus). An Pfingsten, dem 7. Juni 1987, wurde in der Kirche von Miroslavas die Primiz des Neupriesters Kazimieras Gražulis gefeiert. An diesem Tag wurden Unterschriften unter ein Schreiben an den Generalsekretär des ZK der KPdSU gesammelt mit der Bitte, Bischof J. Steponavičius aus der Verbannung und die inhaftierten Priester, die jahrelang in Miroslavas tätig waren wie Priester A. Svarinskas, Priester S. Tamkevičius und auch den Priester J. Matulionis zu entlassen. Der Orts­vorsitzende Rubliauskas, der auf dem Kirchhof herumspazierte, drohte den Unterschriftensammlern und nahm einer Frau einen Erklärungstext ab, auf dem schon acht Personen unterschrieben hatten.

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Prienai. In der Nacht zum 23. August 1986 wurde auf einer Anhöhe zwischen Kieferbäumen, nicht weit von der neugebauten Straße, die Prie­nai mit Kapsukas und Alytus verbindet, ein Kreuz aus Holz errichtet. Es stand nur 7 Tage lang, nachher wurde es von Regierungsbeamten ausgerissen.

In der Nacht zum 30. April 1987 erhob sich an derselben Stelle ein neues Kreuz, es blieb nur 3 Tage stehen, bis es ebenfalls ausgerissen wurde.

In der Nacht zum 16. Mai wurde ein Kreuz auf dem sogenannten Bräute­hügel neben der Straße Prienai - Kaunas aufgestellt. Am 19. Mai rissen die Gottlosen es um.

In der Nacht zum 11. Juni richteten die Leute auf einer Anhöhe am Rande eines Waldes neben der Straße Prienai - Alytus, etwa 7 km von Alytus ent­fernt, ein 8 Meter hohes Kreuz aus Birkenholz auf. Am Kreuz war eine Inschrift angebracht: „Schaut, liebe Brüder, die Prozessionen der Verbann­ten durch Tundra und Steppen an, und die Zange, die das lebendige Herz der geliebten unglücklichen Heimat schmerzlich zusammenpreßt." Am 13. Juni schnitten die Gottlosen dieses Kreuz in Stücke und verstreuten sie, nur den Gekreuzigten nahmen sie mit. Am nächsten Tag brachte jemand die Stücke des ehemaligen Kreuzes am Boden zusammen und stellte dane­ben ein kleines Kreuz auf. Über Nacht waren die Teile des Kreuzes und das kleine Kreuz verschwunden.

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Kaunas. Es sind schon mehr als 14 Jahre seit dem Tag vergangen, als dem Arzt Izidorius Rudaitis, wohnhaft in Kaunas, Žemaičių g-vė Nr. 12, am 27. März 1973 ein Strafprozeß zusammenfabriziert wurde, in dem er der antisowjetischen Tätigkeit beschuldigt wurde. I. Rudaitis wurde damals zu drei Jahren Haftstrafe in einem Lager mit strengem Regime und zur Kon­fiszierung seines Eigentums verurteilt. Als er seine Strafe in einem Lager in Mordowien verbüßte, konfiszierten die Regierungsbeamten das Auto Gaz - 21, das I. Rudaitis gehört hatte, und belegten seine Spareinlagen mit Beschlag, die auf der Sparkasse lagen. Nach seiner Rückkehr vom Strafver-büßungsort meldete sich I. Rudaitis im März 1978 in seiner Wohnung in der Žemaičių g-vė Nr. 12 an. Im Jahre 1978 ließ I. Rudaitis, gemeinsam mit dem Eigentümer der Wohnung, im 1. Stock auf eigene Kosten einen Erdgasanschluß installieren, entrichtete ständig alle Abgaben und wohnte in der Wohnung wie ein vollberechtigter Wohnungsinhaber. Am 27. April 1984 führten die Tschekisten, nachdem sie einen Durchsuchungsbefehl aus­gehändigt hatten, unter dem Vorwand, daß der Arzt I. Rudaitis Schwarzhan­del mit Autoteilen treibe, eine Durchsuchung durch. Während der Suche nach Autoteilen wurde, wie es bei den Sicherheitsbeamten üblich ist, in Bücherregalen, in persönlichen Notizen, in den Schreibtischschubläden nach Autoteilen gesucht. Auch das Gartenhäuschen wurde durchsucht. Etwa drei Monate danach wurde der Arzt I. Rudaitis in den KGB-Palast in Kaunas gerufen, wo ihn der Beamte Rusteika der antisowjetischen Tätig­keit beschuldigte und ihm eine Verwarnung zu unterschreiben befahl. Der Arzt weigerte sich, sich an diesem Schauspiel der Lüge zu beteiligen. Als der KGB-Beamte einsehen mußte, daß er auf diese Weise nichts erreichen werde, fing er es mit Schläue an und ging von einem strengen Gespräch über antisowjetische Tätigkeit zu dem Problem der Rückgabe des konfis­zierten Eigentums über. Der Tschekist Rusteika hat J. Rudaitis geraten, wegen der Rückgabe des konfiszierten Geldes, das auf der Sparkasse liege, sich an den Obersten Gerichtshof zu wenden. Der Arzt wandte sich an den Obersten Gerichtshof und bekam von dem Gerichtshofsvorsitzenden M. Ignotas ein Schreiben, daß die Beschlagnahmung seiner Einlagen aufge­hoben sei. Am 28. Januar 1985 teilte der Stellvertreter des Vorsitzenden des Obersten Gerichts, J. Misiūnas, mit dem Schreiben Nr. 9-2-4-38-85 dem Arzt I. Rudaitis mit, daß entsprechend Punkt 1 und 2 des §50 des StGB der LSSR der Teil des Gerichtsbeschlusses wegen der Eigentumskonfiszierung nicht mehr vollzogen werden könne, wenn sie nicht innerhalb von fünf Jahren, vom Tag der Urteilsverkündung an, ausgeführt worden sei.

Ąb Juni 1984 besuchte der Sicherheitsbeamte Rusteika von Zeit zu Zeit den Arzt I. Rudaitis zu Hause, wo er, ohne zu vergessen, seine Freundlich­keit zu betonen, ihn über die Untergrundpresse und andere den KGB interessierende Fragen ausfragte. Als der Arzt geantwortet hatte, daß er nichts davon wisse, ging der Tschekist wieder. Plötzlich, am 9. Januar 1986, um etwa 23 Uhr abends, kamen der Vorsitzende der 2. Wohnungsverwal­tung Rugienis, der Bedienstete Maskvytis und der Milizbeamte Koreiva, nahmen dem Arzt I. Rudaitis und seinem Sohn Ąžuolas Rudaitis ihre Per­sonalausweise und das Wohnungsbuch ab, meldeten sie beide zwangsweise aus der Wohnung ab und befahlen ihnen, innerhalb von drei Tagen die Wohnung zu räumen. Weder der Vater noch der Sohn verließen die Wohnung. Am 13. Januar warfen dieselben Beamten ihre Möbel aus der Wohnung in das Treppenhaus hinaus. I. Rudaitis wandte sich in dieser Angelegenheit an den Staatsanwalt des Leninrayons in Kaunas, Vilimas, legte ihm die nötigen Unterlagen vor und berichtete ihm genau von den Ereignissen. Nachdem der Staatsanwalt die Unterlagen überprüft hatte, befahl er nach drei Tagen dem Bediensteten Maksvytis, die Wohnung auf­zuschließen und die Sachen von Rudaitis aus dem Treppenhaus wieder in die Wohnung zu bringen. Maksvytis erfüllte die Anordnung des Staats­anwaltes nicht. Nachdem der Staatsanwalt es erlaubt hatte, trugen der Vater und der Sohn Rudaitis selber ihre Möbel in die Wohnung zurück. Es stellte sich heraus, daß in der Zeit, als Izidorius und Ąžuolas Rudaitis im Treppenhaus „gewohnt" hatten, die Wohnungsverwaltung, unter der Vermittlung des Völksabgeordneten des Leninrayons, Kavolis, die Woh­nung von Rudaitis an D. Mikutėnaitė verkauft hatte. Das wurde am 16. Januar gemacht. Und siehe da, am 2. März kam das Volksgericht des Leninrayons in Kaunas zu dem Beschluß, daß Izidorius und Ąžuolas Rudaitis in die Wohnung der Mikutėnaitė eingedrungen seien. Auf Grund der Unterlage vom 28. Januar 1985, mit der bestätigt wird, daß eine inner­halb von fünf Jahren nicht vollzogene Konfiszierung des Eigentums unwirksam wird, ist es klar, daß die Wohnung rechtmäßig dem Arzt I. Rudaitis gehört. Die Wohnungsverwaltung hatte kein Recht, eine persön­liche Wohnung zu veräußern. Nach jedem Zwischenfall mit dem Arzt I. Rudaitis erschien bei ihm der Tschekist Rusteika und sagte immer, daß der Arzt sich an den KGB wenden solle, der alles zu seinen Gunsten regeln werde. I. Rudaitis antwortete jedesmal darauf, daß er nicht der Meinung sei, daß das alles ohne Wissen des KGB geschehe, im Gegenteil - daß das gerade seine Absichten seien. Rusteika hörte nicht auf mit seinem Bemü­her», ihn zu überzeugen, daß man nicht nachgeben soll, denn das Gesetz sei auf der Seite des Arztes. I. Rudaitis bat daraufhin, der Beamte des KGB Rusteika möge vor Gericht aussagen, daß er in dieser Wohnung gewohnt hatte und auch jetzt darin wohne. Der Tschekist war damit einverstanden, als aber der Tag der Gerichtsverhandlung kam, weigerte er sich anzutreten mit der offiziellen Begründung, daß es der Gebietsvorsteher des KGB von Kaunas, Bagdonas, nicht erlaube. Ungeachtet einer ganzen Reihe von Zeu­gen, die ausgesagt hatten, daß I. Rudaitis und sein Sohn Ąžuolas Rudaitis in der Wohnung ständig gewohnt haben, nahm das Volksgericht des Lenin­rayons in Kaunas, unter Vorsitz des Richters Blazevič, am 4. Juni 1987 den Beschluß an, Izidorius und Ąžuolas Rudaitis aus der Wohnung in der Žemaičių g-vė Nr. 12 verlegen zu lassen, ohne ihnen einen anderen Wohn­raum zuzuweisen.

Man muß zu der Schlußfolgerung kommen, daß die Tschekisten, als sie nach der Durchsuchung im Jahre 1984 und nach den Drohungen einsehen mußten, daß der Arzt I. Rudaitis ungebrochen blieb (er schrieb an seinen Erinnerungen, verfolgte aufmerksam das politische Geschehen, lebte das Leben eines aufrichtigen Christen und Litauers, und zudem gingen die Gespräche während der Besuche des Tschekisten Rusteika auch nicht in die vom KGB gewünschte Richtung), beschlossen haben, den greisen Arzt noch mehr zu schikanieren. Wer weiß, vielleicht kippt er doch noch um! Wenn es ihm eines Tages leid wird um seine Wohnung und er es mit der Angst zu tun bekommt, wird der Sicherheitsdienst mit ihm doch noch han­delseins und er gibt gegen diesen moralischen und materiellen Druck auf. Wie immer bedient sich der Sicherheitsdienst selbstverständlich nur frem­der Hände. In diesem Falle waren es die Wohnungsverwaltung, die Miliz, der Volksabgeordnete Kavolis und andere, die als Instrumentarium des KGB fungierten. Der Staatsanwalt Vilimas versuchte anfangs noch, gegen die Wohnungsverwaltung einen Strafprozeß anzustrengen, aber es wurde ihm klar gemacht daß man I. Rudaitis nicht verteidigen dürfe; er sei ein Feind der sowjetischen Regierung.

Die Gesetze der UdSSR ruhen auf glattem Boden, deswegen sind sie nicht schwer in die Richtung zu verrutschen, in die der KGB es wünscht. Die Schikanen gegen den Arzt Izidorius Rudaitis dauern auch weiter an.

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Veiveriai (Rayon Prienai), zum Andenken an das 600-jährige Jubiläum der Taufe Litauens wurde im Juni 1987 auf dem Kirchhof der Kirche von Veiveriai ein Kreuz errichtet. Bald danach wurde der Pfarrer der Pfarrei Vei­veriai, Priester K. Skučas, in das Rayonexekutivkomitee vorgeladen, wo er ausgeschimpft wurde, weil er ohne Erlaubnis der Regierung ein Kreuz errichtet habe. Der Priester erklärte, daß man seines Wissens auf einem Kirchhof und auf dem Friedhof auch ohne besondere Erlaubnis der Regie­rung Kreuze errichten dürfe; er habe es schon in seinen früheren Pfarreien so gehalten und niemand habe ihn deswegen bestraft.

Deswegen wird es nötig sein, der dortigen Rayonverwaltung Mitteilung zu machen, daß Sie ein notorischer Gesetzesbrecher sind, falls Sie wegen die­ses Vergehens in eine andere Pfarrei versetzt werden" - machte ihm der stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees klar und erklärte ihm gleichzeitig, daß er mit Sicherheit eine Erlaubnis, ein Kreuz zu errichten bekommen hätte, wenn er sich nur rechtzeitig darum bemüht hätte. Als Beispiel nannte er den Pfarrer der Pfarrei Prienai, Priester Užupis, der sich 1984 an die Rayonverwaltung gewandt und um die Genehmigung, eine Säulenkapelle auf dem Kirchhof zu errichten, gebeten habe. So eine Erlaubnis sei angeblich erteilt worden, der Pfarrer habe es sich später aber anders überlegt und die Säulenkapelle nicht auf dem Kirchhof aufgestellt, sondern in der Kirche selbst. Die Erlaubnis gelte aber auch heute nach drei Jahren noch und liege immer noch bei dem Rayonarchitekten.

Im Jahre 1984 wurde dem Pfarrer der Pfarrei Prienai von niemandem die Genehmigung erteilt, eine Säulenkapelle zu errichten. Als nämlich der Priester Užupis dieses Gefasel der Regierungsbeamten gehört hatte, eilte er zu dem Rayonarchitekten, daß es vielleicht wenigstens nach drei Jahren gelänge, eine Säulenkapelle zum Andenken an das St. Casimir-Jubiläum auf dem Kirchhof zu errichten. Der Rayonarchitekt erklärte, daß das ganze Gerede von einer einstigen oder existierenden Erlaubnis nur eine Seifen­blase sei.

 

Litauer, vergiß es nicht:

Priester Alfonsas Svarinskas   

Priester Sigitas Tamkevičius

Priester Jonas-Kąstytis Matulionis   

Viktoras Petkus

Balys Gajauskas             

Gintautas Iešmantas

Povilas Pečeliūnas

und andere tragen die Ketten der Unfreiheit, damit du frei leben und glau­ben darfst!