Am 24. August 1975 starb Pfarrer Vincentas Gelgota aus der Gemeinde Skardupai. In der Vergangenheit war dieser Pfarrer als „besonderer poli­tischer Verbrecher" verurteilt worden. Nach der Strafverbüßung wurde er rehabilitiert, aber die sowjetische Presse fand immer wieder einen Grund, ihn zu beschmutzen.

1967 gab die Druckerei „Mintis" in Vilnius eine Broschüre von Vytautas Denas heraus mit dem Titel Ir mirdami Kovoja (Und sterbend kämpften sie). In einer Broschüre mit dem Titel Juzelė atėjo (Juzele kommt) wird be­schrieben, wie Pfarrer V. Gelgota die sowjetische Mitarbeiterin Juzelė er­mordet habe. Diese lebte im Kreis Šakiai im Ort Žvirgždaičinai. Szene: Eine Maske mit einem schwarzen Bart bückt sich zu ihr und spricht, immer mehr zu ihr herannahend, Haß in den heißglühenden Augen — irgendwie bekannte Augen. Die Hand mit dem Revolver erhebt sich und zielt auf die Brust. „Sie sollen verdammt sein, diese Kriechtiere! Erdrük-ken sollte euch die Hand des Vaterlandes, wie Seifenblasen ..." „Ver­dammt sagst du", sprach sie ängstlich. „Ho, ho, ho, verdammen tu nur ich", flüstert die Stimme, und die linke Hand lüftet die Maske, „hast du ver­standen?" „Ich verstehe", flüstert sie mit leiser Stimme, „Pfarrer Gelgota." Ein Schuß peitscht, ein zweiter, dritter und treffen das Opfer schon im Umfallen auf der Mitte der Bühne. (So wurde diese Szene gespielt, ver­leumderisch, gemein, gegen Pfarrer Gelgota.)

Nachstehend einige Berichte aus dem Archiv von Pfarrer Gelgota.

 

An den Direktor des staatlichen Verlages „Vaizdas" der Stadt Vilnius

Gesuch von Pfarrer Gelgota, Skardupai, Kreis Meškučiai, Rayon Kapsukas

Ihr Verlag hat 1967 eine Broschüre, von Vytautas Dena verfaßt, heraus­gegeben. Sie hatte den Titel Ir mirdami Kovoja (Und sterbend kämpften sie). Die Nummer der Herausgabe ist 9707. Hier schreibt man über mich eine mich tief schmerzende Unwahrheit. Deshalb möchte ich mich hiergegen energisch verwahren und verlange schnellstens Widerlegung dieser infamen Lügen, andernfalls ich mich an das Gericht mit einer Anzeige wenden werde. .. . Auf Seite 69 dieser Schrift bezichtigt man mich eines Mordes. Dies ist eine gemeine Verleumdung. Kann man einem Menschen einen so großen Schmerz zufügen? Ich verlange nochmals eindringlich eine Wider­legung all dieser Beschuldigungen, wie sie Ihr Schriftsteller Denas beschreibt. All diese Anschuldigungen sind 1948 vom Obersten Gerichtshof verworfen worden, ebenso weitere Beschuldigungen, die mir während meiner Amtszeit als Kaplan in der Stadt Aljtus zur Last gelegt worden waren. Die Unter­lagen sind am 24. November 1967 vom Obersten Gerichtshof vernichtet worden und ich wurde rehabilitiert. Ich bitte Sie, mir die Adresse des Ver­fassers zu schreiben, damit ich mit ihm besprechen kann, wie man diese Unwahrheit aus der Welt schaffen kann. Sollte ich innerhalb von 21 Tagen keine Antwort erhalten, werde ich Anzeige erstatten.

Hochachtungsvoll Pfarrer V. Gelgota

Antwort vom Verlag „Mintis":

Hier die Adresse des Schriftstellers Vyt. Denas: Vilnius, Kosčiuskosstraße 36—3. (Unterschrieben vom Direktor des Verlages.)

An den Genossen V. Dėnas, Vilnius, K-Str. 36—3

In dem von Ihnen verfaßten Heft Juzelė atėjo (Juzelė kommt) und in der Broschüre Ir mirdami Kovojo (Und sterbend kämpften sie) bin ich sehr kränkend und schmerzlich für mich geschildert und beschrieben worden. Ich nehme wohl mit Recht an, daß Sie dieses schrieben, ohne über diesen Fall Nachforschungen angestellt zu haben. Denken Sie einmal darüber nach, wenn Sie von jemandem als Mörder hingestellt würden. Sie wären gewiß ebenso schockiert wie ich, und würden eine Widerlegung dieser Verleum­dung verlangen. (Anmerk. d. Red.: Pfarrer G. beschreibt alle unrichtigen Darstellungen.) Ich hoffe auf Ihr Verständnis und denke, daß wir zu einer friedlichen Lösung kommen können. Besser wäre es, wenn Sie diese Un­wahrheiten öffentlich widerlegen würden. Sollte ich von Ihnen bis zum 1. Juli 1968 keine Antwort erhalten, bin ich gezwungen, Anzeige zu er­statten.

Hochachtungsvoll

30. Mai 1968                                                        Pfarrer V. Gelgota

Sehr geehrter Herr Pfarrer Gelgota!

In der Anlage übersende ich Ihnen zwei Exemplare meiner Widerlegungen, die Sie in der Kirchengemeinde vorlegen möchten. Die Widerlegung konnte ich leider nicht zum Druck in die Zeitung Komjaunimo Tiesa (Die Wahrheit der Komsomol) geben, da die Redaktion die Annahme verweigerte. Ich hoffe, daß die Redaktion der Zeitung Naujas Kellas (Neuer Weg) die von mir geschriebene Widerlegung veröffentlicht und somit die Ihnen von mir zugefügte schmerzliche Verleumdung wenigstens insoweit wiedergutgemacht wird. Leider kann ich sonst nichts mehr für Sie tun, obwohl ich es gerne möchte. Sogleich nach dem Krieg haben mir viele Leute über Sie im Dorfe Žvirgždaičiai berichtet. Nachträglich stellte sich heraus, daß Sie mit dieser Angelegenheit Gniazevičius nichts zu tun hatten und fälschlicherweise be­schuldigt waren. Für diesen groben Irrtum bitte ich nochmals höflichst um Verzeihung. Ich wünsche Ihnen Gesundheit und viel Erfolg in Ihrer Arbeit und Ihrer Uberzeugung. Obwohl wir verschiedene Anschauungen haben, habe ich doch nicht das Recht, über Sie die Unwahrheit zu sagen.

25. Juni 1968                                                        Hochachtungsvoll

Vyt. Dėnas

An den Genossen Vyt. Dėnas

(Anm. d. Red.: Pfarrer G. dankt Vyt. Dėnas für seinen Brief und die zwei Exemplare der Widerlegung.)

In der Zeitung Naujas Kellas wurde Ihre Widerlegung nicht veröffentlicht. So bitte ich Sie, in der Kreiszeitung der Stadt Sakiai Ihre Widerlegung zu bringen, da hier diese Verleumdungen über mich veröffentlicht waren und viele Leser diese unwahren Geschichten kennen und wissen, wie es sich zu­getragen hatte. Ich möchte keine Rache üben, denn jeder Mensch macht Fehler, aber es ist gut, daß man Fehler berichtigen kann.

 

28. August 1968          Hochachtungsvoll

Pfarrer V. Gelgota

Sehr geehrter Herr Pfarrer Gelgota!

Leider waren meine Bemühungen ohne Erfolg, den Ihnen zugefügten Schmerz wenigstens teilweise zu lindern und zu beheben, denn die Kreis­zeitungen der Städte Kapsukas und Šakiai haben meine Widerlegungen nicht zur Veröffentlichung angenommen. Die Kreiszeitung Kapsukas hat nicht einmal mein Schreiben beantwortet. Die Zeitungen Sowjetlitauens wollten die Erklärungen nicht anhören, die ich ihnen zu dieser Angelegen­heit zu geben hatte. So bezahle ich für meinen Leichtsinn. Es fehlen mir die Worte, weil ich aus Erfahrung spreche, was ein moralisch zugefügter Schmerz bedeutet. Ich bitte vielmals um Verzeihung für diese unsagbar schwere Kränkung, die ich Ihnen zugefügt habe.

29.   Dezember 1968

Vyt. Dėnas