V. Povilionis und Ė. Zukauskas wurden 1973 wegen antisowjetischer Hand­lungen zu zwei Jahren Arbeitslager verurteilt. Am 27. März 1975 aus dem Lager entlassen, verlangte Povilionis sein Eigentum zurück, das ihm bei seiner Verhaftung abgenommen wurde. Es stellte sich heraus, daß seine Uhr verschwunden war. Daraufhin schrieb er eine Anzeige an den Staats­anwalt der Mordavischen SSR und erklärte, er werde einen Hungerstreik beginnen. Man sperrte ihn in eine Kammer und hielt ihn noch fünf Stunden fest, obwohl er bereits entlassen werden sollte. V. Povilionis erhielt nirgend­wo bei den Einwohnermeldeämtern eine Zuzugsgenehmigung, da sein Sold­buch verlorenging als man bei ihm eine Hausdurchsuchung vornahm. Auf der Militärdienststelle erklärte man ihm, daß nicht sie dieses Soldbuch zu finden hätten, sondern er. Povilionis schrieb eine Anzeige an das Kom­missariat, wo dann plötzlich sein Soldbuch auftauchte. Als V. Povilionis auf dem Kommissariat litauisch sprach, sagte Major Lusninas, er sei wohl im Lager noch nicht geheilt worden.

V. Povilionis suchte nach einer Arbeit auf seinem früheren Arbeitsplatz, dem Institut der Forschung und Entwicklung für Butter und Käse. Er ar­beitete damals in einer Filiale. Direktor Veitkus erklärte ihm, daß es keine freie Arbeitsstelle gäbe und im übrigen sei auf Leute wie er kein Verlaß. Povilionis erfuhr von einigen früheren Kollegen, daß genügend Arbeits­plätze frei seien.

In einem Reisebüro wurden Reiseleiter gesucht. Povilionis sprach hier vor und wollte sich bewerben. Die Sekretärin der Parteiorganisation erklärte, daß sie erst in Vilnius anfragen müsse, ob er hier eingestellt werden könne. Nach einigen Tagen erklärte ihm dann Grigiene, daß der Direktor des Reisebüros, Siauciukmas, ihn auf keinen Fall einstellen würde, ja davon könne gar nicht die Rede sein. Die Sekretärin erklärte, daß man Leute, die aus Ausnüchterungszellen kämen, nicht einstelle, geschweige denn solche, die aus dem Gefängnis kämen. V. Povilionis erwiderte, er käme ja nicht aus der Ausnüchterungszelle. „Um so schlimmer", antwortete die Sekretärin.

An den Staatsanwalt der Litauischen SSR

Bürger Vidmantas Povilionis, Sohn des Jonas, wohnhaft Kaunas, Basana-vicus-Allee Nr. 40/1.

Am 5. August 1975 um 15.30 Uhr wurde ich vom KGB-Beamten Aleinikov in meiner Wohnung verhaftet und wurde unter Bewachung zum Polizei­präsidium Kaunas, Stadtbezirk Lenin, gebracht. Hier erklärte Aleinikov, daß ich sicherlich keiner Tätigkeit nachginge und deshalb eine schriftliche Erklärung abgeben müsse, in welcher ich Fragen nach Arbeitgeber und Arbeitplatz beantworten solle. Ich mußte dann warten, da noch der Chef dieser Polizeibehörde mit mir reden wollte. Nachdem ich eine Begründung für meine Verhaftung verlangt hatte, da meine Festnahme nicht öffentlich bekanntgegeben war, sperrte man mich in eine Zelle zusammen mit krimi­nellen Häftlingen ein. Ungefähr zwei Stunden später führte man mich in einen Raum, in dem bereits Aleinikov und ein Polizeimajor warteten. An­statt meinen Gruß zu erwidern, überfielen sie mich mit den Worten: „War­um grinst du?", obwohl mir bestimmt nicht zum Lachen zumute war. Min­destens dreimal beschimpfte man mich und dann setzte ein Verhör ein. Man fragte mich noch einmal dasselbe, was vor drei Stunden Aleinikov schon aufgezeichnet hatte. Aus den Fragen dieses Majors hörte ich heraus, daß er nicht informiert war, was überhaupt vorlag. Doch verstand ich sehr gut, daß er für meine Verhaftung verantwortlich war.

Zur selben Zeit spielte Aleinikov die Rolle des Beobachters. Auf meine

Frage, warum man mich nicht aufs Präsidium geladen habe, sondern unter Zwang hergeführt hätte, antwortete man mir, daß ich schon einige Male eine Vorladung zugestellt bekommen hätte, es sei aber niemand zu Hause gewesen. Mein Vater, der mit mir zusammen wohnt und nie das Haus ver­läßt, hat nie eine Vorladung oder ähnliches erhalten oder gesehen. Nach diesem Gespräch erklärte man mir, daß ich entlassen sei. Eine Verhaftung ohne irgendeinen Grund spricht gegen das Recht. Zu Hause angekommen, fand ich die Tür zur Veranda offen und das Schloß der Wohnzimmertür war beschädigt. Hier erkannte man einen Einbruch mit Schlosserwerkzeu­gen. Die Schlösser vom Haupteingang waren ebenfalls beschädigt. Ich rief die Polizei, und wen sah ich, einen Leutnant, der bei meiner Verhaftung zugegen war, ersichtlich verlegen. Die Beamten machten keine gründlichen Beweisaufnahmen, nahmen auch keine Fingerabdrücke, und dieser Offizier gab Anweisung, die Tür aufzubrechen, da sie mit dem Schlüssel nicht zu öffnen war. Er selbst ging auf die Straße, um zu rauchen. Er fragte mich, als er wiederkam, was gestohlen sei. Ich antwortete, daß nichts entwendet sei. Die Beamten schrieben eine Erklärung, daß ich gegen sie nichts einzuwenden hätte. Ich fragte, ob denn nach dem Täter gefahndet werde. „Vielleicht", war die Antwort. Solch eine Beweisaufnahme bringt der Polizei keine Ehre ein, sie zeigt nur, daß sie nicht fähig ist, ihre Tätigkeit ordnungsgemäß aus­zuüben. Verwunderlich ist auch die Tatsache, daß die oben genannte Be­hörde und andere staatliche Organe, bürokratische Gangster, viel Zeit für solche Angelegenheiten haben. Am 20. März 1975 wurde mein Vater Jonas Povilionis aufs Sozialamt Kaunas geladen. Ohne Grund wurde er vier Stunden festgehalten und als er zu Hause ankam, hatte das gleiche Theater stattgefunden wie bei mir. Die Schlösser der Türen waren alle beschädigt. Die Polizei hat bis heute keine Schuldigen gefunden. Bei meiner Verhaftung sprachen zwei Beamte mit Aleinikov und in drei Stunden brachten sie es fertig, vier Schlösser kaputtzumachen. Ich will nicht behaupten, daß Diebe evtl. von dem KGB und den Polizeibehörden von bevorstehenden Verhaf­tungen informiert werden und daß sie dann zu Werke gehen. Es müßte so allein ein Zufall sein. Ich bitte um drastische Maßnahmen, damit solche Vorfälle schnellstens geklärt werden.

Kaunas, 21. August 1975

V. Povilionis

Der „Chronik der Litauischen Katholischen Kirche" sind viele gleichartige Fälle bekannt, in denen ebenfalls Beamte des KGB als Einbrecher in die Wohnungen eingedrungen sind, bei Bürgern, die ihnen politisch verdächtig erschienen, um so ungestört ihre Hausdurchsuchungen vornehmen zu können.