An das

Zentralkomitee der KP Litauens Durchschriften:

Präsidium des Obersten Sowjets der Litauischen SSR Ministerrat der Litauischen SSR

Bevollmächtigter des Rates für Religionsangelegenheiten Bischöfe und Bistumsverwalter Litauens

Katholisches Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen Erklärung

der Priester des Bistums Telšiai und der Prälatur Klaipeda

Wir, Priester des Bistums Telšiai, wenden uns an Sie und andere staatliche Stel­len, nicht nur in unserem eigenen Namen. In diesem Falle bringen wir den Wil-

Ien und die Sorge der 200000 Katholiken zum Ausdruck, die wir in geistigen Dingen betreuen. Wir sind Angehörige der von Jesus Christus gestifteten Kir­che, die auf eine Geschichte von fast zweitausend Jahren zurückblickt. Ihre Ver­dienste um die ganze Menschheit, auch um die Kultur dieser unserer Republik, sind gewaltig und unbestritten. Die Universität Vilnius, die ersten Gymnasien, Kollegien und Volksschulen dieses Landes sind kirchliche Gründungen. Auch die Begründer der litauischen Literatur waren Männer der Kirche. In der gesam­ten Kulturwelt ist die christliche Kirche heute aus gutem Grund geschätzt und anerkannt. Nicht zufällig haben die Regierungen aller Staaten der Welt, ein­schließlich der sozialistischen, dem neu gewählten Papst Johannes Paul II. ein­hellig gratuliert und damit die bedeutende Stellung mitanerkannt, die die katho­lische Kirche im gegenwärtigen Leben der Menschheit einnimmt. Oberster und direkter Auftrag der katholischen Kirche ist aber Heiligung und Erlösung der Menschheit. Diese Hauptaufgabe, dies direkte Spezifikum, beruht auf dem göttlichen Prophetentum ihres Gründers Jesus Christus selbst (s. Mt 28,19; Joh 20,21). Dieser apostolische Auftrag findet legitimen Ausdruck in der rechtlichen Jurisdiktion über Priester und Bischöfe, die vom Papst als dem Stellvertreter Christi ausgeht. Bischöfe wie Priester haben sich bei ihrer Arbeit streng an die dogmatischen und kanonischen Verpflichtungen und Weisungen zu halten. Anders würden sie die ihnen aufgetragene Mission der Kirche nicht erfüllen.

Die Sowjetregierung hat zugesagt, sich in das dogmatische, kanonische und reli­giöse Wirken der Kirche nicht einzumischen. Im ZK-Beschluß der KPdSU vom 10. November 1954 heißt es: »Die Gebiets- und Länderkomitees der KPdSU, die ZKs der Unionsrepubliken und alle Parteiorganisationen sind angewiesen, Fehler der atheistischen Propaganda energisch zu verbessern. Zukünftig ist un­ter keinen Umständen zuzulassen, daß Gefühle der Gläubigen und Kirchendie­ner in irgendeiner Form verletzt oder beleidigt werden. Ebenso unzulässig sind administrative Eingriffe in die kirchliche Tätigkeit. Stets ist daran zu denken, daß Beleidigung der Kirche, der Geistlichkeit und der gläubigen Bürger unver­einbar ist mit der von Partei und Staat eingehaltenen wissenschaftlich­atheistischen Propagandalinie und der Verfassung der UdSSR widersprechen, die den Sowjetbürgern Gewissensfreiheit gewährt.« In der neuen Verfassung der UdSSR heißt es: »Den Bürgern der UdSSR wird Gewissensfreiheit garantiert, d. h. das Recht, eine Religion zu bekennen oder auch keine, religiöse Kulte zu praktizieren oder atheistische Propaganda zu betreiben. Haß und Unfrieden im Zusammenhang mit dem religiösen Glauben zu schüren ist verboten. In der UdSSR ist die Kirche vom Staat und die Schule von der Kirche getrennt« (Ver­fassung der UdSSR Art. 52). Dasselbe besagt Artikel 50 der Verfassung der Li­tauischen SSR. Im Lichte des obigen Beschlusses des ZK der KPdSU sind die Verfassungsbestimmungen durchaus dahingehend auszulegen, daß der Kirche damit die Freiheit zugestanden wird, ihre inneren Angelegenheiten nach eigenen Tätigkeitsprinzipien zu regeln, d. h. nach kanonischem Recht unter Einhaltung der dogmatischen und liturgischen Bestimmungen. Diese Voraussetzungen be­stätigen anscheinend auch zuständige Staatsfunktionäre, die mit Regelung von Streitfragen zwischen Staat und Kirche befaßt sind (siehe J. Rugienis, »Die So­wjets und die religiösen Kultgesetze«; in: Tarybu darbas, Arbeit der Sowjets, Nr. 4, 1975, S. 26).

In seinen Artikel »Sozialismus und Religion« schreibt Lenin bereits im Jahre 1905: »Der Staat hat sich nicht um Religion zu kümmern, und religiöse Gemein­schaften sollten nicht mit der staatlichen Gewalt verbunden sein.« Demnach scheint die Kirche das Recht zu haben, ihrer wichtigsten Mission frei nachkom­men zu können. Doch ist dies im praktischen Leben ganz anders.

I.

Am 28. Juli 1976 wurde das »Statut der Religionsgemeinschaften« bestätigt, das einen groben Eingriff in die innerkirchlichen Angelegenheiten darstellt, das ka­nonische Recht völlig mißachtet, dogmatische wie liturgische Bestimmungen beiseite schiebt und praktisch die Freiheit der Kirche abschafft, ihrem direkten religiösen Auftrag nachzukommen, und den Gläubigen die Möglichkeit nimmt, ihr Verfassungsrecht auf Gewissensfreiheit wahrzunehmen.

A. Kanon 87 des Kirchenrechts besagt ausdrücklich, daß ein Mensch im Moment der Taufe vollwertiges Mitglied der Kirche wird mit allen daraus folgenden Rechten und nicht erst im Alter von 18 Jahren,wie im »Statut« vorgesehen. Kirche und gläubige Eltern sind nach kanonischem Recht gleichermaßen verpflichtet, sich auf religiösem Gebiet um die Kinder zu kümmern, ihnen religiöse Dienste nach kanonischen Vorschriften, Bestimmungen und Dogmatik und Liturgik zu leisten (Cañones 1330/1331/1336).

Artikel 3 des »Statuts« widerspricht den kanonischen Bestimmungen der Kirche und dekretiert eine flagrante Einmischung in deren religiöse Tätigkeit. Das Sta­tut widerspricht auch dem Prinzip der Gewissensfreiheit, indem es einen Men­schen bis zur Erreichung des 18. Lebensjahres zwangsweise vom religiösen Le­ben ausschließt; sein verfassungsmäßiges Recht, von der Gewissensfreiheit Ge­brauch zu machen, wird ihm vorenthalten. Artikel 3 des »Statuts« ist somit ver­fassungswidrig, widerspricht der Linie des ZK der KPdSU und kann somit auch keinerlei Gesetzeskraft besitzen.

B. Gestützt auf Bestimmungen des »Statuts« mischen sich örtliche Staatsorgane unter Umgehung der Kurialverwaltungen, der Gemeindepfarrer und Verwalter eigenmächtig in die Formierung der Gemeindekomitees ein und zwingen diesen sogenannte »Verträge« auf. Weder die Gläubigen noch ihr Gemeindepfarrer, noch die Kurialbehörden sind in der Lage, irgend etwas an den Vertragstexten zu ändern oder Änderungsvorschläge zu machen — der Vertragstext ist in der Form zu akzeptieren, die der zivilen Gewalt eben paßt. Daraus ergeben sich nicht nur Verstöße gegen das kanonische Recht, sondern auch gegen Bestim­mungen des Zivilrechtsbuches der Litauischen SSR.

Angesichts von Druck und Drohungen durch örtliche Verwaltungsorgane gegen Mitglieder der Kirchenkomitees und der unter Zwang erreichten Unterzeich­nung sind solche Verträge nach kanonischem wie auch nach Sowjetrecht null und nichtig:

1. Ungültig im Sinne des kanonischen Rechts (Canones 401—407/1519—1528). Diese Artikel verpflichten Ordinare und Gemeindepfarrer bzw. deren Stellver­treter zur Leitung der Gemeindeverwaltung. Hier werden sie dagegen völlig be­seitigt bzw. umgangen.

a)   Nach den zivilrechtlichen Bestimmungen der Litauischen SSR sind Verträge bilaterale, freiwillige juristische Akte. Hier aber handelt es sich um Aufzwingen bereits vorbereiteter einseitiger Verpflichtungen, denen das Moment der Frei­heitlichkeit gänzlich ermangelt.

b) Der Sinn eines Vertrages besteht nach dem Zivilkodex der Litauischen SSR (Art. 168) in der Übereinstimmung bei allen Vertragspunkten. Davon kann hier keine Rede sein.

c)   Ein Kirchenkomitee hat nach sowjetischem Recht nicht die Eigenschaften ei­ner juristischen Person (Körperschaft). Aus diesem Grunde kann ein rechtlich nicht existentes Gremium auch nicht gleichberechtigter Vertragspartner einer Behörde (Körperschaft) sein — hier repräsentiert durch Rayon- bzw. durch Exekutivkomitees der Stadt (siehe Zivilkodex der Litauischen SSR, Artikel 23—24). Nach Bestimmungen des aufgezwungenen Vertrages hat das Kirchen­komitee viele Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten zu übernehmen, muß für viele Ausgaben aufkommen — und ist dabei nicht einmal rechtsfähig!

C. Unter Verletzung des Leninschen Verfassungsgrundsatzes — Trennung von Kirche und Staat — versuchen Verwaltungsorgane unserer Republik, sich die Kirchenkomitees und ihre Tätigkeit zu unterordnen und mischen sich praktisch in innere Angelegenheiten der Kirche ein. So wird z. B. kontrolliert, wann Ab­laßfeiern stattfinden, wer predigen wird, welche Priester teilnehmen usw.

Nach dem »Statut der Religionsgemeinschaften« werden Priestern und Laien »regelrecht Grenzen gesetzt« — ein Priester darf außerhalb seiner Pfarrei keine Sakramente spenden, die Gläubigen dürfen keinen auswärtigen Priester als Gast einladen, ohne Sondergenehmigung darf ein Priester nicht einmal aushilfsweise in einer Nachbarpfarrei tätig werden (Artikel 19 des »Statuts«). Im Widerspruch zum kanonischen Recht ist einem Priester verboten, Hausbesu­che bei seinen Pfarrkindern zu machen (Art. 35 des »Statuts«). Mancherorts wird Geistlichen sogar verboten, Tote nach liturgischem Ritus zu bestatten.

Nach demselben Statut wird stellenweise auch Kindern die aktive Teilnahme am Gottesdienst untersagt; widrigenfalls werden nicht nur die Kinder bestraft, son­dern auch die Eltern benachteiligt.

1. Jedermann ist bekannt, daß die absolute Mehrheit der Bügrer unserer Republik aus gläubigen Katholiken besteht. Die Mißachtung ihrer Grundrechte als Gläubige verstößt gegen die in den Verfassungen der UdSSR wie der Litauischen SSR proklamierte Gewissensfreiheit und die Prinzipien der Demokratie.
Die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz und das Prinzip gleicher Rechte und Freiheiten für alle wird zwar proklamiert (Art. 37/43, 50/47 der Verfassung der Litauischen SSR) — die Wirklichkeit aber ist anders.

a)   Kein Bürger, der seinen Glauben öffentlich praktiziert, kann im staatlichen Dienst oder an seinem Arbeitsplatz einen führenden Posten bekleiden.

b) Kein seinen Glauben öffentlich praktizierender Bürger darf zum Verteidiger der Rechte der Gläubigen bestellt werden, kein Geistlicher darf als Deputierter eines Sowjets gewählt werden.

c)   Kein gläubiger Bürger darf den Glauben in Presse, Rundfunk oder Fernse­hen verteidigen.

d) Ihren Glauben praktizierende Schüler werden behindert, Hochschulbildung zu erlangen, gröblich beleidigt und erniedrigt.

So gibt es in der Republik privilegierte Atheisten — und rechtlose — gläubige Bürger, die ihren Glauben offen praktizieren.

2. Die Einstellung der Verwaltungsbehörden der Litauischen SSR steht eindeutig im Widerspruch zu Artikel 50 der Republikverfassung, der besagt: Haß und Unfrieden im Zusammenhang mit Glaubensfragen zu schüren, sei verboten.
Dabei fördern die Verwaltungsbehörden gegenteilige Maßnahmen.

a)   Oft erscheinen, vor allem in der Rayonpresse, haßerfüllte, atheistische Arti­kel von zweifelhaftem wissenschaftlichem Niveau, in denen Gläubige als Dun­kelmänner, Rückständler und ähnlich verleumdet werden.

b) Die allwöchentlichen atheistischen Programme in Rundfunk und Fernsehen strotzen von beleidigenden und die Gefühle der Gläubigen verletzenden Ausfäl­len gegen die Kirche, ihre Vertreter, selbst die Person des Papstes wird nicht ver­schont.

c)   In schulischen Atheismusveranstaltungen werden Gläubige, Geistliche und die Sakramente in gemeiner Art und Weise lächerlich gemacht. Mit allem ge­bührenden Ernst verweisen wir darauf, daß die Terrorisierung von Kindern, die ihren Glauben praktizieren, ein Ausmaß von Haß und Hetze erreicht hat, die an Entsetzliches grenzt.

Alle diese Einzelheiten kennzeichnen die haßerfüllte, verfassungswidrige und dem ZK-Beschluß der KPdSU widersprechenden Positionen in bezug auf die Gläubigen, die zur Selbstverteidigung gezwungen und zu entsprechenden Reak­tionen provoziert werden, die das menschliche Zusammenleben stören. Wenn die Sowjetbehörden die gläubigen Mitbürger auch weiterhin derartig behandeln, wird man die Menschen gegen deren Willen in den Untergrund treiben. Dafür mögen die Verwaltungsstellen dann auch allein die volle Verantwortung über­nehmen und nicht Bürger beschuldigen, die weiter nichts tun, als ihre Verfas­sungsrechte wahrzunehmen.

3. Als Geistliche fühlen wir uns voll berechtigt, Bestimmungen zu mißachten, die der Verfassung, dem Kirchenrecht wie auch unserer Amtsausübung wider­sprechen. Zivile Verwaltungsstellen werden wir zukünftig über kirchliche Ab­laßfeiern und daran teilnehmende auswärtige Prediger nicht mehr informieren; statistische Unterlagen über geleistete religiös-sakrale Dienste (Zahl der Taufen, Trauungen, kirchliche Bestattungen und ähnliche Handlungen) werden wir den Kirchenkomitees nicht mehr zukommen lassen, denn hierbei handelt es sich um eindeutig innerkirchliche Angelegenheiten, die zivilrechtlich keinerlei juristische Relevanz haben.

Kollektive Eingaben von Geistlichen und Laien bei staatlichen Stellen sind bis­her ohne Antwort geblieben. Wir dürfen daher an Artikel 47 der Verfassung der Litauischen SSR erinnern: »Die Beamtenschaft muß Vorschläge und Eingaben der Bürger innerhalb gesetzter Fristen behandeln, beantworten und notwendige Maßnahmen ergreifen. Sollte auch diese unsere Erklärung wie die früheren in irgendwelchen Schubladen verschwinden, so werden wir dies als neuen, jetzt auch offiziellen Beweis dafür ansehen, daß man als verfassungskonform an­sieht, uns Gläubige als rechtlos zu betrachten.

März 1979

Unterzeichnet von 110 Geistlichen der Diözese Telsiai und der Prälatur Klaipe­da

Vincentas Vėlayičius Antanas Šeškevičius Kazimieras Gasčiūnas Bronislavas Burneikis Jonas Kauneckas

Klemensas Puidokas Jonas Bučinskas

Jonas Pakalniškis Petras Serapinas Antanas Kiela Jonas Lukošius Juozapas Meidus Jonas Ilskis Petras Puzanas

Romualdas Žuipa Antasas Struikis Pranciškus Venskus Liudvikas Dambrauskas Domininkas Giedra Antanas Jurgaitis Klemensas Arlauskas Konstantinas Petrikas Vincentas Senkus Liudvikas Šarkauskas Stanislovas Vaitilis Adomas Alminas Adomas Milerius Jonas Paliukas Anicetas Kerpauskas Konstantinas Velioniškis Jonas Kusas Vaclovas Stirbys Alfonsas Lukoševičius Valentinas Šikšnys Leonas Šaponas Kazimieras Žukas Juozapas Pašinskas Tomas Švambrys Juozapas Rutalė Antanas Ivanauskas Kazimieras Rimkus Antanas Ričkus Pranciškus Šatkus Albertas Novodzelskis Vytautas Kadys Petras Jasas Petras Stukas Antanas Zdanavičius Juozapas Janauskas Antanas Petronaitis Tadas Poška Petras Bernotas Vincentas Gauronskis Izidorius Juškys Juozapas Butkus Pranas Daugnora Henrikas Siriautas

Aloyzas Baškys Juozapas Maželis Alfonsas Škinūnas Vladislavas Šlevas Izidorius Juškys Bronislavas Latakas Julius Budrikis Julijonas Miškinis Brunonas Bagužas Vladislavas Abramavičius Valdislovas Radveinis Ferdinandas Žilys Jonas Gedvilą Juozapas Šukys Juozapas Grabauskas Domininkas Biveinis Aleksandras Jakutis Vincentas Vitkus Liudas Serapinas Juozas Gedgaudas Jonas Petrauskis Kazimieras Viršila Pranas Puzė Bronius Racevičius Alfonsas Klimavičius Juozas Olšauskas Algirdas Pakamanis Jonas Vičiulis Juozas Gunta Kazys Maceitis Alfonsas Pridotkas Juozas Liutkevičius Juozas Bukauskas Juozas Gasiūnas Vytautas Mikutavičius Vincentas Klebonas Petras Mitkus Antanas Puodžiūnas

Henrikas Šulcas Jonas Jasimavičius Česlovas Degutis Bernardas Talaišis

Stasys Ežerinskas Stasys Ilinčius

Petras Lygnugaris Antanas Augustis

Antanas Beniušis Juozas Mantvydas Jonas Rudzinskas

Julijonas Tamašauskas

Bronius Brazdžius Antanas Jakaitis

Petras Merliunas An den

Generalsekretär des ZK der KPdSU Durchschriften:

Erster Sekretär des ZK der KP Litauens

Bevollmächtigter des Rates für Religionsangelegenheiten der Litauischen SSR Bischöfe und Bistumsverwalter Litauens

Erklärung

der Geistlichen der Erzdiözese Vilnius

Mit einer von 61 Priestern unterzeichneten Petition wandten wir Priester der Erzdiözese Vilnius uns im Jahre 1970 an den Ministerrat der UdSSR mit der Bit­te, Bischof Julijonas Steponavičius wieder in sein Amt als Apostolischer Admi­nistrator des Erzbistums Vilnius einzusetzen. Ein weiteres Ersuchen, im Septem­ber 1975 an den Ministerrat der Litauischen SSR gerichtet, war von 66 Geistli­chen unterzeichnet. Die Eingabe vom 15. Februar 1976 an den Generalsekretär des ZK der KPdSU erfolgte durch eine Gruppe von Geistlichen im Namen aller Priester des Erzbistums Vilnius. Wir haben uns in dieser selben Angelegenheit wiederholt an Sie persönlich als Generalsekretär des ZK der KPdSU gewandt, denn die Situation des Erzbistums Vilnius ist nach dem Austausch des bisheri­gen Verwalters gegen einen anderen ausgesprochen unmoralisch — vom Stand­punkt des kanonischen Rechts wie der Gesetzgebung der Sozialistischen Sowjet­republik Litauen und auch nach Ansicht der Gläubigen. Die Diözese ist ohne Oberhaupt — ihr Oberhirte lebt aus ihm selbst unbekann­ten Gründen, auf Anforderung der Sowjetverwaltung verbannt, außerhalb des Bistums in Žagarė (das zum Erzbistum Kaunas gehört). Das kanonische Recht der katholischen Kirche bestimmt, daß ein Bischof Oberhaupt eines Bistums ist — Verwalter können nur vorübergehend dieses Amtes walten. Nach dem Strafgesetzbuch der Litauischen SSR kann eine Ausweisung (Wohn­ortsverweis — ArL 27), eine Verbannung (Art. 30) nur auf Grund eines Ge­richtsurteils verfügt werden. Bischof J. Steponavičius ist niemals verurteilt wor­den.

Ausweisung als Grund- bzw. Zusatzstrafe darf ein Gericht für die Dauer von zwei bis fünf Monaten verfügen (Art. 27), eine Verbannung ebenfalls für die

Dauer von zwei bis fünf Jahren (Art. 28). Entzug des Rechts, ein Amt oder eine bestimmte Tätigkeit auszuüben, kann für die Dauer von einem bis zu fünf Jah­ren verfügt werden (Art. 30). Unser Bischof befindet sich aber seit mehr als 18 Jahren in der Verbannung.

Diese Maßnahme erscheint den Gläubigen als Beweis für eine Diskriminierung: anscheinend befinden sie sich außerhalb der Legalität; ein Geistlicher darf un­schuldig repressiert werden; man darf ihm die Möglichkeit der Selbstverteidi­gung ebenso nehmen, wie den Gläubigen das Recht verwehren, ihn zu verteidi­gen.

Angesichts dieser Lage bitten wir, die unterzeichneten Priester, Sie als General­sekretär, in unserem eigenen und im Namer aller Recht und Gerechtigkeit lie­benden Menschen, unserem Bischof J. Steponavičius die Rückkehr aus Žagarė und Ausübung seines Amtes als Apostolischer Administrator der Erzdiözese Vilnius gestatten zu wollen.

Litauische SSR, 2. Februar 1979

Unterzeichnet von 64 Priestern des Erzbistums Vilnius

K. Garuckas

B. Laurinavičius

V. Černiauskas

A. Keina

J. Lauriūnas

M. Petravičius

J. Vaitonis

A. Andriuškevičius

K. Gajauskas

N. Pakalka

N. Jaura

D. Baužys

K. Molis

J. Budrevičius

J. Grigaitis

S. Lydys

M. Stonys

K. Pukėnas

A. Dziekan

A. Trusevič

J. Obremski

A. Čeponis

P. Jankus

S. Malakovski

L. Savickas S. Valiukėnas J. Slėnys P. Tarvydas A. Gutauskas J. Juodagalvis K. Kindurys V. Bronickis R. Blažys P. Bekiš K. Vasiliauskas J. Tunaitis I. Paberžis

A. Valatka
P. Vaičekonis
S. Puidokas
K. Morkūnas

B. Sakavičius
S. Kakarieka
S. Markevičius
S. Tunaitis

V. Aliulis V. Rūkas K. Gailius

K. Valeikis

A. Simonaitis K. Žemėnas

A. Kanišauskas D. Valiukonis

A. Ulickas J. Baltušis J. Kardelis M. Savickas A. Merkys

D. Valančiauskas

V. Jaskelevičius

R. Černiauskas D. Puidokas

A. Petronis J. Kukta

Als das katholische Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen dem Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR ihr Dokument Nr. 5 mitsamt der Argumentation übersandte, warum das »Statut der Religionsgemeinschaften« die katholische Kirche diskriminiert und zu widerrufen sei, erklärte der Bevoll­mächtigte des Rates für Religionsangelegenheiten, P. Anilionis, in ganz Litauen gäbe es lediglich fünf bis zehn Geistliche, die mit dem vom Obersten Sowjet er­lassenen »Statut« nicht einverstanden seien. Alle anderen aber seien zufrieden. Wir sind gespannt.was der Bevollmächtigte jetzt sagen wird, nachdem 75 % aller Geistlichen Litauens das Statut des Obersten Sowjets als antihuman, verfas­sungswidrig bezeichnet haben und sich weigern, seine Bestimmungen einzuhal­ten.

Die Geistlichen Litauens haben mit der Ausfertigung der oben wiedergegebenen Dokumente nicht nur dem katholischen Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen ihre Solidarität bekundet. Sie haben darüber hinaus bewiesen, daß es dem sowjetischen Totalitarismus in den Jahren 1940—1979 mißlungen ist, den Geist der Priesterschaft und ihre Treue zur Kirche zu brechen. Man mag fragen — wer sind die 25 % NichtUnterzeichner? In Wirklichkeit ha­ben in allen Bistümern zusammengerechnet nur 8—9% der Geistlichen nicht unterschrieben. Andere, besonders in abgelegenen Gegenden, konnten wegen der winterlichen Wegeverhältnisse nicht aufgesucht werden. Die Motive der restlichen NichtUnterzeichner kann man in Gruppen zusammenfassen:

a)   hohes Alter, Furcht vor behördlichen Repressalien

b) Zusammenarbeit mit dem KGB

c)   Persönliches Karrierebedürfnis, das über die Interessen der Kirche gestellt wird.

Die Geistlichen Litauens erwarten, daß sich die Bischöfe und Bistumsverwalter Litauens ebenfalls gegen das »Statut« aussprechen. In solchen, für das Leben der Kirche entscheidenden Situationen, hätten eigentlich die Oberhirten die Pflicht, als er