Palanga

Im November 1984 hielt der Journalist Vytautas Miniotas in Palanga einen Vortrag. Als er über die internationale Lage sprach, griff er Radio Vatikan an, daß es die sowjetische Regierung verleumde; es verkünde nämlich, man habe dem heiligen Vater nicht erlaubt, zu den Jubiläumsfeierlichkeiten des hl. Casimir nach Litauen zu kommen. »Das ist aber nicht die Wahrheit. Ich habe selbst Bischof L. Povilonis gefragt, ob er den heiligen Vater nach Li­tauen eingeladen habe. Bischof L. Povilonis hat geantwortet, er habe ihn nicht eingeladen«, sagte V. Miniotas den Versammelten.

Skardupiai (Rayon Kapsukas)

In der Nacht vom 25. zum 26. April 1984 drangen unbekannte Übeltäter in die Kirche von Skardupiai ein, nachdem sie die Türe mit einer Brechstange aufgebrochen hatten. Dort brachten sie am Hauptaltar das Türchen des Taber­nakels auf und nahmen das Kommuniongefäß mit dem Allerheiligsten Altar­sakrament mit. Die Verbrecher blieben unentdeckt.

Am 28. Mai 1984 fand in der Kirche von Skardupiai ein Fürbittgottesdienst statt. Der Pfarrer Boleslovas Čegelskas hielt eine dem Anlaß entsprechende Predigt. Nach der hl. Messe gingen Jugend und Erwachsene auf den Knien um die Kirche. In den Monaten Mai und Juni versammelten sich die Gläu­bigen der Pfarrei Skardupiai und auch zahlreiche Gäste in der Kirche, wo sie gemeinsam mit dem Priester zur Sühne die hl. Messe feierten und die hl. Kommunion empfingen.

Gižai (Rayon Vilkaviškis)

Am 28. Mai 1984 wurde in der Nacht die Kirche der Pfarrei Gižai beraubt, der Altar aufgerissen, das Allerheiligste mit der Monstranz und ein Weih­rauchkessel mitgenommen, etwa 70 Liter für den Winter eingemachtes Obst und Beeren aus den Keller der Kirche getragen und an Ort und Stelle ver­nichtet.

Gleich nach dem Vorfall wurden in der Ortschaft Gerüchte verbreitet, daß dies eine Tat der Kirchenbediensteten sei, und es wurde ganz verwegen auf Namen mancher eifriger Ministranten hingewiesen. Die Abteilung für innere Sicherheit von Vilkaviškis erklärte sogar, daß der Pfarrer der Pfarrei Gižai, Priester Algirdas Pasilauskas, selbst einen Raub vortäuschen und »anständige sowjetische Menschen« beschuldigen wolle.

»Männer, die Verbrecher müssen gefunden werden! Sucht nach ihnen und wenn ihr sie auch aus der Erde ausbuddeln müßt! Das Verbrechen muß auf jeden Fall geklärt werden. Als vor einigen Jahren Priester L. Šapoka von Rowdys umgebracht worden ist, verkündete der Vatikan, daß das eine Tat des Sicherheitsdienstes sei; so wird es auch mit der Beraubung der Kirche sein«, sagte der Vorsteher der Abteilung für innere Sicherheit, Papečkys, zu seinen Untergebenen. Der Inspektor für Kriminalermittlungen, Abraitis, stellte innerhalb von drei Tagen die Übeltäter fest. Es waren vier Angehörige der Kommunistischen Jugend aus der Ortschaft Gižai: Renatas Zališkevičius, Algaudas Klimavičius, Gintaras Valaitis und Arturas Danielius, wie auch der G. Pipynė. Alle vier, R. Zališkevičius ausgenommen, sind volljährig. Sie haben die Untat in betrunkenem Zustand begangen.

Am 4. und 5. September 1984 fand gegen die Räuber der Kirche von Gižai eine Gerichtsverhandlung statt. Die Zusammensetzung des Gerichts: Staats­anwalt Bogušauskas, Richterin Mickevičienė, Verteidiger Šipulskis und Kili-kevičius aus Vilkaviškis und Boluta und Šilingas aus Kapsukas.

Schon zu Beginn der Gerichtsverhandlung war es klar, daß in dem Saal nicht eine Gerichtsverhandlung, sondern eine gewöhnliche Komödie begonnen hatte. Der Staatsanwalt stellte den Angeklagten lediglich einige Fragen, und die Richterin Mickevičienė sprach etwa eine Stunde lang über das im Keller der Kirche untergebrachte Kompott und das Eingemachte, und vergaß dar­über beinahe, daß ein Raub ausgeübt worden ist, das Allerheiligste Altar­sakrament geschändet, kirchliche Gegenstände geraubt und die Gläubigen beleidigt worden sind. Als der Pfarrer der Pfarrei Gižai, Priester A. Pa­silauskas, diese Gerechtigkeit sah, kam er nach der Pause nicht mehr in den Saal zurück.

Während der Gerichtsverhandlung stellte sich heraus, daß den angetrunkenen Jugendlichen am 28. Mai in der Nacht das Geld für Getränke ausgegangen ist. Dann schlug G. Pipynė vor, in den Keller der Kirche einzubrechen und sich »an dem im Keller eingelagerten Wein und Kognak des Pfarrers gutlich zu tun«. R. Žališkevičius kroch in den Keller der Kirche hinein. Da er aber weder Wein noch Kognak darin fand, begann er zu toben. Einen Teil der Einmachgläser zerschlug er gleich auf der Stelle, die anderen nahm er mit, und im Garten des Kolchos ließen sich die Jungmänner das Übrige schmecken. Die Monstranz mit dem Allerheiligsten und andere kirchliche Sachen ver­steckten sie unter dem Fundament des Gartenhäuschens. »Wir werden diese Sachen in einige Teile brechen, und jeder von uns bekommt ein Stück Gold«, machten sie unter sich aus. Nach einigen Tagen wurden die in der Kirche gestohlenen Sachen in einem Wassertümpel gefunden. Wo sie aber das Aller-heiligste hingebracht haben, daran konnten sich die Angeklagten angeblich nicht mehr erinnern.

Die Verteidiger nahmen die Angeklagten in Schutz und lobten sie der Reihe nach; das Vergehen selbst beschrieben sie als eine gewöhnliche jugendliche Ausgelassenheit: »Die Kerle haben ein bißchen getrunken und beschlossen, einen Blödsinn zu treiben«, sprachen die Verteidiger. Dieser »Blödsinn« der Jungmänner hat aber den Gläubigen der Pfarrei Gižai etwa 1000 Rubel ge­kostet. An Stelle der Angeklagten beschuldigte das Gericht den Pfarrer der Pfarrei Gižai, Priester A. Pasilauskas und das Kirchenkomitee, weil sie am Kellerfenster kein Gitter angebracht hatten und daß der Pfarrer im Keller der Kirche Lebensmittel lagere, wo die Kirche doch keinen Wächter habe. R. Žališkevičius, A. Klimavičius, G. Valaitis, A. Danielius, G. Pipynė wurden zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Vor Gericht benahmen sich die Jungmänner nicht wie Angeklagte. Beim Verlassen des Gerichtssaales er­klärte G. Pipynė: »Jetzt werde ich alle Betschwestern von Gižai nacheinander abschlachten.«

Bis jetzt haben weder der Pfarrer der Pfarrei Gižai, Priester A. Pasilauskas, noch das Komitee der religiösen Gemeinschaft den Gerichtsbeschluß erhalten.

*

Am 15. Juli 1984 wurde in der Kirche von Gižai ein feierlicher Fürbitte­gottesdienst abgehalten. Der Gastpriester Petras Našlėnas hielt eine Predigt. Nach dem Gottesdienst gingen die Gläubigen, die am Gottesdienst teilge­nommen hatten, in einer Prozession auf den Knien um die Kirche.

Šimonys (Rayon Kupiškis)

Am 4. und 5. September 1984 war der Pfarrer der Pfarrei Šimonys, Lai-mingas-Feliksas Blynas, in die Rayonverwaltung zu dem Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees, Gudonys, vorgeladen. Im Arbeits­zimmer wartete auch der Ortsvorsitzende von Šimonys, Karuža, auf den Priester. Der Stellvertreter Gudonis las dem Priester ein Ermahnungsschrei­ben vor, in dem er beschuldigt wird, ein Vergehen begangen zu haben, weil er während der großen Ablaßfeier von Šimonys am 15. August dem Priester Jonas-Kąstytis Matulionis erlaubt hatte, in der Kirche von Šimonys die hl. Messe zu feiern und zu predigen.

Priester L. Blynas erklärte, er habe noch nie die Leute aus der Kirche ver­jagt und werde dies auch niemals tun, schon gar nicht einen Priester, der nicht nur als Angehöriger der Pfarrei, sondern sogar als Priester zur Ablaß­feier komme.

Da ihm der Stellvertreter keine Abschrift des Ermahnungsschreibens aus­händigen wollte, weigerte sich Priester L. Blynas, die Ermahnung zu unter­schreiben.

Spitrėnai (Rayon Utena)

Am 12. August 1984 wurde in der Pfarrei Spitrėnai die Ablaßfeier des hl. Dominikus begangen und gleichzeitig fand auch die Primizfeier des Neu­priesters Sigitas Stepšys statt. Priester S. Stepšys hat das Untergrundpriester­seminar abgeschlossen und war gleichzeitig als Wächter und Reiniger der Kirche von Spitrėnai tätig.

Viele Gläubige nahmen an der Feier der hl. Messe teil, etwa 500 Leute gingen zur Beichte und empfingen die hl. Kommunion. Priester S. Stepšys erteilte den Gläubigen den Primizsegen.

Am 22. August wurde der Pfarrer der Kirche von Spitrėnai, Priester Vytautas Kapočius, in das Rayonexekutivkomitee nach Utena vorgeladen. Im Exeku­tivkomitee wartete auf den Priester eine Kommission, die aus dem Vorsit­zenden des Exekutivkomitees, J. Balsas, dem Staatsanwalt Levulis und den Sekretär Ribokas zusammengesetzt war. Der Vorsitzende J. Balsasis machte dem Pfarrer Vorwürfe, daß dieser einem unbekannten Priester S. Stepšys, dessen Name in keiner Liste der Priester zu finden sei, ohne Erlaubnis des Rayons erlaubt habe, die hl. Messe zu feiern und auf diese Weise gegen das Statut der religiösen Gemeinschaften verstoßen habe. Die Rayonvertreter tadelten den Priester, weil er das Kirchenkomitee nicht über diese Feier­lichkeiten informiert habe. »Das ist nicht wahr«, protestierte Priester V. Ka­počius, »ich habe es vor einer Woche von der Kanzel aus verkündet, und alle Gläubigen haben gewußt, daß die Ablaßfeier stattfindet, und der Primiziant S. Stepšys dabei die hl. Messe darbringen werde.«

Dem Priester Kapočius wurde eine strenge Verwarnung vorgelesen.

Šakiai

Der Organist der Pfarrei Šakiai, Gintas Gurskis, wurde am 5. September 1984 in das Exekutivkomitee von Šakiai vorgeladen. Der Vorsitzende des Komi­tees, Zaremba, seine Stellvertreterin Kasparevičienė und eine Lehrerin der Mittelschule der Ortschaft tadelten den Organisten wegen des Jugendchors, der in der Kirche singt. Die Lehrerin schrie den Organisten hysterisch an. Die Regierungsvertreter stellten an Ort und Stelle ein Verwarnungsschreiben auf, das der Organist G. Gurskis aber nicht unterschrieb.

*

Am 17. August 1984 hatte die Stellvertreterin Kasparevičienė den Pfarrer Dekan Msgr. J. Žemaitis, den Vorsitzenden des Kirchenkomitees Jeronimas Martinaitis und den Organisten Gintas Gurskis in das Exekutivkomitee vor­geladen. Hingegangen ist nur der Pfarrer allein. Die Stellvertreterin Kaspare­vičienė beschimpfte den Pfarrer wegen der Kinder und Jugendlichen, die sich in der Kirche um den Altar aufhalten. Besonders mißfiel der Stellvertreterin der Kinder- und Jugendchor, der in der Kirche singt. Diesmal drohte Kaspa­revičienė an, das alles »den höheren Organen« mitzuteilen.

Der Priester J. Žemaitis bat sie in aller Ruhe, sie möchte doch nicht mehr ohne Grund drohen (gewöhnlich wird den Priestern gedroht, daß sie wegen »Vergehen gegen die Regierung« in kleinere Pfarreien versetzt werden — Bern. d. Red), denn die Mehrheit der Prieser habe keine Angst mehr. Sie fürchten sich nur noch, mit der Regierung der Gottlosen zu arbeiten; sie fürchten sich nur davor, Kollaborateure genannt zu werden, denn das sei der größte dunkle Fleck für einen Priester. Da die Priester in den Städten und großen Pfarreien mit Arbeit überlastet seien, würde eine Versetzung in eine kleinere Pfarrei nur eine Gelegenheit sein, sich etwas zu erholen.

Utena

Am 19. August 1984 wurden in der Kirche von Utena die Jubiläumsfeier­lichkeiten des hl. Casimir begangen. Zu den Feierlichkeiten war auch der verbannte Bischof Julijonas Steponavičius eingeladen. Der Bischof hat das Hochamt zelebriert und eine inhaltvolle Predigt gehalten. Nach der hl. Messe führte die gläubige Jugend von Utena zu Ehren des hl. Casimir ein Bühnen­stück auf, das sie mit kirchlichen Liedern ergänzte.

Während der Jubiläumsfeierlichkeiten wurden auf dem Kirchhof der Kirche von Utena drei kunstvolle Kreuze errichtet, die der Bischof J. Steponavičius nach dem Gottesdienst geweiht hatte.

Am 27. August kamen der Vorsitzende des Rayonexekutivkomitees, J. Balsas, und sein Stellvertreter, Povilas Simonavičius, zum Pfarrer von Utena, Dekan Priester Jonas Pranevičius. Die Regierungsvertreter schauten sich die errich­teten Kreuze an und lasen schließlich eine strenge Verwarnung vor, die sich auf die neuerrichteten Kreuze bezog. Am 30. August erschien der Milizbeamte Pakalnis bei Dekan Priester J. Pranevičius. Diesen interessierte, woher der Priester J. Pranevičius das Eichenholz für die Kreuze bekommen hat, wer die Kreuze angefertigt und was der Priester dem Meister für seine Arbeit bezahlt hat. Derselbe Pakalnis fragte auch Kazimieras Šėžas aus, der die Kreuze angefertigt hatte. Der Meister mußte sich rechtfertigen, woher er das Material für die Kreuze bekommen, wo er sie angefertigt und auf welche Weise der Pfarrer ihn entlohnt hatte.

Später wurde K. Šėžas im Rayonexekutivkomitee erklärt, daß er sich mit der Herstellung von Dingen befasse, die vom Ministerrat der LSSR verboten worden seien und nachdem sie ihn beschworen hatten, keine Schnitzereien religiösen Inhalts mehr anzufertigen, legten sie ihm eine Administrativstrafe von 50 Rubel auf.

Am 22. September 1984 druckte die Rayonzeitung von Utena »Lenino keliu« (»Auf dem Wege Lenins«) ein Feuilleton mit dem Titel »Nemurmeti« (»Nicht murren«) von M. Morkūnas ab, in dem der Verfasser im Namen der Gläu­bigen Anstoß daran nimmt, daß die Priester von Utena auf dem Kirchhof drei Kreuze errichtet haben. Seiner Meinung nach schmücken die Kreuze den Kirchhof nicht. M. Morkūnas bringt in seinem Artikel die Befürchtung zum Ausdruck, daß bald vor lauter Kreuzen die Gläubigen selbst auf dem Kirchhof von Utena keinen Platz mehr haben.

». . . Ich weiß nicht, wie Sie das empfinden, mir jedenfalls sind solche »Bau­lichkeiten« mehr als peinlich«, schreibt M. Morkūnas. Als erstes Vergehen betrachtet Morkūnas, genau wie der Vorsitzende des Rayonexekutivkomitees Balsas, die Tatsache, daß die Kreuze ohne Erlaubnis der Rayonverwaltung errichtet wurden, obwohl allen aus Erfahrung schon gut bekannt ist, daß solche Erlaubnisse nie ausgestellt werden. Der Verfasser versucht in seinem Artikel die Leser zu überzeugen, daß die wahren Hausherren in der Kirche die Kirchenkomitees sind, die nach seiner Überzeugung oft gezwungen wer­den, »bedingungslos alle Anweisungen zu erfüllen, nichts zu hören und nichts zu sehen«, d. h. »nicht zu murren«.

»Wir hätten sehr gerne gehabt, daß die Menschen, die die Kirche besuchen, das Gefühl haben, daß sie die Hausherren sind, und nicht jemand anderer« (also nicht die Priester — Bern. d. Red.). »Man möchte manchen Priester daran erinnern, daß man auch die irdischen Gesetze der Regierung hoch­schätzen und einhalten muß«, schließt M. Morkūnas seinen Artikel.

*

Am 31. August 1984 wurde der Organist von Utena, Juozas Vilimas, in das Rayonexekutivkomitee von Utena vorgeladen. Der Stellvertreter des Vor­sitzenden des Exekutivkomitees, P. Simonavičius, fragte den Organisten J. Vilimas aus, welche Kinder und Jugendliche am Abend des 29. August während des Gottesdienstes in der Kirche gesungen haben. Der Organist erklärte, daß er in der Kirche nicht nach Namen frage, und deswegen die Fragen nicht beantworten könne.

Auch der Vorsitzende des Kirchenkomitees von Utena, Algirdas Mameniškis, war in das Rayonexekutivkomitee vorgeladen. Die Rayonbeamten wollten von ihm wissen, wer dieses Jugendensemble in der Kirche organisiert habe und wer daran noch beteiligt sei.

Kiaukliai (Rayon Širvintai)

Am 27. August 1984 kam der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayon­exekutivkomitees von Širvintai, D. Tvirbutas, in das Pfarrhaus von Kiaukliai. Er erklärte, er wolle sich mit dem Pfarrer der Pfarrei, Priester Rokas Pu-zonas, freundlich unterhalten. Am Anfang erkundigte sich der Stellvertreter, wie es dem Priester R. Puzonas gehe mit der Arbeit in Kiaukliai, ob der Bau des Wirtschaftsgebäudes schon bald fertig sei, ob er nicht Schwierigkeiten oder Klagen habe. Der Pfarrer erwiderte, daß alles gut gehe.

»Nicht alles ist gut — leider!« — verbesserte ihn der Stellvertreter D. Tvir­butas. »Die Zentralinstanzen zu Vilnius haben eine Nachricht erhalten, wo­nach in der Kirche von Kiaukliai Bilder der verurteilten Priester Alfonsas Svarinskas und Sigitas Tamkevičius öffentlich ausgehängt sind. Und das ist schon eine antisowjetische Agitation. Man darf in einem Gebetshaus nicht die Abbildungen jener aufbewahren, die der Staat verurteilt hat; da spielt es keine Rolle, ob ihr, die Priester, sie für schuldig oder unschuldig haltet«, sagte der Stellvertreter. Priester R. Puzonas stellte klar, daß es sich um kein Vergehen handle; der Gebetsraum eigne sich am besten, diese Bilder aufzu­bewahren, weil die Gläubigen und die Priester unaufhörlich für die verur­teilten Priester beten, und das Beten bislang noch niemand verbietet. Der Stellvertreter Tvirbutas präzisierte, daß die Leute leise, privat für die Priester beten dürfen, soviel sie wollen; wichtig ist, daß diese Bilder nicht öffentlich aufgehängt sind, und daß der Pfarrer die Gläubigen nicht auffordert, für die Verurteilten zu beten. Der Stellvertreter Tvirbutas erklärte dem Priester R. Puzonas, daß sie (d. h. die Regierungsbeamten) die Bilder mit viel Aufsehen entfernen würden, für den Fall, daß er nicht diskret dafür sorge, daß sie ver­schwinden, ohne daß es jemand merke. Außerdem verwarnte der Stellver­treter D. Tvirbutas den Priester R. Puzonas wegen der Unterrichtung der Kinder und drohte ihm, daß er wegen der Verletzung des Statuts der religiö­sen Gemeinschaften in Zukunft bestraft werden könne.

Schließlich äußerte D. Tvirbutas den Wunsch, selbst in die Kirche zu gehen und sich die Aufnahmen anzuschauen. Als er sie gesehen hatte, sagte er, es sei unumgänglich, sie zu entfernen, andernfalls würde es schlimm aus­gehen. Der Pfarrer versprach dies nicht. Die Unterhaltung dauerte eine halbe Stunde.

Pociūnėliai (Rayon Radviliškis)

Am 12. September 1984 bekam der Pfarrer von Pociūnėliai, Priester An­tanas Jokubauskas, von der Kurie der Erzdiözese Kaunas eine Abschrift eines Schreibens mit folgendem Inhalt:

An S. Exzellenz den Apostolischen Administrator der Erzdiözese Kaunas und der Diözese Vilkaviškis, Bischof L. Povilonis

Abschriften an den Verwalter der Erzdiözese Vilnius, Priester A. Gutauskas

den Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten für LSSR, Genossen Anilionis.

Erklärung

Zwischen dem 19. und 26. August 1984 fanden in der St. Peter und Paul-Kirche zu Vilnius aus Anlaß des 500. Todestages des hl. Casimir Feierlich­keiten zur Verehrung seiner Reliquien statt, an der die Gläubigen, die Prie­ster und die Seminaristen zahlreich teilgenommen haben. Die Gottesdienste verliefen reibungslos nach dem im voraus festgesetzten Programm. Doch als am Abend des 23. August 1984, gegen 21 Uhr, die hl. Messe zu Ende war, bestiegt eine unbekannte Person im Chorrock die Kanzel und begann zu predigen, bevor der Chor das letzte Lied zu singen begonnen hatte. Da diese Person die Ordnung gestört hatte, indem sie von niemandem darum gebeten und ohne den Pfarrer der Kirche gefragt zu haben, eigenwillig, ohne der Mahnung des Pfarrers Aufmerksamkeit zu schenken, eine religiöse Handlung vornahm (sie predigte), waren wir gezwungen, die Lautsprecher und das elektrische Licht abzuschalten. Da der Prediger darauf nicht reagierte, schickten wir Männer in Chorröcken, um den »Prediger« zu bitten, die Kanzel zu verlassen. Der »Prediger« war wahrscheinlich zusammen mit anderen Personen gekommen, die ihn, als er predigte, bewachten. Diese Personen, einige Männer und Frauen, ließen aber unsere Ordnungsmänner nicht zur Kanzel. Sie fingen an, sie herumzustoßen, zerrissen ihre Chorröcke, benahmen sich rowdymäßig. Diese Person aber wurde schließlich doch gezwungen, die Kanzel zu verlassen, noch bevor sie die Predigt beendet hatte. Sie hat durch ihr Betragen einen Tumult in der Kirche verursacht. Die Ernsthaftigkeit des Festes war gestört, und deswegen konnten wir nicht mehr den Abend­gottesdienst angemessen abschließen.

Wie sich später herausstellte, war diese genannte Person der S. Exzellenz unterstellte Priester A. Jokubauskas, dem auf Anordnung des Verwalters der Erzdiözese Vilnius im Herbst vergangenen Jahres das Recht entzogen wurde, in den Kirchen unserer Erzdiözese irgendwelche liturgische Handlungen vor­zunehmen.

Wir wenden uns an Sie, Exzellenz, mit der Bitte, Priester A. Jokubauskas deswegen zu ermahnen, weil er in unserer Kirche einen Tumult verursacht hatte, er möge sich deswegen bei uns entschuldigen und den Schaden für die zerrissenen Chorröcke begleichen. Sollte Priester A. Jokubauskas nicht ein­verstanden sein, dies zu tun, werden wir beim Zivilgericht eine Rechtsklage erheben.

Hochachtungsvoll, der Vorsitzende des Exekutivkomitees der St. Peter und Paul-Kirche zu Vilnius (J. Zygmuntas) — (Unterschrift)

 

Die Abschrift entspricht dem Original Kaunas, am 10. September 1984. Nr. 894

Unterschrift Kanzler Priester A. Bitvinskas.

*

Am 20. September 1984 lud der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayon­exekutivkomitees von Rokiškis, Krikštanas, den Pfarrer der Pfarrei Pociūnė­liai, Priester A. Jokubauskas, telefonisch vor, in das Rayonexekutivkomitee zu kommen, um ihm dort das Mahnschreiben des Bevollmächtigten des RfR, Petras, Anilionis, in Kenntnis zu bringen.

Priester A. Jokubauskas weigerte sich, in das Exekutivkomitee zu kommen, und schlug vor, ihm das Mahnschreiben des Bevollmächtigten mit der Post zu schicken. Der Stellvertreter Krikštanas war aber damit nicht einverstanden.

Der Bevollmächtigte P. Anilionis ermahnte Priester Jokubauskas wegen der Predigt, die er am 23. August in der St. Peter und Paul-Kirche zu Vilnius bei den Abschlußtagen des hl. Casimir-Jubiläums gehalte hatte (siehe »Chronik der LKK« Nr. 64) und wegen der Predigt vom 10. September anläßlich der Ablaßfeier in Šiluva, in der Priester A. Jokubauskas die Bedeutung der

Verehrung Mariens in unseren Tagen den Gläubigen erklärt und an die ge­fangenen Priester Alf. Svarinskas und Sigitas Tamkevičius wie auch an das von ihnen gebrachte Opfer für den Glauben und die Wahrheit erinnert hatte.

Valkininkai (Rayon Varena)

Der Pfarrer der Pfarrei Valkininkai, Priester Alg. Keina, war am 13. Mai 1983 zu dem Stellvertreter des Vorsitzenden den Rayonexekutivkomitees von Varena, Stasys Lankelis, vorgeladen. Der Stellvertreter machte den Priester A. Keina mit einer Verwarnung des Bevollmächtigten des RfR, P. Anilionis bekannt. Mit dieser Verwarnung wird der Priester A. Keina beschuldigt:

a.     er habe durch die Ausübung religiöser Handlungen in der Kapelle im Tor der Morgenröte (durch das Feiern der hl. Messe) den Artikel 19 des Statuts der religiösen Gemeinschaften verletzt. (In den letzten Jahren wurde einmal im Monat in der Kapelle im Tor der Morgenröte die Andacht der Übergabe des Rosenkranzes abgehalten, und der Priester A. Keina feierte dabei die hl. Messe; hielt eine Predigt und betete mit den Gläubigen den Rosenkranz — Bemerkung d. Red.);

b.     er halte während der Andachten Predigten nichtreligiösen Inhalts;

c.     er desinformierte die Gläubigen.

Priester A. Keina bat den Stellvertreter S. Lankelis um konkrete Hinweise, welche Predigten nichtreligiösen Inhalts er gehalten habe, auf welche Weise und wo er die Gläubigen desinformiere? Der Stellvertreter erklärte, daß er nur verpflichtet sei, ihn vom Text der Verwarnung in Kenntnis zu setzen.

Am 23. Juni desselben Jahres war Priester A. Keina wiederum in das Rayon­exekutivkomitee vorgeladen und erhielt eine zweite Verwarnung ähnlichen Inhalts:

a.     er habe bei der Ausübung religiöser Handlungen in der Kapelle im Tor der Morgenröte (beim Feiern der hl. Messe), den Artikel 19 des Statuts der religiösen Gemeinschaften verletzt;

b.     er habe Predigten nichtreligiösen Inhalts gehalten;

c.     Das Kirchenkomitee der St. Theresien-Kirche und dieser Kapelle habe dem Priester untersagt, in der Kapelle die hl. Messe zu feiern, er habe aber das genannte Verbot nicht befolgt.

»Das ist aber eine Lüge. Das Komitee hat mich weder verwarnt, noch mir etwas verboten«, protestierte Priester A. Keina dagegen und bat um Beweise, wann er Predigten nichtreligiösen Inhalts gehalten habe. Es folgte die schon bekannte Antwort des Stellvertretern Lankelis, er sei nur verpflichtet, ihn vom Text der Verwarnung in Kenntnis zu setzen.

Noch vor dieser Verwarnung, am 29. Mai erläuterte der Priester Keina wäh­rend der hl. Messe in der Kapelle im Tor der Morgenröte zu Vilnius in seiner Predigt den versammelten Gläubigen die Worte Christi »Seid willkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist«, und hob dabei die innere Schönheit des Menschen, ihren Sinn und ihren Wert im Leben heraus.

Am 9. September wieder dieselbe Geschichte — eine Reise zu dem Stellver­treter S. Lankelis und wieder dieselbe Verwarnung, nur anstelle »er habe Predigten nichtreligiösen Inhalts gehalten«, diesmal »er lobe in seinen Pre­digten die verurteilten Priester Alfonsas Svarinskas und Sigitas Tamkevičius« und die Anschuldigung, daß er die Anweisungen des Kirchenkomitees nicht befolge und in der Kapelle im Tor der Morgenröte die hl. Messe feiere.

Schon etwas früher hat der Bevollmächtigte des RfR, P. Anilionis, das Ko­mitee der Kapelle im Tor der Morgenröte zu sich eingeladen und von ihm verlangt, dem Priester A. Keina zu verbieten, die hl. Messe zu feiern und in der Kapelle zu predigen. Der Vorsitzende des Komitees weigerte sich ent­schieden, dies zu tun, indem er die Beamten daran erinnerte, daß alle Priester Litauens das Recht haben, in der Kapelle im Tor der Morgenröte die hl. Messe zu feiern; und sie feiern auch, wenn sie wollen. Der Priester A. Keina habe sich weder gegenüber den Gläubigen noch gegenüber dem Komitee schuldiggemacht. Die Beamten verlangten, daß der Vorsitzende unterschreibe, daß das Komitee dem Priester A. Keina nicht erlauben werde, in der Kapelle die hl. Messe zu feiern.

Der Vorsitzende verweigerte die Unterschrift.

Als der Priester A. Keina um Erlaubnis gebeten hatte, sich den Text der Verwarnung abschreiben zu dürfen, schlug ihm der Stellvertreter S. Lankelis vor, den Text auswendig zu lernen.

Am 19. Dezember 1984 wurde Priester A. Keina in die Staatsanwaltschaft der LSSR vorgeladen, wo Staatsanwalt Bakucionis ihn von einer neuen Ver­warnung in Kenntnis setzt. Darin wird der Priester A. Keina der Zugehörig­keit zum Komitee der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen beschuldigt, das ohne Vollmacht und ohne Genehmigung der Zivilregierung gearbeitet hatte; ferner daß er sich an der Verfassung und Verbreitung der Schriften des Komitees beteiligte und 16 Dokumente des Komitees mitunter­schrieb. In der Verwarnung wird betont, daß die Dokumente des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen reine Verleum­dungen über die Behandlung der Gläubigen durch den sowjetischen Staat seien. Priester A. Keina wird der Beihilfe bei der Übergabe der Dokumente des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen an die »Chronik« und ins Ausland beschuldigt. Dabei wird darauf hingewie­sen, daß Priester A. Keina in seinen Predigten die Gläubigen gegen die so­wjetische Ordnung und ihre Justizorgane einstimme. In derselben Verwar­nung wird der Priester A. Keina der Verletzung der Gesetze über religiöse Kulte und der Ethikregeln der Kultusdiener beschuldigt; es wird daran er­innert, daß er wegen der genannten Vergehen sogar 10 Mal verwarnt und mit Administrativstrafen belegt worden sei. Der Priester verlangte, daß der Staatsanwalt Bakučionis konkret beweisen möge, wann und weshalb er schon 10 Mal bestraft und verwarnt worden sei. Priester A. Keina wisse selbst nur von zwei Administrativstrafen zu je 50 Rubel wegen des Ministrierens der Kinder während der hl. Messe und von den drei hier aufgeführten Verwar­nungen wegen der Feier der hl. Messe in der Kapelle der Morgenröte zu Vilnius. Auf die genannte Frage antwortete der Staatsanwalt: »Das weiß ich nicht, mir wurde diese Aufstellung gegeben.« Priester A. Keina erkundigte sich, durch welche Taten er »die Ethikregeln der Kultusdiener« verletzt haben solle. »Sie haben die Gläubigen aufgefordert, für die verurteilten Priester zu beten«, erklärte der Staatsanwalt Bakučiionis.

Josvainiai (Rayon Kėdainiai)

Der Pfarrer von Josvainiai, Priester Leonas Kalinauskas, wurde am 8. Okto­ber 1984 in die Ortsverwaltung vorgeladen und dort von einer wiederholten Verwarnung des Bevollmächtigten des RfR, Petras Anilionis, in Kenntnis gesetzt.

In der Verwarnung steht, daß der Pfarrer von Josvainiai, L. Kalinauskas, den Artikel 19 des Statuts der religiösen Gemeinschaften verletzt habe, weil er am 26. September dieses Jahres religiöse Handlungen in der Kirche von Viduklė ausgeübt und gepredigt habe. Die Predigt sei nichtreligiösen Inhalts gewesen, und dadurch habe der Priester L. Kalinauskas die Kirche nicht zur Befriedigung der religiösen Bedürfnisse der Gläubigen, sondern zweckent­fremdet benützt. Wegen der Verletzung der Gesetze werden strenge, wirk­same Maßnahmen angewendet.

Da das Statut der religiösen Gemeinschaften verfassungswidrig und gegen die Gesetze der Kirche gerichtet ist, hatte der Priester L. Kalinauskas gemeinsam mit 520 anderen Priestern und zwei Bischöfen Litauens eine an die Regierung der LSSR gerichtete Erklärung unterschrieben, in der sie sich weigern, den Vorschriften zu gehorchen, die die religiöse Freiheit einschränken, die doch von der Verfassung selbst den Bürgern garantiert werde.

Pabaiskas (Rayon Ukmergė)

Am 1. November 1984 zogen die Gläubigen der Pfarrei Pabaiskas gemeinsam mit ihrem Pfarrer, Priester Petras Tavoraitis, in einer Trauerprozession zum Friedhof, um dort für die Verstorbenen zu beten. Das mißfiel den Regierungs­gottlosen des Rayons. Der Vorsteher des Rayonsicherheitsdienstes von Uk­mergė kam selbst in die Ortschaft und fragte die Leute aus, wie der Pfarrer die Allerseelenprozession organisiert hat, wer das Kreuz und die Fahnen trug, was die Leute während der Prozession gesungen haben und ob auf dem Friedhof eine Predigt gehalten wurde.

Am 14. November wurde der Pfarrer der Pfarrei, Priester P. Tavoraitis, zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees von Ukmergė, Perednis, vorgeladen. Im Arbeitszimmer waren außer ihm auch der Staats­anwalt des Rayons und noch ein Mann in Zivil anwesend. Die Beamten beschuldigten und beschimpften den Priester P. Tavoraitis wegen der Ver­letzung des Statuts der religiösen Gemeinschaften, erinnerten ihn daran, daß er nicht zu einer »Beratung« in die Rayonverwaltung gekommen sei, zu der alle Priester des Rayons eingeladen waren, und es sei ganz schlimm, daß sich der Pfarrer nie an den Wahlen beteilige. Als der Priester P. Tavoraitis daran erinnerte, daß letzteres kein Vergehen sei, nahm dies der Staatsanwalt hin, der Stellvertreter des Vorsitzenden, Perendis, erklärte aber weiter, daß die Priester bewußte sowjetische Bürger sein sollten, was man am besten durch die Teilnahme an den Wahlen zeigen könne.

Alytus

Am 20. Oktober 1984 fuhr der Kraftfahrer des Kombinats »Medvilnė« (»Baumwolle«) von Alytus, Jonas Ribokas, in persönlichen Angelegenheiten nach Šiauliai. Da in dem Autobus noch Plätze frei waren, nahm der Kraft­fahrer die Sänger des Kirchenchors von Alytus zum Berg der Kreuze mit. Die Sänger hatten ein nicht allzu großes Kreuz dabei. Die letzten zwei Kilometer gingen die Wallfahrer zu Fuß, laut den Rosenkranz betend. Am Berg der Kreuze wurden sie von Regierungsbeamten aufmerksam beobachtet, und als die Wallfahrer später mit dem Autobus zurückfuhren, begleitete man sie bis zu der Wegkreuzung von Šeduva, wo man sie anhielt. Die Beamten nahmen die Liste der Sänger weg und beschuldigten den Kraftfahrer, weil dieser ein Kreuz transportiert hatte.

Am 2. November 1984 war der Vorsteher des Kombinats »Medvilne«, Vladas Motiejūnas, in den Sicherheitsdienst nach Alytus zu einem Verhör vorgeladen, warum er dem Kraftfahrer J. Ribokas den Autobus gegeben hatte.

Am 18. November ordnete der Sicherheitsdienst an, daß der Kraftfahrer J. Ribokas mit seinem Gehalt für drei Monate herabzusetzen sei.

Der Pfarrer der genannten Pfarrei prahlte den anderen Priestern gegenüber stolz, er sei nicht einverstanden gewesen, zum Berg der Kreuze mitzufahren, weil die Chorsänger ein Kreuz mitgenommen hatten.

Žalioji (Rayon Vilkaviškis)

Wenn man von Vilkaviškis nach Kudirkos Naumiestis fährt, dann sieht man neben der Straße einen Friedhof. Auf dem Friedhof steht ein winziges Ka­pellchen, davor ein Tisch Gottes — eine Kommunionbank, der seitlich davon auf dem Friedhof stehende Altar aus Steinen und hinter ihm die Bänke auf der einen und auf der anderen Seite. Etwas weiter links davon stehen zwei Beichtstühle. Das ist die Feldkirche von Žalioji. Jeden Sonntag und an Feiertagen finden hier Gottesdienste statt und werden Prozessionen durchgeführt. Alles geschieht genauso wie in jeder anderen Kirche auch. Am 1. November 1984 werden es sechs Jahre, seit in der katholischen Kirche von Žalioji auf Anordnung des Stellvertreters des Vorsitzenden des Rayon­exekutivkomitees von Vilkaviškis, Juozas Urbonas, eine Mühle eingerichtet wurde. Die Leute werden genötigt, dort ihr Korn mahlen zu lassen. Das Experimentiergut von Rūmokai erlaubt nämlich den Leuten nicht, die staat­liche Mühle zu benützen. Die in eine Mühle umfunktionierte Kirche von Žalioji wird nicht repariert: das Dach ist leck, die Decke ist durch das hinein­fließende Wasser verfault. Angesichts des bedauernswerten Zustands ihrer ehemaligen Kirchen haben die Gläubigen beschlossen, sich durch den Aposto­lischen Administrator der Erzdiözese Kaunas und Diözese Vilkaviškis, Bischof Liudvikas Povilonis, mit einer Erklärung an den Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten, Petras Anilionis, zu wenden mit der Forderung, die von den Gottlosen weggenommene Kirche zurückzugeben und ihre reli­giöse Gemeinschaft zu bestätigen, die gegen den Willen der Gläubigen, ohne deren Verstoß gegen die Gesetze, aufgelöst wurde.

*

An S. Exzell. den Apostolischen Administrator der Erzdiözese Kaunas und Diözese Vilkaviškis, Bischof Liudvikas Povilonis

Abschrift an den Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten Petras Anüionis.

Erklärung

der Gläubigen der Pfarrei Žalioji

Da wir, die Gläubigen der katholischen Pfarrei Žalioji, schon seit etwa sechs Jahren keine Kirche mehr haben, beten wir gemäß dem Statut der religiösen Gemeinschaften auf einem Friedhof.

Selbst die Ungläubigen wundern sich über unsere Geduld. Manche von ihnen sagen mit Staunen: »Verbieten denn die Gesetze am Ende, eine Kirche zu haben? Die Leute leiden so arg darunter. Der Glaube wird doch nicht ein­geschränkt. Wir begreifen nicht, wieso der Landwirtschaftsbetrieb eine Mühle in der Kirche braucht? Hat denn der Landwirtschaftsbetrieb kein Geld, um eine Mühle bauen zu können? Wie kann man auf solche Art die Gläubigen verspotten?«

Die Leute haben Mitgefühl mit uns, der Rat für Religionsangelegenheiten hat aber alle unsere Erklärungen verworfen. Was bleibt uns anderes zu tun? Wir haben beschlossen, uns wiederum an Sie zu wenden, damit uns die weg­genommene Kirche mit dem Gebäude für den Priester zurückgegeben und unsere religiöse Gemeinschaft bestätigt wird. Am 17. 8. 1984.

Diese Erklärung haben 237 Gläubige der Pfarrei Žalioji unterschrieben.

*

An den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Rates der UdSSR, Ge­nossen K. Tschernenko

den Vorsitzenden des Komitees für Religionsangelegenheiten beim Mi­nisterrat der SSR Litauen

den Bischof der Diözese Kaišiadorys, V. Sladkevičius Erklärung

des Kirchenkomitees und der Gläubigen der Pfarrei Ryliškiai, Rayon Alytus, LSSR.

Wir wenden uns an Sie, Genosse Vorsitzender, mit einer wichtigen Bitte. Erlauben Sie uns, an Stelle der niedergebrannten Kirche wenigstens ein pro­visorisches Gebetshaus zu erwerben. Unsere große hölzerne Kirche wurde, wie alle begründet behaupten, am 4. 12. 1953 von den Parteimitgliedern Poltorackas, dem Direktor der Mittelschule von Ryliškiai Bernatonis, seinem Stellvertreter Baublys, Milius, der das Benzin dazu gegeben hatte, und von dem Aktivisten Naudžiūnas niedergebrannt. Die Regierung hat diese Sache gar nicht untersucht.

Nach der Niederbrennung wandten wir uns an den Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten, Pušinis, damit dieser uns erlaube, die Andachten im Hause von V. Pakala, im Dorf Klepočiai zu halten. Er erlaubte es uns sofort. Da der Raum aber sehr klein war, baten wir den Bevollmäch­tigten um die Erlaubnis, ein kleines Kirchlein zu errichten. Er hat es unserlaubt und auch Material dafür zugeteilt. Wir legten das Geld für das Ma­terial zusammen und kauften es. 1959 wollten wir mit dem Bau beginnen, aber die Ortsverwaltung gab uns kein Grundstück, und das Material nahm man uns weg.

Das war noch nicht alles. Der Vorsitzende des Kolchos »Nemunas«, Pruse-vičius, schickte zwei Strolche in unser provisorisches Kirchlein bei V. Pakalka und diese haben am hellichten Tage, obwohl der Hausherr sich widersetze, das Allerheiligste mit den Gefäßen aus dem Altar herausgenommen und zum Rayonvorsitzenden nach Alytus gebracht, der das alles der Kirche von Ne­munaitis übergab. Die Ortsverwaltung erlaubte uns aber nicht mehr, daß wir uns in der provisorischen Kirche versammeln. Ein Teil der Gläubigen fuhr nach Alytus zum Gottesdienst, der andere anderswohin, die meisten konnten aber nirgends hinfahren, und sie versammelten sich deswegen mal hier, mal dort in Privathäusern. So ging es bis November 1983. Dann kam der Stell­vertreter des Rayonvorsitzenden, Makštutis, mit der Ortsvorsitzenden vca Raitininkai, Angelė Prieškienė, in das Haus des Invaliden Vytautas Pakala zu Ryliškiai, wo unsere Gottesdienste stattfanden. Sie bestraften den Haus­herren dafür mit 50 Rubel Strafe und zogen von seiner Invalidenpension monatlich 5 Rubel ab. Seine Schwester Bronė hat sich darüber so aufgeregt, daß sie darüber den Verstand verlor und bis jetzt noch nicht gesund wurde. Seitdem hat uns niemand mehr zum Beten in sein Haus autgenommen, denn jeder fürchtet sich vor der Ortsverwaltung.

Im Dezember haben wir begonnen, uns auf dem Friedhof von Bugonys zu versammeln. So beten wir an Sonn- und Feiertagen den ganzen Winter lang, und das tun wir bis heute. Anstelle des Altars stellten wir einen Tisch auf, auf dem der Priester die hl. Messe feiert. Wenn kein Priester da ist, legen wir das Meßgewand des Priesters auf den Tisch und ein Kreuzchen darauf und dann beten wir die Gebete der hl. Messe und singen Kirchen­lieder.

Am 5. März 1984 aber haben der Stellvertreter des Rayonvorsitzenden, Maks-tutis, und die Ortsvorsitzende, A. Prieškienė, Arbeiter mitgebracht, die alles, was auf dem Friedhof stand, Bänke, 10 Stühle, den Tisch-Altar, den Beicht­stuhl, wo der Priester unsere Beichte abnahm, auf ein Lastauto luden. Die Pfosten, auf denen ein kleines Dach aus Karton zum Schutz des Priesters vor Regen angebracht war, hackten sie ab, hoben alles in das Lastauto und brachten es fort.

Mit schmerzenden Herzen versammelten wir uns trotzdem zum Gebet, rich­teten uns wieder einen Tisch-Altar her und ein kleines Dach darüber. Aber am 6. Juni brachte ein von Makštutis aus Alytus geschicktes Lastauto alles wieder weg. Und am 17. Juni kamen drei Milizmänner, die den Priester weg­bringen wollten; wir haben ihn aber nicht hergegeben. Schließlich kam auch Makštutis selbst und verbot uns, am Friedhof zu beten. Dasselbe hat er am 24. Juni wiederholt, als er zu dem Vorsitzenden des Kirchenkomitees K. Karvauskas gekommen war. Wir wissen aber, daß das Gesetz erlaubt, am Friedhof zu beten; deswegen tun wir es auch bis jetzt, weil wir wo anders keine Möglichkeit haben, unseren kirchlichen Pflichten nachzugehen. Ohne sie können wir als Christen nicht leben. Die Verfassung garantiert die Ge­wissensfreiheit.

1982 fuhren 7 Personen zu dem Bevollmächtigten P. Anilionis und baten ihn um die Erlaubnis, ein Gebetshaus zu erwerben und einen Priester zu bekommen. Er verhielt sich aber nicht so wie damals Pušinis — er hat nichts erlaubt. Am 24. Mai 1984 sind zu diesem Zweck wieder 6 Personen zu dem Bevollmächtigten gefahren, und am 30. Mai zwei weitere Personen, aber ohne Ergebnis. Wir haben uns zweimal an den Stellvertreter des Rayonvor­sitzenden von Alytus, Makštutis, gewandt, aber ohne Erfolg. Anfang Juni haben wir wieder eine Erklärung an den Bevollmächtigten geschrieben, und am 17. Juli haben wir von ihm eine schriftliche Antwort bekommen, daß er nicht berechtigt sei, in dieser Frage Entscheidungen zu treffen; das Exekutiv­komitee des Rayondeputiertenrates von Alytus werde darauf eine Antwort geben. Es hat uns aber bis jetzt noch nicht geantwortet.

Wir sind die ersten gewesen, die Kolchosen gegründet haben. Alle unsere Kräfte haben wir dort hineingesteckt. Jetzt arbeiten unsere Kinder dort weiter. Warum werden wir aber so unmenschlich behandelt? Sind wir viel­leicht Rechtlose?

Der Bevollmächtigte hatte uns damals sogar erlaubt, ein Gebetshaus zu er­richten, was haben aber die Vertreter der Ortsverwaltung gemacht? Sie haben uns aus dem Gebetshaus verjagt, nachdem sie schon unsere Kirche niedergebrannt hatten; das eingekaufte Material für den Bau des neuen Kirchleins nahmen sie uns weg; sie haben uns sogar verboten, in Privat­häusern zu beten, und nun verjagen sie uns auch noch vom Friedhof. Nie­mand verteidigt unsere Rechte, wir sind vollkommen der Willkür der anderen ausgeliefert. Ist denn die sowjetische Verfassung außer Kraft? Sie garantiert die Gewissensfreiheit; wir aber erfahren nur eine grausame Unfreiheit. Gibt es noch ein Land auf der Welt, in dem man so mit den Gläubigen umgeht? Wo müssen die Gläubigen im Winter bei der Kälte während der hl. Messe auf einem Friedhof im Schnee knien? Das erinnert an die ersten Christen in den Katakomben, wo ein Gang zur hl. Messe einen Gang in den Tod bedeutete. Schädigen diese Beamten, die uns so behandeln, nicht den Kommunismus selbst?

Unsere Pfarrei ist schon seit langer Zeit angemeldet, sie besitzt ein vollkom­menes Komitee und hat deswegen auch das vollkommene Recht, eine eigene Kirche zu haben. Sind wir vielleicht schuld daran, daß unvernünftige Vertreter der Regierung die unsrige niedergebrannt haben? Der Bevollmächtigte Pušinis hat damals sehr vernünftig gehandelt, als er erlaubte, eine neue Kirche zu errichten, das Material zuteilte und damit die von den anderen angerichtete Unmenschlichkeit ausglich. Und was machen der jetzige Bevollmächtigte und Makštutis?

Deswegen wenden wir uns an Sie und hoffen, daß Sie uns verstehen und unsere Rechte verteidigen werden. Wir bitten Sie, uns jetzt zu erlauben, wenigstens ein provisorisches Gebetshaus zu mieten, damit wir uns nicht mehr auf dem Friedhof abzuplagen brauchen. Es stehen noch neben der niedergebrannten Kirche das von uns erbaute Pfarrhaus und das Spital. Die Regierung würde sehr gerecht handeln, wenn sie eins von beiden uns als provisorisches Gebetshaus zurückgeben würde, bis wir uns ein Kirchlein er­richten können, für das uns der Bevollmächtigte Pušinis die Erlaubnis ge­geben hat, die offiziell niemals widerrufen wurde. Wir bitten Sie außerdem, die Beamten des Ortes dazu zu bewegen, uns das weggenommene Baumate­rial, für das wir die Unterlagen besitzen, zurückzuerstatten.

In Rußland wurden jetzt viele religiöse Gemeinschaften neu angemeldet, ihnen wurde erlaubt, ein Gebetshaus entweder zu errichten oder zu erwerben wie auch einen Priester einzuladen, wie z. B. in Karaganda, Aktjubinsk, Pawlodar, Omsk und anderswo. Haben wir vielleicht eine andere Regierung oder eine andere Verfassung? Wir bitten Sie, uns zu erlauben, ein ständiges Gebetshaus an der Stelle errichten zu dürfen, an der das frühere gestanden ist (die Eingangstreppe ist noch stehen geblieben), oder auf dem Friedhof von Bugonys.

Wir bitten Sie sehr, die Angelegenheit selbst zu entscheiden, und uns nicht einem erneuten Terror der örtlichen auszuliefern.

Ryliškiai, am 14. Oktober 1984

Unsere Adresse: Rayon Alytus, Ryliškiai, Karolius Karvauskas