Lazdijai. Am 12. Dezember 1987 hat der Stellvertreter des Exekutiv­komiteesvorsitzenden des Rayons Lazdijai, Vanagas, die Priester des Rayons Lazdijai in den Räumen des Exekutivkomitees des Städtchens Veisiejai zusammengerufen und sie ermahnt, daß die Priester sich eines Vergehens schuldig machen, wenn sie andere Priester zu Ablaßfeierlichkeiten ein­laden, ohne das vorher mit der Rayonverwaltung abgestimmt zu haben.

Außerdem dürfe man nicht ohne Erlaubnis ein Kreuz auf dem Kirchhof aufstellen, wie dies z. B. Priester Vincentas Jalinskas in Lazdijai getan hat.

Der Stellvertreter von Lazdijai, Vanagas, war darüber verärgert, daß die Gläubigen, die in Rudamina zusammenkommen, sagen, Priester Juozapas Zdebskis sei ermordet worden. Nach Meinung von Vanagas gibt es keine Beweise dafür, und ein Unfall kann jedem und überall passieren. Das dürfte man also nicht tun.

Die Priester klagten ihrerseits Stellvertreter Vanagas gegenüber über das ungebührliche Benehmen der Lehrer, die während der Beerdigung ihre Schüler mit Gewalt aus der Kirche hinausjagten. Außerdem erklärten sie, daß es kein Vergehen sei, einen Ausflug zu organisieren, und deswegen sei auch der Wächter der Kirche von Lazdijai, Alvydas Vainoras, der einen Ausflug nach Vilnius zu den Ablaßfeierlichkeiten bei der Mutter der Barm­herzigkeit im Tor der Morgenröte wie auch zu den Ablaßfeierlichkeiten nach Žemaičių Kalvarija organisiert hatte, zu Unrecht mit einer Strafe von 50 Rubel belegt worden.

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Šiauliai. Am 16. Dezember 1987 waren alle Priester der Stadt Šiauliai in das Exekutivkomitee der Stadt Šiauliai zu einem Gespräch eingeladen. Darunter auch der Leiter der Adventistensekte Oželis und der Priester der orthodoxen Christen.

Das Gespräch wurde geleitet vom ersten Sekretär des Parteikomitees der 'Stadt Šiauliai, K. Žalenskas, vom Vorsitzenden des Exekutivkomitees der Stadt Šiauliai, P. Morkūnas, und von seiner Stellvertreterin J. Gaurilčkienė. Die letztere berichtete über die derzeitige Politik der Partei hinsichtlich der Kirche. Sie sagte, daß „die Partei und die Behörden des Staates bemüht sind, die Priester in eine aktive gesellschaftliche Tätigkeit, d. h. in verschie­dene von der Partei geleitete Organisationen hineinzuziehen".

Der Parteisekretär K. Zalenskas machte dem Vikar der St. Georg-Pfarrei der Stadt Šiauliai, Priester Kazimieras Gražulis, Vorwürfe, daß er während seiner Predigten viel zu scharf die negativen Erscheinungen unserer Gesell­schaft angreife.

Der Pfarrer der St. Peter und Paul-Kirche von Šiauliai, Dekan Msgr. K. Jakaitis, gab den Regierungsvertretern gute Ratschläge, wie man den Fried­hof der Stadt besser in Ordnung halten könnte. Der Vikar der St. Peter und Paul-Kirche, Priester A. Milašius, brachte auf Grund der Information in „Gimtasis kraštas" („Heimatland") über die Allerseelenzeremonie auf dem Friedhof von Rokiškis den Wunsch vor, auch in der Stadt Šiauliai zu erlauben, am Allerseelentag religiöse Zeremonien auf dem Friedhof durchzuführen.

Die Stellvertreterin des Exekutivkomiteevorsitzenden der Stadt, J. Gaurilč-kienė, erklärte, um einer konkreten Antwort auszuweichen, daß der kom­mende Allerseelentag noch weit sei und kein Anlaß bestehe, darüber zu reden.

Priester A. Milašius erkundigte sich, was man machen solle, damit man keine Angst vor den von der Regierung geschickten Kommissionen haben müsse, wenn man in der Kirche die Kinder überprüfe, die sich zur hl. Kommunion vorbereiten. Auf diese Frage gaben die Vertreter der Partei und der Verwaltung der Stadt Šiauliai keine konkrete Antwort.

Nach der Begegnung veranstalteten die Vertreter der Partei und der Verwal­tung für die Priester einen Ausflug in das pädagogische K. Preikšas-Institut der Stadt Šiauliai.

Šiauliai. Am 7. Juli 1987 hielt der Vikar der St. Georg-Kirche von Šiau­liai, Priester Kazimieras Gražulis, während der großen Ablaßfeierlichkeiten in Žemaičių Kalvarija eine Predigt, in der er daran erinnert hat, daß die Kirche von Klaipėda den Gläubigen noch nicht zurückgegeben worden ist, daß die Katechese der Kinder noch immer verboten ist, daß zwar die Filmemacher vom höchsten Berg aus die Massen der Gläubigen filmen, um damit nachher die religiöse „Freiheit" zu demonstrieren, daß aber auf die Gesuche der Gläubigen niemand reagiert.

Aus diesem Grunde wurde Priester K. Gražulis in das Exekutivkomitee der Stadt Šiauliai vorgeladen, wo ihm die Stellvertreterin des Vorsitzenden des Exekutivkomitees der Stadt Šiauliai, Gaurilčkienė, eine Verwarnung des Bevollmächtigten des RfR, P. Anilionis, vorgelesen hat. Der Priester unter­schrieb die Verwarnung nicht, weil er zu Unrecht beschuldigt wurde.

Am 11. September hob Priester K. Gražulis in seinen Predigten in Šiluva sichtbare Tatsachen der Glaubensverfolgung hervor: Der KGB mischt sich in die inneren Angelegenheiten des Priesterseminars zu Kaunas ein (er nannte konkrete Fälle von Anwerbungsversuchen und Terror gegen die Seminaristen: Vytautas Prajara ist gedroht worden, ihn zu erledigen, und die Mutter des Neupriesters Rolandas Kaušą wurde aus ihrem Dienst als Lehrerin entlassen, als ihr Sohn seine Eintrittserklärung in das Priester­seminar zu Kaunas eingereicht hatte). Er nannte Fälle von Entwürdigung und Verleumdung von Priestern in der Presse, er forderte die gläubige Jugend auf, nicht zu heucheln und den atheistischen Organisationen nicht beizutreten. Aus diesem Grunde bekam Priester K. Gražulis eine Verwar­nung vom Bevollmächtigten des RfR, P. Anilionis, in der er beschuldigt wird, Haß zwischen Gläubigen und Atheisten zu stiften und das Fehlen von Religionsfreiheit nachzuweisen zu versuchen.

Im Oktober hat das Exekutivkomitee der Stadt Šiauliai Priester K. Gražulis mit einer Administrativstrafe von 25 Rubel belegt mit der Begründung, „er verleumdet die Art und Weise unseres Lebens". Priester K. Gražulis wei­gerte sich, die Strafe zu entrichten.

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Gargždai (Rayon Klaipėda). Am 9. Juni 1987 gegen 18 Uhr drang die Sekretärin des Exekutivkomitees der Stadt, Surplienė, in die Kirche von Gargždai ein, in der Ortsvikar Priester Antanas Šeškevičius etwa 40 Kinder überprüfte, die sich zur hl. Erstkommunion vorbereiteten.

An Ort und Stelle wurde eine Akte aufgesetzt, die der Priester A. Šeškevičius sich weigerte zu unterschreiben.

Einige Tage später bekam Priester A. Šeškevičius per Post ein Schreiben folgenden Inhalts:

„Beschluß des Administrativprozesses Nr. 23-65 vom 10. Juni 1987 zu Gargždai. Administrativkommission beim Exekutivkomitee des Volksdepu­tiertenrates der Stadt Gargždai.

Vorsitzende M. Jurevičiūtė, Sekretärin J. Surplienė, Mitglieder Z. Lukas, J. Malinauskienė, M. Vaišnorienė.

Nach der Überprüfung der Administrativakte Nr. 23-65 in einer öffent­lichen Sitzung wurde festgestellt, daß Šeškevičius Antanas, Sohn des Kazys, Wohnort Gargždai, Tilto 1, Arbeitsstelle die Kirche zu Gargždai, am 9. Juni 1987 in der Kirche eine Gruppe von Kindern im Katechismus unter­richtet und auf diese Weise den Artikel 214 des Administrativrechts der SSR Litauen verletzt hat.

Den Bestimmungen über Festsetzung der Administrativstrafen und Eintrei­bung folgend, beschließt die Kommission Šeškevičius Antanas, Sohn des Kazys, als Adminstrativstrafe eine Verwarnung auszusprechen." Es folgen die Unterschriften aller und Dienststempel.

Als Priester A. Šeškevičius nicht aufhörte, die Kinder zu überprüfen, dran­gen am 24. Juni 1987 gegen 18 Uhr ein unbekannter Mann und die Lehre­rinnen Poliekienė und Dapkevičienė in die Kirche ein, und übergaben ihm eine wiederholte Ermahnung. Priester A. Šeškevičius unterschrieb auch diesmal die Ermahnung nicht.

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Gargždai. Am 20. Januar 1988 schickte der Vikar der Pfarrei Gargždai, Priester Antanas Šeškevičius, eine Erklärung an den Staatsanwalt der SSR Litauen. Anlaß für diese Erklärung gaben der Bevollmächtigte des RfR

P. Anilionis und sein Stellvertreter Juozėnas, die in ihrer offiziellen Ermah­nung den Priester beschuldigt hatten, daß er das Schreiben von Erklärun­gen von Seiten der Gläubigen an verschiedene Regierungsinstanzen orga­nisiere. Die meisten von ihnen betreffen die Forderung der Gläubigen, zu genehmigen, die Kirche von Gargždai (eine Baracke) etwas in die Höhe erweitern zu dürfen. Die oben erwähnte Erklärung ist eine begründete Ant­wort auf die ihm vorgeworfenen Anschuldigungen und gleichzeitig auch eine Bitte an den Staatsanwalt, die Behörde des Bevollmächtigten des RfR an den Artikel 47 der Verfassung zu erinnern, in dem behauptet wird:

„Jeder Bürger der SSR Litauen hat das Recht, den staatlichen Organen und gesellschaftlichen Organisationen Vorschläge für die Verbesserung ihrer Tätigkeit zu unterbreiten und Mängel in der Arbeit zu kritisieren.

Die zuständigen Mitarbeiter sind verpflichtet, die Vorschläge und Eingaben der Bürger in den festgelegten Fristen zu prüfen, zu beantworten und die notwendigen Maßnahmen zu treffen.

Eine Verfolgung wegen Kritik ist verboten. Personen, die jemanden wegen Kritik verfolgen, werden zur Verantwortung gezogen."

Priester A. Šeškevičius schreibt in seiner Erklärung: „Die Pfarrei Gargždai hat Erklärungen wegen der Erhöhung ihrer Baracken-Kirche geschrieben und wird sie auch weiter schreiben, dazu braucht es keine Organisation, die Realität selbst zwingt sie, das zu machen. (...) Was für ein Priester wäre ich, wenn ich den Gläubigen in ihrer Not nicht beistehen würde. (...)

Die Gläubigen der Pfarrei Radviliškis haben innerhalb von 9 Jahren 25 Erklärungen geschrieben und haben die Erlaubnis bekommen, ihre Kirche in die Höhe zu erweitern. (...) Der Bevollmächtigte zwingt uns zu schwei­gen, wogegen die sowjetische Verfassung der LSSR (Artikel 6) garantiert: Die KPdSU ist für das Volk da. Wenn sie wirklich dem Volke dienen würde, dann brauchte man nicht 25 Erklärungen zu schreiben. Wir leiden schon seit 10 Jahren darunter."

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Ukmergė . Die Priester des Dekanats Ukmergė wandten sich am 28. September 1987 mit einer Erklärung an den Apostolischen Administrator der Erzdiözese Kaunas und der Diözese Vilkaviškis, Erzbischof Liudvikas Povilonis, an den Bevollmächtigten des RfR, Petras Anilionis, wie auch an den Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees von Ukmergė, A. Bernotas, in der sie den im August 1987 im Journal „Tarybinė moteris" („Die sowjeti­sche Frau") und am 5. September 1987 in der Rayonzeitung von Ukmergė „Gimtoji žemė" („Herkunftsland") veröffentlichten Artikel „Klebonas liepia skirtis" - „Der Pfarrer verlangt die Scheidung" zu Unrecht beschuldigten Pfarrer der Pfarrei Deltuva im Rayon Ukmergė, Priester Eugenijus Bartulis, in Schutz nehmen. Die Priester des Dekanats Ukmergė schreiben in ihrer Erklärung: „Die Bemühungen des Priesters, die Beständigkeit der Ehe zu erhalten, werden auf den Kopf gestellt; seine sorgfältige Arbeit in der Kirche wird als ,Einmischung in eine Sache, die nicht die seine ist,' bezeichnet. Eine Frau im Pensionsalter wird gedemütigt und als Geliebte des Pfarrers bezeichnet."

Am Schluß der Erklärung wenden sich die Priester an alle religiösen und staatlichen Oberhäupter mit der Bitte, die Exzesse der Gottlosen gegen Priester E. Bartulis gerecht zu beurteilen und notwendige Maßnahmen zu ergreifen, damit ähnliche Exzesse nicht mehr vorkommen.

Die Erklärung unterschrieben die Priester: J. Užusienis, J. Babonas, V. Pesliakas, P. Tavoraitis, G. Dunda, J. Girdzevičius, VI. Petkevičius, B. Vairą, V. Ramanauskas, V. Vaškelis, J. Voveris.

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Alytus. Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Stadtexekutivkomitees von Alytus, A. Makštutis, lud am 5. Oktober 1987 den Vikar der Pfarrei Alytus I, Priester Robertas Rumšas, vor und setzte ihn von einer vom Bevollmächtigten P. Anilionis zugeschickten Verwarnung in Kenntnis, in der Priester R. Rumšas beschuldigt wird, am 11. September 1987 in Šiluva ohne Erlaubnis der Rayonverwaltung von Raseiniai eine nichtreligiöse Pre­digt gehalten und die verhafteten Priester Alf. Svarinskas, S. Tamkevičius, J. Matulionis geehrt zu haben.

Priester R. Rumšas schrieb eine Erklärung an Generalsekretär M. Gorba­tschow. Wir geben den Text dieser Erklärung wieder:

»Ich bin als Wallfahrer nach Šiluva gekommen, und mein priesterliches Gebet ist die hl. Messe. Nach welcher Meinung ich beten soll, steht, soweit mir bekannt ist, nicht in den sowjetischen Gesetzen. Ich habe gemäß der Aufforderung Christi gehandelt: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern" (dazu zählt Christus unter anderen auch die Gefangenen), „habt ihr mir getan". (Mt. 25, 40). Darf ich denn vielleicht als katholischer Priester nicht gemäß der Aufforderung des Evangeliums für die gefangenen Priester beten? Zu der hl. Messe gehört die Liturgie des Gotteswortes, während der die Meinung des Gebets angesagt und das Evangelium erklärt wird. Durch meine Aufforderung, den gefangenen Prie­stern Liebe zu zeigen und für sie zu beten, habe ich kein Vergehen gegen das Evangelium begangen, und deswegen kann man meine Worte nicht als nichtreligiös betrachten. Was religiöse Inhalte sind, stellt die göttliche Autorität, das Evangelium fest, und nicht die Atheisten, die Beamten der Regierung.

Das käme zu allerlei Absurditäten. Wie würden z. B. die atheistischen Pro­pagandisten reagieren, wenn der Inhalt ihrer atheistischen Reden von den Gläubigen festgelegt würde?

In meiner Rede während der hl. Messe über die gefangenen Priester erin­nerte ich daran, daß sie nicht nur den offiziellen staatlichen Atheismus per­sönlich verworfen haben, sondern daß sie auch dahin gewirkt haben, daß er auch nicht von anderen Menschen angenommen wird. Diese Behauptung darf weder als Desinformation, noch als Verleumdung betrachtet werden, weil eine solche Haltung die Pflicht eines jeden Priesters ist. Wie kann denn ein Priester, wenn er das Evangelium verkündet, gewisse Realitäten unseres Lebens ausklammern, wie z. B. den Atheismus? Das Evangelium mit dem Atheismus in Einklang zu bringen, wäre absurd.

Ich bitte Sie, verehrter Generalsekretär, den Bevollmächtigten des RfR, P. Anilionis, anzuweisen, diese unbegründete und absurde Verwarnung zu widerrufen.«

Garliava (Rayon Kaunas). Priester Vytautas Prajara, Vikar der Pfarrei Garliava, wurde am 8. Dezember 1987 in das Exekutivkomitee von Garliava vorgeladen, wo die Stellvertreterin des Exekutivkomiteevorsitzenden des Rayons Kaunas, Gelčienė, ihm eine Verwarnung von P. Anilionis vorgele­sen hat. In der Verwarnung wird darauf hingewiesen, daß Priester V. Prajara am 15. November in der Kirche ein politisch-nationalistisches Gedenken des Dichters Maironis organisiert und eine antisowjetische Predigt gehalten habe. Der Priester sei auch schuld daran, daß nach dem Gottesdienst die Hymne Litauens gesungen wurde. In der Verwarnung wurde ebenfalls dar­auf hingewiesen, daß Priester V. Prajara am 17. November in der St. There-sien-Kirche am Tor der Morgenröte in Vilnius eine antisowjetische Predigt gehalten und dabei die sowjetische Ordnung verleumdet habe. Aus diesem Grunde werde ihm eine Verwarnung ausgesprochen.

Eine Abschrift der Verwarnung wurde nicht ausgehändigt und sie abzu­schreiben wurde nicht erlaubt.

Priester Vytautas Prajara weigerte sich, die Verwarnung zu unterschreiben.

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Šlavantai (Rayon Lazdijai). In der Nacht zum 13. November 1987 dran­gen unbekannte Übeltäter in die Kirche von Šlavantai ein. Sie brachen die Kirchentür und die Tabernakel am Hauptaltar und auf den Seitenaltären auf. Das Allerheiligste Altarsakrament konnten sie nicht finden, weil es in einem Safe in der Sakristei aufbewahrt wird. Ein Brecheisen, das in der Sakristei zurückgelassen worden war, ist zu schwach gewesen, den Safe aufzubrechen.

Garliava. Am 1. Dezember 1987 wurden die Mitglieder des Kirchen­komitees, der sogenannte „Zwanziger", in das Exekutivkomitee von Gar­liava eingeladen. Das Gespräch führte die Stellvertreterin des Rayonstaats­anwaltes von Kaunas.

Die Stellvertreterin des Rayonexekutivkomitees von Kaunas, der Vorsit­zende des Exekutivkomitees von Garliava wie auch sein Stellvertreter beschuldigten das Kirchenkomitee, daß es dem Vikar, Priester Vytautas Prajara, erlaube, während der Predigten die sowjetische Ordnung und die Regierung zu verleumden, daß während des Gedenkens des Dichters Priesters Maironis in der Kirche die Hymne Litauens gesungen wurde, was nach den Worten der Regierungsvertreter streng verboten ist. Man darf außerdem keinen ehemaligen politischen Gefangenen (Jadvyga Bie­liauskienė - Bern. d. Red.) zum Mitglied des Kirchenkomitees wählen. Die früher verurteilten Priester dürfen keine Messe feiern und keine Predigten halten.

Am Ende des Gesprächs begannen die Regierungsvertreter, die Mitglieder des Kirchenkomitees einzuschüchtern, daß ihre Namen in der Presse ver­öffentlicht würden, falls sich die Lage in der Kirche von Garliava nicht ändere. Außerdem werde noch einmal eine Versammlung der Mitglieder des Kirchenkomitees zusammengerufen, wobei die Stellvertreterin des Staatsanwaltes den Mitgliedern des Kirchenkomitees erklären werde, was die Kirche, die Priester und die Gläubigen unter der sowjetischen Ordnung tun dürfen und was nicht.

Damit schlössen die Regierungsvertreter des Rayons Kaunas und der Stadt Garliava ihre „Erziehungsarbeit" ab.

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Mikoliškiai (Rayon Kretinga). Am 23. August 1987 wurde in der Kir­che von Mikoliškiai feierlich das 600-jährige Jubiläum der Taufe Litauens begangen. Zu dem feierlichen Gottesdienst, an dem auch Bischof Antanas Vaičius teilnahm, kamen viele Gläubige aus benachbarten Pfarreien zusam­men. Die Gläubigen der Pfarrei Gargždai fuhren mit einem speziell zu die­sem Zweck bestellten Omnibus zu den Feierlichkeiten. Bevor sie aber Mikoliškiai erreichten, hielten Mitarbeiter der Autoinspektion den Omni­bus an und verlangten, der Omnibusfahrer solle die Fahrgäste aussteigen lassen. Obwohl der Omnibusfahrer alle nötigen Unterlagen hatte, wurde ihm der Führerschein abgenommen, und die Gläubigen mußten die rest­lichen 4 km bis zur Kirche von Mikoliškiai zu Fuß zurücklegen.

Kaunas. Am 13. Februar 1987 kam der Vorsitzende des Exekutivkomitees der Stadt Kaunas, Kazakevičius, zu Offizier Juozas Kazalupskas, wohnhaft in Kaunas, Mažoji 1 -10, ins Haus. Zweck dieses Besuchs von Kazakevičius war es zu klären, ob Offizier J. Kazalupskas wirklich ein Schreiben wegen der Kirche von Klaipėda verfaßt und ob er es wirklich auch unterschrieben hat. Er fragte außerdem, ob Kazalupskas Unterschriften unter einer Erklä­rung gesammelt hat und ob er zusammen mit einer Delegation der Gläubi­gen nach Moskau gefahren ist. J. Kazalupskas antwortete auf alle Fragen positiv und fügte noch hinzu, daß etwa 90000 Gläubige die Erklärung wegen der Rückgabe der Kirche von Klaipėda unterschrieben hätten, trotz­dem aber sei die Frage der Kirche der Königin des Friedens noch nicht endgültig gelöst. Das beweise aber, daß die Regierung die Gläubigen miß­achtet.

Als ihm der Vorsitzende des Exkutivkomitees der Stadt Kaunas, Kazakevi­čius, vorhielt, er sei unnötig nach Moskau gefahren und habe dort die ver­antwortlichen Beamten umsonst aufgehalten, antwortete ihm Kazalupskas, wenn die Kirche von Klaipėda nicht zurückgegeben werde, würden die Gläubigen mit allen Mitteln für sie kämpfen, bis sie zurückgegeben wird. Und es würden weiterhin Delegationen nach Moskau fahren, wie sie bisher hingefahren sind.

Am 21. Juni 1987 sprach ein Vertreter der Wahlkommission zur Ortsverwal­tung bei Kazalupskas vor und wollte eine Erklärung von ihm, warum er -Kazalupskas - nicht gewählt habe.

J. Kazalupskas antwortete darauf, daß er als Gläubiger den Glauben und die Gläubigen verteidigen müsse; deswegen weigere er sich aus Protest, sich an den Wahlen zu beteiligen, weil der Bischof der Erzdiözese Vilnius, Julijonas Steponavičius, schon seit 26 Jahren ohne Schuld und Gerichts­beschluß seines Amtes enthoben und nach Žagarė verbannt sei. Die Prie­ster Alfonsas Svarinskas, Sigitas Tamkevičius und Jonas-Kąstytis Matulio­nis seien allein deswegen verurteilt worden, weil sie dafür sorgten, daß die Menschen nüchtern, sittsam und gewissenhaft bleiben.

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Kybartai (Rayon Vilkaviškis). Romas Žemaitis wurde am 18. November 1987 für 9 Uhr in das Kriegskommissariat des Rayons Vilkaviškis bestellt. Mit ihm sprachen der Major Spricin und der Kommissar R. Vozgirda. Sie wollten wissen, ob R. Žemaitis seinen Entschluß, den Soldateneid zu ver­weigern, nicht geändert habe und womit er sein derartiges Verhalten begründe. R. Žemaitis erklärte, daß er durch die Eidesverweigerung seinen

Protest gegen die Gefangenhaltung der unschuldigen Priester Sigitas Tam-kevičius und Alfonsas Svarinskas zum Ausdruck bringe: er protestiere auch dagegen, daß er selbst zusammen mit dem Priester Jonas-Kąstytis Matulio­nis unschuldig in den Lagern Rußlands gefangengehalten wurde.

R. Žemaitis brachte seine Überzeugung zum Ausdruck, daß die Litauer ihren Militärdienst in Litauen ableisten sollten. Der Kommissar Vozgirda antwortete darauf, daß man so niemandem beikommen könne. Der Kom­missar versuchte R. Žemaitis zu beschuldigen, er hetze auch die anderen jungen Männer auf, den Eid zu verweigern. R. Žemaitis wies dieses Ansin­nen zurück und erklärte, er habe niemals jemanden gezwungen oder über­redet, den Eid nicht zu leisten, seine eigenen Überzeugungen diesbezüg­lich habe er freilich niemals verheimlicht und beabsichtige dies auch in Zukunft nicht.

Als es ihnen nicht gelungen war, den jungen Mann umzustimmen, befahl Kommissar Vozgirda dem Major, ihn zu Staatsanwalt J. Matonis zu bringen. Der Staatsanwalt versuchte es im Guten, ihn zu überreden, den Soldaten­eid zu leisten. R. Žemaitis antwortete darauf, daß er den Eid leisten würde, aber nur unter der Bedingung, daß man in der Presse, im Fernsehen und Rundfunk verkünde, daß er und Priester J. K. Matulionis zu Unrecht fest­genommen und zu zwei bzw. drei Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden seien.

Der Staatsanwalt antwortete, daß sie so etwas auf keinen Fall tun könnten. Darauf erwiderte R. Žemaitis seinerseits, man solle dann auch ihn verste­hen, wenn er den Soldateneid nicht leisten könne. Schließlich schlug der Staatsanwalt R. Žemaitis vor, ein Gesuch einzureichen, in dem er einen Aufenthalt im Ausland auf Dauer beantragen solle und versicherte ihm, daß dabei keinerlei Schwierigkeiten für ihn entstehen würden. R. Žemaitis nahm diesen Vorschlag nicht an mit der Begründung, daß er ein Litauer sei, seine Heimat sei Litauen, und er beabsichtige nicht, aus Litauen auszu­wandern.

Unzufrieden mit dieser Antwort, begann der Staatsanwalt J. Matonis ihm zu drohen, daß man ihn auch ohne Eidesleistung zum Militärdienst heran­ziehen und ihn in die Weiten Sibiriens bringen werde, wo die Lebensbedin­gungen den Bedingungen der Gefängnisse ähnlich sind. R. Žemaitis ant­wortete darauf, daß er, wo er auch sein möge, überall von Gott und seiner Heimat Litauen reden werde. So schloß eine Unterhaltung, die etwa 2 Stunden dauerte.

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Prienai. Seit vier Jahren schon läßt der KGB Algis Gudaitis nicht in das Priesterseminar zu Kaunas eintreten. Er hat schon 1984 gemeinsam mit seinem Bruder Aldonas eine Eintrittserklärung eingereicht, der KGB strich aber beide aus der Kandidatenliste. Als 1985 wieder beide versuchten, in das Priesterseminar einzutreten, wurde sein Bruder Aldonas Gudaitis auf­genommen, Algis Gudaitis jedoch wieder nicht. Die Brüder Aigis und Aldonas Gudaitis sind Zwillinge. Nach dem Gesetz werden Zwillinge sowohl in der Schule, wie auch beim Militärdienst niemals getrennt. Beide Brüder Gudaitis haben zusammen die Schule besucht, beide zusammen Dienst in der Armee geleistet, beim Eintreten in das Priesterseminar hat der KGB sie jedoch getrennt. Auch 1987 hat Algis Gudaitis versucht, in das Priesterseminar einzutreten, die Antwort war aber wieder dieselbe: „Dieses Jahr ist es unmöglich, Ihrem Gesuch zu entsprechen. Versuchen Sie es nächstes Jahr wieder." Der Fall Algis Gudaitis steht nicht allein da, auch wenn erst kürzlich die atheistische Presse und das Fernsehen behauptet haben, den Kandidaten für das Priesterseminar in Kaunas würden keine Hindernisse in den Weg gestellt. Der Redakteur des Fernsehprogramms „Argumentai" behauptete unverfroren: „In diesem Jahr wurden alle jungen Männer, die im Priesterseminar zu Kaunas studieren wollen, aufgenommen."

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Gadunavas (Rayon Telšiai). Auf dem Territorium der Gemeinde Gadu­navas im Rayon Telšiai stand schon von alten Zeiten her ein altes, schon beinahe umgefallenes Kreuz am Weg. Der Einwohner dieser Ortschaft, Vindas Urnikis, beschloß, dieses baufällige Kreuz durch ein neues zu erset­zen. Die Einwohnerin der Sowchose „Džiugas", Frau Sabutienė, überließ ihm ein neues Kreuz, das von ihrem Vater Stenba schon vor 40 Jahren angefertigt worden war.

Am 29. Oktober 1987 wechselten Vincas Urnikis und Albinas Austys das Kreuz aus. Drei Tage später wurde V.Urnikis in die Ortskanzlei von Gadu­navas vorgeladen, wo ihm befohlen wurde, das neuerrichtete Kreuz abzu­reißen. Auf seine Erklärung, daß er lediglich ein altes Kreuz, das mehr als 50 Jahre an der Stelle gestanden hatte und weder den Deutschen noch den Russen ein Hindernis war, durch ein neues ersetzt habe, reagierte niemand. V.Urnikis weigerte sich, das Kreuz abzureißen.

Am 11. November kam der Rayonarchitekt in die Ortschaft und verlangte von V. Urnikis, eine Akte wegen eigenmächtiger Errichtung eines Kreuzes zu unterschreiben. Am 30. November wurden V. Urnikis, A. Austys und Frau Sabutienė vor der Rayonadministrativkommission nach Telšiai vorge­laden, wo sie gemäß §153 des StGB bestraft wurden: V. Urnikis und A. Austys mit einer Geldstrafe von je 50 Rubel und Frau Sabutienė wurde ein Verweis erteilt, weil sie den genannten Personen erlaubt hatte, das Kreuz aufzustellen, das sie in ihrem Haus hatte.

In der Nacht zum 24. Dezember wurde das Kreuz abgerissen.

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Kaunas. Der Minister für Hochschul- und Spezialausbildung Litauens, Henrikas Zabulis, besuchte am 6. Oktober 1987 das Interdiözesanpriester-seminar zu Kaunas. In seiner Rede vor den Seminaristen pries H. Zabulis die ökonomischen Errungenschaften der Republik, durchleuchtete ausführ­lich die neue Situation an den Hochschulen und sprach über verschiedene Arten von Hochschulen.

Nach seiner Rede beantwortete der Minister die Fragen der Seminaristen. Welche Bedeutung hat der Atheismus, der an den Hochschulen gelehrt wird? - interessieren sich die Seminaristen. Der Minister H. Zabulis betrachtete diese Frage als provozierend und begann seine persönlichen Anschauungen über den Atheistmus und die Religion darzulegen, wobei er behauptete, daß bei uns vollkommene Religionsfreiheit herrsche. Der Red­ner bekannte, daß er durch das Studium der griechischen und lateinischen Sprache, durch die alten Schriften Atheist geworden sei: das Wort Christus bedeute in der griechischen Sprache der Gesalbte, analog sei es auch in der hebräischen Sprache; da aber beide Wörter sächlich seien, könnte es auch keinen Christus geben, weil seine Benennung sächlich ist.

Selbstverständlich kam diese Argumentation der Hörerschaft recht unwis­senschaftlich vor und verursachte ein Lachen. Von einer philologischen Methode der Ablehnung Gottes hatte noch niemand etwas gehört. Mit der Behauptung, daß die Fragen sich wiederholen, außerdem auch verschie­dene Extremisten ähnliche Fragen stellten, erklärte Minister H. Zabulis, er werde nur die schriftlich eingereichten Fragen beantworten. Die Semina­risten brachten ihre Empörung über den Artikel in „Tarybinė moteris" („Die sowjetische Frau") in ihren Fragen zum Ausdruck, wo sich V. Balkevičius herausnahm, die Gottesmutter Maria in primitiver Weise zu verspotten. Ob es sich hier nicht um eine Diskriminierung der Gläubigen handle? - frag­ten die Seminaristen. Minister H. Zabulis begann sich herauszuwinden, indem er erklärte, daß er zwar sehr viel lese und sich für atheistische Lite­ratur interessiere, den erwähnten Artikel von V. Balkevičius kenne er jedoch nicht. Schließlich gab er zu, daß es unter Atheisten auch Ungebil­dete geben kann. Seiner Meinung nach entstünden, wenn man sich nicht die Methoden der atheistischen Erziehung der einzelnen Menschen zu eigen mache, an Schulen und Arbeitsplätzen Konflikte zwischen den Gläu­bigen und den Atheisten.

Minister H. Zabulis beantwortete die Fragen der Seminaristen nicht ernst­haft, sondern nur oberflächlich, ließ sich in weitere Diskussionen nicht ein und fiel den Fragestellern oft ins Wort.

Die Begegnung dauerte eineinhalb Stunden.

Am 8. Oktober 1987 hielt der Bevollmächtigte P. Anilionis im Priestersemi­nar zu Kaunas eine Vorlesung für die Seminaristen des 1. Kursus. Langwei­lig und viel sprach er über die Beziehungen zwischen Staat und Kirche, über die Notwendigkeit, sich nicht in die Politik einzumischen und dem Staate gegenüber loyale Priester zu sein. P.Anilionis griff die sogenannten „religiösen Extremisten" an. Er sagte, daß sich jedes Jahr unter den Prie­stern, die das Priesterseminar abschließen, einige Extremisten befänden, P. Anilionis behauptete, daß sich folgende Priester schon durch antisowje­tische Exzesse hervorgetan hätten: E. Atkočiūnas, J. Kaminskas, K. Gražulis und V.Sadauskas hätten durch ihre antisowjetischen Attacken bereits die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, und der Priester R. Puzonas habe schon alle Grenzen überschritten; wenn Bischof V. Sladkevičius ihn nicht rette, werde er zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen.

P. Anilionis forderte die Seminaristen auf, vor den sogenannten Extremi­sten im Inneren des Priesterseminars auf der Hut zu sein und sich nicht denen anzuschließen, die sie in das „antisowjetische Karusell" hineinziehen wollen. „Wir sehen alles und wissen alles, und wir werden nicht zulassen, daß sich die Parasiten im Priesterseminar vermehren!" - schrie P. Anilionis. Er erinnerte auch an die Zusammenkunft am Denkmal von A. Mickevičius in Vilnius am 23. August und war entsetzt darüber, daß unter den aktiven Teilnehmern auch der Seminarist dieses Priesterseminars im 1. Kursus, Julius Sasnauskas, war, der, den Worten des Bevollmächtigten nach, aus seinen Fehlern in der Vergangenheit nichts gelernt habe. J. Sasnauskas erklärte daraufhin, daß er es für seine Pflicht gehalten habe, an der Ehrung der Opfer Stalins und Hitlers teilzunehmen, und daß diese Aktion nicht vom Westen aus organisiert worden sei, wie P. Anilionis es behauptet hatte. Die Seminaristen faßten Mut und fingen an, Fragen zu stellen. Der Semi­narist im 1. Kursus, Arūnas Janušauskas, erklärte, daß ihn, bevor er in das Priesterseminar kam, ein Sicherheitsbeamter beauftragt habe, die Lehr­kräfte des Priesterseminars und die Kurskameraden zu bespitzeln; er habe gesagt, hinter diesem Auftrag stünde der Bevollmächtigte P. Anilionis.

P. Anilionis war vom Verlauf dieser Begegnung zerschmettert.

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Am 27. November 1987 nahm P. Anilionis eine „Erziehung" der Seminari­sten des 5. Kursus vor. Bei seiner Ansprache machte der Redner klar, wie hoffnungslos die Lage der Gewissensfreiheit im unabhängigen Litauen gewesen sei und daß erst jetzt, unter den Bedingungen des Sozialismus, die Möglichkeit gegeben sei, die Gewissensfreiheit vollkommen zu verwirk­lichen. Am Schluß seiner Rede riet der Bevollmächtigte P. Anilionis den zukünftigen Priestern, sich nicht in die Politik einzumischen und sich nur mit der „Befriedigung der Bedürfnisse der Gläubigen" zu befassen. Nach seinen Worten ist es schlecht, wenn Priester, die gerade das Priesterseminar abgeschlossen haben, anfangen, aktiv in antisowjetischer Tätigkeit hervor­zutreten (d.h. sich für die Rechte der Gläubigen einsetzen, gewissenhaft ihren Pflichten als Priester nachgehen).

Nach seinem Referat stellten die Seminaristen dem Bevollmächtigten eine ganze Reihe von Fragen. Der Seminarist V. Sabaliauskas erkundigte sich, warum sich die gläubige Jugend nicht einmal privat in den Häusern in Gruppen treffen dürfe, um die sie bedrückenden religiösen Fragen zu besprechen, und warum die Teilnehmer solcher Zusammenkünfte nicht selten mit den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes zu tun bekommen; er betonte dabei, daß solche Fälle keine Seltenheiten seien, und er wollte wissen, wie man sie mit der von P. Anilionis proklamierten sowjetischen Gewissensfreiheit in Einklang bringen könne. Der Bevollmächtigte ver­suchte zu erklären, daß dort, wo sich der Sicherheitsdienst einmischen müsse, die Religion nur als Vorwand diene; der Sicherheitsdienst durch­schaue schon, daß bei solchen Zusammenkünften irgendetwas Unerlaubtes im Spiele sei.

Die Frage von V. Aukštakalnis, warum die Behörde des RfR sich in das den Bischöfen zustehende Recht einmische, die Priester für die Pfarreien zu ernennen, und warum die Seminaristen für die Tätigkeit als Agenten des Sicherheitsdienstes angeworben würden, brachte den Bevollmächtigten P. Anilionis aus der Fassung. Aufgeregt begann er über die „Priester-Extre­misten" zu schimpfen und erklärte, daß es Einmischungen bei der Ernen­nung der Priester nur deswegen gebe, weil man nicht zulassen könne, daß die Extremisten den Bischöfen diktieren. Die Tatsache der Anwerbung von Seminaristen verneinte er vollkommen und sagte, daß die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes in ihren Gesprächen nur versuchten, die Seminaristen und ihre Anschauungen kennenzulernen, nicht aber sie anzuwerben. Außerdem muß seiner Meinung nach die Regierung ja wissen, welche Anschauungen eine Person hat, die sich anschickt, in das Priesterseminar einzutreten. Sie muß wissen, ob diese Person sich eignet, Priester zu sein, oder nicht.

V. Aukštakalnis erklärte entschieden - und das bewies er am Beispiel seiner eigenen Person -, daß der Sicherheitsdienst konkret dazu auffordert, eine Einverständniserklärung zur Zusammenarbeit mit ihm zu unterschreiben, indem man Nachrichten über das innere Leben des Priesterseminars lie­fert. Widrigenfalls wurde ihm gedroht, daß er nicht in das Priesterseminar aufgenommen werde. Als er nichts hatte, womit er die Behauptungen der Seminaristen widerlegen könnte, bat sie der Bevollmächtigte, ihn nicht mit dem Sicherheitsdienst oder seinen Mitarbeitern zu verwickeln, der Sicher­heitsdienst habe nach seiner Überzeugung eigene Bestimmungen und wisse schon, was er mache.

Bei diesem Gespräch meldete sich auch der Seminarist Miroslavas Balce-vičius zu Wort: „Mich kümmert weder das Thema der Unabhängigkeit Litauens - Sie werfen uns vor, daß wir daran Interesse fänden - noch die Politik. Ich strebe nur eines an - das Priestertum. Ich bin polnischer Natio­nalität, aber schon seit fünf Jahren läßt mich der Sicherheitsdienst nicht in Ruhe. Er versuchte mich anzuwerben, bevor ich in das Priesterseminar gekommen bin, aber auch jetzt läßt er in den Ferien nicht von mir ab: Man verspricht mir Unterstützung in jeder Hinsicht, Hilfe, Karriere. Ich möchte Sie fragen: Warum schürt der Sicherheitsdienst den nationalen Haß, for­dert mich auf, der Nationalen Polnischen Kirche beizutreten, die man in Litauen gründen will?!"

Der Bevollmächtigte war nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten. Aus dieser peinlichen Lage retteten ihn die Seminaristen, indem sie ihm einen konkreten Vorschlag machten: „Wenn Sie, Genosse Bevollmächtigter, nach Vilnius zurückkommen, sagen sie den Organen des Sicherheits­dienstes, sie sollten mit derartigen Aktionen die Verfassung der UdSSR wie auch Ihre schönen Erzählungen über die Gewissensfreiheit in unserer sozialistischen Gesellschaft nicht in Mißkredit bringen."

Der Bevollmächtigte P. Anilionis erklärte, daß seine Rede zu Ende sei und er die noch offenen Fragen der Seminaristen das nächste Mal beantworten wolle.

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