Vilnius

Am 30. Januar 1975 wurde die leitende Redakteurin der Staatsbibliothek Vilnius, Elena Šuliauskaitė, vor das Sicherheitskomitee Vilnius geladen Das Verhör dauerte über sechs Stunden. Es wurde von zwei Sicherheits­beamten durchgeführt. Die Untersuchungsrichter baten sie zu erzählen, wie die Geburtstagsfeier von Teresė Masytė am 30. September 1973 begangen wurde. Die Untersuchungsrichter betrachteten diese Zusammenkunft als eine antisowjetische politische Versammlung. Sie behaupteten, daß alle, die daran teilgenommen hätten, bereits befragt worden seien und alles ausge­sagt hätten. Sie verlangten von ihr zu berichten, wer die obenerwähnte Zusammenkunft und andere Versammlungen inspiriere, organisiere und wer an ihnen teilnehme.

Šuliauskaitė verneinte, jene Versammlung — die Geburtstagsfeier von Masytė — organisiert zu haben. Der Untersuchungsrichter Rimkus befragte sie ferner über den Bischof Steponavičius und den Priester S. Tamkevičius, der, so die Meinung des Untersuchungsrichters, in der Dzukijstr. während der Versammlung bei T. Masyte die sowjetische Ordnung verleumdet und sie zu stürzen verlangt habe. Die Sicherheitsbeamten waren vor allem auf den Priester Tamkevicius böse, weil er die Jugend aufwiegele und die „Chronik der LKK" sowie die Instruktionsschrift Kaip laikytis tardymo metu (Wie man sich bei einer Untersuchung verhalten soll) verbreite. Mit allerlei Drohungen versuchten die Untersuchungsrichter von Šuliauskaitė die für sie nötigen Beweise herauszubekommen, diese jedoch verneinte alle Beschuldigungen.

Am 20. Februar 1975 wurde Elena Šuliauskaitė wieder vor das Sicherheits­komitee geladen. Die Untersuchung dauerte mehr als sechs Stunden. Der Un­tersuchungsrichter Marcinkevičius drohte ihr mit Gefängnis wegen Organisie­rung von Versammlungen, wegen Verbreitung der „Chronik der LKK" und wegen Deckung von Verbrechen des Priesters Tamkevičius. Die Sicher­heitsbeamten lobten jene Priester, die die „Chronik der LKK" verurteilen, dem Sicherheitsdienst ihre Verbreiter mitteilen, sich selbst aber abseits hal­ten. So habe z. B. bei einem Verhör der Priester J. Tunaitis gesagt, wer ihm die „Chronik der LKK" gegeben und wem er sie weitergereicht habe. Wie­der wurde versucht, Šuliauskaitė zu zwingen, es zuzugeben, daß sie die Versammlung organisiert habe. Für dieses Vergehen werde sie gemäß § 68 des Strafgesetzes bestraft. Der Untersuchungsrichter verfolgte barsch sein Ziel: Šuliauskaitė verbreite die „Chronik der LKK", welche die sowjetische Ordnung verleumde. Nach Rimkus* Aussage habe das Sicherheitskomitee die in der „Chronik der LKK" hervorgehobenen Fakten überprüft und fast alle hätten sich als erlogen erwiesen. Sogar der Verwalter des Vilnaer Erzbistums, Möns. C. Krivaitis, habe, als er nach Amerika gereist sei, dort erzählt, es gäbe in unserem Land keine Verfolgung der Gläubigen. Als Šuliauskaitė ihn bat, den Namen der Person zu nennen, die angeblich sagte, sie hätte die Versammlung organisiert, wurde ihr erwidert, der Un­tersuchungsrichter könne den Namen des jungen Mannes nicht nennen, da er nicht wolle, daß die „Chronik der LKK" über diesen schreibe. Der Major Rimkus versuchte, Šulianskaitė mit Nachdruck zu überzeugen, daß sie ge­stehen müsse, sonst würde sie im Gefängnis von Panevėžys oder in einem anderen Gefängnis landen, zusammen mit Herumtreiberinnen, Prostituier­ten und Mörderinnen.

Das Protokoll des Verhörs wurde in Frage-Antwort-Form geschrieben und nach jeder Antwort wurde ein freier Raum gelassen. Als die Beklagte die frei gelassenen Räume durchstreichen wollte, erlaubte ihr der Untersuchungs­richter Marcinkevičius das nicht. So setzte Šuliauskaitė unmittelbar nach je­der Antwort ihre Unterschrift. „Freches Weibsbild!" sagte der Richter, „man sieht gleich, daß sie die Instruktion ,Wie man sich während eines Verhörs zu verhalten hat' gelesen hat."

Am 30. Januar 1975 wurde Teresė Masytė verhört und beschuldigt, daß bei ihr die Versammlung abgehalten worden sei.

Vor das Sicherheitskomitee wurden die Knaben, die an der St. Michaels­kirche ministrieren, geladen. Sie wurden über die Versammlung in der Dzukųstr. befragt, auch darüber, was die Priester in der Sakristei reden, woher sie religiöse Bücher bekommen usw.

Am 31. Januar 1975 wurde in den Räumen des Sicherheitskomitees die Studentin der Universität Vilnius, Aldona Bielskutė, verhört. Die Unter­suchungsrichter gebärdeten sich sehr grob und suchten sie mit der Drohung einzuschüchtern, sie von der Universität zu entlassen. A. Bielskutė ver­neinte, an irgendeiner Versammlung teilgenommen zu haben. Es wurde auch Regina, die Schwester von Aldona, verhört. Zu Hause, an der Arbeitsstätte der Mutter und im Gartenhaus des Kollek­tivgartens wurden Haussuchungen durchgeführt, gefunden hat man jedoch nichts.

Beide Schwestern wurden wieder am 3. und 4. Februar verhört. Etwas spä­ter wurden beide von der Universität ausgeschlossen.

Am 2. April 1975 wurde vor das Sicherheitskomitee Vilnius der Pfarrer der Pfarrei Kabeliai (Kreis Varėna), Priester J. Lauriünas, geladen. Man gab ihm fast alle Sachen zurück, die man bei ihm während der Haussuchung beschlagnahmt hatte. Nicht zurückgegeben wurden ihm die Werke von Ma-ceina und Girnius. Die Sicherheitsbeamten erklärten, daß sie ihn nicht stra­fen würden wegen des Besitzes der Literaturwerke, jedoch würden sie bei jeder Haussuchung all das beschlagnahmen, was mit ihrer Ideologie nicht übereinstimme. Als man den Priester Lauriünas fragte, was er über die „Chronik der LKK" denke, antwortete er: „Sie ist ein Schrei des Menschen, dem Unrecht geschieht."

Druskininkai

Am 24. März 1975 verkaufte eine Frau vor der Kirche von Druskininkai während der Fastenzeitexerzitien Devotionalien. Als die Miliz das bemerk­te, führte sie die Frau in ihre Diensträume ab.

Kaunas

Antwort der Redaktion von Tiesa an V. Vaičiūnas Genosse V. Vaičiūnas,

Die Verfassung der Sowjetunion erkennt die Gleichheit aller Bürger ohne Rücksicht auf ihre Hautfarbe, ihre Bildung, ihr Geschlecht oder ihren Glau­ben an. Andererseits werden sie alle gleich bestraft, wenn sie die Gesetze verletzen.

Die Freiheit des Glaubens wird in unserem Land nicht eingeschränkt, je­doch ist die Kirche vom Staat getrennt. Das ist eine große Errungenschaft der sowjetischen Regierung. Es gibt keine Gesetze, die einem Menschen be­fehlen, er solle glauben oder nicht glauben, er solle seine Kinder beten leh­ren oder nicht.

In Ihrem Brief (siehe „Chronik der LKK", Nr. 15. — Red.) sind Sie an vielen Stellen unkonsequent und widersprechen sich selbst. Vertiefen Sie sich besser in die sowjetischen Gesetze.

Abteilung Propaganda

20. Februar 1975

 

Das Präsidium des Obersten Rates teilte mit, daß es den Brief von V. Vai­čiūnas an den Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten weitergeleitet habe, der diesen Brief auch beantworten werde.

Am 14. März 1975 erschien der Referent des Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten bei Vaičiūnas. Der Beamte erinnerte daran, daß man keine solchen Briefe schreiben solle. Ohne etwas Konkretes zu sagen, verließ der Referent nach einem kurzen Gespräch das Haus.

 

Šiauliai

Im Oktober 1975 wurden zum drittenmal die Kreuze auf dem sogenannten „Berg der Kreuze" vernichtet, unter anderem auch ein künstlerisch sehr wert­volles, vier Meter hohes Kreuz. Der gekreuzigte Christus war aus Eiche ge­schnitzt und trug die Inschrift: „Auf Dich hoffen wir, Herr, und werden nicht enttäuscht in alle Ewigkeit." Dieses schöne Kreuz, es kostete 800 Ru­bel, erfreute die Besucher nur sechs Tage. Aus diesem Anlaß schrieb ein Mit­glied der Familie N., die das obengenannte Kreuz angebracht hatte: „Söh­ne unseres Volkes, ihr, in deren Adern litauisches Blut fließt, ihr, die ihr das Brot, das die litauische Erde zeugt, eßt, ihr, die ihr eine Sprache sprecht, für die unsere Väter mit ihrem Leben im Kampf um sie bezahlt haben, wieso scheuten sich eure Hände nicht, dieses Verbrechen zu begehen! Als die Nachricht über die Vernichtung der Kreuze uns erreichte, fuhren wir 200 km weit, um uns zu überzeugen, ob die Kreuze auch wirklich vernichtet worden seien. Grauenhaft sah der beraubte, entehrte und nur vom Winde geküßte Berg aus, der Berg, unter dem die Helden unseres Volkes ruhen. Herr, strafe nicht die Missetäter, denn sie sind arm und irregeführt und wissen selbst nicht, was sie tun ..."

Nach dieser — nicht der ersten — Verwüstung auf dem „Berg der Kreuze" werden hier wieder große und kleine Kreuze aufgerichtet. Der litauische Glaube ist stärker als die Hand der Übeltäter.

Am 11. Dezember 1974 fand im Lehrkombinat für Produktion des Vereins der litauischen Blinden (VLB) von Šiauliai eine Gewerkschaftsversammlung statt, die sich mit der Frage der Verletzung der Arbeitsdisziplin durch den Arbeiter M. Jurevičius befaßte. Jurevičius war am 8. Dezember, am Fest Maria Empfängnis, nicht zur Arbeit erschienen.

In seiner Ansprache erwähnte der Betriebsobmann B. Godliauskas, daß Jure­vičius, der im Kombinat bereits seit zehn Jahren arbeite, keine Vorstrafen habe. Jedoch sei er am 1. November und am 8. Dezember nicht zur Arbeit erschienen, was er damit begründet habe, daß er ein praktizierender Katho­lik sei und den Feiertag heiligen müsse. Jurevičius hatte vor dem 8. Dezem­ber schriftlich mitgeteilt, er würde an diesem Tag nicht zur Arbeit kom­men. Die Administration des Kombinates habe jedoch dies nicht bewilligt und sei der Meinung, daß sein Wegbleiben von der Arbeit am 8. Dezember eine Verletzung der Arbeitsdisziplin sei und eine Demonstration darstelle.

Die Administration stellte das Benehmen von Jurevičius zur Debatte, da­mit er nicht Schande auf das ganze Kombinat ziehe.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft, A. Petrauskas, erklärte, daß der 8. De­zember in der ganzen Union zum Arbeitstag erklärt worden sei, und daß man sich an die Gesetze zu halten habe.

M. Jurevičius sagte, nicht er habe ein Vergehen begangen, sondern diejeni­gen, die solche Gesetze geschaffen hätten, da die Verfassung den Glauben nicht verbiete.

Nach einer Beratung wurde beschlossen, im Falle Jurevičius das Mittel der „gesellschaftlichen Beeinflussung" anzuwenden, nämlich die Rüge. Am 19. Dezember 1974 reichte der Arbeiter des Lehrkombinats für Pro­duktion des LAD Šiauliai, J. Šileikis, bei der Kombinatsleitung eine Er­klärung ein, daß er am Weihnachtstag, dem 25. Dezember, nicht zur Arbeit erscheinen werde.

Am 20. Dezember gab auch M. Jurevičius eine Erklärung ähnlichen Inhalts ab, etwas später ebenso der Arbeiter S. Čilinskas. Alle erklärten sich bereit, diesen Tag an einem arbeitsfreien Tag abzuarbeiten, beziehungsweise sollte ihnen der Tag von der bezahlten Urlaubszeit abgezogen werden. Außerdem hatten Jurevičius und Čilinskas einige arbeitsfreie Tage gut. Am 24. Dezember bemühte sich die Kombinatsleitung darum, Šileikis und Čilinskas von ihrem Vorhaben abzubringen und sie zu überreden, am Weih­nachtstag zur Arbeit zu erscheinen. Die Leitung ging so weit, daß sie ihnen einen Kompromiß anbot, nämlich wenigstens am Vormittag zur Arbeit zu kommen. Šileikis und Čilinskas lehnten dies jedoch ab.

Der Betriebsobmann Godliauskas machte Čilinskas den Vorschlag, seine erarbeiteten Tage erst nach Weihnachten in Anspruch zu nehmen, der Ar­beiter lehnte das jedoch ab.

Am 31. Dezember 1974 bekam Jurevičius eine Mitteilung der Kombinats­leitung, bis zum 8. Januar 1975 eine Erklärung dafür zu geben, warum er am 25. Dezember nicht zur Arbeit erschienen sei.

Am 3. Januar 1975 erhielten J. Šileikis und S. Čilinskas ebenfalls Mittei­lungen, daß ihnen ein Verweis ausgesprochen werde wegen Fernbleibens von der Arbeit am 25. Dezember ohne entschuldigenden Grund. Am 3. Januar sandte M. Jurevičius an den Direktor des Kombinats fol­gende Mitteilung: „Hiermit erkläre ich, daß es mir am 6. Januar des Jahres nicht möglich sein wird zu arbeiten, da dieser Tag ein für Katholiken vorge­schriebener Feiertag ist — nämlich der Dreikönigstag. Ich bin ein prakti­zierender Katholik und muß die Feiertage heiligen. Ich bitte, diesen Tag von meinen mir zustehenden Urlaubstagen abzuziehen. Ich wäre auch damit einverstanden, diesen Tag durch Überstunden oder an Samstagen abzuar­beiten. Am 21. Dezember (Samstag) 1974 habe ich gearbeitet. Wenn Sie diesen Tag nicht mit dem 25. Dezember (Weihnachten) verrechnet haben, bitte ich Sie, ihn mit dem 6. Januar verrechnen zu wollen." Als Anlage zur obigen Erklärung fügte M. Jurevičius eine Tabelle bei, in der er die Tage anführte, an denen er im Jahre 1975 nicht arbeiten werde.

Für Katholiken vorgeschriebene Feiertage: Dreikönigsfest — 6. Januar Christi Himmelfahrt — 8. Mai Fronleichnamsfest — 29. Mai Peter und Paul — 29. Juni Maria Himmelfahrt — 15. August Allerheiligen — 1. November Maria Empfängnis — 8. Dezember Weihnachtsfest — 25. Dezember

Am 7. Januar 1975 fand im Kombinat des VLB eine Gewerkschaftssitzung statt, an welcher neun Mitglieder teilnahmen. In der Sitzung wurde der An­trag der Kombinatsadministration behandelt, M. Jurevičius wegen der Ar­beitsversäumnisse zu entlassen.

Jurevičius erklärte während der Sitzung, daß er vier Tage nicht zur Arbeit erschienen sei, weil diese Tage religiöse Feiertage seien und die Verfassung der Sowjetunion allen Gläubigen Religionsfreiheit garantiere. Über jeden dieser Tage habe er der Kombinatsadministration Mitteilung gemacht und versprochen, diese Tage zu einem anderen Zeitpunkt abzuarbeiten. Der Vorsitzende der Gewerkschaft, Petrauskas, warf Jurevičius vor, er be­rufe sich auf den Paragraphen der Verfassung, der allein zu seinen Gunsten sei. Es gäbe aber auch einen anderen Paragraphen, der davon spreche, daß „die Kirche vom Staat getrennt und Arbeit Ehrensache für jeden Bürger sei". Hunderte von Gläubigen würden arbeiten und fänden dennoch Zeit, ihre religiösen Pflichten zu erfüllen.

Cimermanas sprach darüber, daß niemand die Katholiken verfolge, jedoch müßten sie an Arbeitstagen (selbst an religiösen Feiertagen) zur Arbeit er­scheinen.

Valiulienė sagte, es handle sich dabei nicht um eine religiöse Sache, sondern um eine Demonstration.

Alle, die an der Sitzung teilnahmen, verurteilten Jurevičius und stimmten für seine Entlassung.

Am 9. Januar 1975 bekam Jurevičius folgende Mitteilung: „Mit Wirkung vom 10. Januar wird der Renovierungsarbeiter für die Wirtschaftsgebäude M. Jurevičius wegen Arbeitsversäumnissen entlassen. Dies geschieht nach § 43/4 des DIK der Litauischen SSR. Der Direktor."

Am 4. Februar 1975 veröffentlichte die Zeitschrift Raudonoji vėliava (Rote Fahne) in Šiauliai einen langen Artikel, betitelt Dievobaimingieji (Die got-tesfürchtigen Heuchler). Unter anderem steht dort geschrieben: „Mečislovas Jurevičius möchte heiliger erscheinen als der Papst von Rom selbst.. . M.

Jurevičius möchte sich die Krone eines Märtyrers verdienen ... Aus Jurevi­čius brach der lang angestaute antisowjetische Haß ... Er hat versucht, sei­ne Taten unter einem religiösen Mäntelchen zu verstecken. 1944—1945 beraubte er mit einem Gewehr in der Hand Menschen, sowjetische Behör­den; aus dem Hinterhalt feuerte er auf die Soldaten der Roten Armee ... 1950 wurde er zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt... Čilinskas ist ein Sproß des gleichen antisowjetischen Stumpfes wie Jurevi­čius. Sogar die Lebensläufe beider sind sonderbar ähnlich... Indem sie sich auf Gefühle von Gläubigen berufen, streben sie danach, wenn schon nicht neue Apostel, so doch wenigstens Märtyrer für den Glauben zu werden. Jedoch wird ihnen das kaum gelingen ..." A. Stanelis, Korrespondent der „Roten Fahne".

Am 27. August 1974 wurde Jurevičius in die Belegschaftsabteilung gerufen, wo auf ihn ein Sicherheitsbeamter wartete. Dieser nahm ihn zur Sicherheits­behörde mit, wo der Beamte ihn befragte, ob er Pergauskienė kenne, ob er von ihr Gebetbücher und andere religiöse Bücher beziehe. Jurevičius ver­neinte alles. Etwas später führten die Sicherheitsbeamten die Sekretärin der Kinderpoliklinik, Pergauskiene, vor und fragten wieder, ob er diese Frau kenne. Jurevičius behauptete, er kenne sie nicht. Damit schloß die Unter­suchung.

 

Kretinga

In der Nacht zum 18. Februar 1975 wurde die Kirche von Tūbausiai (Kr. Kretinga) ausgeplündert. Die Übeltäter drangen durch das Fenster ein, bra­chen das Tabernakel auf, verstreuten das Allerheiligste auf dem Boden und traten es mit Füßen, sie brachen auch in die Sakristei ein, zerfetzten einige Fahnen und zerschmetterten das Kreuz. Mit Tränen berichteten die Leute über dieses Ereignis. Diese Tat ist die Frucht des Hasses gegen die Religion, der blindlings in den Schulen gepredigt wird.

Plungė

Im Februar des Jahres 1975 starb in dem Kolchos Keturi Komunarai (Vier Kommunarde) eine alte Parteigenossin, eine gewesene Atheistin, Lučinskaitė. Angesichts des Todes bat sie um einen Priester, empfing die hl. Sakramente und verstarb als Katholikin. Als die Parteigenossen des Kolchoses dies er­fuhren, überfielen sie die Tochter der Verstorbenen, die Direktorin des Kul­turhauses, mit Vorwürfen, wie sie habe zulassen können, daß ihre Mutter, die über 20 Jahre der Partei angehört habe, einen Priester zu sich kommen ließ. „Unerhört! Beleidigung der Partei!" riefen die Aktivisten. Die Tochter aber erklärte, die Mutter habe selbst beschlossen, wie sie vor dem Tode zu handeln habe und um keinen Rat der Tochter gefragt. Die Parteiaktivisten des Kolchoses ließen jedoch eine kirchliche Beerdigung für Lučinskaitė nicht zu.

Im Herbst des Jahres 1974 starb die Mutter des Pfarrers der Pfarrei Ku­liai, Ivanauskas. Die Gläubigen wollten ihre Anteilnahme in die Regional­zeitung drucken lassen. Die Mitglieder der Redaktion weigerten sich aber, das Beileid für einen Pfarrer in ihr Blatt aufzunehmen. „Dem Pfarrer mit dem Hammer einen Schlag auf den Kopf zu versetzen, sind wir bereit, aber nicht, ihm ein Beileid auszusprechen. In der sowjeti­schen Presse gibt es keinen Platz für Priester!" — „Merkwürdig", sprachen die Gläubigen, „um einen Priester zu verleumden, werden Seiten und Sei­ten verwendet, aber um ihm das Beileid auszusprechen, haben sie keinen Mut, auch nur einige Zeilen zu schreiben."

Šilalė

Der Briefträger dieser Stadt, St. Jakštas, trug einige Male bei Beerdigungen das Kreuz. Der Sekretär der Kommunistischen Partei in Šilalė, Bartašius, befahl dem Leiter des Postamtes, Kubeckas, dem Briefträger das Kreuz­tragen zu verbieten. Kubeckas führte den Befehl sofort aus.

Der stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees von Šilalė, Jankus, verbot dem Pfarrer von Šilalė, Valaitis, die Kirchenuhr zu reparieren. Es darf nicht sein, daß eine Kirchenuhr die Stunden schlägt und die Uhrzeit weist...Am 23. März 1975 stieg der Leiter der atheistischen Propaganda sogar den Kirchturm hinauf, um sich zu überzeugen, ob die Kirchenuhr etwa nicht doch im Sinne habe, wieder anzufangen, die Stunden zu zeigen. Dies könnte ja vielleicht der atheistischen Propaganda schaden.

Das Kirchenkomitee von Šilalė ersetzte im April dieses Jahres die elektri­schen Leitungen durch ein Kabel, das von der Straße über den Kirchhof verlegt wurde. Sofort erschien der fleißige Sirvydas und verbot, das Kabel anzuschließen.

Panevėžys

Am 28. März 1975 (am Karfreitag) verwüsteten unbekannte Übeltäter den Friedhof in der Altstadt. 28 Kreuze wurden umgeworfen. Unter ihnen lag auch die schöne hohe Skulptur der hl. Jungfrau Maria, heruntergerissen vom Sockel. Die schweren steinernen Kreuze, die herausgerissen und zu Boden geworfen wurden, zeugen davon, daß dies nicht mit den Händen eines einzelnen geschah. Die Leute glauben, daß es nicht die Tat eines Van-dalen war, sondern ein organisiertes Vorgehen der Atheisten. Nur den Atheisten konnte es in den Sinn kommen, die Kreuze zu schänden — ge­rade am Tage der Leiden Christi und der Erhöhung des Kreuzes — am Karfreitag.

Utena

Erlaß Nr. 5 des Oberarztes des Kreises Utena, am 24. Januar 1975

Bestimmungen über das Herbeiholen der Kultbediensteten auf Wunsch des Kranken:

Im Kreiskrankenhaus Utena kommen Fälle vor, in denen die festgelegte Ordnung über das Herbeiholen der Kultbediensteten auf Wunsch des Kran­ken verletzt wird. Die Kultdiener erscheinen im Krankenhaus ohne Geneh­migung der Krankenhausadministration.

Um eine einheitliche Ordnung über die Herbeiholung der Kultdiener auf Wunsch des Kranken zu schaffen, ordne ich an:

1.   Die Kultdiener sind nur zu den Kranken zu lassen, wenn letztere selbst darum bitten. Die Abteilungsleiter oder die Verwandten müssen diesen Wunsch des Kranken dem Oberarzt oder seinem Vertreter mitteilen. Diese stellen eine schriftliche Genehmigung aus, die dem Kultdiener den Eintritt ins Krankenhaus gestattet.

2.   Es wird angeordnet, Bedingungen zu schaffen, daß während des Besuches des Kultdieners der Kranke mit diesem allein bleiben kann. Wenn es unmöglich ist, den Kranken von den anderen zu entfernen, muß sein Bett durch einen Schirm abgesondert werden. Stets müssen aber die übrigen befragt werden, ob sie nichts dagegen haben. Diejenigen, die auf­stehen können, soll man bitten, sich für die Dauer der religiösen Zeremo­nie aus dem Krankenzimmer zu entfernen.

3.   Es ist zu überwachen, daß die Mitarbeiter des Krankenhauses nicht selbst die Kultdiener rufen, oder an den religiösen Zeremonien teilnehmen.

4.   Alle Abteilungsleiter müssen bis zum 15. Februar dieses Jahres alle Mit­arbeiter ihrer Abteilung mit dieser Anordnung und dem § 124 der Ver­fassung der UdSSR bekannt machen.

5.   Die Überwachung der Durchführung dieser Anordnung übernehme ich selbst.

Der Oberarzt des Rayons Utena G. Lazdauskas

Auszug aus der Zeitschrift Tiesos Žodis am Schwarzen Brett im Kreiskran­kenhaus Utena, 1975.

Im Rayon Utena arbeiten 90 Ärzte, wovon 79 im Kreiskrankenhaus ange­stellt sind. Außerdem arbeiten hier 310 Personen des medizinischen Mittel­baues.

Die Bemühungen um Verwirklichung der wissenschaftlichen materialisti­schen Weltanschauung unter dem medizinischen Personal wurden als zu­friedenstellend bewertet. Die Kommission des Kreiskrankenhauses für atheistische Propaganda hat im Jahre 1974 keine aktivere Tätigkeit ent­wickelt.

Das medizinische Personal kommt sehr häufig mit dem kranken Menschen zusammen — mit einem Menschen, der sich in einer schweren Lebenssitua­tion befindet: im Zustand der Krankheit, des Schmerzes und der Qual. In solcher Situation denkt der Mensch besonders viel und sieht vieles mit anderen Augen. Dieser Zustand ist besonders günstig, um eine materialisti­sche Weltanschauung bei ihm zu formen. Leider werden diese Situationen selten zur Pflege der sozialistischen Ideologie verwandt. Man schenkt einer individuellen Arbeit noch keine Aufmerksamkeit.

Eine individuelle atheistische Tätigkeit muß unter Berücksichtigung des Alters des Gläubigen und seines Gesundheitszustandes betrieben werden und darf die beruflichen Pflichten nicht beeinträchtigen. Unsere Ärzte be­fassen sich mit dieser individuellen atheistischen Arbeit nur sehr zaghaft. Auch das mittlere medizinische Personal sollte sich um diese Aufgabe küm­mern. Aber zur Zeit denken noch viele Angestellten recht primitiv, was die Religion anbelangt und besitzen selbst ungenügende Kenntnisse über die materialistische Weltanschauung. Die Kommission für atheistische Propa­ganda — der atheistische Rat — muß die Ärzte und das mittlere medizi­nische Personal mit den Prinzipien und Methoden der atheistischen Arbeit vertraut machen. Viele Mediziner können und müssen sich in die Propagie­rung der materialistischen Weltanschauung einschalten ...

Der Vorstand des atheistischen Rates

G. Lazdauskas

 

Am 18. Juni 1972 richtete Paulina Grigaliūnaitė bei ihrem Wohnhaus im Dorfe Vilkablauzdė des Rayons Utena ein fünf Meter hohes, mit Schnitze­reien geschmücktes hölzernes Kreuz auf. Die Verwaltung des Rayons befahl ihr, das Kreuz zu entfernen. Grigaliūnaitė gehorchte nicht. In der Nacht vom 7. zum 8. August wurde das Kreuz abgesägt und fortgeschafft. Zur Zeit wird im stillen geflüstert, daß das eine Tat der Parteiaktivisten gewe­sen sei. Damit man das Sägen nicht höre, ließ man den Motor eines Traktors laufen.

Anykščiai

Als die Frau des in Sibirien zu Tode gequälten litauischen Generals Ladiga, Stefanija Ladigienė, starb, beschloß ihr Sohn Aigis Ladiga, ihr ein Grabmal aus Stein zu meißeln. Die Architektin von Anykščiai verwies ihn in eine Kiesgrube am Rande des Städtchens, wo der Leiter der Meliorationsarbeiten nach Dienstschluß ein künstlerisches Kreuz für seine Mutter meißelte. Heuer (1975) war es bereits das dritte Jahr, daß er dort daran arbeitete. Schon wurden die Konturen des Denkmals deutlich, der Gedanke des Bildhauers trat hervor, und darüber stand die Inschrift Gyvens (Wird leben). Mag sein, daß es diese Inschrift war oder das Gerücht, das sich im Umkreis zu ver­breiten begann, nämlich: Ladiga meißele ein Denkmal für die gefallenen Partisanen, was das Interesse der Kreisverwaltung weckte. Kurz vor Ostern blieben sogar fünf Autos an der berühmt gewordenen Kiesgrube stehen, wo das noch nicht ganz vollendete Denkmal in die Höhe ragte. Die Leute er­zählen, daß in dieser Gegend Deutsche oder Partisanen begraben wurden (man weiß es nicht so genau), hingerichtet in der Nachkriegszeit. Jedoch Aigis Ladiga behauptete, das Denkmal sei für seine Mutter, Stefanija Ladi­gienė, bestimmt, die auf dem Viršuliškiai-Friedhof in Vilnius begraben sei. Man überreichte der Verwaltung von Anykščiai sogar einen genehmigten Denkmalsplan, der mit den Namen des Künstlers A. Ladiga und des beraten­den Bildhauers, Vladas Vildžiūnas, versehen war. Jedoch kurz vor Ostern, in der Nacht vom Karfreitag zum Karsamstag (27./28. März), verschwand das Denkmal. Man erzählte, man habe eine Seilwinde, einen Kran und einen Lastwagen gesehen. Es waren auch Spuren dieser Fahrzeuge vorhanden, jedoch die Miliz zeigte kein besonderes Interesse für den Vorfall. Bis jetzt war alles vergeblich, sowohl eine mündliche Mitteilung der Familienange­hörigen an das Sicherheitskomitee, als auch ein offizielles Schreiben an das Zentralkomitee der Litauischen Kommunistischen Partei.

Skrebutiškis

Nach dem Kirchweihfest am 8. September 1969 in Skrebutiškis wurde die Organistin Emilija Kinskaitė vom stellvertretenden GebietsVorsitzenden Sta-pulionis in das Exekutivkomitee des Rayons von Pasvalys geladen. Da während des Kirchweihfestes viele Schüler — Knaben und Mädchen — an der Kirchenprozession teilgenommen hatten, befahl Stapulionis der Organi­stin, Rechenschaft zu geben, wer diese Schüler zusammengerufen und die für die Prozession nötigen Kleider besorgt habe. Emilija Kinskaitė sagte, daß die Eltern ihre Kinder mitzubringen pflegten und da sie darum ge­beten hätten, habe sie den Kindern die Prozessionskleidung angezogen. Stapulionis erklärte, daß die Organistin damit ein Verbrechen begangen habe und befahl ihr, die Hände von den Kindern zu lassen und auch die Eltern nicht zu besuchen.

Die Direktorin Povilanskienė ließ fünf Mädchen ins Lehrerzimmer kom­men, wo Stapulionis bereits auf sie wartete. Die Mädchen, befragt, ob sie E. Kinskaitė besuchten, leugneten es nicht ab. Weiter fragte Stapulionis, ob die Organistin die Mädchen einlade, in die Kirche zu kommen. Diese ant­worteten, daß ihre Eltern sie in die Gottesdienste mitnähmen. „Ihr sollt nicht gehorchen; sagt, ihr habt Kopfweh, und bleibt daheim", belehrte sie der Gebietsbeamte. Als sie befragt wurden, wer ihnen den Katechismus bei­gebracht habe und das Singen der Kirchenlieder, schwiegen die Mädchen. Da begann Stapulionis zu drohen, er würde sie nach Pasvalys wegbrin­gen und nicht mehr nach Hause lassen. Die kleineren Mädchen begannen zu weinen, eine aber erklärte: „Ich werde sagen, was wir dort machen: Wir schauen zu, wie die Kerzen gemacht werden, und wir dürfen Klavier spie­len."

Am nächsten Tag wurde E. Kinskaitė nach Pasvalys zu Stapulionis geladen. Er nannte die Organistin eine Parasitin und schickte sie zum Staatsanwalt. Der Beschützer der sowjetischen Gesetze erklärte, es fehlten gar nicht mehr viele Beweise, um ihr einen Prozeß wegen Irreführung von Kindern zu machen. Als er seine Uberprüfung beendet hatte, schickte er die Organistin wieder zu Stapulionis, der ihr befahl, die Kinder nicht zu ihr ins Zimmer zu lassen, und wenn sie ihnen auf der Straße begegne, dürfe sie nicht mit ihnen sprechen.

Im September 1970 wurde die Organistin E. Kinskaitė nach Tetervinai (Kr. Pasvalys) geladen. Hierher war der stellvertretende Kreisvorsitzende Stapu­lionis gekommen, und geladen war auch das Kirchenkomitee der Pfarrei Skrebotiškis.

Stapulionis erklärte, daß die Organistin E. Kinskaitė den Frieden der Pfar­rei störe und deshalb sei es nicht mehr möglich, daß sie die Altäre schmücke und auf der Orgel spiele. Er, der stellvertretende Vorsitzende, entbinde Kin­skaitė von ihren Dienstpflichten als Organistin.

Die Organistin erklärte, daß sie vom Pfarreikomitee angestellt worden sei, und deshalb nur dieses sie entlassen könne, vorausgesetzt, daß sie sich etwas zuschulden habe kommen lassen. Stapulionis wurde zornig und beschuldigte die Organistin, daß sie die Kinder irreführe, seine Anordnungen nicht ein­halte (er hatte der Organistin nur erlaubt, von zu Hause in die Kirche und aus der Kirche nach Hause zu gehen), Klageschriften schreibe und damit nach Vilnius fahre. Die Organistin antwortete, daß Stapulionis lüge, denn sie habe keine Klageschriften geschrieben und nach Vilnius gebracht. Das Kirchenkomitee äußerte, daß die Organistin sich ihm gegenüber nichts habe zuschulden kommen lassen, und deshalb auch nicht entlassen werde. Stapulionis begann zu drohen, wenn die Organistin nicht entlassen werde, würde der Kreis das neue Budget des Kirchenkomitees nicht bestätigen.

Sollte sie jedoch entlassen werden, würde er die Genehmigung erteilen, das Kirchendach neu zu streichen und einen zementierten Weg von der Kirchen­türe bis zum Kirchhof anzulegen ...

Das Kirchenkomitee wurde noch einige Male in das Gebietsexekutivkomitee vorgeladen. Stapulionis setzte selbst den Text auf, daß die Organistin we­gen ihrer Vergehen entlassen werde. Unter dem Druck der Gebietsbeamten entließ schließlich das Kirchenkomitee die Organistin Kinskaitė.

Šiupyliai

An den Staatsanwalt der Litauischen SSR 
Erklärung

des Priesters Ylius, Pfarrer von Šiupyliai

Im Jahre 1945 stand ich vor Gericht wegen dem § 58 Ia und I. Jedoch konnte das Gericht mir weder ein terroristisches noch ein kriminelles Verge­hen nachweisen. Ich wurde zu zehn Jahren verurteilt, weil ich mich darum bemüht hatte, Litauen frei, demokratisch, litauisch und unabhängig zu ma­chen. Meine Strafe habe ich vollständig verbüßt. 1956 kehrte ich nach Li­tauen zurück. Es sind nun bereits 17 Jahre, daß ich wieder in der Heimat lebe.

Die antireligiöse Propaganda beschuldigt mich jetzt ganz anderer Verbre­chen, solcher, die ich nicht begangen habe und auch nie im Sinne gehabt habe zu begehen. Während der deutschen Okkupation habe ich die Juden in Schutz genommen, wobei ich mein Leben riskierte. Glaubt ihr, daß ich fähig gewesen wäre, nach dem Abzug der Deutschen meine eigenen Brüder zu töten? Das ist reiner Unsinn. Durch mich und wegen mir, Gott sei Dank, kam niemand zu Schaden. Wenn sich ein Soldat etwas zuschulden kommen läßt, so wird nicht der Heerführer, sondern der Soldat, der sich etwas zu­schulden kommen ließ, bestraft. Was mich anbelangt, so tut die Propaganda genau das Gegenteil.

Die antireligiöse Propaganda behauptete, daß ich den Film Kryžiaus šešėlyje (Im Schatten des Kreuzes) sehr verleumde.

In diesem Film werden die Kellerräume der Kirche von Skardupiai dar­gestellt, voll von Waffen und sogenannten Banditen. Ich selbst habe die Kirche von Skardupiai gebaut. Unter dem Boden der Kirche gibt es über­haupt keinen Keller. Mancher schreit im Film, daß ich den Müttern ihre Kinder zu entreißen und sie zu töten pflege. Im Jahre 1961 filmte man mich im Forst von Brisėnas, Forstamt Ariogala, als ich oben durch den Wald für die Elektrohochspannungsleitung einen Weg holzte. Dort fällte ich einen

Baum und sang: „Es wuchs eine Eiche im Walde". Im Film aber heißt es: „Wie werden den Menschen die Köpfe abgehauen". Ist dies denn nicht die schlimmste Entstellung der Wirklichkeit?

Im atheistischen Museum von Vilnius ist ein Stand so ausgestattet, als ob ich wahrhaftig ein Mörder sei. Zu diesem Schluß kam auch Danguolė Repšienė in Tiesa (12. 1. 1974). In Zeitungen und Broschüren wird mir ständig zur Last gelegt, was ich nicht einmal im Traum gedacht habe zu tun. Uberall jedoch wird verschwiegen, was ich zu tun versucht habe, doch nicht mehr die Zeit hatte, es zu vollenden.

Vor einiger Zeit schrieb man mir jenes Siegel zu. (Das Siegel ist dazu be­stimmt, in die Haut eines Kommunisten einen fünfzackigen Stern einzu­brennen. — Red.) Nun schreibt man dieses Siegel bereits dem Priester Lelešius zu. Und doch wissen die Kommunisten genau, wer der Urheber jenes Siegels ist. Warum hat man diesem nicht gedroht? Ach ja, er ist ein Dipl.-Landwirt — das würde keinen Eindruck machen. Ich habe lange geschwiegen — ich dachte, sie würden es überdrüssig wer­den, mich zu verleumden. Doch sie werteten mein Schweigen als ein Ver­brechen, um nach dem Prinzip „ad uno disce omnes" alle Priester beschul­digen zu können. Nun sehe ich, — ich darf nicht länger schweigen. So eine verleumderische Diskriminierung eines Priesters ist ein bewußter und offener Kampf gegen die Religion. Solche Kampfmethoden bringen den Kämpfenden keine Ehre. Kämpfen muß man mit ehrlichen Waffen, und man darf nicht mit Lüge und Verleumdung die Gesellschaft irrefüh­ren.

Ich bitte den hochverehrten Staatsanwalt, anordnen zu wollen, den oben­genannten Film aus dem Umlauf zu ziehen, den obenerwähnten Stand umzugestalten, die Propaganda zur Ordnung zu rufen, damit sie nicht derart dreist die Wirklichkeit entstellt.

Šiupyliai, den 2. Februar 1974

Priester Antanas Ylius

(Die Erklärung wurde gekürzt. — Red.)

Prienai

Im Herbst des Jahres 1974 belegte die Administrativkommission des Exe­kutivkomitees des Gebietes Prienai den Organisten der Pfarrei Prienai, Gaučys, mit einer Geldstrafe von 50 Rubel, weil im Kirchenchor Schüler gesungen hatten.

Am 26. März 1975 lud der stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomi­tees Prienai, Morkvėnas, den Pfarrer der Pfarrei Pakluonis, Pranas Lingys, vor und machte ihm Vorwürfe, daß er zu den Fastenexerzitien den Prie­ster S. Tamkevičius eingeladen habe. In Zukunft, müsse der Pfarrer wis­sen, habe der Priester Tamkevičius, wenn er im Prienai eine Predigt hal­ten wolle, eine Zustimmung dafür vom Exekutivkomitee Alytus und da­nach eine Genehmigung der Verwaltung von Prienai einzuholen. Morkvėnas befahl dem Priester P. Lingys außerdem, von den inneren Kir­chenwänden die nationalen Dekorationen, die Säulen des Gediminas, zu entfernen.

Simnas

Während der Ostergottesdienste 1975 war die Kirche von Simnas von betenden Menschen überfüllt. Ein solches Bild bietet sich fast in allen litau­ischen Kirchen. Jedoch nicht alle kommen hierher, um zu beten. In der Kirche waren auch viele Regierungsbedienstete — Spitzel, die gekommen waren, um die Osterpredigt zu hören und zu beobachten, wieviele Er­wachsene und Schüler da sind usw. Unter anderen, nicht erkannten Spit­zeln waren die Direktorin der Oberschule Simnas, Guzevičienė, und der Leiter der Volksbildungsabteilung des Kreises Alytus, V. Valeika. Am 1. April kam der Leiter der Bildungsabteilung, V. Valeika, in die Schule und begann die Untersuchung. In das Zimmer der Direktorin Guzevičienė wurden zwei Ministranten, R. Juknelis und V. Vasiliauskas, gerufen. Man befragte R. Juknelius, wer ihn zur ersten hl. Kommunion vorbereitet habe, wer ihm angeboten habe, Ministrant zu werden, weshalb er nicht zu den Pionieren gehe usw. Vasiliauskas wurde befragt, wer von den Schülern an der Osterprozession teilgenommen habe. Allem Anschein nach wollte der Leiter der Bildungsabteilung von den Kindern hören, daß der Priester Tamkevicius sie zum Ministrieren anwerbe.

Am 2. April wurde der Pfarrer der Pfarrei Simnas, J. Matulevičius, vor den stellvertretenden Vorsitzenden des Exekutivkomitees Alytus geladen. Die­ser erhob den Vorwurf, daß die Pfarrei Simnas ohne Gebietsgenehmigung den Priester J. Zdebskis zur Durchführung der Exerzitien eingeladen habe. Danach schickte der Stellvertretende den Pfarrer zum Sicherheitskomitee von Alytus, wo er von dem aus Vilnius gekommenen Untersuchungsrich­ter des Sicherheitskomitees, Kapitän Marcinkevičius, erwartet wurde. Die Untersuchung dauerte fast drei Stunden. Marcinkevičius befragte ihn über die während der Auferstehungsfeier gehaltene Predigt des Priesters S. Tam­kevičius. Insbesondere störte den Sicherheitsdienst die in der Predigt be­rührte Tatsache, daß die Regierung Priester ins Ausland schicke, um die Un­wahrheit zu verbreiten, es gäbe in Litauen Religionsfreiheit. Der Priester Matulevičius sagte, daß er zu Ostern viel zu tun gehabt und die Predigt daher nicht gehört habe; aber im allgemeinen pflege sein Vikar nicht über weltliche Themen, sondern über religiöse zu sprechen. (Der Unter­suchungsrichter hätte sehr gerne gehört, daß der Priester Matulevičius bezeugt hätte, daß Priester Tamkevičius über „weltliche" Themen predige.)

Bagaslaviškis

Im August 1974 richtete irgend jemand eine Anklageschrift an das Partei­komitee Vilnius, daß der Chauffeur des Kolchos Bagaslaviškis, Jonas Chatkevičius, und seine Frau, die Buchhalterin der Kolchose, ihr Kind in der Kirche hätten taufen lassen. Die Beamten der Region Širvintai wurden tätig und begannen ihre Besuche in Bagaslaviškis abzustatten. Sie wollten erfahren, wie es denn möglich gewesen sei, daß die Eltern, die Parteige­nossen seien, ihr Kind taufen ließen. Um Nachrichten über dieses „Ver­brechen" zu sammeln, kam sogar der Vertreter des Vorstandes des Ge­bietsexekutivkomitees selbst. Die Erpressung dauerte zwei Monate lang. Die Eltern wurden gezwungen, sogar schriftlich zu bestätigen, daß sie ihr Kind nicht haben taufen lassen.

Der Chauffeur des Kolchos Boguslaviškis, Romualdas Šarmavičius, hatte die Absicht, am 9. September 1974 das hl. Sakrament der Ehe in der Kir­che zu empfangen. Als der Sekretär der Parteiorganisation des Kolchos, Jonas Vasiliauskas, davon erfuhr, begab er sich zu Šarmavičius und ver­langte von ihm, daß er ohne Kirche heirate. Ungeachtet aller Drohungen und Versprechungen ließ sich R. Šarmavičius in der Kirche trauen.

Pivašiūnai

Im November 1974 starb in Alytus der aus Pivašiūnai stammende Tier­arzt Vaclovas Paliokas, 29 Jahre alt, Parteianwärter. Da der Arzt selbst gläubig war, beschlossen die Eltern, den Sohn kirchlich zu beerdigen. Der Gebietsparteivertreter und der Vorstand des Kolchos, Makalavas, kamen zum Pfarrer von Pivašiūnai, A. Alkovikas, und verlangten von ihm, V. Paliokas nicht zu beerdigen. Der Pfarrer sagte, daß der Verstor­bene die Kirche zu besuchen und die hl. Sakramente zu empfangen pfleg­te, am 2. Juli 1974 habe er das hl. Sakrament der Ehe empfangen, so könne er ihm die kirchliche Bestattung nicht verwehren. Nachdem es ihnen nicht gelungen war, den Pfarrer beim ersten Besuch zu überreden, er­schienen sie bei ihm ein zweites Mal und verboten ihm, den Verstorbenen in die Kirche und aus der Kirche auf den Friedhof zu begleiten. Einige Tage nach der Beerdigung erschienen beim Pfarrer von Pivašiūnai „Gäste" aus der Kreisstadt. Die Beamten beschuldigten den Pfarrer wegen der Beerdigung, suchten nach Einwänden wegen der Renovierung der Kir­che und versuchten, ihn auf vielerlei Arten einzuschüchtern.