Bei flüchtiger Beobachtung könnte der Eindruck entstehen, daß durch die Katholische Kirche Litauens ein frischer Wind wehe. So ermahnte ein Ver­treter des Rates für religiöse Angelegenheiten, P. Makarcev, die litauischen Parteifunktionäre, sich etwas manierlicher Priestern gegenüber zu benehmen. Bei seiner Abreise nach Moskau soll er sich sogar für eine Milderung der Re­gierungspolitik gegenüber der Kirche geäußert haben.

In Šiauliai durften die Glocken der Peter- und Paul-Kirche nach einer 20jäh-rigen Pause das Osterfest einläuten. Ende Januar 1977, zur Jubiläumsfeier des Gottesdieners, Erzbischofs Jurgis Matulevičius, zelebrierte der seines Amtes verwiesene Bischof von Kaišiadorys, V. Sladkevičius, den Haupt­gottesdienst. Noch vor wenigen Jahren durfte aus ähnlichem Anlaß die hl. Messe in der Sakristei der Mariampoler Kirche lediglich von den örtlich zuge­lassenen Priestern zelebriert werden. Was hat das alles zu bedeuten?!

Für die vielerorts in aller Öffentlichkeit vorgenommene Katechisierung der Kinder werden von den Regierungsstellen lediglich Geldbußen auferlegt. Über Gerichtsverfahren, wie die gegen die Priester Šeškevičius, Zdebskis und Bubnys, braucht man heute nichts mehr zu berichten; derartige Vorkomm­nisse sind z. Zt. recht unwahrscheinlich. Was steckt dahinter?!

Teurer Mensch dieser Erde!

Voll Ehrfurcht und Bewunderung folgen wir Ihrem Stern. Wir freuen uns, daß in den trostlos geschlossenen politischen Kreis eine Persönlichkeit getre­ten ist, die sich Gott, der menschlichen Würde und höheren Werten verpflich­tet fühlt. Wir sprechen unsere Hochachtung dem Volke aus, das sich in einem solchen Präsidenten verwirklicht hat. Möge Gott Ihnen beistehen!

Die in Perm inhaftierten politischen Häftlinge:

E. Sverstjuk
S. Kovaljov
P. Plumpa
I. Mendelevič

1977, Anfang März

 

Am 19. April 1977, gegen 9 Uhr, wurde Antanas Miklyšius, wohnh. in Kau­nas, Linkuvos 77-2, von seiner Arbeitsstelle abgeholt und nach Hause gefah­ren. Nach dem Vorzeigen einer Haussuchungsorder, für die der Oberuntersu­chungsführer, Major Markevičius, verantwortlich zeichnete, wurde die Woh­nung samt Keller und Abstellräumen unter der Leitung von Oberleutnant Gavėnas durchsucht. Die Hausdurchsuchung dauerte ca. 7 Stunden. Daran nahmen vier Sicherheitsleute und zwei hinzugezogene Zeugen teil. Folgendes wurde beschlagnahmt: ein Notizbüchlein, drei Bücher — „Am Kreuze der Hoffnung", „Aus der Kirchen- und Päpste-Geschichte" und „Tagebuch", außerdem Schreibmaschinenseiten des Textes „Der Kaunaer Erzbischof und der Metropolit" und eines Artikels von Girnius „Die Geschichte wiederholt sich" u. a. m.

Nach Beendigung der Hausdurchsuchung wurde A. Miklyšius zur Verneh­mung in den Sicherheitsdienst gebracht.

Am 19. April holten Sicherheitsbeamte Jonas Repšys von seinem Arbeits­platz nach Hause, um dort, nach Vorzeigen einer Order, gezeichnet von Major Markevičius, eine Haussuchung vorzunehmen. Die Sicherheitsleute fahndeten nach der „Aušra" (Morgenröte), der „Chronik der LKK" und nach anderen illegalen Publikationen. Die Fahndung dauerte 2 Stunden, als deren Ergebnis wurden das Buch „Die Kultur der Seele" und ca. 20 Bandauf­zeichnungen konfisziert. Danach wurde Jonas Repšys in den Sicherheits­dienst zum Verhör gebracht.

Am 17. November 1976 hat der Administrator der katholischen Kirche von Grinkiškis, Priester J. Vaicekauskas, eine an den stellvertrenden Vorsitzen­den des Rayon-Exekutivkomitees von Radviliškis gerichtete Erklärung folgenden Inhalts eingereicht:

„Am 16. November 1976 wurde die Schülerin Rimantė Večkytė zum Direk­tor der Mittelschule von Grinkiškis, Kirtiklis, bestellt, der ihr den mehrmali­gen Besuch in der Pfarrei vorwarf.

Der Direktor deutete an, daß der Priester aus Grinkiškis versetzt werden müsse, falls das Mädchen die Besuche im Pfarrhaus nicht einstelle.

Des weiteren wurden von Direktor Kirtiklis zwei Schulbuben zur Rede ge­stellt, ich kenne nicht einmal ihre Namen, doch sie kamen einige Male zu mir. Es wurde ihnen der Umgang mit mir verboten. Ähnlich erging es auch der Schülerin Vilė Dauknytė, die nun aus Furcht vor Sanktionen nicht mehr in der Kirche erscheint.

Ständig höre ich mir die Klagen von Eltern an, deren Kinder unter dem Atheismusdruck in der Mittelschule von Grinkiškis zu leiden haben, weil ih­nen der Kirchgang nicht gestattet wird.

Ich betrachte das Benehmen des Schuldirektors und anderer Atheisten nicht so sehr als Kränkung meiner Priesterwürde, es trifft mich vielmehr persön­lich, als Menschen. Geht doch aus dem Benehmen der Atheisten hervor, daß der Priester sowas wie ein Verbrecher ist, den man nicht grüßt, anspricht oder gar besucht. Gewiß, auch unter Atheisten braucht nicht unbedingt ein hohes Kulturniveau zu herrschen, bedauerlich ist jedoch, daß eine solche Ansicht von Lehrern vertreten wird. Die Schulkinder von Grinkiškis schlagen Kir­chenfenster ein, es würde mich nicht sehr wundern, wenn auch auf mich, den Priester, bald Steine fliegen würden. Die Erziehung der Kinder seitens ihrer atheistischen Lehrer läuft ja darauf hinaus.

An den Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten, K. Tumėnas

Abschrift: an den Ministerrat der Litauischen SSR

Erklärung

der Gläubigen der katholischen Religionsgemeinde von Žalioji

Die katholische Religionsgemeinde von Žalioji wurde am 4. Oktober 1948 von dem Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten, Bronius Pušinis, registriert. Sie bestand bis zum 26. Januar 1963. Ungeachtet der Pro­teste der Gläubigen und des regen Kirchenbesuches wurde diese Kirchenge­meinde eigenmächtig durch den stellvertretenden Rayonvorsitzenden von Vilkaviškis, S. Rogovas, aufgelöst und die Kirche geschlossen. Dies können die Priester der umliegenden Kirchengemeinden und die Gläubigen bezeu­gen. Da dieser tückische Plan in Eigeninitiative, ohne die Genehmigung des Ministerrates der Litauischen SSR, ausgeführt wurde, liegt hier offensichtlich eine Verletzung der sowjetischen Gesetze über die Freiheit der Ausübung religiöser Kulthandlungen und über die freie Gewissensentscheidung vor. Außerdem wurde die Miliz in Begleitung des Vorsitzenden von Augalai, Mekšriūnas, zum Vorsitzenden der Kirchengemeinde von Žalioji, Kazys Mažeika, geschickt, um die Kirchenstempel zu requirieren. Als K. Mažeika die bewaffneten Milizionäre und den Rayonvorsitzenden bei seinem Hause erblickte, erschrak er sehr, denn er glaubte, man wolle ihn ver­haften. Für sein Eintreten für die Kirche hatte ihm schon früher der stellver­tretende Rayonvorsitzende, S. Rogovas, mit einer Gefängnisstrafe gedroht. Bevor K. Mažeika die Stempel auslieferte, verlangte er eine schriftliche Be­stätigung. Diese wurde vom Vorsitzenden Mekšriūnas angefertigt und bei Mažeika hinterlassen. Auf diese Weise wurde mit Hilfe der Miliz die Reli­gionsgemeinde von Žalioji, die sich keines Vergehens gegen die sowjetischen Gesetze hatte zuschulden kommen lassen, entgültig liquidiert. Das ist eine brutale Verletzung der Grundrechte der Gläubigen! Gemäß Ge­setz kann jeder Sowjetbürger über seine Einstellung gegenüber Religion und Kirche frei entscheiden, das ist nicht die Sache des ehemaligen Stellvertreters, S. Rogovas, um so mehr darf hierbei nicht die Mithilfe der Miliz in Anspruch genommen werden. Weshalb gestattete der damalige Bevollmächtigte für re­ligiöse Angelegenheiten, Rugienis, und der Ministerrat der Litauischen SSR diese Verletzung der sowjetischen Gesetze und eine derartige Einschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit?

Wir, die Gläubigen des Kirchensprengels von Žalioji, folgen dem Geheiß unseres Gewissens und fordern, daß unser Recht auf eine Religionsgemein­schaft mit einem Vollzugsorgan an der Spitze wiederhergestellt werde und wollen die uns fortgenommene Kirche zurück. Die Vereinbarungen von Hel­sinki, die von dem Leiter der sowjetischen Delegation, L. Brežnev, unter­zeichnet worden sind, verpflichten zu einer Beachtung der Rechte und der religiösen Überzeugungen eines jeden Menschen.

Am 2. Februar 1977 konnten wir in der Tiesa (Die Wahrheit) die Antwort des Schriftstellers J. Baltušis an den ausländischen Korrespondenten des Figaro unter der Überschrift „Ein Zerrspiegel" lesen.

In Unkenntnis des Figaro-Artikels ist es schwierig, seinen Wahrheitsgehalt zu beurteilen. Man muß jedoch davon ausgehen, daß sich der Korrespondent bei einem nur kurzen Aufenthalt in Litauen kaum ein vollständiges Bild von unserem Land machen konnte.

Der Artikel von J. Baltušis, indes, setzt uns in Staunen. Baltušis ist ein ta­lentierter, von der breiten Öffentlichkeit anerkannter Schriftsteller. Viele Seiten unserer noch nicht fernen Vergangenheit hat er trefflich zu schildern gewußt. Mit offenen Augen durchreiste er Amerika, wo er, im Gegensatz zu so manchem anderen unserer Schriftsteller, nicht nur die Schattenseiten, sondern auch die „Rosengärten" erblickte.

Doch dieser Artikel, der sich mit den verschiedensten Bereichen des Lebens in Litauen - mit Wirtschaft, Kultur, Politik, Geschichte, Religion - ausein­andersetzt, geriet ihm zu einem Zerrspiegel. Das wird u. a. augenscheinlich, wenn man die den religiösen Aspekten gewidmeten Zeilen liest. J. Baltušis ist über den Korrespondenten desFigaro erzürnt, weil dieser schrieb: „Das sowjetische Regime engt die Religion stark ein (Kirchen, Prie­sterseminare, Klöster werden geschlossen); wer eine gute Arbeit hat, der darf öffentlich seinen Glauben nicht praktizieren". Weshalb macht Sie das so zor­nig, verehrter Schriftsteller, entspricht denn das nicht vollkommen den bei uns herrschenden Tatsachen?

Oder sollte unserem verehrten Schriftsteller entgangen sein, daß, sagen wir, in einer Stadt wie Vilnius von einigen Dutzend Kirchen nur wenige geöffnet sind? Und weshalb sind die übrigen geschlossen? Haben sie sich von alleine zugemacht? Es gab einen Erlaß aus dem Jahre 1948, gemäß dessen in Litauen viele Kirchen schließen mußten; nicht nur die Kirchen, auch alle Klöster wurden damals geschlossen.

Sasnava

An den Minister für Innere Angelegenheiten der Litauischen SSR Erklärung

der Bürgerin Valaitytė, Bronislava, Tochter des Jeronimas, wohnh. in Sasna­va, Rayon Kapsukas

Am 17. März 1976 wurde ich von der Miliz festgehalten und einer gründ­lichen Leibesvisitation unterzogen. Zur Begründung dieses Vorfalls teilte mir die Personalabteilung des Ministeriums für Innere Angelegenheiten der Li­tauischen SSR in einem Schreiben vom 27. Juni 1977, Nr. 2/13-V-18, mit, daß eine Frau, die neben mir im Bus gesessen hatte, Anzeige gegen mich beim Exekutivkomitee von Veisėjai erstattet habe, ihr die Handtasche mit Geldinhalt entwendet zu haben. Dies ist eine infame Lüge und Verleumdung, da sich meine damalige Busnachbarin mit überhaupt keiner Anzeige an ir­gendeine Stelle gewandt hatte.

Am 1. Februar 1977 habe ich den Vorsitzenden des Exekutivkomitees, A. Vaikšnora schriftlich darum gebeten, mir Namen und Adresse der Ver­leumderin mitzuteilen, damit ich gegen sie Anzeige erstatten kann. Bis jetzt habe ich jedoch von ihm noch keine Antwort erhalten. Es widerstrebt mir zu glauben, daß diese ganze Verleumdungsaktion von A. Vaikšnora selber in­szeniert worden ist, jedoch ein verantwortlicher sowjetischer Amtsträger sollte sich nicht schützend vor Verleumder stellen.

Ich bitte zu veranlassen, daß der Vorsitzende des Exekutivkomitees des So­wjets der Werktätigendeputierten von Veisėjai, A. Vaikšnora, mir Namen und Adresse der Verleumderin preisgibt.

Sasnava, 12. März 1977        B. Valaitytė