Da die ganze Presse dem ZKdKP untersteht, möchten wir das ZKdKP auf die Artikel des Dozenten J. Anicas, Kandidat der Geschichtswissenschaften, hinweisen, die dieses Jahr in der litauischen Sowjetpresse in verschiedenen Zeitschriften erschienen sind und sich mit den Gesetzen des Religionskultes und der Gewissensfreiheit befassen. Diese Artikel beinhalten eine Menge evidenter Sophismen und Unwahrheiten.

1.        J. Anicas schreibt in dem Artikel Gewissensfreiheit, daß „die Bourgeoisie nicht einmal formell irgendwo die antireligiöse Uberzeugungsfreiheit erklärt" habe.

In den bourgeoisen Staaten werden keine formellen Erklärungen der anti­religiösen Uberzeugungsfreiheit verkündet, denn sie ist dort eine Selbstver­ständlichkeit, wie etwa essen, sich waschen u. ä. Gibt es überhaupt auf der Welt einen Staat, der die atheistische Presse verbietet, die atheistischen soge­nannten „fortschrittlichen" Organisationen einschränkt?

2.        In demselben Artikel behauptet J. Anicas, daß in den bourgeoisen Ländern „die Gewissensfreiheit einseitig, lediglich als Freiheit, die Religion zu bekennen, traktiert wird" ... „Im bourgeoisen Litauen schützte der Staat die Freiheit der gläubigen Staatsbürger ... jedoch garantierte er keinesfalls allen Bürgern, darunter den Nichtgläubigen, die Gewissensfreiheit."

Diese „Einseitigkeit" ist heute in Litauen weit mehr verbreitet als vor dem Krieg. Damals war es sowohl den Gläubigen als auch den Atheisten erlaubt, ihre Uberzeugungen zu bekunden und zu verbreiten, heute — dürfen es nur noch die Atheisten.

Im Vorkriegslitauen durften Atheisten hohe Posten bekleiden; z. B. war J. Tonkūnas Rektor der litauischen Landwirtschaftsakademie (1926 bis 1934) und Kultusminister (1934 bis 1939); J. Čepinskis war Botschafter der bour-geoisen Regierung in London (1919), Rektor der Universität zu Kaunas (1929 bis 1933) und Kultusminister (15. Juni bis 17. Dezember 1926); es gab eine ganze Reihe atheistischer Professoren: V. Dubas, P. Avižonis, T. Iva­nauskas, Bl. Lašas u. a.

Die Schüler benutzten die von den Atheisten Viparis und J. Norkus vorbe­reiteten Geschichtsbücher.

Im Osten Litauens, im Rayon Utena, unweit der Tauragnai- und Labes-Seen, liegt versteckt zwischen Wäldern, Seen und Hügeln der Ort Tauragnai. Die letzte Kirche dieser Ortschaft war kreuzförmig und eintürmig gebaut.

Von außen machte sie einen schlichten Eindruck, doch innen war sie reich ver­ziert und hatte fünf Altäre. Besonders großartig und eindrucksvoll wurden die Prozessionen gestaltet. Die Geschichte dieser Kirche endete am 9. Juli 1944, als die Deutschen ihre Brandbomben über dem Städtchen abwarfen. Das Pfarrhaus und der naheliegende Gemeindesaal, in dem später die Kirche untergebracht wurde, blieben damals vom Feuer verschont. Die äußeren Maße des Gemeindesaales betrugen 21 m in der Länge, 13 m in der Breite und 4 m in der Höhe. Dieser kleine Saal konnte unmöglich allen Gläubigen Platz bieten. In den Sommermonaten drängten sich während des Hochamtes die Gläubigen sogar in dem kleinen Garten vor der Kirche. Bei Kirchweih­festen stören die ortsansässigen Atheisten, mit Genehmigung der Rayons­verwaltung Utena, den Gottesdienst, indem sie aus dem naheliegenden Kul­turhaus volldröhnende Lautsprechermusik erschallen ließen. Die Belästigun­gen durch die Atheisten, unterstützt von Obrigkeit und Presse, wurden im­mer unverschämter. Das Gebetshaus im Zentrum, das zahlreich von den Gläubigen — Männern, Frauen und Jugendlichen — besucht wurde, war ihnen sicherlich ein Dorn im Auge.

Am Abend des 30. April 1967 brach im Pfarrsaal, in dem sich ja die provi­sorische Kirche befand, ein Feuer aus.

Die Brandursache war zunächst ungeklärt. Doch die Untersuchungsbeamten fanden sie schnell — defekte Elektrizitätsleitungen in der Kirche. Es gab je­doch Leute, die von den automatischen Sicherungen des Stromzählers wuß­ten und bemerkt hatten, daß diese während des Brandes eingeschaltet waren. Außerdem wurde das ganze Gebäude sofort vom Feuer erfaßt, als ob es vor­her mit etwas leicht Brennbarem begossen worden wäre. Die Feuerlöschwagen kamen erst zur Brandstelle, als bereits das ganze Ge­bäude abgebrannt war. Man hatte ihre Entsendung wahrscheinlich bewußt hinausgezögert. Sogleich zu Beginn des Brandes kamen viele Leute, um die Kirchensachen zu retten, doch der Pfarrer war gerade verreist, und so gab es niemanden, der die Rettungsaktion korrekt hätte leiten können. Dabei kam es zu einem interessanten Vorfall: ein Atheist und einige seiner Freunde ver­suchten ganz gezielt die Rettungsarbeiten zu stören, und so entstand in der brennenden Kirche ein Gedränge. Die Gläubigen verprügelten den Atheisten, da er sie daran hindern wollte, die Möbel und die liturgischen Gewänder aus der brennenden Kirche zu bringen, so daß ein Teil der wertvollen Sachen, wie Kirchengewänder, Bilder und alle Kreuzwegstationen, verbrannte. Kurz nach dem Brand erschien der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten, Rugienis, in Tauragnai. Er versprach der Gemeinde, daß eine neue Kirche gebaut werden würde, und schlug als Ubergangslösung vor, die Kapelle auf dem Friedhof zu benutzen. Diese Kapelle war schon seit Jahren unbenutzt, denn als der Bezirksvorstand den Friedhof übernahm, wurde dem Priester verwehrt, sich um die Kapelle zu kümmern, und der Be­zirksverwaltung war es nur recht, wenn diese herunterkam. So hatten sich im Laufe der Zeit in den Mauern bereits solche Risse gebildet, daß die Vögel ungehindert ein- und ausfliegen konnten. Die Kapelle war 6 X 3,5 X 3 m groß. Hierher brachte man nun das Allerheiligste Sakrament und legte es in eine hölzerne Schachtel. Der Altar wurde hergerichtet, und man begann Got­tesdienste abzuhalten.

Šiauliai

Am 17. Februar 1976 wurde um 20.30 Uhr im vorderen Turm der St. Ge­orgskirche ein Feuer gesehen. Man benachrichtigte die städtische Feuerwehr und die Miliz. Einige der Feuerwehrmänner waren betrunken, sie arbeite­ten widerwillig und unorganisiert: auf die Bitten der Gläubigen äußerten sie sich höhnisch und mit unflätigen Ausdrücken.

Als der Turm bereits in Flammen stand, spritzten sie absichtlich daneben. Auf die Bitte der Leute, den Wasserstrahl doch auf das Feuer zu richten, er­klärten sie höhnisch: „Man darf den Turm nicht benetzen, sonst schmelzen die Glocken."

Man hörte sie spotten, daß nun bald die Glocken herunterfallen würden, und wenn erst der kleine Turm einstürze, dann würde auch der große bald folgen. Obwohl recht viele Feuerlöschwagen gekommen waren, arbeitete nur einer, dessen Schläuche defekt waren, so daß das ganze Wasser auf die Erde floß. Auf der Straße standen folgende Wagen, ohne zu löschen: LIZ 34-13; LH 4-50; 99, 19; 99, 29; 27-82.

Die weiter entfernt Stehenden sahen, daß sich die Flammen bereits ihren Weg zum großen Turm bahnten. Als man die Feuerwehr daraufhin bat, den Flammen den Weg zu versperren, meinten die Feuerwehrmänner, man solle die Bittenden der Miliz übergeben.

Als das Feuer die Kirche bereits weitläufig erfaßt hatte, rief man um 21 Uhr das militärische Feuerlöschkommando herbei. Obwohl sie selbst nur untätig herumstanden, weigerten sich die städtischen Feuerwehrleute, den Soldaten das Löschen zu überlassen. Sie befahlen ihnen, sich auf 200 m von der Kirche zurückzuziehen. Nur auf Grund der eindringlichen Bitten der Gläubigen ge­lang es der Militärabteilung, die städtische Feuerwehr zu entfernen und nun wirklich mit dem Löschen zu beginnen. Dank ihres Eingreifens wurde das Feuer gelöscht, alle Altäre blieben verschont, und der große Turm wurde gerettet.

In der Stadtzeitung von Šiaulia wurde dann veröffentlicht, daß das Feuer durch defekte Öfen in der Kirche entstanden sei. Aber an diesem Tag waren die Öfen gar nicht in Betrieb gewesen.

Die Leute zweifelten nicht daran, daß das Feuer auf böswillige Brandstiftung zurückzuführen war.

Veisiejai

Am 16. Februar 1976 verhafteten der Direktor der Mittelschule in Veisiejai, Inspektor Ditkus, und der Lehrer Klimčiauskas die Schüler der Mittelschule, die an diesem Tag an der hl. Messe teilgenommen hatten. Die Verhafteten wurden gezwungen, Erklärungen zu unterschreiben, und, wie es gewöhnlich bei solchen Vorfällen geschieht, mit allen nur erdenklichen Erpressungsmit­teln geängstigt.

An den Generalstaatsanwalt der Litauischen SSR Eingabe

von Petras Soroka, Sohn des Petras, wohnhaft im Rayon Lazdijai, Veisiejai, Dešimtmečio gatve Nr. 5

Am 17. Februar 1976 zwang der Untersuchungsrichter Zinkevičius, der in die Mittelschule in Veisiejai beordert worden war, meinen Sohn Gintautas, Schüler der VII. Klasse, unwahre Dinge zu gestehen und schlug ihn dabei.

Als Gintas aus dem Untersuchungszimmer kam, erkannte ihn nicht einmal die ihn gut kennende Vailionienė, so entstellt war er.

Mein Sohn wollte sich umbringen, aber er wurde von R. Mizaras und einem anderen Schüler daran gehindert.

Abends ging es dem Kind nicht gut. Man rief die wachhabende Ärztin, und diese gab ihm eine Spritze, doch Gintautas konnte drei Tage lang nicht zur Schule gehen. Die Ärztin schrieb ein Attest aus, das der Klassenlehrerin Ragažienė überbracht wurde. Ich bitte den Vorfall zu untersuchen.

Veisiejai, den 21. Februar 1976        Unterschrift

Der Streik der Kolchosarbeiter

Im Dezember 1975 wurden zwei Kolchosen des Rayons Kapsukas fusioniert — Dovinė und Piliakalnis. Am Anfang des Monats Dezember fanden in bei­den Kolchosen Versammlungen statt, in denen beschlossen wurde, diese bei­den Kolchosen zu vereinen. Bei den Versammlungen war der erste Partei­sekretär des Rayons Kapsukas, Sinickas, anwesend. Er versprach öffentlich den Kolchosarbeitern, daß nach dem Zusammenschluß der Kolchosen eine Vollversammlung der Mitglieder der fusionierten Kolchosen stattfinden und dabei der neue Vorsitzende unter zwei Kandidaten gewählt werden würde, das bedeutete, entweder der ehemalige Leiter des Kolchos Dovine,Pranas Servytis, oder der ehemalige Leiter des Kolchos Piliakalnis, Stasys Narauskas.

Das Kolchos Dovine war ökonomisch viel schwächer, die Arbeiter wurden niedriger entlohnt, und abgesehen davon, hatten die Kolchosarbeiter dem ehemaligen Leiter Servytis gegenüber viele persönliche Vorbehalte. Am 10. Dezember fand im Saal der Schule in Daukšiai die Vollversamm­lung der fusionierten Kolchosen zur Wahl des neuen Leiters statt. Zur Ver­sammlung kam eine große Mehrheit der Mitglieder des ehemaligen KolchosPiliakalnis. Die Mitglieder des ehemaligen Kolchos Dovine nahmen an dieser Vollversammlung nicht teil, denn sie hatten zuvor eine Minderheitsver­sammlung ihres ehemaligen Kolchos abgehalten und beschlossen, P. Servytis zum gemeinsamen Leiter zu wählen.

Abschrift des Strafprozesses Akten-Nr. 1-68/1963

Urteil im Namen der Litauischen Sozialistischen Sowjetrepublik

Am 7. Mai 1963 hat das Volksgericht in Kėdainiai unter Vorsitz des Volks­richters Olšauskas und der Volksräte Čaplikienė und Žaludiene, in Anwesen­heit des Staatsanwaltes Leščinskas, der öffentlichen Ankläger A. Žukas und K. Ptašinskas, des Rechtsanwaltes Štarka und der Schreiberin Stanevičienė in der öffentlichen Gerichtsverhandlung in der Aula der 2. Mittelschule nach eingehender Uberprüfung der Strafprozeßakte, in der Algimantas-Anastazas Šaltis, Sohn des Vytautas, geb. am 2. April 1944 in der Stadt Kėdainiai der Litauischen SSR, Litauer, parteilos, 9-Klassen-Bildung, ledig, wehrpflichtig, nicht vorbestraft, arbeitslos (ging in die Abendschule für Arbeiterjugend in die 10. Klasse), Kind von Angestellten, wohnhaft in der Stadt Kėdainiai, Vil­nius g. Nr. 12, angeklagt ist nach Paragraph 144, 2 des Strafgesetzbuches der Litauischen SSR, nach eingehender Uberprüfung des Beweismaterials der Voruntersuchung und Gerichtsverhandlung, nach Befragen des Angeklagten und der Zeugen, nach Anhören der Plädoyers und der letzten Worte des Angeklagten, folgenden Beschluß gefaßt: Der Angeklagte Šaltis, Schüler der 10. Klasse der Mittelschule für Arbeiterjugend, der für die Allgemeinheit nicht nützlich arbeitete (obwohl physisch gesund und reif), hat ungeachtet dessen, daß er 1960 wegen seiner Anwerbung von Schülern in den sog. „lebenden Rosenkranz", d. h. für die Verkündung des Gottesglaubens und Unterweisung in den religiösen Riten von den Sicherheitsorganen verwarnt wurde, daraus nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen und fährt mit seiner strafbaren Tätigkeit fort. So unterwies der Angeklagte Šaltis 1961 eine Schülergruppe in den religiösen Riten und bereitete sie auf die Kommunion vor. Nicht genug hiermit, organisierte der Angeklagte Šaltis im Sommer 1962 während der Schulferien, unter dem Vorwand das Wort Gottes zu ver­künden, im Rayon Kėdainiai, im Dorf Bubliai eine Gruppe von neun Schü­lern, darunter auch „Pioniere" und „Oktoberkinder" (litauisch „spailiukai", Kinderorganisation des Roten Oktober), und brachte ihnen den Katechismus und Gebete bei, verbreitete unter den Kindern religiöse Literatur, stand in Briefverbindung mit einer organisierten Gruppe, hielt einige Schüler dazu an, nicht der Pionierorganisation beizutreten und nicht dem Kommunismus zu glauben.

Beschluß des Obersten Gerichtshofes der Litauischen SSR vom 28. Mai 1963:

Der Berufungsklage des Verteidigers von Šaltis wird teilweise stattgegeben. Die Urteilsverkündung des Volksgerichtes im Rayon Kėdainiai vom 7. Mai 1963 wird gemäß der Delikte des Šaltis von Paragraph 144, 1 des Strafge­setzbuches in Paragraph 143 der Strafordnung umgewandelt und die auf­erlegte Strafe auf ein (1) Jahr Freiheitsentzug reduziert.

Volksrichter

Anmerkungen der „Chronik der LKK":

A. Šaltis hat den Untersuchungsrichtern gegenüber niemals bezeugt, daß er die Kinder auf Anweisung der Priester Labonis und Braknis unterrichtete. Bei den Verhören ging man oft sehr grob mit den Kindern um — den Kin­dern wurde gedroht, daß man sie in ein Straflager schicken würde. In der Gerichtsverhandlung drohte man den Müttern, ihnen das Sorgerecht zu ent­ziehen.