An den ehrwürdigen Bruder Julijonas Steponavičius, Titularbischof von Antarado.

Anläßlich des 25jährigen Jubiläums Deiner Bischofsweihe im Jahre 1980 habe ich Dir ehrwürdiger Bruder, mit herzlichem Wohlwollen einen Brief geschrieben. Darin erinnerten wir uns an die Stationen auf Deinem Weg als Bischof, freuten uns über Dein Wirken und waren voll des Lobes dafür. Dein Hirteneifer, Dein Mut und Deine Standhaftigkeit in all den Kämpfen können durchaus verglichen werden mit den Tugenden der Apostel, an deren ehren­voller Sendung Du ja auch Anteil hast. Nicht nur ich, nicht nur Deine Gläubigen, denen allzeit Deine Sorge gilt, waren bei dieser Gelegenheit im Geiste mit Dir vereint, sondern die ganze Kirche, jene Kirche, die trauert mit den Trauernden und sich freut mit den Fröhlichen.

Nach der Verhaftung der Priester Alfonsas Svarinskas, Sigitas Tamkevičius, Jonas-Kąstytis Matulionis fing ein der Teil der Priester, nämlich die Kollabo­rateure der sowjetischen Regierung und die Ängstlichen an, die Meinung zu verbreiten, daß man im Falle der Konfliktsituationen mit der atheistischen Regierung Zugeständnisse machen müsse; es gab sogar Stimmen zu hören, die es wagten, die aufopferungsvolle Tätigkeit der verurteilten Priester als unvernünftige Exzesse hinzustellen und sie zu beschuldigen, daß sie selber die Einigkeit zerstört hätten und ähnliches. Jene, die anders denken oder sich anders verhalten, seien kurzsichtig und schaden nur der Einheit der Kirche. Bald haben auch die Gottlosen der Regierung diese veränderte gei­stige Atmosphäre unter den Priestern gemerkt. In einer der früheren Be­sprechungen mit den Priestern hat der Bevollmächtigte des Rates für Reli­gionsangelegenheiten (RfR), Petras Anilionis, unterstrichen, daß sich nach der Verhaftung des Priesters A. Svarinskas und des Priesters S. Tamkevičius die Atmosphäre unter den Priestern gebessert habe, und er betonte dabei, daß sich dies auch ohne Zweifel für die gesamte Katholische Kirche positiv auswirken könne. Daß aber die Angst und die Zugeständnisse den Gott­losen der Regierung gegenüber, die sich hinter dem hinterlistigen Wort »Di­plomatie« verstecken, die Rückkehr der Zeiten Murowjows und Stalins nur beschleunigt hat, wird deutlich bei der Begegnung des Bevollmächtigten des RfR, P. Anilionis, mit den Bischöfen und den Verwaltern der Diözesen Litauens, die am 27. Juni 1986 in Vilnius stattgefunden hat.

Man soll über allgemein geachtete Anschauungen nicht spotten, denn dadurch kann man ihre Anhänger nicht überzeugen, sondern sie nur beleidigen.

(L. de Vauvenarge, 1715 —1747)

Bei der Betrachtung der Kulturgeschichte der Welt sehen wir, daß bei allen Völkern, die mit der christlichen Zivilisation in Berührung gekommen sind, viele Jahrhunderte hindurch die Mutter Jesu, Maria, zur edelsten Personifi­zierung der Weiblichkeit und zum schönsten Ideal der Jungfräulichkeit und der Frau geworden ist. Sie ist die unbefleckte Jungfrau und gleichzeitig auch die hochherzige Mutter, die dem Opfer ihres Sohnes für die Menschheit zu­gestimmt hat. Wie blaß würde das Bild der Frau und Mutter erscheinen, wenn wir aus dem Kulturbild der Menschheit, aus der Malerei, aus der Dichtung und aus allen Traditionen all das austilgen würden, was durch die Jungfräulichkeit und durch die geheimnisvolle, außerordentliche Mutter­schaft Mariens angeregt worden ist!

Angefangen mit den Hymnen für Maria des syrischen Diakons Ephram im 4. Jahrhundert über Dante, Petrarca und Novalis, über den Helden von »Allerseelen« von Adomas Mickevičius, der sagt: »Ich werde nicht erlauben, den Namen der Muttergottes zu entehren«, bis zum Aufschrei des Jugend­lichen in dem litauischen sowjetischen Theaterstück, der seiner Freundin zu­ruft: »Sei du Maria...«, und noch weiter reicht die Verehrung des Ideals Maria. Nur Ihr ist zu verdanken, daß alle Generationen gewußt haben, wohin sie ihre Blicke richten sollten, woher sie die Schönheit der Seelen auch unter den einfachsten Lebensverhältnissen und unter dem einfachsten Arbeitsmilieu lernen sollen. Auch heute hat das Beispiel der Mutter Jesu auf Menschen, die den Glauben kennen, direkt und bewußt und auf jene, die den Glauben nicht kennen, durch Kunst- und Musikwerke, durch »Ave Maria«, »Stabat Mater«, »Magnificat«, »Salve, regina« unbewußt einen erhabenen Einfluß.

»Was soll man denken, wenn man ganze Seiten voll mit bunten Unterschriften sieht«, fragt ein gewisser Anonymus in seinem Artikel »Triukšmas, mela­gystės ir dievo įsakymai« (Ein Lärm, lauter Lügen und die Gebote Gottes) die Leser der »Tarybine Klaipėda« (Sowjetisches Klaipėda). (Vergi. »Tarybinė Klaipeda« vom 5. 4. 1986)

Was würde wirklich ein normaler, gesund denkender Mensch dabei denken? Er würde zuerst denken, daß das Schreiben wahrscheinlich sehr wichtig ist, wenn eine so große Zahl von Menschen es befürworten, und er wird sich sofort mit besonderem Interesse in den Inhalt des Schreibens vertiefen. Diesen Anonymus können wir leider nicht zu solchen vernünftigen Menschen zählen, weil für ihn als erstes die Unterschriften sind: Ob sie »ordentlich sind, ob sie auch alphabetisch stimmen«, ob die Namen genau geschrieben sind, ob die Adressen und Berufe der Unterzeichner angegeben sind . . . Ihn inter­essiert also nicht das Wesentliche der Sache, sondern die Formseite. Man könnte also denken, daß wir es mit einem Formalisten, mit einem Büro­kraten zu tun haben, an denen es in unseren Ämtern leider nicht mangelt.

Kaunas

Am 24. April 1985 wurde in der Wohnung, im Wirtschaftsgebäude und im Kollektivgarten des Einwohners der Stadt Kaunas, des Wehrmachtsangehö­rigen Juozas Kazalupskas eine Durchsuchung gemacht. Die Durchsuchung führten durch der Milizbeamte Vasiliauskas, der Untersuchungsbeamte Kava­liauskas, der Sicherheitsbeamte Matulevičius und noch einer, der seine Per­sonalpapiere nicht vorgezeigt hat. Als Zeugen waren geladen Winuikow und Winuikowa. Bei der Durchsuchung wurden mitgenommen: die Untergrund­veröffentlichung »Rupintojėlis« (Der Sorgenvolle) Nr. 10; Fotoaufnahmen der Priester Alfonsas Svarinskas und Sigitas Tamkevičius; Broschüren und Bücher »Tikek sau ir tylek« (Glaube, wenn du willst, aber schweige) (Nach der Verfassung der LSSR), »Kražių vikaras — kankinys — S. Rimkus« (Der Vikar von Kražiai, Märtyrer S. Rimkus), Notizbüchlein, einzeln mit der Schreibmaschine geschriebene Blätter, Manuskripte von J. Kazalupskas, eine Startpistole...

Als die Beamten sich vor der Durchsuchung vorstellten, sagten sie, daß die Durchsuchung wegen Verdacht auf einen Diebstahl gemacht werde, als die Durchsuchung aber zu Ende war, gaben sie zu, daß sie nach Druckvorrich­tungen, Druckmöglichkeiten und nach Untergrundliteratur gesucht haben. Den Tschekisten Matulevičius hatte interessiert, ob J. Kazalupskas nicht im Besitz der Aufnahmen von Predigten der Priester A. Svarinskas, S. Tamke­vičius, Jonas Kauneckas, Petras Našlėnas und anderer ist.

Priester Alfonsas Svarinskas schreibt:

»Die Zeit vergeht auch bei uns sehr schnell, es sind schon drei Jahre, und doch scheint es, als ob das alles erst gestern gewesen wäre. Die Zeit hat auf jedem von uns Spuren hinterlassen, auch ich bin schon 62 geworden. Es bleibt nicht mehr viel Zeit zu leben, und doch wären noch so viele gute Ideen im Geiste! Geistig werde ich nicht alt, sicher deswegen, weil ich körperlich gut beieinander bin.

Am Sonntag halte ich mich an die Ordnung von Viduklė. Mit jedem Tag nähern wir uns der Ewigkeit. Es ist aber wichtig, daß wir im Geiste reif werden und alles tun, was in unseren Kräften steht, damit wir nach uns eine schönere, bessere und gerechtere Welt hinterlassen können. Wir wollen uns an die Geschichte des Evangeliums von den Talenten erinnern. Wir müssen das Vertrauen Gottes zu uns rechtfertigen können. Ich freue mich, daß Sie Viduklė besuchen und auch meiner gedenken. Gewöhnlich sagt man doch: Aus den Augen — aus dem Sinn! Hier spielt sich aber das Gegenteil ab: Es sind doch immerhin drei Jahre. Auf diese Weise wachsen wir alle. (...) Der hl. Augustinus hat wirklich Recht gehabt, daß unsere Herzen nur im Gott ihre Ruhe finden können. Meine Hoffnung ist der Herrgott! Ich bin fröhlich, den »der Herr liebt einen fröhlichen Geber«, wie der hl. Lukas behauptet. Verzeiht mir, daß ich so kurz schreibe. Bald haben wir das heilige Osterfest, die Auferstehung Christi. Ich grüße alle, alle! Im Gebet und im Geiste immer mit Euch. Alleluja!«

An den Generalsekretär des ZK der UdSSR Michail Gorbatschow Erklärung

der Priester der Diözese Panevėžys der Katholischen Kirche Litauens

Im Jahre 1987 werden die Katholiken Litauens das 600jährige Jubiläum seit der Einführung des Christentums in Litauen feiern. Uber 600 Jahre hinweg ist die christliche Lehre tief in unserem Volke eingewurzelt. Die Verfassung der UdSSR garantiert die Gewissensfreiheit, die Aktivisten des Atheismus machen aber diese Garantie der Verfassung zunichte:

1.     Die Kinder der Gläubigen werden an den Schulen verfolgt und moralisch terrorisiert, wenn sie öffentlich die Kirche besuchen. Sie werden zwangs­weise gegen den Willen ihrer gläubigen Eltern in die atheistischen Organi­sationen eingeschrieben. Denen, die sich nicht einschreiben lassen wollen, wird gedroht, keine höhere Schule oder Hochschule besuchen zu dürfen. Jenen, die sich einschreiben lassen, wird verboten, ihren religiösen Pflichten nachzugehen und manche Abiturienten, die aktiv an Gottesdiensten teil­nehmen, werden nicht einmal zur Reifeprüfung zugelassen. Jene, die ihren religiösen Pflichten nachgehen wollen, müssen sich verstecken und werden so schon von ihren jungen Tagen an zum Heucheln gezwungen. Das ist eine schmerzliche Wunde unserer Gesellschaft.

Kaunas

Marytė Gudaitytė, die 1985 von der P. Mazylis-Krankenschwesternschule in Kaunas verwiesen wurde (siehe »Chronik der LKK« Nr. 68), fuhr am 26. März 1986 in das Ministerium für Hoch- und Fachschulbildung Litauens, um sich zu erkundigen, ob ihr erlaubt wird, ihre Ausbildung an der P. Ma-zylis-Krankenschwesternschule abzuschließen. Die für die Krankenschwestern-schule zuständige Mitarbeiterin des Ministeriums Lesnickienė sagte, sie erin­nere sich an dieses Mädchen, sie wisse, daß es gläubig sei und daß es voriges Jahr von der Schule verwiesen worden sei. Ein dort anwesender Mann begann gleich zu erklären, daß die Medizin und der Glaube zwei gegensätzliche Ge­biete seien. Deswegen dürfe eine gläubige Person nicht in der Medizin arbei­ten. Es wurde geraten, sich zuerst an die Schule zu wenden und erst nachher an das Ministerium.

»Aušra« (Die Morgenröte) Nr. 50 (90). Im September 1985 erschien eine neue Nummer der Untergrundveröffentlichung »Aušra«. Um die Erinnerung an 45 Jahre der sowjetischen Okkupation herauszustreichen, schreibt ein ehe­maliger Fahnenjunker Litauens in seinem öffentlichen Brief mit dem Titel j>Kaip rusų tankai balsavo už >Lietuvos seimą<« (Wie die Panzer der Russen das >Parlament Litauens< gewählt haben) über die schmerzliche Lage des li­tauischen Heeres im Jahre 1940: »Wir waren mutterseelenallein zwischen zwei Ungeheuern von Osten und von Westen. . . Wir, die Zeugen der Missetaten des russischen Imperiums, die wir noch am Leben geblieben sind, rufen auch heute noch nach 45 Jahren nach Gerechtigkeit! Nach Freiheit!«, schließt der ehemalige Soldat seinen Brief. In dem Artikel »Kas tie tikrieji Piratei?« (Wer sind die wahren Piraten?) wird den sehr notwendigen Anstrengungen der baltischen Patrioten im Ausland und aller freiheitsliebenden Menschen zuge­stimmt, die Aufmerksamkeit der Welt auf die wahre Lage der baltischen Staaten zu lenken; es wird allen gedankt, die zu dem Tribunal der Balten in Kopenhagen, zu der Friedens- und Freiheitsreise auf der Ostsee im Juli 1985 ihren Teil beigetragen haben. Mit der Demonstration der Reisenden des Schiffes »Baltic star« in Helsinki und mit öffentlichen Versammlungen in Stockholm hatte man die »Späher« in Moskau noch einmal daran erinnert, daß das wahre Piratenstück im Baltikum vor 45 Jahren stattgefunden habe, als Moskau die drei baltischen Staaten geraubt hat.

Priester Alfonsas Svarinskas
Priester Sigitas Tamkevičius
Priester Jonas-Kąstytis Matulionis
Dozent Vytautas Skuodis
Algirdas Patackas
 Jadvyga Bieliauskienė
Vladas Lapienis
Romas Žemaitis
Gintautas Iešmantas
Povilas Pečeliūnas
Antanas Terleckas
Liudas Dambrauskas
Algimantas Statkevičius

und andere tragen die Ketten der Unfreiheit, damit du frei leben und glauben darfst!