HOCHVEREHRTE SEELENHIRTEN DER RÖMISCH­KATHOLISCHEN KIRCHE UND FREUNDE LITAUENS

An Seine Eminenz Kardinal A. Samore

An Seine Eminenz Kardinal J. Slipyj

Auf seinem Golgathaweg durch das Inselreich Gulag, die Breiten Sibiriens und die Weiten des Westens, sind unserem Volk viele außergewöhnliche Persönlichkeiten begegnet. Die einen standen uns bei, indem sie uns physisch und moralisch Hilfe leisteten, die anderen stärkten unser Volk durch ihr per­sönliches Beispiel heldenhafter Ausdauer im Leid, im Kampf für Gott und die elementarsten Menschenrechte. Solch hehren Gestalten und mutigen Her­zen gilt unser Dank und unser Flehen, daß Gott sie segnen möge. Zum Kreise dieser unserer guten Freunde gehören auch Sie, hochverehrte Seelenhirten, denen wir heute mit der Entschlossenheit, trotz allen Leides weiterzukämpfen, unser Herz ausschütten wollen, in der Hoffnung, angehört und verstanden zu werden.

Zu unserem Unglück werden alle, die nach Rom ausreisen, in Moskau ein­gehend instruiert und sind zu schriftlicher Berichterstattung nach der Rück­kehr verpflichtet. Objektive Informationen gibt es daher nur aus dem Unter­grund, und auch diese erreichen den Westen äußerst verspätet durch die „Chronik der Litauischen Katholischen Kirche" oder einzelne Touristen. Mit Unterstützung der sowjetischen Staatspropaganda und des Staatlichen Sicherheitskomitees verbreiten die Atheisten in aller Welt, in Litauen gebe es keinerlei religiöse Diskriminierung, in der Sowjetunion sei sogar der Be­griff eines politischen Gefangenen unbekannt.

DEN LIEBEN IRISCHEN BRÜDERN

Am 12. Mai d. J. brachte der Vatikansender in litauischer Sprache die erfreu­liche Nachricht, eine Gruppe irischer Katholiken habe im März versucht, der Sowjetmacht, über deren diplomatische Vertretung in Dublin, wegen der Verfolgung der katholischen Kirche in Litauen ein Memorandum zu über­geben. Die Sowjetregierung habe die Annahme dieser Erklärung aber ver­weigert. Die irischen Katholiken hätten daraufhin am Eingangstor zur so­wjetischen Gesandtschaft den Rosenkranz gebetet und seien dann auseinan­dergegangen. Der Text des zurückgewiesenen Memorandums wurde am Tage darauf von den Zeitungen der Hauptstadt abgedruckt. Die „Chronik der Litauischen Katholischen Kirche" dankt den irischen Freunden herzlich für diese moralische Hilfe. Die Katholiken Litauens sind in einen Kampf um Sein oder Nichtsein mit dem sogenannten militanten Atheismus verwickelt, den eine gigantische Staatsmacht stützt. Welch entsetzliche Heuchelei spricht aus den Verlautbarungen der Sowjet­presse, wenn die UdSSR afrikanische Nationalisten unterstützt, während Litauer, die ihr Volk lieben, nach Sibirien verbannt oder in Irrenhäuser ge­sperrt werden, wenn entlassenen Häftlingen die Wohnanmeldung verweigert wird und sie ihre Arbeitsplätze verlieren. Die Sowjetpresse meldet, daß die UdSSR die Katholiken Nordirlands mit allen Mitteln, sogar mit Waffen, unterstütze. Zur selben Zeit wird die katholische Kirche in Litauen erbar­mungslos zermalmt und unsere alten, geschichtlich und künstlerisch bedeut­samen Kirchenbauten als Lagerhäuser oder Museen entweiht. Die Kathedrale von Vilnius wurde in eine Gemäldegalerie, der Dom St. Kazimir in ein athe­istisches Museum verwandelt. Man versucht, die Tugend unseres Volkes zu brechen, den Charakter Litauens zu verstümmeln.

An den Generalsekretär des ZK der KPdSU,

den Ministerpräsidenten der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Durchschrift an:

1.   Den Ministerrat der Litauischen SSR

2.   Den Beauftragten des Rates für religiöse Angelegenheiten der Litauischen SSR

3.   Die Leiter der Bistümer Litauens

Das Strafgesetzbuch (Strafkodex) der Litauischen SSR enthält Bestimmun­gen über Ausweisungen (Art. 27), Verbannung (Art. 28) und Entzug des Rechtes auf Ausübung gewisser Tätigkeit (Art. 30). In bezug auf Ausweisung heißt es dort:

„Das Strafmaß als Grund- und Zusatzstrafe wird auf zwei bis fünf Jahre festgesetzt." Bei Verbannung beträgt das Strafmaß von einem bis zu fünf Jahren, bei Entzug des Rechtes zur Ausübung einer Tätigkeit ebenfalls von einem bis zu fünf Jahren. Außerdem heißt es in der Strafprozeßordnung (Strafprozeßkodex) der Litauischen SSR: „Die Rechtsprechung in Strafpro­zessen obliegt ausschließlich den Gerichten" (Art. 11).

In diesem Jahr hat K. Tumėnas, der Beauftragte des Rates für religiöse An­gelegenheiten, damit begonnen, die Bischöfe, Bistumsverwalter und Dekane „aufzuklären und zu erziehen". Im Februar hielt er einen Vortrag vor der Kurialverwaltung Telšiai, am 18. Februar vor der Kurie des Erzbistums Kaunas, am 18. März vor Kurialen des Bistums Kaišiadorys und am 17. April vor Kurialen des Bistums Panevėžys.

In seinen Vorträgen griff K. Tumėnas die „Chronik der Litauischen Ka­tholischen Kirche" an.

Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche bessere sich, erklärte Tumėnas. Es gebe zwar Probleme und Schwierigkeiten, doch seien diese lösbar. Langjährige Erfahrung lehrt uns, daß die Sowjetmacht nur dann gute Bezie­hungen zur Kirche unterhält, wenn diese kapituliert. Lebenswichtige Pro­bleme der Kirche, z. B. Druck eines Katechismus, Fragen des Priestersemi­nars u. a., bleiben ungelöst, während man eifrig nach neuen Methoden sucht, die Kirche zu vernichten.

Tumėnas meinte, die Zahl der dörflichen Gemeinschaften gehe zurück und es sei Zeit, an die Zusammenfassung von Kirchengemeinden zu denken. Gleich­zeitig verschwieg er aber die Notwendigkeit kirchlicher Neubauten ange­sichts des Anwachsens der Städte, vor allem in den neuen Vororten (Mikro-rayonen) von Vilnius, Kaunas, Klaipėda, Šiauliai, Panevėžys, Altys usw. Im Mikrorayon Lazdynai der Hauptstadt Vilnius leben inzwischen 40 000 Menschen, es gibt aber keine Kirche.

An den Generalsekretär des ZK der KPdSU

An den Beauftragten des Rates für religiöse Angelegenheiten beim Minister­rat der UdSSR

An das Präsidium des Obersten Sowjets der Litauischen SSR

An den Beauftragten des Rates für religiöse Angelegenheiten der Litauischen SSR

An die bischöflichen Kurien der Kirchenbistümer Litauens

E r k l ä r u n g

des Pfarrers Karolis Garuckas,

wohnhaft im Dorfe Ceikiniai, Rayon Ignalina

Die Sowjetpresse publiziert häufig Artikel antireligiösen Inhalts. Einige sind privaten Charakters, andere von offiziellen Persönlichkeiten verfaßt und befassen sich vorgeblich mit der Erläuterung sowjetischer Gesetze. Zur letz­teren Gruppe gehört der Artikel Sąžines laisve tarybiniai įstatymai (Ge­wissensfreiheit und Sowjetische Gesetze) des Beauftragten des Rates für religiöse Angelegenheiten, K. Tumėnas (siehe Tiesa, vom 22. November 1974). Beim Studium des Artikels ergibt sich eine Reihe von Unklarheiten, denn durch Fakten des täglichen Lebens gewinnt man ein durchaus anderes Bild.

Die zivile Obrigkeit verlangt die Bildung von Kirchenkomitees, während die kanonischen Bestimmungen der Kirche von keinerlei Komitees sprechen. Auf behördliche Anordnung sollen die Gläubigen selbst solche Kirchenkomitees wählen, doch versuchen Rayonsbeamte die Komitees selbst zu regeln und streichen die Namen von Komiteemitgliedern, die ihnen unzuverlässig er­scheinen, obwohl die Betroffenen keinerlei Verschulden trifft. Im Jahre 1964 z.B. weigerten sich die Behörden des Rayons Ignalina, folgen­den Personen die Mitgliedschaft im Kirchenkomitee der Gemeinde Ceikiniai zu genehmigen: den beiden Deputierten (Kreisabgeordneten) V. Taluntis und Fr. V. Valėnaitė, dem Wegemeister A. Garla. Obwohl also K. Tumėnas schreibt, daß „alle Bürger, ohne Rücksicht auf ihre Anschauungen, gleiche Rechte genießen ... als Wähler oder Gewählte an Wahlen teilzunehmen", wird dieses Recht seitens der Rayonsbehörden mißachtet. Der stellvertretende Vorsitzende des Rayon-Exekutivkomitees, A. Vaitonis, hat ferner mehrfach angekündigt, er werde das gegenwärtige Kirchenkomitee Ceikiniai entlassen. Ähnlich ist die Lage in anderen Gemeinden. Aus obigen Angaben entsteht der Eindruck, daß die Staatsbeamten nur insofern für die Kirchenkomitees eintreten, als sie dieselben für eigene Interessen — die Zerstörung des Glau­bens — gebrauchen können.

An den Generalsekretär der KPdSU, L. I. Brežnev

Verehrter Leonid Iljič!

Ich wende mich in diesem Brief an Sie, in der Hoffnung, daß Ihr persönliches Einschreiten der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen wird, was mir auf dem Wege durch die Instanzen nicht gelungen ist.

Am 20. November 1973 haben Beamte des Komitees für Staatssicherheit (KGB) beim Ministerrat der Litauischen SSR in meiner Wohnung zahlreiche Bücher religiösen Inhalts konfisziert. Die Beschlagnahme erfolgte unter gro­ber Verletzung des Artikels 192 der Strafprozeßordnung (BPK) der Litau­ischen SSR, weil nicht alle bei der Haussuchung beschlagnahmten Bücher im Protokoll aufgeführt wurden. Keiner der Säcke, in denen die Bücher fortge­schafft wurden, war versiegelt. Nach schriftlicher Beschwerde beim Vorsit­zenden des KGB und beim Staatsanwalt der Litauischen SSR sowie beim Vorsitzenden und Generalstaatsanwalt der UdSSR wurde mir die Rück­gabe derjenigen Bücher zugesagt, die nicht in Verbindung mit dem Strafpro­zeß stehen. Um welchen Prozeß es sich dabei handelt und gegen wen er ge­führt wird, weiß ich bis zum heutigen Tage nicht.

Zwei Jahre später, am 3. Dezember 1975, wurde mir ein Teil der beschlag­nahmten Bücher durch den Staatssicherheitsbeamten, Hauptmann Marcinke­vičius, zurückgegeben, der mich ersuchte, den Empfang durch eine Unter­schrift unter die Liste der zurückgegebenen Bücher zu bestätigen. Als ich Hptm. Marcinkevičius um eine Abschrift der Bücherliste bat, weigerte er sich, mir eine solche auszuhändigen; angeblich existierte nur ein Exemplar der Liste — dabei lag eine Durchschrift auf dem Schreibtisch. Damit wurde er­neut gegen Art. 192 verstoßen; denn ich brauche eine Abschrift der Liste, um überhaupt feststellen zu können, ob die Titel mit den zurückgegebenen Bän­den übereinstimmen.

Erklärung

von Katholiken der Gemeinde Simnas

Im Herbst 1975 verlor die große Gemeinde Simnas ihren Pfarrvikar, der auf Anordnung der Obrigkeit versetzt wurde. Die seelsorgerische Betreuung der Gläubigen muß seitdem von dem alleingebliebenen Gemeindepfarrer vorgenommen werden. Einen zusätzlichen Geistlichen bekamen wir nicht. In Litauen gibt es zur Zeit 85 Gemeinden ohne ständigen Pfarrer. Allein in unserem Bistum sind fünf Gemeinden unbesetzt (Laukeliškiai, Patilčiai, Išlaužas, Riečiai und N. Uta).

Nach langer Zeit wurden im Vorjahr mit Zustimmung der Regierung zwölf Studienkandidaten in das Priesterseminar aufgenommen, doch 19 Priester sind in diesem Jahr verstorben. Im Jahr zuvor verstarben 22 Geistliche. Die Schädigung, die Litauen von Regierungsseite zugedacht wird, ist eindeutig. In der KSZE-Deklaration von Helsinki aus dem Jahre 1975, die auch der Generalsekretär der KPdSU, L. I. Brežnev, unterzeichnet hat, heißt es„Die Teilnehmerstaaten werden die Menschenrechte achten, darunter Gedanken-, Religions- und Meinungsfreiheit, ohne Rücksicht auf Rasse, Geschlecht oder Glaubensbekenntnis."

An den

Apostolischen Administrator des Erzbistums Kaunas und des Bistums Vilkaviškis, Bischof L. Povilonis

Exzellenz!

Am 10. März d. J. wurde der Gemeindepfarrer von Šlavantai, J. Zdebskis, in Vilnius von Milizorganen angehalten und nach Einschaltung einer medi­zinischen Kommission der Trunkenheit am Steuer beschuldigt. Pfarrer J. Zdebskis ist überall als Abstinenzler und Vorkämpfer gegen Al­koholmißbrauch bekannt. Bei diesem Vorfall handelt es sich, unserer Ansicht nach, daher um einen geplanten Angriff auf die Autorität eines Priesters. Bei reibungslosem Gelingen dieser Provokation wäre keiner von uns sicher, ob nicht er als nächster des Diebstahls oder sonstiger Delikte bezichtigt würde. Wir, die Pfarrer der Nachbargemeinden, ersuchen Eure Exzellenz daher, auf dieses Ereignis entsprechend zu reagieren, damit die verletzte priesterliche Autorität wiederhergestellt wird.

Unterzeichnet

von fünf Geistlichen des Dekanats Lazdijai.

In den frühen Morgenstunden des 30. Oktober 1975 lungerte an der Berg­bahn der Vorstadt Kaunas-Aleksotas ein gedungener Mörder in der fahlen Dämmerung herum, auf sein Opfer lauernd und zur Durchführung seines Auftrages entschlossen. Da kam eine Frau die neben der Bergbahn zu Tal führende Holztreppe hinunter. Der Moment war gekommen. Der Mann versicherte sich nochmals, daß keine Zeugen anwesend waren, und stürzte dann wie ein Tier auf sein Opfer, die Kirchgängerin Stase Lukšaite, warf die Frau nieder, schlug wild auf sie ein und floh ... Halbtot lag das Opfer in einer Blutlache neben der Treppe.

Im Krankenhaus versuchten die Ärzte, das Leben der Frau zu retten. Doch vergeblich, zu groß war der Blutverlust, zu schwer die Verwundungen, kaum ein Körperteil war noch unversehrt, Kopf und Gesicht völlig zerschla­gen. Am 5. November verließ die Seele den geschundenen Leib und kehrte zu ihm zurück, dem sie ihr Leben hindurch treu gedient hatte. Viele Men­schen geleiteten die Tote am 7. November zur letzten Ruhestätte auf dem Friedhof der Kleinstadt Viduklė; darunter eine Gruppe von Kindern mit Blumen in den kleinen Händen, Blumen für ihre geliebte und verehrte Lehrerin.

 (Aus ihren Briefen)

„... Ich danke allen, deren Bemühen mich hierher gebracht hat. Recht viel habe ich hinzugelernt, viel Neues erfahren, und alles ist zu etwas nutze. Der gute Gott weiß am besten, wessen ich bedarf ..."

„In sechs Tagen wird ein halbes Jahr um sein, seit sie mich aus Vilnius weg­führten, und doch ist es so, als wäre es erst gestern gewesen, neulich .. . Alles steht lebendig vor meinen Augen — meine ,Ehren'-Begleitung, die Menge meiner Schicksalsgenossinnen (alles Kriminelle) und ich als einzige Politische darunter. Ein letzter Abschiedsblick auf die Stadt, besser gesagt, den Bahn­steig; dann diese Reiseromantik, wer will sie beschreiben. Man muß das schon selbst erlebt haben, um den Wert und die Notwendigkeit der Liebe für unser Leben ganz zu verstehen. Für mich ergibt sich jetzt die Gelegenheit, diese Romantik nochmals zu erleben — wenn sie mich in die Verbannung schicken werden. Du darfst mich deswegen beneiden, auch wenn es Dir besser erspart bleibt, das ist nichts für Leute mit Deiner (schwachen) Gesundheit."

Vilnius

In vielen Kirchen der Erzdiözese Vilnius fanden am 15. Februar 1976 Ge­denkgottesdienste zum Namenstag (16. Februar) des Bischofs J. Stepona­vičius und zum Jahrestag seiner Verbannung vor fünfzehn Jahren statt.

Vilnius

Eine vom KGB organisierte Delegation von Geistlichen aus der UdSSR be­suchte im Mai 1976 die Vereinigten Staaten. Der Delegation gehörten auch zwei Priester aus Litauen an: Pfarrer Stanislovas Lydys von der Gemeinde zur Unbefleckten Empfängnis der Allerheiligsten Jungfrau Maria in Vil­nius und Pfarrer Vladas Rabašauskas, Kanzler des Bistums Panevėžys. Wel­che Aufgabe ihnen gestellt worden war, werden die Auslandslitauer besser beurteilen können.

Vilnius

Auf dem Bahnhof der Hauptstadt Litauens wurde am 5. Mai 1976 gegen 22.30 Uhr die Krankenschwester Jadvyga Petkevičienė (wohnhaft in Šiau­liai, Lenino 42-1), Angestellte im Entbindungsheim Šiauliai, im Zuge Ka­liningrad—Moskau verhaftet. Leiter der Festnahmeaktion: Geheimdienst­major J. Markevičius. Frau Petkevičienė wurde aus dem Wagen direkt in das Amtsgebäude der Transportmiliz Vilnius geleitet, wo in Gegenwart von zwei Beamten und der Inspektorin des Kinderzimmers der Milizwache, Frau Angelė Purickiené, eine Leibesvisitation vorgenommen wurde. Laut Major Markevičius war es das Ziel der Durchsuchung, Literatur antisowjetischen Inhalts, bzw. andere Dokumente und Beweisstücke zur Einleitung eines Ver­fahrens zu finden. In Gegenwart geladener weiblicher Zeuginnen, G. Skle-rova und A. Lozenko, veranlaßte die Inspektorin Purickienė die Verhaftete, sich auszuziehen. Die Kleidungsstücke und das Schuhwerk, dann der Körper der Verdächtigen, selbst die Fußsohlen wurden sorgfältig untersucht, ohne daß man etwas Antisowjetisches finden konnte. Bei der anschließenden Ver­nehmung machte Major Markevičius der Schwester J. Petkevičiene ihre Reise nach Moskau zum Vorwurf, ebenfalls ihre Anwesenheit im Obersten Gerichtshof in Vilnius während des Verfahrens gegen S. Kovaliov, ihr Zu­sammentreffen mit Besuchern aus Moskau u. a. Die Mißfallensbekundungen betrafen ebenfalls den Ehemann der Vernommenen, Jonas Petkevičius, seine Gegenwart und Vergangenheit (ehemaliger politischer Häftling). Nach Abschluß der Durchsuchungsaktion fuhr J. Petkevičienė mit dem näch­sten Zug weiter nach Moskau: während der ganzen Reise wurde sie sorg­fältig von „Schutzengeln" beschattet. Auch die Wohnung, in der sie über­nachtete, stand unter Beobachtung. Auf der Rückfahrt „schleifte ebenfalls ein Schwanz hinterher .. .."

Vilnius

Schüler der Klasse VII d der 41. Mittelschule beschlossen, auf ihre Art des 16. Februars (verbotener Unabhängigkeitstag Litauens) zu gedenken. Sie planten, an dem Feiertag ohne Pionierhalstuch zum Unterricht zu erschei­nen, das man durch Bänder in den (verbotenen) Nationalfarben ersetzen wollte, usw. Einige Schüler schrieben Losungen wie „Freiheit für Litauen" an die Wand.

Die Schülerin A. Nagrockytė schilderte die Stimmung in der Klasse ihren Eltern, die alles an den Geheimdienst meldeten, für den beide arbeiten. Am 17. Februar erschien in der 41. Schule der Geheimdienstmann Kazlaus­kas. Es wurden die Klassenlehrerin, Frau Nijolė Varnienė, und alle Lehrer vernommen, die an dem Tage in der VII. Klasse unterrichtet hatten, darun­ter Frau Živile Baltaduonienė, Gražina Kazlauskienė, Janina Petkevičienė u. a. Als besonders übereifrige Helfershelfer der Geheimpolizei entpupp­ten sich alsbald der Schuldirektor Vytautas Banevičius und Frau Petke­vičienė, Organisatorin der „Arbeiten außerhalb des Unterrichts". Die Lehrerkonferenz zu Ende des Trimesters befaßte sich neben Unterrichts­problemen dann auch mit obigem Fragenkomplex. Die Schüler Vytautas Jusevičius und Albinas Prakelis wurden vom Direktor, in Gegenwart der ge­samten Lehrerschaft, vernommen. Aktivere Schüler erhielten schlechtere Be­tragensnoten, und die Klassenlehrerin wurde wegen „mangelhafter prophy­laktischer Arbeit" schriftlich getadelt.

Direktor V. Banevičius zeichnete sich erneut durch aktive Liebedienerei ge­genüber dem Geheimdienst aus. Er deklarierte den 18. April (Erster Oster-feiertag) zum „Samstag der Nachbarhilfe". Alle anderen Schulen in Vilnius absolvierten diesen zusätzlichen Arbeitstag am Samstag, dem 17. April. Nur in der Schule Nr. 41 erfolgte eine Verlegung auf den Ostersonntag. Frau Petkevičienė, Organisatorin der „Arbeiten außerhalb des Unterrichts", handelte nicht viel besser, als sie der Schülerin Simonaitytė das Tagebuch wegnahm und dem Direktor übergab, der es an den Geheimdienstbeamten Kazlauskas weiterleitete.