Am 25. Dezember 1978 übersandte das katholische Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen dem Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR ein Dokument mit der Feststellung, das vom Präsidium des Obersten Sowjets der Litauischen SSR erlassene »Statut der Religionsgemeinschaften« widerspreche der Verfassung der Litauischen SSR, der Allgemeinen Erklärung der Menschen­rechte und anderen internationalen Abkommen, denen die UdSSR beigetreten ist. Es wird verlangt, dies Statut außer Kraft zu setzen. Die Geistlichkeit aller Diözesen Litauens hat sich mit diesem Dokument des katholischen Komitees zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen solidarisiert und verschiedenen Sowjetbehörden entsprechende Eingaben unterbreitet, die wir nachfolgend im vollen Wortlaut wiedergeben. Die Eingaben stellen eine wichtige Dokumentation dar. Sie bekunden, daß die überwiegende Mehrheit der Priester Litauens aus geistig ungebrochenen Männern besteht, die entschlos­sen sind, die Absichten des Staatsatheismus, die katholische Kirche Litauens dem Erstickungstod auszuliefern, kämpfend zu vereiteln.

An den Generalprokurator der Litauischen SSR

Durchschriften an:

Kurie des Erzbistums Vilnius

Bevollmächtigter des Rates für religiöse Angelegenheiten beim Ministerrat der UdSSR und beim Ministerrat der Litauischen SSR

Katholisches Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen Erklärung

An das

Zentralkomitee der KP Litauens Durchschriften:

Präsidium des Obersten Sowjets der Litauischen SSR Ministerrat der Litauischen SSR

Bevollmächtigter des Rates für Religionsangelegenheiten Bischöfe und Bistumsverwalter Litauens

Katholisches Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen Erklärung

der Priester des Bistums Telšiai und der Prälatur Klaipeda

Wir, Priester des Bistums Telšiai, wenden uns an Sie und andere staatliche Stel­len, nicht nur in unserem eigenen Namen. In diesem Falle bringen wir den Wil-

Ien und die Sorge der 200000 Katholiken zum Ausdruck, die wir in geistigen Dingen betreuen. Wir sind Angehörige der von Jesus Christus gestifteten Kir­che, die auf eine Geschichte von fast zweitausend Jahren zurückblickt. Ihre Ver­dienste um die ganze Menschheit, auch um die Kultur dieser unserer Republik, sind gewaltig und unbestritten. Die Universität Vilnius, die ersten Gymnasien, Kollegien und Volksschulen dieses Landes sind kirchliche Gründungen. Auch die Begründer der litauischen Literatur waren Männer der Kirche. In der gesam­ten Kulturwelt ist die christliche Kirche heute aus gutem Grund geschätzt und anerkannt. Nicht zufällig haben die Regierungen aller Staaten der Welt, ein­schließlich der sozialistischen, dem neu gewählten Papst Johannes Paul II. ein­hellig gratuliert und damit die bedeutende Stellung mitanerkannt, die die katho­lische Kirche im gegenwärtigen Leben der Menschheit einnimmt. Oberster und direkter Auftrag der katholischen Kirche ist aber Heiligung und Erlösung der Menschheit. Diese Hauptaufgabe, dies direkte Spezifikum, beruht auf dem göttlichen Prophetentum ihres Gründers Jesus Christus selbst (s. Mt 28,19; Joh 20,21). Dieser apostolische Auftrag findet legitimen Ausdruck in der rechtlichen Jurisdiktion über Priester und Bischöfe, die vom Papst als dem Stellvertreter Christi ausgeht. Bischöfe wie Priester haben sich bei ihrer Arbeit streng an die dogmatischen und kanonischen Verpflichtungen und Weisungen zu halten. Anders würden sie die ihnen aufgetragene Mission der Kirche nicht erfüllen.

Pater Karolis Garuckas SJ, Mitglied der Litauischen Helsinkigruppe und Ge­meindepfarrer von Ceikiniai,verstarb am 6. April 1979 nach schwerer Krankheit im Krankenhaus von Švenčionys (Ostlitauen).

Unser Volk hat einen aktiven und tapferen Kämpfer für grundlegende Men­schenrechte, die Kirche einen rührigen und umsichtigen Apostel verloren. Am Tage der Bestattung (10. April) war eine riesige Menge von Gläubigen aus allen Teilen Litauens angereist, um Pater Garuckas das letzte Geleit zu geben und für das Heil seiner Seele zu beten. Unter den Teilnehmern waren über 400 Priester, die in Verbannung lebenen Bischöfe Julijonas Steponavičius und Vin-cantas Sladkevičius und der Verwalter der Erzdiözese Vilnius, A. Gutauskas. Bewegende Trauerpredigten hielten die Pfarrer Jonas Lauriunas, Algimantas Keina und Bronius Antanaitis, am Grabe sprach Pfarrer Alfonsas Svarinskas, Mitglied des katholischen Komitees zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen. Ein Teilnehmer der Bestattungsfeierlichkeiten schreibt uns: »Beim Anhören der bewegenden Worte der Freunde und Mitstreiter unseres Pater Karolis schweif­ten die Gedanken unwillkürlich hin zu dem kleinen litauischen Ort Paberžė, wo einst Pfarrer Antanas Mackevičius (1828—1863) wirkte, und in den Herzen der Menschen den Geist des Widerstandes gegen Unterdrückung, Unrecht und Aus­beutung entfachte.

A. Mackevičius war zwölf Jahre hindurch Pfarrer der kleinen Gemeinde Paber­žė und einer der geistigen Führer gegen zaristische Unterdrückung in Litauen. Er wurde am 28. Dezember 1863 auf Befehl des Zarengenerals Muravjev in Kaunas hingerichtet.

Teure Priester-Brüder!

Von anderen dazu aufgefordert und der Sache selbst von Herzen zugetan, wen­de ich mich an euch mit diesem Schreiben:

Sorgenerfüllt haben sich Angehörige der heutigen Intelligenzschicht zur Frage der immer weiter um sich greifenden Trinksucht geäußert, und es besteht sicher aller Anlaß, besorgt zu sein. Häufiger Alkoholgenuß wird mehr und mehr zu ei­nem Bestandteil unseres Lebens, verdirbt gute Sitten, zerstört ehrenvolle Tradi­tionen und zeitigt schreckliche Folgen.

Zu Recht wird der Vorwurf erhoben, außer der Verkehrspolizei widme sich hierzulande niemand ernsthaft dem Kampf gegen die Trunkenheit (so Prof. Dr. A. Marcinkevičius). Dieser Vorwurf trifft auch uns als Priester und uns beson­ders schmerzhaft, denn wir tragen vor Gott, der Kirche und unserem Volke ge­genüber ein besonderes Maß an Verantwortung.

Was also haben wir zu tun? Vor 120 Jahren hat ein hochwürdiger Sohn unseres Volkes, der Bischof der Žemaitija, M. Valančius, diese Frage bereits beantwor­tet. Es gelang ihm damals, unter keineswegs günstigen Umständen, in seinem gesamten Bistum eine große Enthaltsamkeitsbewegung ins Leben zu rufen. Seinen Priestern schrieb der Bischof im Jahre 1858: »Mit großer Freude habe ich erfahren, daß die Menschen in vielen Gemeinden sich verpflichtet haben, keinen Branntwein mehr zu sich zu nehmen. Ich sehe darin ein Zeichen göttli­cher Gnade des Eifers der Geistlichkeit und hoffe, daß alle Schäflein meiner Herde diesem guten Beispiel folgen werden . . . Inzwischen aber wollen wir nicht jenen Pharisäern gleichen, denen Christus vorwarf, sie bürdeten anderen Lasten auf, ohne selbst auch nur einen Finger zu rühren. Daher gebe ich allen geliebten Priestern Christi meinen heißen Wunsch kund und zu wissen, sie mögen selbst nichts mehr trinken, auch andere keinen Branntwein sehen lassen . . . und damit bezeugen, daß sie den ihrer Obhut an­vertrauten Menschen beispielgebend vorangehen.«

18. April 1979 — Nr. 12

An die UNESCO — Organisation der UNO

Internationale Konferenz für Frieden und glückliche Zukunft aller Kinder

Betr.: Verstöße gegen die Rechte des Kindes in der Litauischen SSR

Im Namen der Gläubigen und der Geistlichkeit Litauens danken wir der UNESCO-Organisation für die Proklamierung des Jahres 1979 zum Internatio­nalen Jahr des Kindes. In aller Welt haben Menschen guten Willens auf den Ap­pell reagiert, Kindern alle ihre Rechte zu garantieren und geeignete Vorausset­zungen zu schaffen, daß sie sich heranwachsend zu vollwertigen Gestaltern der Zukunft entwickeln.

Uns sind die Lebensbedingungen der Kinder in der Litauischen SSR wohl be­kannt, und dieses Schreiben beabsichtigt, auch die UNESCO damit vertraut zu machen.

In unserem Lande wird oft das Wort Lenins zitiert: »Für die Kinder — von al­lem das Beste.« Und man verweist als Beweis für die Fürsorge um die Kinder auf die 120000 ständigen Kindergärten und Kinderkrippen der UdSSR, in de­nen mehr als 13 Millionen Kinder erzieherisch betreut werden. Es ist wahr, daß in der Litauischen SSR Kinder nicht Hungers sterben, auch haben sie Bildungs­möglichkeiten; doch werden Kindern bei uns, wie wohl selten anderswo in der Welt, viele Grundrechte vorenthalten.

Apostolischer Administrator des Erzbistums Vilnius

Durchschriften an:

Bischöfe und Verwalter der Diözesen Litauens Priesterseminar Kaunas

Katholisches Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen

Ende 1977 wurde der Kleriker des IV. Kurses, Ričardas Jakutis, aus dem Prie­sterseminar Kaunas ausgeschlossen. Zur Untersuchung des Falles wurde eine Seminarkommission unter Leitung des Rektors eingesetzt. Am 20. Dezember 1977 gab der Rektor das Untersuchungsergebnis, anders ausgedrückt, Fakten zum amoralischen Lebenswandel des relegierten Klerikers R. Jakutis bekannt. Die Tatsachen wurden von Frau Šorienė in einem Brief an den Rektor bestätigt und in einer Erklärung von Frl. Činskytė an die Bischöfe und Bistumsverwalter Litauens bekräftigt. Der Kleriker Jakutis hat den vorgebrachten Anschuldigun­gen nicht widersprochen und sich schuldig bekannt.

Doch da vernimmt man plötzlich die unerwartete Nachricht — R. Jakutis sei im geheimen zum Diakon geweiht worden und in der Kirche von Nemenčinė als Hilfsgeistlicher tätig.

Vilnius

Mit großer Freude vernahmen die Gläubigen hierzulande im Radio die Gruß­worte des Heiligen Vaters an die Litauer: »Den litauischen Brüdern wünsche ich österliche Hoffnung in Christo.« Geistliche und Laien Litauens sind für diese Aufmerksamkeit seitens des Papstes besonders dankbar.

Vilnius

Nach dem Osterfest d. J. betätigte sich der Bevollmächtigte des Rates für Reli­gionsangelegenheiten, Petras Anilionis, als Agitator vor den in den Exekutivko­mitees einzelner Städte versammelten Dekanen und verlangte, für strikte Ein­haltung des »Statut der Religionsgemeinschaften« zu sorgen. Einzelheiten in der nächsten Nummer der »Chronik«.

Panevėžys

Bischof R. Krikščiūnas äußerte hier, die Sowjetregierung werde den Bischöfen Litauens nicht gestatten, zum Papstbesuch ins benachbarte Polen zu reisen. Die Sowjetbehörden argumentieren, der Papstbesuch sei keine kirchliche Angele­genheit, sondern ein Gegenbesuch des vatikanischen Staatsoberhaupts bei der polnischen Regierung.

Telšiai

In der V. Mittelschule meldete sich am 6. Februar 1979 ein Geheimdienstbeam­ter zur Einvernahme der Schüler Almantas Fabijonas, Rolandas Jankauskas und der Schülerin Auksė Juodviršytė (alle Klasse 10b). Anschließend wurde auch noch der Schüler Arūnas Razminas vernommen. Der Beamte versuchte, die Schüler als Geheimdienstagenten anzuwerben, und befahl ihnen, ihre Mit­schüler zu bespitzeln.

Mit derselben Absicht wird der Schüler Romas Perminas, Klasse 10 der IV. Mit­telschule Telšiai, seit Monaten (Dezember 1978—Februar 1979) verfolgt. Ge­heimdienstler lauern ihm bei der Wohnung auf, begleiten ihn zur Schule, von dort später wieder nach Hause und bestellen ihn zu Treffen, die er geheimhalten soll. Um die Geheimdienstler loszuwerden, erklärte ihnen der Schüler, er denke gar nicht daran, diese Geheimniskrämerei mitzumachen, und erzählte jedem, der es hören wollte, davon. In den Monaten Januar und Februar versuchte der Junge, einem Zusammentreffen mit den Tschekisten dadurch zu entgehen, daß er verspätet oder überhaupt nicht zu festgesetzten Treffen erschien, bzw. kurz und bündig erklärte, er werde nicht kommen. Jetzt setzten offene Einschüchte­rungen ein. Einer der Beamten verstieg sich sogar zu der Drohung, man werde den Jungen einfangen und kastrieren. Der Geheimdienst möchte nur zu gern ei­nen Agenten in der 10. Klasse der IV. Mittelschule plazieren, denn kein einziger Schüler ist dem Komsomol beigetreten, und zwei verrichten Meßdienst in der Kirche. Der stellvertretende Schuldirektor Andrijauskas hat gedroht, daß sich das Parteibüro wegen dieser »Verbrechen« mit der ganzen Klasse beschäftigen werde . . .

1.   Alma Mater, Nr. 1. Neue Publikationen, erschienen Anfang 1979. Die Her­ausgeber von Alma Mater sind entschlossen, für die Wahrheit Schutzwacht zu stehen. Die Publikation ist gut vorbereitet, aktuell und für die studierende Ju­gend bestimmt. Längst brauchte Litauen eine ähnliche Publikation. Die Chro­nik der Litauischen Katholischen Kirche wünscht den Herausgebern der Alma Mater Gottes Segen für ihren wertvollen Beitrag zur Zukunft des Volkes und der Kirche.

2.   Aušra, Nr. 15/55 — Datum der Herausgabe — Februar 1979. Die Chronik der LKK empfiehlt Geistlichen und Intellektuellen besonders den Appell an die Regierung der Sozialistischen Sowjetrepublik Litauen.

L. Regelsonas ist Wissenschaftler, Konvertit, Vater einer zahlreichen Familie, der vielen ein Beispiel sein kann, wie man Wahrheit lieben und mutig dafür ein­stehen kann. Die Nummer enthält viel wertvolles Material.

3.   Dievas ir Tėvynė (Gott und Vaterland), Nr. 11. Die Nummer enthält die kor­rigierte Version des Poems Nakties svetys (Nächtlicher Gast) von Bičiulis und die Erzählung Naktis (Die Nacht), die die Vernehmung eines Geistlichen durch den KGB zum Thema hat.