Papst Johannes Paul II. hat vom 2. bis 10. Juni Polen besucht. Die Sowjetmacht ließ weder Bischöfe, Priester noch Laien aus Litauen nach Polen reisen, doch war es in der Hälfte des Landes möglich, der Berichterstattung des polnischen Fernse­hens zu folgen. Die Geistlichen Litauens hatten die Gläubigen aufgefordert, den Besuch des Heiligen Vaters wenigstens am Fernsehen mitzuerleben. Der Papstbesuch im Nachbarlande beeindruckte nicht nur die Gläubigen, son­dern auch die Atheisten sehr, da sie die Möglichkeit hatten, nicht nur den Papst sprechen zu hören, sondern auch sehen konnten, wie eine kommunistische Staats­regierung, dazu Millionen Menschen, das Oberhaupt der katholischen Kirche empfingen. Die Presse der Hauptstadt Litauens erwähnte den Papstbesuch in Po­len lediglich in einer Kurzmeldung von wenigen Zeilen.

Am 16. Juni 1978 fand in der Stadt Kaišiadorys eine Konferenz der Stadt- und Rayonsekretäre der KP Litauens und ideologischer Propagandisten zum Thema »Weitere kommunistische Erziehung der Schaffenden« statt. Es wurde vorwie­gend über zivile Familienbräuche und neue Traditionen gesprochen, die religiöse Sitten und Bräuche ablösen sollen. Reden und Diskussionsbeiträge wurden 1979 in einer von P. Mišutis redigierten Broschüre Medžiga (Materialien) vom »Min-tis«-Verlag in Vilnius herausgebracht. Die Publikation ist für den internen Ge­brauch der Ideologieaktivisten bestimmt, wird öffentlich nicht vertrieben und ist in der geringen Auflage von nur 400 Exemplaren erschienen.

Die Broschüre enthält natürlich nicht das gesamte Material der Konferenz, doch selbst diese Auswahl ist sorgfältig gesichtet. Trotzdem ergibt sich ein Bild dessen, was das ZK zur Zeit beschäftigt und die Propagandadirektiven bestimmt hat. Zum Thema »Ziviles Brauchtum« erklärte der stellvertretende Vorsitzende des Ministerrats, A. Česnavičius: ». . . deren weitere Verbreitung soll dazu beitragen, den Einfluß von Kirche und Religion auf den Menschen zu vermindern und die Formierung einer materialistischen Weltanschauung positiv zu fördern« (S. 3). P. Mišutis zeigt sich besorgt darüber, daß in Litauen immer noch Namenstage ge­feiert werden und fragt: »Lohnt es sich, diese Tradition beizubehalten?« Er schlägt statt dessen vor: »Genügt da nicht der Geburtstag, wo der Anlaß zum Fei­ern klar zutage tritt?« (S. 41). Er möchte die Tradition der Namenstage unter dem Vorwand »unklarer Motivation« ausrotten. Doch hatte er noch kurz vorher ganz offen gesagt: ». . . Namenstage hatten stets eine religiöse Färbung und am aus­giebigsten wurde dabei einzelner >Heiliger< und >Schutzpatrone< gedacht. Auch heute beziehen sich die Namenstage meist auf Namen wie Antanas, Petras, Povi­las, Juozapas, Kazimieras« (Anton, Peter, Paul, Josef, Casimir — S. 41). Die Parteisekretärin des Stadtkomitees Panevėžys, Frl. T. Bitinaitė, sah sich ver­anlaßt, »auf eine Tatsache hinzuweisen, die einem keine Ruhe läßt; man weiß aus der Praxis, daß zivile Zeremonien meist zweimal vollzogen werden. Bei den Ju­gendlichen werden kirchliche Trauungen zur >ungesunden Mode<. Als besonders >schick< und Zeichen der Exklusivität gelten abendliche Trauungen in irgend wel­chen Kirchen am >Haff von Kaunas< (Stausee oberhalb der Stadt — Übs.). Religi­öse Dienstleistungen werden auch von Nichtgläubigen in Anspruch genommen, die damit einer nationalen Sitte zu entsprechen vermeinen« (S. 44). T. Bitinaitė betont weiter: »Es ist besorgniserregend, daß sich eine wachsende Zahl von Men­schen immer mehr für religiöse Reliquien begeistert, diese sammelt, die Wohnun­gen damit dekoriert und meint, es handele sich um nationale Werte. Alte Friedhö­fe sind bereits abgegrast, selbst Kirchen versucht man auszurauben. Man sollte sich ernsthafter mit diesen Kollektionären befassen. Vielleicht würde dann auch die Zahl der Jugendlichen zurückgehen, die mit Halskreuzchen auf den Standes­ämtern erscheinen« (S. 45).

Alle Dekane des Bistums Telšiai waren für den 17. April 1979 ins Rayon-Exekutivkomitee Telšiai zu einer Aussprache mit dem Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten eingeladen. Behördlicherseits nahmen teil: Der Be­vollmächtigte, P. Anilionis, selbst, sein Stellvertreter für Angelegenheiten der Katholiken, Juozėnas, der stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees Tel­šiai, Jankus, und dessen Vertreter in Religionsfragen, Upermanas (von einem sol­chen Vertreter war bisher nichts bekannt).

Vor Beginn der »Aussprache« kam es zu einem kleinen Zwischenfall wegen einer 15köpfigen Gläubigendelegation aus Klaipėda, die auf die Ankunft des Bevoll­mächtigten wartete. Ihnen hatte man vorgelogen, der Bevollmächtigte sei immer noch nicht eingetroffen. Der Verwalter des Bistums Telšiai erinnerte den Bevoll­mächtigten vor Beginn der Sitzung daran, daß Menschen auf ihn warteten und schlug vor, er möge ihnen ein paar Worte sagen. Doch der Bevollmächtigte befahl dem Kanzler des Bistums, dem greisen Kanonikus Beinorius, der Delegation mit­zuteilen, daß wegen Zeitmangel niemand mit ihnen sprechen werde, sie möchten ihr Anliegen schriftlich unterbreiten. Einige Dekane bekundeten ihren Unwillen über ein solches Benehmen des Vertreters einer Volksregierung gegenüber Vertre­tern des schaffenden Volkes. Die Menschen, die in der Nachtschicht gearbeitet, kleine Kinder zu Hause gelassen und kaum etwas gegessen hatten, ließ man bis 17 Uhr warten (sie konnten nirgends hingehen, weil zu befürchten war, der Bevoll­mächtigte könnte evtl. entweichen, d. h. wieder abreisen). Um fünf Uhr nachmit­tags sagte ihnen der Bevollmächtigte schließlich, er könne ihnen nicht helfen, denn ihre Sache werde vom Ministerrat behandelt. Dies hätte er der Delegation auch schon früher sagen, bzw. schriftlich mitteilen können. Warum heißt es ei­gentlich, daß ein Mensch nur vor der Tür eines Herrn warten muß, wie ein Hund? — Wie man sieht, ist dies bei sowjetischen Beamten nicht anders. Als Teilnehmer des Treffens mit den Dekanen war auch Pfarrer J. Kauneckas, als Mitglied des Katholischen Komitees zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen, erschienen. Nachdem alle den Konferenzsaal betreten und an einer Kaffeetafel Platz genommen hatten, befahl der Bevollmächtigte dem Bistumsverwalter, den Pfarrer Kauneckas hinauszubefehlen. In großer Verlegenheit flüsterte der Verwal­ter Pfarrer Kauneckas irgend etwas ins Ohr, doch dieser blieb sitzen. Daraufhin erhob sich der Bevollmächtigte und verlangte, daß Pfarrer Kauneckas den Raum verlasse . . .

Der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten, P. Anilionis, hat schriftlich auf die Eingaben der Geistlichen geantwortet (siehe »Chronik der Li­tauischen Katholischen Kirche«, Nr. 38).

Antwort an die Geistlichen des Erzbistums Kaunas:

Der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten der Litauischen SSR beim Ministerrat der UdSSR

23600 Vilnius, Leninpropsket 39, Tel. 22228 16. Mai 1979, Nr. 140

Pfarrer G. Gudanavičius Žagarė, Rayon Joniškis

Im Auftrag des Präsidiums des Obersten Sowjets der Litauischen SSR und in Be­antwortung Ihrer Erklärung vom 25. Januar 1979 teilen wir mit, daß eine Ände­rung oder Außerkraftsetzung des Statuts für Religionsgemeinschaften nicht vor­gesehen ist.

Bevollmächtigter des Rates P. Anilionis

Der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten, P. Anilionis, hatte zum 13. Juli 1979 die Ordinäre Litauens in sein Amt vorgeladen. Er schlug vor, zunächst das Andenken des verstorbenen Bischofs Labukas durch Erheben von den Plätzen zu ehren, was auch geschah.

Der Bevollmächtigte begrüßte Bischof L. Povilionis und teilte mit, daß ihm mit Wirkung vom 9. Juli 1979 gestattet sei, sein Amt auszuüben. Dann erklärte der Bevollmächtigte, daß Extremisten unter der Geistlichkeit ihr Wirken aktivieren und neue Ausfälle erwartet werden. »Es gibt nicht viele Extremisten, und die Mehrheit der Geistlichen ist loyal, ein Teil unentschlossen. Sie wissen nicht, wem sie sich anschließen sollen.

Die Extremisten geben Anweisung selbst an die Ordinare. Diese sollten größere Aktivität zeigen, um die in vielen Jahren errungene bischöfliche Autorität zu wah­ren.

Die Extremisten weigern sich formell, sowjetische Gesetze zu befolgen. Sie sind in zwei Gruppen organisiert: eine Helsinkigruppe und eine Fünfergruppe. Pfarrer Br. Laurinavičius hat den Platz des verstorbenen Pfarrers Garuckas eingenom­men.

Die Fünfergruppe entstand in der zweiten Hälfte des Jahres 1978 und aktiviert ih­re Tätigkeit ständig. Sie vertreten niemand, sind von niemandem gewählt aber ak­tiv tätig. Welchen Platz nehmen sie innerhalb der Geistlichkeit ein? Sie verfassen Schreiben, lügen und bringen keine Fakten. Sie wollen, daß Bischö­fe und Verwalter ihnen Gehorsam leisten.

Petras Paulaitis schreibt:

Lieber Bruder, hier ein paar Worte für Dich aus der Hölle. Traue mich kaum, je­mand offiziell mehr zu schreiben. Solche Briefe werden beschlagnahmt und ver­schwinden. Verspüre außerdem, daß auch die Empfänger meiner Briefe obser­viert und verfolgt werden. Und möchte doch nicht ganz isoliert, nicht gänzlich ge­trennt sein von dem Mutterland Heimat, seinen Töchtern und Kindern. Doch werden die Möglichkeiten einer Korrespondenz erheblich kleiner und geringer. Doch, solange das Herz noch in der Brust schlägt, will ich die Stellung unter kei­nen Umständen dem Feind überlassen. Die Sache wird dadurch erschwert, daß sich unsere Reihen lichten. Kaum gibt es Menschen auf die noch zutrifft:

Ich bin ganz Wirbel,

Ganz Feuer und Pflicht,

Ein glühender Funke

Vom himmlischen Licht!

Menschen werden alt und vergreisen. Übriggeblieben sind vor allem jene, die sich auch früher für nichts interessierten. Wir sind hier 12 Litauer, zusammen auf dem ganzen Hof noch 130 Mann. Das Lager der Politischen wird (unauffällig) aufge­löst — jede Woche werden kleine Gruppen nach Norden in die Lager um Perm abtransportiert. Für den Rest schafft man in Barasev 3—5 Platz, von wo man uns im Vorjahr abschob.

Leonas vermisse ich schon lange, auch Vincas und andere. Ob ihnen was Schlim­mes zugestoßen ist? Das Regime wird verschärft. Und die kleinen Schritte der Verschärfung werden planmäßig und behutsam vorgenommen. Man bemüht sich, jeden von drinnen zu beeinflussen, so daß sich jeder vor jedem fürchten und meiden soll.

Im Jahre 1979 wird es zehn Jahre her sein, daß in Litauen die Bewegung »Freun­de der Eucharistie« begann, in deren Reihen sich die besten Söhne und Töchter der katholischen Kirche Litauens zusammengefunden haben. Unter ihnen befin­den sich Menschen verschiedenen Alters und verschiedener Berufe. Alle aber ver­eint die Liebe zu Gott und ihrem Heimatland. Sie sind entschlossen mit Hilfe der Eucharistie Christi ihr an Gottlosigkeit erstickendes Volk und seine Kirche wie-derzuerwecken.

Die Freunde der Eucharistie gedachten ihres Jubiläums am 7. Juli, am Ablaßfest der allerheiligsten Mutter Maria im Wallfahrtsort Žemaičiu Kalvarija, Freunde der Eucharistie aus allen Landesteilen Litauens waren in das berühmte Heiligtum des Zemaitenlandes gekommen, um Gott für seinen Segen in den letzten Jahren zu danken und sich für neue, zukünftige Aufgaben zu rüsten. Aus diesem Anlaß sprachen in der Kirche die Pfarrer Alfonsas Svarinskas und Sigitas Tamkevičius, während die heilige Messe vom gesamten Katholischen Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen konzelebriert wurde. Die Einwohner Niederlitauens er­klärten, schon lange habe man in diesem Wallfahrtsort nicht so viel Menschen und besonders junge Leute gesehen. Nach dem Hauptgottesdienst begingen alle Freunde der Eucharistie den Kreuzweg des Leidens Christi. Pfarrer J. Kauneckas hielt mehrere Predigten.

Katholisches Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen 5. Mai 1979      Nr. 15

An die

Bischöfe und Bistumsverwalter Litauens

Lange haben wir, die Geistlichen Litauens, darauf gewartet, daß die Ordinarien Litauens zu aktuellen Fragen der katholischen Kirche Litauens Stellung nehmen. Daher waren wir auch ziemlich überrascht, als wir die erste öffentliche Verlautba­rung zu Gesicht bekamen — das Schreiben an das Amt des Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten vom 6. April 1979. Wir danken den Ordina­rien Litauens für diese öffentliche Verlautbarung, fühlen uns aber gleichzeitig ver­pflichtet, unserer Sorge über viele der angeschnittenen und vergessenen Probleme Ausdruck zu verleihen.

Die Geistlichen Litauens sind sehr besorgt und bezweifeln, daß die liturgische Kommission es schaffen wird, einen brauchbaren und endgültigen litauischen Text des Meßbuchs zu erstellen. So wurde ja z. B. manche berechtigte Kritik an der Übersetzung des Neuen Testaments durch Pfarrer C. Kavaliauskas laut. Wä­ren nicht stärkere Bemühungen am Platze, daß unsere liturgische Kommission mit Spezialisten entsprechender Fachgebiete unter den litauischen Geistlichen der Emigration Kontakt aufnimmt, um zu übernehmen, was dort bereits geschaffen wurde, statt alles nochmal von vorn zu beginnen?

An den

ZK-Sekretär der KP Litauens P. Griškevičius

Erklärung

In unserer ersten Eingabe an den Sekretär der ZK der KP Litauens, P. Griškeviči­us, hatten wir betont, daß wir, falls der uns zugefügte materielle Schaden nicht rechtzeitig ersetzt wird, das Kreuz selber wieder errichten werden. Das Schweigen des Rayon-Exekutivkomitees Panemunė haben wir als Zustimmung angesehen. Nach einer Wartezeit von vier Monaten hat die Gemeinde das Kreuz wiedererrich­tet. Doch konnte man sich nicht lange des schönen Anblicks erfreuen. Seit Errichtung des Kreuzes waren kaum vier Tage vergangen, als wir am 15. Mai im Kirchhofsgelände eine ausgehobene Grube vorfanden, wie zur Bestattung ei­nes Verstorbenen. Zufällig erfuhren wir, daß die Gruft nicht zur Beisetzung eines Menschen, sondern für das Kreuz unserer Gemeinde bestimmt war, das wir daher nach dem Gottesdienst bewachten. Beim Rosenkranzbeten gegen 23.30 Uhr er­schienen plötzlich zwei Lastkraftwagen, einer besetzt mit sechs Arbeitern, die Spaten bei sich trugen. Da man das Kreuz bewacht vorfand, wurde uns befohlen, auseinanderzugehen und den Jugendlichen Unannehmlichkeiten angedroht. Die jungen Leute ließen sich nicht einschüchtern, sondern wollten erfahren, warum und mit wessen Genehmigung man nachts Kreuze stehlen geht. Ein in der Fahrer­kabine hockender Typ erklärte, alles sei mit dem Gemeindepfarrer R. Liukis ab­gesprochen. Die Jugendlichen antworteten, der Pfarrer habe kein Recht, den Atheisten bei der Kreuzzerstörung zu helfen, denn er sei auch an seiner Errichtung nicht beteiligt gewesen. Als klargeworden war, daß die Bewacher nicht weichen würden, fuhr das Rollkommando ab und drohte mit einer größeren Zahl von Be­amten wiederzukommen. Nach dem Verschwinden der Störenfriede beteten die Jugendlichen weiter den Rosenkranz, während in der Umgebung Milizautos her­umsausten. Schließlich kam das Auto LLZ 10-07, ein Mann stieg aus und fragte: »Sind nicht mehr von unseren da?« Wir antworteten: »Falls nötig, kommen auch mehr«, worauf er wegfuhr.

Die »Chronik der Litauischen Katholischen Kirche« berichtete in Nr. 37, daß das KGB gegen den Gemeindepfarrer von Kybartai, Sigitas Tamkevičius, eine Ge­richtsverhandlung im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall vom 1. Juni 1978 vorbereitet.

Am 31. Januar 1979 wandte sich Pfarrer S. Tamkevičius an das Komitee für Staatssicherheit der Litauischen SSR (KGB) und protestierte gegen den Miß­brauch dieses Amtes zwecks Abrechnung mit einem Geistlichen (Chronik der LKK Nr. 37).

Am 6. Februar erhob die Staatsanwaltschaft Varėna aufgrund der Anzeige des Aleksandras Razvinavičius Anklage wegen des Autounfalls. Die Anzeige des Raz-vinavičius erfolgte auf Veranlassung von KGB-Agenten.

Am 13. Februar erging durch den Chef des Sekretariats des KGB A. Grakauskas folgende Antwort an Pfarrer S. Tamkevičius:

»In Beantwortung Ihres Schreibens vom 31. Januar 1979 teilen wir mit, daß Er­mittlungen im Zusammenhang mit Autounfällen nicht in die Kompetenz der Staatlichen Sicherheitsorgane fällt.«

Am 19. Februar wird Pfarrer S. Tamkevičius zur Vernehmung von der Miliz in Varėna vorgeladen.

Am 21. Mai gestatten die Vernehmungsbehörden Pfarrer Tamkevičius Einsicht in die Akten, in denen Aleksandras Razvinavičius als Kläger erscheint.

Verhandlungstermin vor dem Volksgericht Varėna war am 28. Juni festgesetzt. An der Verhandlung nahmen rund 80 meist jugendliche Gläubige als Zuschauer teil. Nachdem sich alle versammelt hatten, teilte der Richter mit, der Kläger Raz­vinavičius sei erkrankt und die Verhandlung werde vertagt. Kein Mensch zweifelt daran, daß dies ein Betrug ist. Höchstwahrscheinlich wollte das KGB nicht, daß der Verhandlung so viele Zuschauer beiwohnen.

Nach Verlassen des Saales, noch vor dem Gerichtsgebäude (im selben Haus befin­den sich auch die Amtsräume der Miliz und der Geheimpolizei), überreichten die Jugendlichen dem vom Geheimdienst verfolgten Geistlichen als Zeichen des Bei­leids und der Solidarität ein Blumengebinde. Bei der Übergabe stimmte irgendwer das traditionelle Marienlied »Marija, Marija« an.

Der Gemeindepfarrer von Kirdeikiai, P. Kražauskas, richtete unter dem 30. Mai 1979 einen Bericht an den Apostolischen Administrator des Bistums Kaišiadorys, Exzellenz Bischof V. Sladkevičius. Das von 267 Gläubigen der Gemeinde gegen­gezeichnete Schreiben betrifft eine besonders grobschlächtige Einmischung des atheistischen Staates in innere Angelegenheiten der Gemeinde.

In dem Bericht heißt es:

Unter Leitung des stellvertretenden Vorsitzenden des Rayon-Exekutivkomitees Untena, J. Labanauskas, und dem Ortsvorsitzenden von Saldutiškis, A. Šapra­nauskas, wurde am 13. Mai 1979 ein neues Exekutivkomitee der Gemeinde Kir­deikiai gewählt, und zwar wie folgt:

Am 6. Mai 1979 brachte der Ortsvorsitzende A. Šapranauskas an der Kirchentür einen Anschlag folgenden Inhalts an: Zur Kenntnisnahme der Gläubigen der Ge­meinde Kirdeikiai! Am 13. Mai d. J., gleich nach dem Gottesdienst, findet um 14.15 Uhr im Saal der Mittelschule eine Versammlung der Gläubigengemein­schaft statt. Tagesordnung: Wahl eines neuen Kirchenkomitees.

Gezeichnet von

A. Šapranauskas, Vorsitzender des Rates der

Volksdeputierten

des Kreises Saldutiškis

An die Redaktion der Zeitung Bangos Erklärung

des Vikars der Gemeinde Gargždai, Pfarrer Antanas Šeškevičius, wohnhaft in Gargždai, Tilto gatve 1—2

Die von Ihnen redigierte Zeitung »Bangos«, Organ des Rayonkomitees Klaipėda der KP Litauens und Rayonrates der Volksdeputierten, brachte am 31. März d. J. einen Artikel von V. Savičius unter der Überschrift Kas drumsčia vandeni (»Wer das Wasser trübt«) zum Abdruck. Darin werde ich in jeder erdenklichen Art und Weise beschimpft, verleumdet und angeschwärzt. Daher bitte ich, mir zu gestat­ten, dagegen zu protestieren und einige Bemerkungen zu machen. Bereits vor zweitausend Jahren verteidigten die alten Römer die Ehre eines Men­schen, indem sie sagten: »Man höre auch die andere Seite an.« Jeder Angeklagte hatte das Recht, sich zu verteidigen und seine eigene Meinung kundzutun. Seit je­ner Zeit ist das Kulturniveau der Menschheit erheblich gestiegen, und ich meine, daß auch die sowjetische Presse des 20. Jh. kulturell hoch genug steht, einem ver­leumdeten Geistlichen zu ermöglichen, öffentlich seine Meinung zu sagen. Unter dieser, möglicherweise illusionären Voraussetzung will ich versuchen, die Vor­würfe von V. Savičius zu beantworten:

Erster Vorfall — mit dem Patienten Karnauskas

V. Savičius wirft mir vor, ich sei eigenmächtig in das Krankenhaus eingedrungen und habe dem dort hospitalisierten J. Karnauskas deprimierende Worte gesagt. Ich erkläre dazu: Das ist unwahr, die Sache war ganz anders:

Krankenhausbesuche mache ich erst, wenn Anverwandte des Kranken mich dazu auffordern und Absprachen mit der Hospitalverwaltung getroffen haben. Seit fast vier Jahren mache ich solche Krankenhausbesuche, Konflikte gab es nie, denn die Verwaltung hat alles in kulturbewußter Weise geregelt. Bitte, dies zu überprüfen.

Vilnius

Neuerdings versucht die Regierung, die Legitimität ihrer Unterdrückungsmaß­nahmen religiöser und politischer Rechte in Litauen, mit Hilfe verschiedener so­ziologischer »Untersuchungen« zu beweisen.

Anfang 1978 wurden in verschiedenen Behörden des Landes Fragebogen verteilt, in denen die Mitarbeiter eine Reihe von Fragen bezüglich ihrer Haltung zur Reli­gion beantworten mußten. Unter den Fragen waren auch die folgenden: Was ist Ihre Einstellung zur Religion? Gehen Sie zur Kirche, um dort zu beten? Feiern Sie religiöse Feiertage? Wie bewerten Sie die Religion? Zu diesen Fragen sind alterna­tive Antwortmöglichkeiten gleich vorgesehen. So hat der Befragte bei der Frage: Wie bewerten Sie die Religion? die Auswahl zwischen —

1.     Religion ist schädlich,

2.     Religion widerspricht der Wissenschaft,

3.     Religion bringt keinen Nutzen, schadet aber auch nicht,

4.     Religion beruhigt den Menschen,

5.     weiß nicht,

wobei die antireligiöse Tendenz ziemlich deutlich wird.

Am 28. Juni 1979 brachte das Parteiorgan Tiesa einen Bericht eines Korrespon­denten Vyt. Žeimantas unter der Überschrift Šmeižtai iš sakyklos (»Verleumdun­gen von der Kanzel«). Darin attackiert der Verfasser den Gemeindepfarrer von Viduklė, A. Svarinskas. Die Gläubigen von Viduklė richteten darauf ein Protest­schreiben an den Ersten Sekretär der KP Litauens, P. Griškevičius. Es unter­schrieben über 1000 Menschen.

Die Gläubigen richteten auch einen Brief an den Verfasser des Berichtes, Vyt. Žei-mantas, selbst, doch bekamen sie keine Antwort. Statt dessen erschien am 28. März 1979 der Untersuchungsbeamte des Geheimdienstes, Major Matulevičius.im Invalidenheim Blinstrubiškis und vernahm die Patientin Frl. Stase Navardauskai-tė, die es gewagt hatte, den Geistlichen zu verteidigen.

Der Major erklärte, die Vernehmung werde ohne Zeugen stattfinden, worauf sich die stellvertretende Direktorin, Danute Lipeikaitė, entfernte. Daraufhin schloß Major Matulevičius das Zimmer ab, zog einen Packen Papier hervor und erklär­te:

—        »Wollen wir anfangen . . .«

Nach einer Reihe unwichtiger Fragen kam er dann zum Thema:

»Was können Sie über den Gemeindepfarrer von Viduklė, A. Svarinskas,

sagen?«

Kaunas

Auf der Milizwache Panemunė der Stadt Kaunas wurde dem Bürger Liūdas Si-mutis am 29. Mai 1979 mitgeteilt, daß er Litauen innerhalb von 24 Stunden zu verlassen habe.

Nach 22jähriger Gulaghaft wegen Teilnahme am aktiven Widerstand gegen die Okkupanten, war Liūdas Simutis nach Litauen zurückgekehrt und hatte eine Fa­milie gegründet. Leider — ein Litauer hat kein Recht in seiner Heimat zu leben. Seine Stelle soll ein fremdstämmiger Okkupant einnehmen. Simutis weigerte sich, Litauen zu verlassen. Die Miliz schweigt bisher.

Vilkaviškis

In seiner Rede vom 12. Juli 1979 in der Nähfabrik Vilkaviškis erklärte der Partei­sekretär des Rayons, Tėvelis, im Rayon würden da und dort Kreuze errichtet. Das sei zwar gesetzlich nicht verboten, doch müsse man sie entfernen, wenn sie an »unzulässigen Stellen« errichtet würden. So geschah es auch in unserem Rayon — ein Kreuz war auf dem Grab eines »Banditen« errichtet worden (reine Erfindung — Red.) und mußte als Denkmal eines Feindes weggeschafft werden. Ein weiteres Kreuz war auf einer früher einmal errichteten Anhöhe zwischen den Städten Vil­kaviškis und Kapsukas errichtet. Diese Anhöhe bezeichnete Parteisekretär Tėvelis als »Geschichtsdenkmal«, an dem jede Art von Grabungen verboten ist, das Kreuz habe man daher niederreißen müssen.

Beide Kreuze wurden auf Anordnung des stellvertretenden Rayonvorsitzenden von Vilkaviškis, Urbonas, entfernt. Es handelt sich um Weiterführung des alten Plans der Partei zur Zerstörung des christlichen Antlitzes der Nation.

Pasvalys

In der Mittelschule wurde am 29. Januar 1979 eine Atheismuswoche eröffnet. Es gab eine Ausstellung von Schülerbildern atheistischer Thematik. Die Schüler nah­men an den Veranstaltungen nur widerwillig teil. Bilder von Schülern der Ober­klassen waren selten, die meisten (rund 40) Arbeiten stammten von Schülern der 5.—6. Klasse, die solche Bilder während des Unterrichts malen mußten. Die Leh­rerin Frau Slančiauskienė ging von Klasse zu Klasse, um die Malarbeiten zu be­schleunigen.

In der Nacht vom 1. zum 2. Februar verschwanden plötzlich alle Bilder und athei­stischen Wandzeitungen. Statt dessen hing am Schwarzen Brett ein Plakat mit Auszügen aus der Verfassung der Sozialistischen Sowjetrepublik Litauen (Artikel 50): »Den Bürgern der SSR Litauen wird Gewissensfreiheit garantiert, d. h. das Recht, jede Religion zu bekennen oder auch keine, religiöse Kulte auszuüben oder atheistische Propaganda zu betreiben. Unruhe und Haß im Zusammenhang mit religiösem Glauben zu schüren, ist verboten. In der Litauischen SSR ist die Kirche vom Staat und die Schule von der Kirche getrennt.«

Um den »Diebstahl« eiligst zu vertuschen, arrangierten die Lehrer am frühen Morgen schnell eine Ersatzausstellung. Am 3. Februar abends fand eine Ver-

Sammlung von Schülern und Studenten statt, die von rund 300 Menschen besucht war. Leere Stellen fand man mit Aufrufen beklebt oder mit (verbotenen) litaui­schen Nationalflaggen dekoriert. Unter den Aufrufen waren auch solche wie »Weg mit den russischen Okkupanten«, »Freiheit für Litauen« und Kurzgedichte wie dies:

Raudona, žalia ir geltona        Gelb, Grün und Rot sind unsre Farben
Tai mūsų trispalvė vėliava       In Litauens Dreifarbenband
Kovokime už laisve broliai      Laßt Brüder uns für Freiheit kämpfen
Ir vėl laisva bus Lietuva.        Daß wieder frei sei unser Land.*

Weißrußland

Gervėčiai

Hier verstarb im September 1978 der Gemeindepfarrer Stanislav Chodygo. Selbst polnischer Nationalität, ehrte er seine litauischen Pfarrkinder und verlas während des Gottesdienstes das Evangelium auch in litauischer Sprache. Die Einwohner von Gervėčiai, Rimdžiūnai, Giriai und anderer litauischer Dörfer bemühten sich, einen Geistlichen aus Litauen als Nachfolger zu bekommen. Es kam auch der Pfarrer Petravičius, doch bald stellte sich heraus, daß die Kreisbehörde sich wei­gerte, ihn zu registrieren.

Zum Ende des Jahres 1978 verstarb auch der Gemeindepfarrer von Rodunė. So blieb nicht nur die Gemeinde von Rodunė, sondern auch die litauische Sprachin­sel Pelesa ohne Geistlichen. Im Alter von 85 Jahren starb Anfang 1979 auch der Gemeindepfarrer von Barunai, Kozlovskis, der ebenfalls mehrere Gemeinden be­diente. So sterben in Belorußland die letzten Geistlichen dahin.

Novy Dvor

Der Pfarrer von Novy Dvor und Vosyliškės, Antonij Chanko, wurde am 23. April 1979 durch Rayonbehörden verwarnt, weil Kinder bei der Messe ministrier-ten. Einige Wochen später wurden Pfarrer A. Chanko und der Vorsitzende des Kirchenkomitees zu je 20 Rubel Geldstrafe verurteilt, weil Kinder an der Oster-prozession teilgenommen hatten.

Exekutivkomitee des Volksdeputiertenrats Marijampolė

16. August 1951 Nr. 332-p

An das Exekutivkomitee des

Katholischen Gemeindekomitees Liudvinavas

Wegen Ihrer Erklärung betr. Genehmigung eines Gottesdienstes am 26. August 1951 und Prozession um das Kirchengebäude, teile ich im Auftrag des Vorsitzen­den des Exekutivkomitees mit, daß die Anreise eines auswärtigen Geistlichen nicht zugelassen wird.

Die Prozession ist ebenfalls nicht genehmigt, weil der Kirchenvorhof nicht voll abgeschlossen ist.

gez. Andriušaitis