Am 28. Juni 1979 brachte das Parteiorgan Tiesa einen Bericht eines Korrespondenten Vyt. Žeimantas unter der Überschrift Šmeižtai iš sakyklos (»Verleumdungen von der Kanzel«). Darin attackiert der Verfasser den Gemeindepfarrer von Viduklė, A. Svarinskas. Die Gläubigen von Viduklė richteten darauf ein Protestschreiben an den Ersten Sekretär der KP Litauens, P. Griškevičius. Es unterschrieben über 1000 Menschen.
Die Gläubigen richteten auch einen Brief an den Verfasser des Berichtes, Vyt. Žei-mantas, selbst, doch bekamen sie keine Antwort. Statt dessen erschien am 28. März 1979 der Untersuchungsbeamte des Geheimdienstes, Major Matulevičius.im Invalidenheim Blinstrubiškis und vernahm die Patientin Frl. Stase Navardauskai-tė, die es gewagt hatte, den Geistlichen zu verteidigen.
Der Major erklärte, die Vernehmung werde ohne Zeugen stattfinden, worauf sich die stellvertretende Direktorin, Danute Lipeikaitė, entfernte. Daraufhin schloß Major Matulevičius das Zimmer ab, zog einen Packen Papier hervor und erklärte:
— »Wollen wir anfangen . . .«
Nach einer Reihe unwichtiger Fragen kam er dann zum Thema:
»Was können Sie über den Gemeindepfarrer von Viduklė, A. Svarinskas,
sagen?«
- »Was soll ich da sagen, nur so viel, daß er ein anständiger Mensch und ein guter Priester ist, auch ein guter Redner. Seine Predigten ziehen Menschen an, erheben die Geister, rütteln aus moralischer Erstarrung auf!«
- »Worin gefällt er Ihnen?«
- »Weil er Trunksucht und moralische Verwahrlosung bekämpft. Versucht die Leute zu überzeugen, daß Familien ein anständiges Leben führen und die Kinder moralisch einwandfrei erziehen sollen.«
- »Was redet er sonst«, wollte der Vernehmer wissen.
- »Wenn Sie so viel wissen wollen, gehen Sie doch selbst und hören Sie sich seine Predigten an, dann werden Sie alles wissen.«
- »Und wie denken die anderen über ihn?«
- »Auch die anderen schätzen und mögen ihn, die Kirche ist fast immer voll. Deshalb finden wir Invaliden oft schwer einen Platz, und mit dem Rollwagen ist es besonders schwer. Sind auch viele Kinder dabei.«
- »Was wissen Sie über Publikationen wie die >Chronik der Litauischen Katholischen Kirche<? — oder >Gott und Vaterland<, >Der Sorgenvollen«
- »Was kann ich schon davon wissen? Ich weiß gar nichts. Doch habe ich im Radio gehört, daß es so was gibt.«
Der Geheimdienstler kam nahe an die Kranke heran und streckte ihr eine Handvoll Papiere unter die Nase:
- »Sieh dir das an!«
- »Was ist das?« meinte Frl. Navardauskaitė erstaunt.
- »Da, sieh mal — Nummer 34!« — und nahm erneut Platz, um die einzelnen Blätter der Nummer zu besichtigen. Dann folgte mit deutlichem Hohn die Frage:
- »Vielleicht weißt du auch die Seite?«
Die Vernommene antwortete kein Wort. Dann zeigte Matulevičius eine Handschrift vor und fragte ironisch:
- »Und hiervon weißt du auch nichts?«
- »Das ist ein von mir geschriebener Brief«, sagte die Kranke ruhig.
- »Mit wem hast du dich bei Abfassung des Briefes beraten?«
- »Mit niemand! Habe ich ganz allein geschrieben. Habe den Artikel in der Zeitung gelesen, mich geärgert und geschrieben!«
- »Wenn du den Brief ganz allein geschrieben haben willst, dann sage mir, wie er in die >Chronik< gekommen ist? Weißt ja, daß er in der >Chronik> erschienen ist!
- »Gehört habe ich davon, als man ihn im Radio verlesen hat. Doch wie er dahin geraten ist, das weiß ich nicht.«
- »Na, und wie hat man vorgelesen?« wollte der Polizeibeamte wissen.
- »Vorgelesen hat man ihn so wie ich geschrieben hatte, nichts weggelassen, nichts hinzugefügt . . .«
- »Du hast den Brief auf Drängen von Svarinskas geschrieben«, quälte sie der Geheimdienstler weiter. Und nach einer Pause:
- »Erkläre mir noch diese Phrase: >Es ist schmerzhaft festzustellen, daß sich heute, nach so viel erduldetem Leiden, im Körper unseres Volkes, bildlich gesprochen, so viel Krebszellen befinden, die, im Bemühen die Existenz der bösartigen Geschwulst zu verlängern, die gesunden Zellen vernichten^«
- »Und wie anders sollte man diese Leute bezeichnen«, antwortete Frl. Novar-dauskaitė, »die eine Brühe aus Verleumdungen zusammenbrauen und einem anständigen Menschen über den Kopf gießen?«
Zum Ende der Vernehmung befahl der Geheimdienstmann Frl. Navardauskaitė, ein Vernehmungsprotokoll zu unterzeichnen, was diese ablehnte. Der Vernehmungsbeamte sammelte alle seine Papiere zusammen und stieß zwischen den Zähnen hervor:
— »Fanatikerin! Ich werde dein Verhalten dem Direktor melden, so dankst du dem Staat . . .«
N. B. Manche Menschen verschweigen, aus Angst vor den Geheimern, den Inhalt ihrer Gespräche mit den Vernehmungsbeamten. Bereits damit werden sie, wenn auch ungewollt, zu deren Mitarbeitern, denn sie helfen der Niedertracht zu überleben, denn Öffentlichkeit ist ihr Verderben.