Liebe des ewigen Vaters umfaßt

das Land am Nemunas, Neris,

auch unter Litauens schützendem Dach

beginnt ein neues Feuer zu brennen.

Dort, wo grüne Wälder einst rauschten,

wo Opferfeuer noch haben gebrannt,

erheben jetzt sturmfeste Türme das

Kreuz unseres Heilands empor.

Keine Stürme werden uns reißen

die Liebe zu Christus aus unserem Herz!

Du, der Du die Welten besiegt hast,

sei auch der Herrscher über Litauens Land!

Mit dem hehren Kreuze gezeichnet

sind wir seit sechs Jahrhunderten schon.. .

Das Kreuz hilft uns immer zum Sieg,

wenn wir es tragen mit Christus dem Herrn.

Mit allen nur erdenklichen Mitteln zwingt die »Gorbatschowsche Aera« ihrem Volke die durch ein neues Denken und Handeln begründete Idee der »großen Reformen« auf. Der Inspirator und Schöpfer dieser neuen Re­formen sagt selber, daß die jetzige Zeit »unerhört neue Aufgaben von unerhörten Ausmaßen offenbart habe, die in möglichst kurzer Zeit der Geschichte bewältigt werden müssen.«

Ist diese »große Reform« nicht dem schon in Vergessenheit geratenen »gro­ßen Sprung« der »Kulturrevolution« Maos ähnlich, die ebenfalls in kür­zester Zeit realisiert sein sollte? Leider erinnert man sich an alle aus Größen­wahn geborenen Bewegungen heute nur als an einen drückenden Alptraum, der Millionen von Menschen gezwungen hat, sich in seinem berauschenden Wirbel zu drehen. Wer vermag aber alle die sinnlosen Opfer dieser Bewe­gungen, die Leben zerstört haben, aufzuzählen? Wie schon früher, so ist auch der heutigen Bewegung das wichtigste Ziel und die wichtigste Aufgabe, die allgemeine Einigkeit im Denken und im Tun zu erreichen. Das bedeutet, auf das eigene subjektive Denken, auf die individuellen Anschauungen zu verzichten, und sich dem kollektiven Mechanismus mit aufgezwungener Vorprogrammierung »anzuschließen«. Genau so, wie in der Dichtung »Devynpedziai« — »Die Neunfüßler« von K. Soja: Nichts tun, was dem Ochsen nicht gefällt — nicht singen, nicht laut reden, nicht selbständig denken usw.

Wir danken der göttlichen Vorsehung von ganzem Herzen für ihren immer­währenden Schutz, mit dem sie die »Chronik der Litauischen Katholischen Kirche« 15 Jahre hindurch begleitet hat! Wir danken für alle Freuden und auch für alle Leiden, für alles, was der Wille des Herrn uns zugeteilt hat.

Die Redaktion der »Chronik der LKK« dankt allen, die wegen der »Chro­nik« in Lagern und Gefängnissen gelitten haben und den Alpdruck der Durchsuchungen und Verhöre über sich ergehen lassen mußten.

Wir danken unseren Brüdern in der Fremde für ihren opferbereiten Einsatz für die Verteidigung der Sache der Kirche und des Volkes, und für die Uber­setzung und Verbreitung der »Chronik der LKK«.

Wir danken allen, die die »Chronik« durch ihre Arbeit, ihr Gebet oder durch materielle Unterstützung begleiten.

Der gütige Gott möge allen vergelten!

Am 6. Januar 1987 wurde der Bürger der Stadt Vilnius, Vladas Lapienis, aus dem Lager in Mordwinien entlassen. V. Lapienis weigerte sich, irgendein Versprechen zu schreiben, wonach er sich in der Zukunft der sowjetischen Regierung gegenüber loyal verhalten werde. Die Tschekisten begnügten sich mit einem schriftlichen Ersuchen seiner Frau, ihren Mann wegen seiner schlechten Gesundheit, seines Alters und seiner Pflegebedürftigkeit zu entlassen.

Nach der Verbüßung der ihm auferlegten 7jährigen Strafe mit strengem Regime wurde Dozent Vytautas Skuodis aus demselben Lager Mordwiniens in die Verbannung nach Magadan transportiert. Er wurde einen ganzen Monat in einer Einzelzelle im Gefängnis von Tscheljabinsk gefangengehalten, bis er am 5. Februar entlassen wurde. Die Sicherheitsbeamten verlangten von V. Skuodis dringend ein schriftliches Versprechen, in Zukunft die so­wjetischen Gesetze nicht zu verletzen. Mit der Begründung, er habe nie­mals die sowjetischen Gesetze verletzt, jene dagegen, die ihn terrorisiert und verurteilt haben, hätten weder die Verfassung noch die internationalen Ver­einbarungen, die die UdSSR unterzeichnet habe, eingehalten, weigerte sich V. Skuodis, die Erwartungen der Beamten zu erfüllen: »Das Schreiben eines Versprechens allein würde ein Geständnis bedeuten, daß ich in der Ver­gangenheit die Gesetze nicht eingehalten hätte, was aber der Wahrheit nicht entspricht«, sagte V. Skuodis. Schließlich war V. Skuodis bereit, folgenden von den Sicherheitsbeamten selber aufgesetzten Text zu unterzeichnen: »Ich bitte Sie, mich in die USA auswandern zu lassen, ich werde die Gesetze nicht verletzen.«

Kaunas

Am 18. November 1986 wurde in der Wohnung der Schwiegermutter des verhafteten Algirdas Patackas, Frau Miliūniene, in Kaunas, Aluntos g. Nr. 4 eine gründliche Durchsuchung gemacht. Die Durchsuchung leitete der Mit­arbeiter des KGB von Vilnius, Vidzėnas. Während der Durchsuchung wur­den mitgenommen: Eine Reiseschreibmaschine und einige Exemplare des Artikels »Esminis baltų religijos strukturinis ženklas« — »Das wesentliche strukturelle Zeichen der Religion der Balten«. Nach der Durchsuchung wurde Frau Miliūniene in den Sicherheitsdienst gebracht und dort vernom­men.

*

Am 10. Oktober 1986 zeigten die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes dem in den KGB-Sitz von Kaunas vorgeladenen ehemaligen politischen Gefan­genen Liudas Simutis das den verhafteten Algirdas Patackas belastende Manuskript der Veröffentlichung »Lietuvos ateitis« — »Die Zukunft Li­tauens« Nr. 6, darunter auch den von L. Simutis geschriebenen »Laiskas Lietuvos klierikams« — »Brief an die Seminaristen Litauens« und verlang­ten von ihm, zu sagen, wie dieser Brief in die »Lietuvos ateitis« gelangt sei. Der Vorgeladene erklärte, daß dieser Brief auch an den Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes Vidzenas adressiert gewesen sei und er wisse nicht, wie ein Brief aus dieser Behörde in eine illegale Veröffentlichung gelangen konnte.

Priester Jonas Matulionis schreibt:

»Heute ist unser Feiertag: St. Kasimir. Ich bitte ihn um seinen Schutz und seine Fürsprache für alle. (...) Jede Stelle, jede Ecke, in der wir leben, ist ein Geschenk Gottes. Die dauernden Durchsuchungen, ungerechten An­sprüche, gedingten Spitzel und Gewalttäter, die mit ihren unbegreiflichen Erniedrigungen freilich nur soweit gehen können, soweit es ihnen erlaubt ist — immer ist der Herr mit uns. Ich bekomme Zeitschriften und Journale. Die öffentliche Rüge eines Vorstehers stört meine seelische Ruhe nicht. Ihnen gefallen gerade jene nicht, die mehr wissen, die gebildet, also geistig stärker sind, die Lesenden und Denkenden. Am 24. Februar hat mich der Leutnant der operativen Abteilung vorgeladen und mir gesagt, daß sie einen Brief vernichtet hätten, in dem 4 abfotografierte Fotografien oder Litho­grafien gewesen seien. Auf ihrer Rückseite sei ein litauischer Text gestanden. Wir haben uns eine gute halbe Stunde unterhalten, und schließlich gab er doch zu, daß er mir die Fotografien und die Adresse des Absenders hätte zeigen können.

Grüßen Sie die Heimgekehrten. Ob ich früher zurückkommen werde, das weiß nur Gott allein. Nur bei dem gerechten und barmherzigen Herrn bitte ich um Gnade, aber nicht bei ungerechten, falschen Menschen. (...) Gnade und Segen der Hl. Hostie für alle.«

An den Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Genossen Michail Gorbatschow

Erklärung

der Priester der Diözese Telšiai und der Prälatur Klaipėda

Die Verfassung der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken ga­rantiert die Freiheit des Gewissens und der Glaubenspraxis: »Den Bürgern der UdSSR wird Gewissensfreiheit garantiert, das heißt das Recht, sich zu einer beliebigen oder keiner Religion zu bekennen, religiöse Kulthandlungen auszuüben oder atheistische Propaganda zu betreiben« (Artikel 52). Dasselbe wird auch in der Verfassung der SSR Litauen gesagt (Artikel 50). Außerdem hat die Regierung der UdSSR die Allgemeine Deklaration der Menschen­rechte unterzeichnet, wo in Absatz 18 das Recht eines jeden Bürgers unter­strichen wird, seine Uberzeugungen zu bekennen und sie zu verbreiten.

Die Atheisten der SSR Litauen besitzen die in den oben genannten Doku­menten garantierten Rechte und nehmen sie in Anspruch. Die der Gläubigen dagegen sind sehr eingeschränkt und begrenzt. Die Unterrichtung in Glau­benswahrheiten wird nur in der Kirche in der Predigt während des Gottes­dienstes erlaubt und das nur bei Leuten fortgeschrittenen Alters. Die Gläu­bigen dürfen vor der Vollendung des 18. Lebensjahres mit den Glaubens­wahrheiten und ihrer Praxis nicht einmal in der Kirche und während des Gottesdienstes bekannt gemacht werden. Das wird nur den Eltern selbst zu Hause erlaubt.

An den Generalsekretär des ZK der KPdSU, M. Gorbatschow Erklärung

der Marytė Gudaitytė, wohnhaft im Rayon Prienai, Dorf Skersbalys

In der Hoffnung, daß mein Ersuchen erfüllt wird, wende ich mich noch einmal an Sie.

Am 27. März 1985 hat mich die Direktion der Pranas-Maželis-Medizin-schule zu Kaunas in den Sicherheitsdienstpalast in Kaunas zu dem Sicher­heitsbeamten Jocas geschickt. Der Sicherheitsbeamte sagte mir während einer Unterredung, ich werde nicht mehr weiterstudieren dürfen, weil ich an die verhafteten Priester S. Tamkevičius und A. Svarinskas zum Weih­nachtsfest Glückwunschkarten geschrieben habe. Während wir uns noch unterhielten, kam noch ein Sicherheitsbeamter herein, der erklärte, daß ich nicht mehr werde weiterstudieren dürfen, weil man mir als Krankenschwe­ster kein Vertrauen mehr schenken könnte, denn es sei möglich, daß ich meinen Feinden (wie sie wörtlich sagten) an Stelle der Medikamente ein Gift verabreichen könnte.

»Aušra« — »Die Morgenröte« Nr. 56 (96). Im Dezember 1986 wurde im Untergrund eine neue Nummer der Veröffentlichung »Ausra« Nr. 56 her­ausgegeben.

In der Veröffentlichung wird des 100. Geburtstags des berühmten Arbeiters der Wissenschaft und der katholischen Gesellschaft, Prof. Pranas Dovydaitis gedacht.

Für den Artikel »Ruošiamės krikšto jubiliejui« — »Wir bereiten uns für das Jubiläum der Taufe vor«, wird das Material der Predigt von Šiluva vom 13. Oktober 1986 verwendet. Viel Aufmerksamkeit wird in diese Ver­öffentlichung der wissenschaftlich-historischen Studie über das Gebiet Seinai-Suvalkai gewidmet, die schon in der Nummer 55 begonnen wurde. Die Studie über das Gebiet Seinai-Suvalkai wird auch in den folgenden Nummern der »Ausra« fortgesetzt.

Priester Alfonsas Svarinskas
Priester Sigitas Tamkevičius
Priester Jonas-Kąstytis Matulionis
Viktoras Petkus
Balys Gajauskas
Gintautas Iešmantas
Povilas Pečeliūnas

und andere tragen die Ketten der Unfreiheit, damit du frei leben und glauben darfst!