Eure Heiligkeit!

Wir, Priester und Gläubige Litauens, grüßen Sie anläßlich Ihrer Wahl zum Oberhirten der Kirche und der Inaugurationsfeierlichkeiten des Amtsantritts. Wir wünschen Ihnen die Erleuchtung des Heiligen Geistes und das Feuer Seiner Liebe bei der Leitung der Kirche in dieser Zeit des kämpferischen Atheismus und Niedergangs aller Tugend.

Wir glauben und hoffen, daß Litauen und den anderen Nationen, in denen die Kirche verfolgt wird, in Ihrer Person jene starke Hilfe eines eifrigen Verfechters der Rechte und Freiheiten der Gläubigen zuteil wird, auf daß Christi Evangeli­um unbehindert jedes nach Wahrheit und Liebe dürstende Herz erreicht. Diese unsere Hoffnung wird durch den Umstand bestärkt, daß unsere Lebensbedin­gungen Ihnen sehr wohl bekannt sind und Sie selbst über große Erfahrung im Kampf für die Rechte der Gläubigen verfügen.

Unsere Erwartungen beziehen sich besonders darauf, daß die vatikanische Di­plomatie unter Ihrer Führung eine Richtung einschlägt, die uns mit Ehrfurcht und Vertrauen zum Heiligen Stuhl erfüllt und Gläubige wie Geistlichkeit der Länder des Ostens nicht in Pessimismus und Passivität wegen diplomatischer Nachgiebigkeit gegenüber den Atheisten versinken läßt. Während des 41. Eu-charistischen Kongresses begeisterte uns der von Ihnen geleitete Gottesdienst für die Nationen, in denen die Kirche verfolgt wird.

Seit 400 Jahren leuchtet an den Bernsteingestaden des Baltischen Meeres — in Vilnius, der Hauptstadt Litauens — in die Herzen und Sinne der Menschen ein heller und voller Lichtstrahl des Wissens, ausgehend von der ältesten Hochschu­le des Landes, der Universität Vilnius. Dieser Hort der Wissenschaft für Litauen ist eine Gründung des Jesuitenordens. Dank der Fürsorge und aufopfernden Tätigkeit der Angehörigen dieses Ordens wurden hier für Litauen Männer der Wissenschaft und schöpferische Persönlichkeiten der geistigen und materiellen Kulturwelt unseres Volkes ausgebildet.

Aus Anlaß dieses ehrenvollen Jubiläums (1579—1979) dankt die gläubige Öf­fentlichkeit Litauens in Ihrer Person dem Orden der Jesuiten für dieses kostbare Geschenk an unsere Heimat und gedenkt in dankbarer Fürbitte aller bekannten und namenlosen Angehörigen des Jesuitenordens, die jemals an der Universität Vilnius tätig waren. Gleichzeitig bedauern wir, daß dieser Tempel der Wissen­schaft — nach dem Willen seiner Gründer der Wahrheitsfindung, ihrer Vertei­digung und Verbreitung verpflichtet — heute dazu mißbraucht wird, Wahrheit zu verfälschen, zu verbergen oder gänzlich zu negieren. Welche Verhöhnung der wahren Absichten der Gründer stellt allein die Tatsa­che dar, daß heute kein gläubiger Christ an dieser, von Jesuiten gegründeten Hochschule studieren darf; kein Priester oder Ordensangehöriger aus Litauen oder dem Ausland darf das Universitätsgelände auch nur betreten. Aus diesem Heiligtum der Wissenschaften verbreitet man heute den Atheismus, der Wissen­schaft niemals war, noch jemals sein wird — der aber mit allen Mitteln versucht, Gott, den ewigen Urquell aller Wahrheit, abzulehnen, zu verhehlen und zu ent­stellen. Wir bitten Sie, gedenken Sie im Gebet auch unserer leidvollen Heimat Litauen.

Am 4. Oktober 1978 erhielt Frl. Marytė Vitkūnaitė, wohnhaft in Kaunas, die Aufforderung, sich bei dem Vernehmungsbeamten Urbonas der Geheimpolizei Vilnius zu melden. Frl. M. Vitkūnaitė meldete sich in Vilnius am 5. Oktober; das Verhör dauerte fünf Stunden.

Der Vernehmer Urbonas eröffnete der Vorgeladenen, er verfüge über eine Men­ge von Zeugenaussagen über sie. Zunächst fragte er nach Frl. Angela Sabaliaus­kaitė — seit wann sie mit ihr bekannt sei, welche Art Literatur sie ihr gegeben habe, wie oft sie zu Besuch gewesen sei u. a. Frl. M. Vitkūnaitė erklärte dazu, sie kenne überhaupt keine »Angela«. Die Befragung bezog sich alsdann auf Frl. Monika Didžiokaitė. Der Tschekist machte die Vorgeladene mit den Aussagen dieser Monika bekannt: Zeitpunkt des Kennenlernens, Besuche zusammen mit der erwähnten Angela, Überbringen einer Schreibmaschine, wie oft noch weitere Besuche stattgefunden hätten. Wiederum verneinte Frl. Vitkūnaitė alle Anga­ben, vor allem kenne sie keine Monika Didžiokaitė. Der Vernehmer Urbonas wollte jetzt wissen, wie die Vorgeladene die Bekanntschaft eines Romas Blažu­kas gemacht habe, von anderen auch Petras genannt; wie oft sie im Priesterse­minar gewesen sei, welche der dortigen Kleriker sie kenne, welche Vor- und Zu­namen sie angeben könne. Der Beamte rühmte sich sogar, zu wissen, wann sie aus dem Seminar eine Schreibmaschine samt Koffer abgeholt habe. Die Maschi­ne habe sie dann bei »Monika« gelassen und den Koffer nach Hause mitgenom­men. Frl. Marytė gab an, vor fünf oder sechs Jahren tatsächlich im Seminar ge­wesen zu sein, doch wisse sie nicht mehr warum, und sie habe das Seminar spä­ter nie wieder betreten. Urbonas erklärte, Frl. Marytė sei schuldig, und man könne sie wegen Abstreiten von Tatsachen verurteilen.

A us Briefen von Ona Pranskūnaitė 2. November 1977

Meine Liebe, heute besuche ich in Gedanken den Garten der Toten. Dieses Jahr werde ich kein Lichtlein auf dem verlassenen Grabhügel anzünden, wird sich mein Herz nicht am Flackern der tausend Kerzen erfreuen können, kein brau­sendes Orgelpräludium hören, nicht das Glück haben, die Gnadenerweise der hl. Messe hinauszusenden ans andere Ufer. Doch ich meine, das sei nicht das Wichtigste! Wichtig ist allein, daß die einem Menschen zugemessene Zeit abge­laufen ist. Mein Glück will ich darin finden, zu tun, was ich tun soll. (. . .)

24. Dezember 1977

Ich danke Euch für die Weihnachtsgeschenke. Man hat sie mir nicht übergeben. Die Postkarte wurde zusammen mit der Oblate an meine Personalakte geheftet. Denn der Stern auf der Postkarte ist ihnen unbekannt — eben kein Fünfzacker. Unter sich erwogen sie, ob nicht irgendwas in der Oblate »eingebacken« sei. (. . .) Falls möglich, sendet mir bitte ein Paket. Es darf enthalten — ein halbes Kilo Rauchkäse, ein halbes Kilo Butter, der Rest kann aus Räucherspeck beste­hen. Gesamtgewicht nicht über 5 kg. Bitte packt weder Wurst noch Wurstwaren noch anderes hinein, so etwas wird mir nicht ausgeliefert. Das Paket erreicht mich ungefähr nach einem Monat.

Am 28. Juni 1978 erhielt Frl. Irena Dumbrytė eine Mitteilung von der Adresse: Mordovskaja ASSR, Zubovo-Polianski Rayon, pos. Sosnovka UC ZX 385/1. Unterschrift der Mitteilung — Lagerchef A. A. Satajev und Bürochef V. S. Da-vidov. Inhalt der Botschaft — Registrierung der Eheschließung der I. Dumbrytė mit Balys Gajauskas findet am 22. Juli 1978 statt. Falls zeitiges Erscheinen nicht möglich, rechtzeitig Mitteilung erbeten.

Am festgesetzten Tage erschien in Sosnovka Frl. Irena Dumbrytė in Begleitung von Pfarrer Zdebskis und ihrer Schwester L. Šulskienė. Als Katholikin wünsch­te Irena Dumbrytė eine Bekräftigung der standesamtlichen Eheschließung durch eine kirchliche Trauung, zu der es zweier Zeugen bedarf. So erfüllte sie auch den Wunsch von Balys, daß ein Priester an der Zeremonie teilnehme. Nach Ankunft wurde der Spezialabteilung mitgeteilt, man sei zur Eheschießung bereit. Von dort erging Gegenbescheid, die genaue Uhrzeit der Zeremonie werde telefonisch dem Wohnheim gemeldet, in dem Frl. Dumbrytė untergekommen war. Dort wartete man den Tag hindurch vergeblich. Am Morgen des 27. meldete sich Ire­na Dumbrytė daher persönlich bei der Spezialabteilung. Dort verlautete, man habe leider keine Telefonverbindung mit Javas bekommen, sie möge daher ins Heim zurückkehren und warten. Um 15 Uhr wurde die Wartende dann ange­wiesen, sich zum Lagertor zu begeben. Hier warteten dann Irena Dumbrytė, ihre Schwester Laima und Pater J. Zdbeskis eine weitere halbe Stunde. Als Frl. Irena Dumbrytė am 5. Juni ihre Dokumente zur Spezialabteilung ge­bracht hatte, war ihr erklärt worden, sie könne mit zwei Zeugen zur standesamt­lichen Registration ihrer Eheschließung erscheinen. Jetzt gestattete man den Zeugen erst gar nicht, das Gebäude des Standesamts zu betreten. Die Registrationsprozedur dauerte 10—15 Minuten. Alle Dokumente lagen be­reits zur Unterschrift bereit. Erst führte man Irena Dumbrytė ins Zimmer, spä­ter B. Gajauskas. Letzterer erschien in gestreiftem Lagerdreß, zerrissenen Schu­hen, kahlgeschoren und bezeichnete seinen Aufzug als »Ausgehanzug«. Die Braut war in weißem Brautkleid erschienen.

Die in Ost-Berlin erscheinende Zeitung der Linkskatholiken Begegnung be­schrieb in Nr. 7 des Jahrgangs 1978 das Leben der Katholiken in Kisinev, So­wjetrepublik Moldavien, und berührte dabei aber auch ein weiteres Thema — die »illegale Untergrundpresse«, die in Litauen erscheine. Laut Begegnung kön­ne niemand die Zuverlässigkeit der dort gebotenen Informationen garantieren; verantwortungsbewußte Redakteure sollten sich nicht auf anonyme Informatio­nen stützen, wie dies etwa das Westberliner Petrusblatt getan habe, das die Lage der Kleriker in der Sowjetunion verzerrt darstellt.

Zitiert wird das Petrusblatt vom 30. April 1978 mit der Feststellung: »Jugendli­chen katholischen Kandidaten aus der Ukraine, Weißrußland und anderen Na­tionalitäten wird nicht gestattet, in den Priesterseminaren von Kaunas und Riga zu studieren.« Als Argument gegen diese angeblich erlogene Behauptung wird auf das Beispiel des Gemeindepfarrers von Kisinev, Vladislavs Zavalniuks, hin­gewiesen. Dieser jetzt 26jährige Ukrainer habe das Priesterseminar in Riga ab­solviert . . .

Obwohl in Litauen seit dem ersten Jahr der sowjetischen Okkupation Bücher in litauischer und anderen Sprachen zerrissen, zerschnitten und verbrannt werden, wenn ihr Gesamtinhalt, einzelne Gedankengänge oder Ideen, die Okkupations­macht und ihre einheimischen Kollaborateure daran hindert, ihre wahnwitzigen Pläne durchzuführen — die Litauer moralisch zu brechen und zu entnationali­sieren.

Die Verfolgung und physische Vernichtung litauischer Literaturwerke hält auch heute noch an. Sicher, nicht immer ist das gedruckte Wort in den Augen der Okkupationsmacht sogleich »schuldig«. Es kann zunächst durchaus das dreifa­che Zensurfilter von Verfasser, Verleger-Redakteur und staatlichem Zensor pas­sieren. Doch auch dann ist eine nachträgliche Vernichtung keineswegs ausge­schlossen. Vernichtung etwa auf Sonderbeschluß, wenn der Autor dem Regime gegenüber später »schuldig« wird oder sonst mißfällt. So geschah es mit dem Schriftsteller und mutigen Verteidiger der Menschenrechte in Litauen, Dichter Tomas Venclova, den das KGB verfolgte und schließlich zur Emigration in die USA zwang.

Nachstehend publizieren wir zwei schandbare Dokumente. Sie wurden den Di­rektoren aller Bibliotheken und Büchereien übersandt und enthüllen den Man­gel an Logik, »Kultura« und Moral jener, deren Initiative ähnliche Verordnun­gen und Weisungen entspringen.

Mitte August war zu erfahren, daß die Sowjetregierung 20 Kleriker zum Studi­um im Priesterseminar Kaunas zugelassen hatte. In den ersten Kursus wurden aufgenommen:

Stanislovas Anužis Gediminas Bulevičius Pranas Čivilis Kazimieras Daugla Romualdas Dulskis Algirdas Gavenauskas Algis Genutis Jonas Ivanauskas Donatas Jasiulaitis Remigijus Jonkus Stanislovas Kazėnas Algirdas Kildušis Simutis Marciukevičius Petras Matukevič Petras Purlys Gvidas Pušinaitis Vidas Saukaitis Jonas Šutkevič Virginijus Veilentas Juozas Klimavičius

Der Kleriker Juozas Klimavičius wurde für ein Jahr vom Seminar entlassen, um sein Lehrgeld für die Regierung abzuarbeiten (er ist gelernter Kinomechaniker). Endgültig aus dem II. Kursus ausgetreten ist der Kleriker Rimas Dalgėda, Erz­bistum Vilnius.

Grußtelegramm

Heiliger Vater,

kaum das »Habemus Papam« vernommen, eilen wir, spontan von freudigen Impulsen durchdrungen, im Gebet und aus vollem Herzen, um Rom telegra­fisch im Namen der gesamten Geistlichkeit Litauens — auch wenn wir technisch nicht alle konsultieren konnten — ebenfalls im Namen der Gläubigen und aller derer, denen Glaube und Kirche wichtiger sind als das Leben, unsere freudige Genugtuung, Liebe und Verehrung zu bekunden. Und erklären ferner feierlich — Litauen ist stets dem Apostolischen Stuhle treu.

Heiliger Vater, besser als sonst jemand kennen Sie unsere Probleme, Hoffnun­gen und Erwartungen. Mögen die Probleme der katholischen Kirche Litauens einen entsprechenden Platz in Ihrer edlen Seele finden. Wir selbst wollen mit und durch den ehrenvollen Diener Gottes Jurgis Matulevičius für Sie Segen und Hilfe Gottes des Höchsten erflehen, zur Verwirklichung lebensnotwendiger Hoffnungen von Millionen Gläubigen und Menschen guten Willens.

Litauen-Kaunas      Die Pfarrer:

Mykolas Buožius Pranciškus Gaižauskas Liudvikas Siemaška Jonas Rakauskas Jonas Kazlauskas Jonas Augustauskas Juozas Vaičeliūnas Romas Macevičius Juozas Čepėnas Alfonsas Svarinskas

Kaunas

Die Leitung der 29. Mittelschule wurde höheren Orts wegen Vernachlässigung der atheistischen Arbeit gerüffelt. Einer der Abiturienten, Jonas Ivanauskas, war in das Priesterseminar Kaunas eingetreten.

Besonderen Eifer zeigt hier die Klassenlehrerin (VI 0 Frau Dana Mikaliūniene. Ob der Schüler nun will oder nicht, sie bindet ihm den roten Schlips um, und schon ist man Jungpionier. Die Schülerin Laima Sutkutė wagte es, das ihr so verliehene Halstuch wieder abzulegen und hatte deswegen größte Schwierigkei­ten. »Ihre Tochter ist der einzige weiße Rabe der Klasse«, bekam die Mutter von der Pädagogin zu hören.

Gargždai,  Rayon Klaipėda

Am 9. September wurde hier Justinas Stanijauskas beerdigt, dessen Tochter die Klasse IVe der II. Mittelschule besucht. In der Absicht, ihrer Schülerin zum To­de des Vaters ein Beileid zu bezeugen, führte die Klassenlehrerin, Frau Petraus­kienė, die Schüler der Klasse zur Beisetzung. Als sie aber eines Priesters ansich­tig wurde, befahl sie ihren Schützlingen, die Blumen an einer Tragbahre neben dem Müllplatz abzulegen und den Friedhof zu verlassen. Bedauerlich, daß es in unseren Sowjetschulen so schlecht erzogene Lehrer gibt, die ihren Mitmenschen in der Stunde größter Trauer, statt Beileid zu bezeugen, noch zusätzlich Kummer bereiten. Es ist besser an einem Begräbnis erst gar nicht teilzunehmen, als sich ein so kulturloses Benehmen zu leisten.

M o l d a v i e n

Sloboda-Raskov

Die Katholiken dieses Dorfes sind rechtlos und gezwungen, ohne religiösen Bei­stand zu sterben. Hier einige Fakten:

Die Kinder der erkrankten Frau Teofile Oleinik wandten sich an die sowjetische Rotkreuzorganisation in Moskau mit der Anfrage, ob die Sowjetmacht berech­tigt sei, einer im Sterben liegenden Kranken den erbetenen Beistand eines Prie­sters zu verwehren. Das Rote Kreuz übersandte die Anfrage am 6. September

1978 zwecks Klärung des Falles an den moldavischen Bevollmächtigten des Ra­tes für religiöse Angelegenheiten. Unterzeichner des Schreibens — Kanzleichef A. L. Samoilov.

Am 13. September 1978 erhielt Frau T. Oleinik folgendes Antwortschreiben: »In Beantwortung Ihrer Anfrage beim Roten Kreuz teilen wir mit, daß es im Rayon Kamenka weder eine registrierte katholische Religionsgemeinschaft noch einen registrierten Priester gibt. Die Zuziehung eines auswärtigen Geistlichen ist von den lokalen Behörden — wohl des Rayons Kamenka — zu entscheiden.« Unterschrift, A. 1. Raneta, Stellvertreter des moldavischen Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten. Die Ortsbehörden von Kamenka woll­ten nichts davon hören, daß der einzige katholische Priester der Republik nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, alle Katholiken zu versorgen, be­sonders angesichts des nahenden Todes.

Geheimdienst sucht Verräter großen Formats

Seine Exzellenz Bischof K. Paltarokas hatte den Gemeindepfarrer und Dekan von Utena, Jonas Kriščiūnas, als seinen Kanzler und Nachfolger im Bischofs­amt vorgesehen. Kaum war der Kanonikus nach Vilnius übergesiedelt, als er auch schon als Kaplan wieder in der Provinz verschwand. Er wurde später zum Gemeindepfarrer von Vyžuonai ernannt, wo er auch gestorben ist. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit vertraute er mir an, was ihm damals in Vilnius wi­derfuhr.

Kaum angekommen, wurde er hier vom Geheimdienst überfallen und fünf Tage hindurch scharf vernommen. Man versuchte, ihn sogar mit kindlich naiven Ver­sprechungen zu ködern: »Ein Auto wirst du haben, fahren dürfen,wohin du willst, ins Ausland . . .« Man drohte ihm mit Furchtbarem, darunter als beson­ders schrecklich: »Heimgekehrt, kannst du dann in einem Kolchos dahinstin-ken . . .« Doch am bedeutungsvollsten waren wohl die Worte: »Kleine Halun­ken haben wir genug. Aber wir brauchen Helfer größeren Formats, die uns hel­fen auf internationalen Treffen, Friedenskonferenzen . . .« Kanonikus J. Kriš­čiūnas wollte nicht, daher wurde er aus Vilnius in eine Kaplanstelle vertrieben.

Aušra (Morgenröte) Nr. 12 (52). Diese Nummer, erschienen im August, ist Vik­toras Petkus, dem Mitglied der litauischen Helsinkigruppe, gewidmet. Tiesos Kelias (Weg der Wahrheit) Nr. 10 — erschienen Ende September d. J. Rūpintojėlis (Der Sorgende) Nr. 6 — Datum der Herausgabe — Oktober. Perspektyvos (Perspektiven), die Nummern 1, 2, 3, 4. Erste Nummer erschien im Monat August. Jede Nummer ist jeweils einem Einzelthema gewidmet. Nr. 1: »Sozialismus, kommunistische Demokratie«. Nr. 2: A. Sacharov, »Mein Land und die Welt«. Nr. 3: M. Bask, »Der Rubikon«. Nr. 4: »Dank sei dir, Partei!« In der Einleitung schreiben die Herausgeber: Die »Perspektiven« wer­den aktuelle Probleme des täglichen Lebens behandeln, Möglichkeiten ihrer Lö­sung erörtern, den Lesern Gelegenheit geben, ihre Meinungen und Ansichten zu äußern. Die Publikation wird die Leser mit den Ansichten derer bekannt ma­chen, die in der Sowjetunion wegen ihrer Überzeugung verfolgt, sogar in Gefan­genschaft gehalten werden. Die »Perspektiven« wollen helfen Wege zu finden, die aus Sackstraßen hinaus zur Erneuerung führen, auf der Grundlage der Prin­zipien wahrer Demokratie und internationaler Verpflichtungen. Die »Perspektiven« werden nicht nur Originalartikel, sondern auch Studien größeren Umfangs bringen, die in der offiziellen Presse Sowjetlitauens zur Zeit nicht veröffentlicht werden können. Weiter vorgesehen sind auch Übersetzun­gen, allerdings nur von Autoren, die in der Sowjetunion wohnen oder gewohnt haben und wegen ihrer Ansichten bis zur Ausreise oder Verbannung ins Aus­land verfolgt worden sind.