In Litauen findet eine Erneuerung des wirtschaftlichen, sozialen, politi­schen und kulturellen Lebens statt. Dieser Prozeß ist kompliziert und viel­deutig. Der Kreml, der diese Umgestaltung gebilligt hat, fürchtet sich jedoch davor, daß dieser Prozeß der Demokratisierung die Grenzen der „sozialistischen Demokratie" überschreiten könnte, und müht sich darum, daß die führende Rolle der KP in allen Lebensbereichen erhalten bleibt.

Die schon beinahe vor einem Jahr ins Leben gerufene Bewegung der Umgestaltung Litauens (LPS, Sąjūdis) hat die gesamte Intelligenz Litauens in ihren Reihen vereinen können, sehr beunruhigend wirkt aber die Tatsa­che, daß auch die Stalinisten von gestern sich der Bewegung anschließen. Die Mehrheit der Priester Litauens unterstützt die positiven Schritte dieser Bewegung.

Die Beziehungen zwischen der Kirche und dem Staate haben sich stark verändert: Friedliche Verhandlungen und ein Dialog haben die lang andau­ernde scharfe Konfrontation abgelöst. Die Regierung Litauens gab einige der wichtigsten Heiligtümer der Kirche zurück, wie die Kirche „Königin des Friedens" zu Klaipėda, die Kathedrale von Vilnius und die St. Casimir-Kirche und erlaubte den Neubau einer Kirche in Vilnius und Naujoji Akmenė.

Die Jugend der Hauptstadt gratuliert Ihnen, hochverehrter und geliebter Hirte, zu Ihrer Rückkehr nach langen und finsteren Jahren der Verbannung in die Stadt Vilnius, in ihre Kathedrale, einer Blüte des Christentums in der so lange Jahre der Hirtenstuhl leer gestanden ist, in der das ewige Licht ausgelöscht war, wo in dem Gewölbe dieses Heiligtums das Echo der Gebete nicht mehr zu vernehmen war. Nur weit, weit von hier, in den Ebenen von Zagare wachte Ihr väterliches, für die Nöte der Kirche und die Schmerzen ihrer Kinder empfindsames Herz über uns.

Wir freuen uns über Ihre Rückkehr und danken Ihnen, Exzellenz, für Ihre ertragenen Qualen und Ihre Opfer, denn das ist ein großer Beitrag für die Zukunft der Wiedergeburt des Volkes und der Kirche. Ihre heldenhafte Treue zu Gott und Kirche wird für uns die größte Schule des Edelmuts

sein.

Wir wünschen Ihnen Gottes Segen, gute Gesundheit und ein langes Leben'

Die katholische Jugend der Stadt Vilnius.

Die „Chronik d.L.K. K." kann nur bestätigen, daß sich ganz Litauen freut, und gratuliert dem ehemals verbannten Bischof zusammen mit den Katholiken der Stadt Vilnius.

Am 5. Februar 1989, 40 Jahre nach der widerrechtlichen Wegnahme, kehr­ten die Gläubigen feierlich in das mit dem Geist eines jeden Litauers untrennbar verwachsene Heiligtum des Volkes, die Kathedrale von Vilnius, zurück. Der 3. Februar war in der ganzen Erzdiözese Vilnius als Tag des Fastens und der Buße ausgerufen. Am Tag der Feierlichkeiten empfing die Stadt schon am frühen Morgen mit großer Gastlichkeit die frohgestimmten Wallfahrer. Die Kathedrale konnte nicht alle fassen, die hineinkommen wollten, und so mußten viele Wallfahrer aus ganz Litauen diesen nicht­alltäglichen Moment der Geschichte auf dem Platz um die Kathedrale mit­erleben. Das litauische Fernsehen übertrug den Gottesdienst aus der Kathedrale - Basilika von Vilnius (aber nicht ganz, denn für die Übertra­gung waren nur 2 Stunden Zeit vorgesehen).

Der Innenraum der Kathedrale glänzte durch den erneuerten Hauptaltar. Die Mitarbeiter des Kunstmuseums und der Restaurierungsverwaltung wie auch die Gläubigen haben in dieser kurzen Zeit sehr viel geleistet, damit die Kathedrale am Tag der Feierlichkeiten so schön wie möglich ausschaut. Es wurde aber nicht alles erreicht. Nicht wenige der Seitenkapellen blieben noch verschlossen, müssen erst restauriert werden und die Böden müssen verlegt werden. Auch in einem der Seitenschiffe der Kathedrale ist man mit dem Verlegen der Böden nicht ganz fertig geworden. Der Kathedrale fehlt es an liturgischen Gefäßen und Gewändern. Die materiellen Mängel trübten die Freuden der Feierlichkeiten nicht im geringsten. Auf den Erhö­hungen seitlich vom Hauptaltar hielten Jugendliche in nationalen Trachten hoch über den Hauptaltar die Flaggen des Papstes und des unabhängigen Litauens; Kinder und Jugendliche aus den verschiedenen Gegenden Litau­ens füllten den Altarraum und die Seitenschiffe der Kathedrale. Auch eine Delegation der katholischen Jugend aus Lettland ist zu diesen Feierlich­keiten gekommen.

Die Kurie der Erzdiözese Vilnius erhielt eine Mitteilung, daß der verstor­bene Bischof der Erzdiözese Vilnius, Mečislovas Reinys, auf Beschluß des Obersten Gerichts der SSR Litauen vom 20. Februar rehabilitiert ist.

Bischof Mečislovas Reinys wurde im Jahre 1884 im Kreis Utena, Pfarrei Daugailiai, Dorf Madagaskaras geboren, absolvierte das Priesterseminar zu Vilnius und studierte anschließend Psychologie und Philosophie an den Universitäten in Louvain und Fribourg. Bischof M. Reinys ist Professor am Priesterseminar von Vilnius und an der Universität Vytautas des Großen in Kaunas gewesen und war Doktor der Philosophie, Außenminister des unabhängigen Litauens, einer der Gründer der Christlich-Demokratischen Partei, ab 1925 Coadiutor-Bischof der Diözese Vilkaviškis. Im Jahre 1940 wurde er zum Erzbischof und Suffraganbischof des Erzbischofs von Vil­nius R. Jalbrzykowski ernannt. Ab 1946 war er als Apostolischer Admini­strator der Erzdiözese Vilnius tätig. Im Jahre 1947 wurde Bischof M. Reinys verhaftet, der antisowjetischen Tätigkeit angeklagt und zu 8 Jahren Gefäng­nis verurteilt. Den Haftbefehl hat der Mittäter der Tragödie im Wäldchen von Rainiai, P. Raslanas, unterzeichnet. Bischof M. Reinys ist im Jahre 1953 im Gefängnis von Wladimir gestorben. Das Grab Bischofs M. Reinys ist unbekannt. In der letzten Zeit werden Bemühungen unternommen, das Grab Bischof M. Reinys zu finden und seine irdischen Überreste nach Litauen zu überführen.

Verband der „Ateitininkai" wird wiedergegründet.

Am 7. Januar 1989 versammelten sich die Altmitglieder der Ateitininkai (Zukünftler), Vertreter der Öffentlichkeit, Studenten und Schüler im Haus der Künstler in Vilnius, um den Verband der „Ateitininkai" wiederzugrün-den, d. h. die jetzige Jugend mit der Geschichte des Verbandes und seinen Zielen bekannt zu machen und alle gemeinsam über die Möglichkeit der Tätigkeit des Verbandes zu dieser Zeit zu beraten.

Priester Vaclovas Aliulis eröffnete diese Versammlung mit gemeinsamem Gebet. In das Präsidium wurden eingeladen das Ehrenmitglied, Witwe des verstorbenen Professors Stasys Šalkauskis, Frau J. Šalkaukienė, der ehema­lige politische Gefangene, Altmitglied der Ateitininkai Viktoras Petkus und der Lehrer Vytautas Toleikis. Die Versammlung leitete das Mitglied des par­lamentarischen Rates der Sąjūdis, Arvydas Juozaitis. Als Sekretärin wurde Daiva Kuzmickaitė bestellt.

A. Juozaitis begann die Versammlung mit den Worten: „Wir wollen heute versuchen umzuschauen, wie wir vereint die Prinzipien des christlichen Lebens im öffentlichen Leben, vor allem aber unter unserer Jugend, ver­nünftig wiederherstellen könnten." Im ersten Teil der Versammlung gaben folgende Ateitininkai, die meisten von ihnen sind Altmitglieder, ihre Berichte: Priester V. Aliulis, der Arzt V. Rastenis, die Psychologin Dozentin Giedrė Butkienė, J. Mikulevičius, der Lehrer Vytautas Toleikis, J. Antanai­tis. Sie alle machten die Versammelten mit der Geschichte der „Ateitis", mit den Prinzipien ihrer Tätigkeit, ihren Aufgaben und ihrer Ideologie bekannt.

An den Generalsekretär der ZK der KPdSU, M. Gorbatschow Erklärung

der Priester und der Gläubigen der Katholischen Kirche Litauens

Wir verlangen, S. Exz. dem Bischof von Vilnius, Julijonas Steponavičius, zu erlauben, aus der Verbannung in Žagarė nach Vilnius zurückzukehren und ungehindert sein Amt auszuüben.

Am 22.10.1988.

Es unterschrieben die Gläubigen:

In Vilnius        1569

in Kaišiadorys        487

in Širvintos        84

in Lazdijai        1296

in Kalvarija (Rayon Kapsukas)        713

in Keturvalakiai (Rayon Vilkaviškis)        333

in Šeštokai (Rayon Lazdijai)        300

in Šeduva (Rayon Radviliškis)        300

Vilnius. Am 4. März 1989 ist der Sarg mit den Reliquien des hl. Casi­mir aus der Kirche der Apostel Peter und Paul wieder in die Kathedrale zurückgekehrt.

Eine ergreifende Feierlichkeit! Die Bürger der Stadt Vilnius und die Gäste bewegten sich an diesem Tag voll Ehrfurcht und Ernst nur in eine einzige Richtung - in Richtung Antakalnis. Noch vor 10 Uhr, wo die hl. Messe und der Abschied der Pfarrei von den Reliquien des Heiligen stattfinden soll­ten, war der Platz vor der Kirche voll mit Menschen. Nicht einmal zum Kirchhof zu gelangen war möglich. Die von Vertretern der Sąjūdis und der Kirche beaufsichtigte Menge besetzte jedoch den Hauptzugang nicht. Auf dem Kirchhof stellten sich die Fahnenträger mit ihren Fahnen und die Jugend auf. Nicht wenige Wallfahrer haben die eigene Fahne ihrer Pfarrei mitgebracht. Die Menschen, wie ein lebendes Spalier, standen in einer Reihe auf beiden Seiten der Antakalnis-, Kruglevskis-, Kostiuska-Straße bis zur Kathedrale. Jugendliche und Fotografen richteten sich auf den Dächern der Häuser ein.

Die hl. Messe in der St. Peter und Paul-Kirche feierte S. Exz. Bischof von Vilnius, Julijonas Steponavičius; der Pfarrer der Kirche, Priester Pranciškus Vaičekonis hielt die Predigt. Der Prediger erinnerte auch an das Jahr 1950, wo, nach der Schließung der Kathedrale, die Gefahr bestand, daß die Reli­quien des einzigen Heiligen Litauens vernichtet werden könnten. Durch die Bemühungen des Bischofs Paltarokas wurden sie am 9. Oktober 1952 aus der Kathedrale in die St. Peter- und Paul-Kirche überführt, wo sie sechsunddreißigeinhalb Jahre geblieben sind. Nach der hl. Messe bewegte sich eine feierliche Prozession: Mit einem Kreuz voran, Fahnen, Hunderte in Nationaltrachten gekleidete Jugendliche, die Alumnen des Priestersemi­nars von Kaunas, die Dozenten, die Bischöfe und die Verwalter der Diöze­sen Litauens, etwa 100 Priester und Tausende von Gläubigen bewegten sich betend in Richtung zur Kathedrale. Den Sarg mit den Reliquien des Für­sten St. Casimir, der etwa 500 kg wiegt, trugen die Alumnen des Interdiöze-sanpriesterseminars zu Kaunas abwechselnd. Der Alumnenchor sang wäh­rend der Gebetsprozession das vom hl. Casimir geliebte Lied „Omni die...", und als sich die Prozession der Kathedrale näherte, die Litanei zum hl. Casimir. Vor der Tür der Kathedrale sprach der Pfarrer der Kathe­drale, Priester Kazimieras Vasiliauskas, ein kurzes Willkommenswort. Die Fahnen, die Jugend mit Blumen und Palmenzweigen in den Händen auf beiden Seiten, empfingen wie ein Ehrenspalier den in die geliebte Kathe­drale zurückkehrenden heiligen Verbannten. Der Sarg des Heiligen wurde auf einer speziell vorbereiteten Erhöhung im Altarraum aufgestellt.