An die Redaktion der Zeitung Bangos Erklärung
des Vikars der Gemeinde Gargždai, Pfarrer Antanas Šeškevičius, wohnhaft in Gargždai, Tilto gatve 1—2
Die von Ihnen redigierte Zeitung »Bangos«, Organ des Rayonkomitees Klaipėda der KP Litauens und Rayonrates der Volksdeputierten, brachte am 31. März d. J. einen Artikel von V. Savičius unter der Überschrift Kas drumsčia vandeni (»Wer das Wasser trübt«) zum Abdruck. Darin werde ich in jeder erdenklichen Art und Weise beschimpft, verleumdet und angeschwärzt. Daher bitte ich, mir zu gestatten, dagegen zu protestieren und einige Bemerkungen zu machen. Bereits vor zweitausend Jahren verteidigten die alten Römer die Ehre eines Menschen, indem sie sagten: »Man höre auch die andere Seite an.« Jeder Angeklagte hatte das Recht, sich zu verteidigen und seine eigene Meinung kundzutun. Seit jener Zeit ist das Kulturniveau der Menschheit erheblich gestiegen, und ich meine, daß auch die sowjetische Presse des 20. Jh. kulturell hoch genug steht, einem verleumdeten Geistlichen zu ermöglichen, öffentlich seine Meinung zu sagen. Unter dieser, möglicherweise illusionären Voraussetzung will ich versuchen, die Vorwürfe von V. Savičius zu beantworten:
Erster Vorfall — mit dem Patienten Karnauskas
V. Savičius wirft mir vor, ich sei eigenmächtig in das Krankenhaus eingedrungen und habe dem dort hospitalisierten J. Karnauskas deprimierende Worte gesagt. Ich erkläre dazu: Das ist unwahr, die Sache war ganz anders:
Krankenhausbesuche mache ich erst, wenn Anverwandte des Kranken mich dazu auffordern und Absprachen mit der Hospitalverwaltung getroffen haben. Seit fast vier Jahren mache ich solche Krankenhausbesuche, Konflikte gab es nie, denn die Verwaltung hat alles in kulturbewußter Weise geregelt. Bitte, dies zu überprüfen.
Auch in obigem Falle wurde ich im November vorigen Jahres zur Betreuung eines schwachen alten Mannes aufgefordert, den ich mit den Sakramenten versorgt habe. Neben dem Kranken lag auch noch ein anderer Patient, den ich höflicherweise ansprach. Beide fragte ich, wo J. Karnauskas liege. Dieser, danebenliegend, meldete sich selbst. Ich teilte ihm mit, daß einer seiner besten Freunde mich aufgefordert habe, ihn zu besuchen. Ich schlug ihm vor: »Möchten Sie vielleicht die Sakramente empfangen? Ich würde dann nochmals vorbeikommen. Nicht, daß Sie schwach sind, sondern, daß Sie gestärkt und Ihr Leiden geheiligt werde.« Er antwortete mir: »Im Krankenhaus möchte ich die Sakramente nicht empfangen, denn hier kann man sich nicht richtig sammeln. Nach der Entlassung werde ich selbst zur Kirche kommen.« Ich antwortete darauf, daß dies seine Sache sei, und wir verabschiedeten uns nach einem freundlichen Gespräch.
V. Savičius verrät sich selbst, wenn er mir den Ausspruch unterstellt: »Du wirst jetzt sterben, ich werde dich erlösen . . .«
Welcher Priester würde wohl solchen Unsinn reden? Geistliche nutzen eine uns übermittelte praktische Erfahrung von zweitausend Jahren und wissen daher sehr gut, wie vorsichtig man mit einem Kranken umgeht, ihn ermutigt, nicht aber deprimiert. Die Gottlosen könnten ruhig etwas davon lernen, denn nur sie können sich einem Kranken gegenüber so lümmelhaft benehmen. Den Ausdruck »Ich werde dich erlösen . . .« kann wahrhaftig nur ein religiöser Analphabet gebrauchen, denn das ist reine Häresie und Verstoß gegen den Glauben. Ein Geistlicher würde so etwas niemals sagen, vielleicht aber so: »Christus wird dich erlösen . . .«V. Savičius gibt durch die Verwendung der obigen Phrase selbst zu, daß er hier eine erdachte Verlogenheit kolportiert und von Religion nichts versteht.
Der Artikel sollte wohl erweisen, ich hätte den Patienten J. Karnauskas, grob gesagt, zum Empfang der Sakramente gezwungen. Doch, Zwang kann ein Geistlicher gar nicht anwenden, denn das Sakrament wäre im selben Moment geschändet und damit ungültig. V. Savičius meint anscheinend, man könne mit Sakramenten so umgehen, wie gewisse atheistische Lehrer mit ihren Schülern: man zwingt sie, den Pimpfen, den Pionieren oder dem Komsomol beizutreten, egal, ob die es wollen oder nicht, und damit sei die Mission erfüllt. Die katholische Kirche jedoch achtet hier den freien Willen des Menschen: »Wenn du willst, will ich dir dienen, willst du nicht, so eben nicht.« V. Savičius behauptet, ich hätte in der Predigt garantiert, daß J. Karnauskas sterben werde und doch einen Geistlichen zurückgewiesen habe. Die arme Frau A. Kvekšienė sei darob ohnmächtig geworden . . . »Wo bleibt da die Nächstenliebe, die die Kirche propagiert, wo die elementarste Menschlichkeit?«, schreibt V. Savičius.
Ich erkläre dazu:
1. Am 12. November des Vorjahres erklärte ich das Evangelium und ersuchte die Gemeinde, sich um die Kranken zu kümmern, damit sie nicht ohne den Empfang der Sakramente dahinscheiden. Denn viele hoffen, gesund zu werden und dann in die Kirche zu kommen — kommen dann aber bereits im Sarg aufgebahrt, verstorben, ohne Empfang der Sakramente. Anschließend sagte ich (Zitat aus der Tonbandaufnahme): »Wir stellen uns den Tod wie einen Sensenmann vor, der zu uns kommt. Wie schrecklich! Wir zittern und wollen nicht sterben. Ich kenne einen Kranken. Er hat Krebs. Doch die Ärzte sagen es ihm nicht, um ihn nicht zu entmutigen. Er aber meint, gesund zu werden und wolle dann selbst zur Kirche kommen. Die Angehörigen haben ihn daran erinnert, doch die Beichte abzulegen, doch er meint, später selber zur Beichte gehen zu können. So unklug denken manchmal die Menschen! Sicher, gesunden, leben wollen ist gut — man sollte auch klug und ein realistischer Mensch sein. Alle werden wir eines Tages ganz sicher sterben. Und man stirbt nur einmal. Ein verfehltes Leben ist später nicht mehr gutzumachen.«
Ich wäre kein Priester, wenn ich ungerührt zusehen könnte, wie Menschen ohne die Sakramente sterben; ich würde damit zugeben, daß mir ihre ewige Zukunft gleichgültig ist. Das wäre keine Nächstenliebe, sondern ein Verbrechen. Wenn es Aufgabe des Kolchosvorsitzenden ist, sich um seine Kolchosmitglieder zu kümmern, um wieviel größer ist die Pflicht eines Pfarrers, sich um seine Gemeindemitglieder zu kümmern.
In dem Krankenhaus lagen damals mehrere Krebskranke, ich kannte noch andere, die zu Hause zu Bett lagen. Wenn ich von einem sprach, war damit unbedingt J. Karnauskas gemeint? Das Verhalten aller Krebskranken ist ähnlich. Ich hatte nicht einmal erwähnt, daß der Betreffende im Krankenhaus lag. J. Karnauskas wurde am 19. März d. J. beerdigt, die anderen sind noch am Leben im Krankenhaus oder zu Hause. Habe ich etwa J. Karnauskas oder einen anderen in seiner Ehre gekränkt? Oder sind sie etwa selber an ihrem Krebsleiden schuld? Und ist Frau Kvekšienė wirklich deswegen ohnmächtig geworden? Was war anstößig an der Predigt? Natürlich denkt jedermann an seinen Kranken. Wenn andere schon wußten, er werde, nach Meinung der Ärzte, nicht mehr gesunden, wußte sie es wirklich nicht? Was habe ich da Neues gesagt? Ich habe nur meine Pflicht getan — zum Empfang der Sakramente aufgefordert. Sollte sich ein guter Katholik wirklich daran stoßen? Im Gegenteil, ein guter Katholik wird dafür dankbar sein, daß sich ein Priester um die Kranken kümmert und wünscht, daß selbst ihr Tod ein glücklicher sei.
Muß ein Katholik den Tod fürchten, wie ein Atheist, für den mit dem Tod alles zu Ende ist? Für einen Katholiken beginnt wahres Leben doch erst nach dem Tode. Wenn irgendwer auf den Patienten J. Karnauskas einen unheilvollen Einfluß ausgeübt hat, so vielleicht seine Schwiegermutter, A. Kvekšienė,mit ihrem unklugen Reden und Verhalten.
Doch kurz vor dem Ableben ihres Schwiegersohnes im Krankenhaus gab sie sich selbst alle Mühe, dem Kranken zuzureden, einen Priester zu empfangen. Er hat es getan und wurde in allen Ehren kirchlich bestattet. Ich bin erfreut, daß mein Bemühen nicht vergeblich war, selbst wenn es Verleumdungen kostete. Das war es wert.
(Seite 33) Fotokopie Todesfall-Urkunde Milašius, Stasys, Vatername Liudas, Todesdatum: 24. März 1978 Alter: 73
Eintrag im Register am 24. März 1978 unter Nr. 12 Todesursache: Arteriosklerose der Herzmuskeln
Todesort: Alten- und Invalidenheim Laugaliai/Rayon Klaipėda, SSR Litauen
Wohnortregistration: Rayon Klaipėda, Kreis Gargždai, Exekutivkomitee des
Volksdeputiertenrates, 24. März 1978
Stempel des Büros für Zivile Matrikation Nr. 447416
(Unterschriften unleserlich)
Vorfall Nr. II
Das Alters- und Invalidenheim Laugaliai
In diesem Falle wirft mir V. Savičius vor: »Kommt zu jeder Zeit, geht durch die Zimmer, schnüffelt herum.«
Dazu erkläre ich:
Wie auch im Falle des Krankenhauses besuche ich das Invalidenheim nur, falls mich Insassen dazu auffordern und besuche nur diejenigen, die dies wünschen. Eine doppelte Genehmigung lag auch damals vor, als ich den St. Milašius, eine halbe Stunde vor dessen Hinscheiden, mit den heiligen Sakramenten versorgte und mich Direktor A. Strauka mitsamt dem Allerheiligsten hinaustrieb. V. Savičius schreibt, viele der Pflegebefohlenen wollten nicht, daß ein Pfarrer kommt und herumscharwenzelt.
Meine Antwort:
Selbstverständlich befinden sich in dem Heim auch Nichtgläubige und solche, die keinen Pfarrer sehen wollen wie auch Direktor Strauka. Solche erwähnt V. Savičius auch in einer Liste: Buzys, Selvenis, die lutherische Frau Enzeniene . . . Doch diese vertreten nicht die Gläubigen, sondern die Atheisten. Die Gläubigen sind wegen solcher »Vertreter« ihrer Sache sehr verärgert und haben bei der Redaktion der »Bangos« protestiert. Die Gläubigen freuen sich, wenn ein Pfarrer sie besucht: ihr Glaube ist ihnen als einziger Trost verblieben, und die Atheisten möchten ihnen auch diesen rauben. V. Savičius behauptet, St. Milašius sei im Dezember 1977 verstorben, ich sei damals gar nicht mit dem Direktor zusammengetroffen, dieser habe mich erst später beim Herumgehen erwischt . . .
Meine Erklärung:
V. Savičius verdreht hier absichtlich die Tatsachen; er läßt St. Milašius früher sterben, um das rüpelhafte Benehmen des Direktors mir gegenüber zu verdecken. Ich lege die Fotokopie des vom Exekutivkomitee Gargždai ausgestellten Totenscheins für St. Milašius bei, als Beweis, daß er nicht im Dezember 1977, sondern am 24. März 1978 verstorben ist. Das kann auch seine Schwester, Frau Katkiene, wohnhaft Klaipedastraße 62, wie alle damals anwesenden Heiminsassen von Lau-galiai bestätigen.
Diese Fälschung sollte eigentlich als Beweis genügen, daß der ganze Bericht auf Lügen beruht. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht! V. Savičius mißachtet selbst sowjetische Dokumente. Sein Zweck rechtfertigt wohl alle Mittel? So sieht also die antireligiöse Propaganda aus!
Nach der Versorgung des St. Milašius wollten auch andere, bettlägerige Frauen die Gelegenheit nutzen, und ich spendete ihnen die Sakramente. Bei anderen kam es nicht mehr dazu, da mich der Direktor hinaustrieb. Er bewies damit, daß die verfassungsmäßig garantierte Gewissensfreiheit doch nur ein Aushängeschild ist. Selbst der Henker erfüllt den letzten Wunsch seines Opfers, wenn der Delinquent um einen Pfarrer bittet — nicht so der Direktor in diesem Falle.
V. Savičius schreibt, Frl. J. Riaukaitė informiere den Pfarrer über innere Angelegenheiten, ihr gebe er auch Geld zur Verteilung.
Meine Antwort:
Glücklich die Alten und Invaliden, die noch von Verwandten besucht werden, die eventuell einen Priester einladen, oder ein paar Rubel für den alten Menschen übrig haben. Was aber sollen die machen, die niemand mehr besucht, denen niemand mehr einen Priester ruft, keiner etwas Geld gibt? Sie wenden sich an ihre Schicksalsgefährten, die noch einigermaßen gehen, zum Pfarrer hinhumpeln und ihn einladen können. Das zu tun, wagen nicht alle, denn es droht Verfolgung durch den Direktor. Wer einen Priester einlädt, riskiert in Ungnade zu fallen. Und trotzdem finden sich solch gutherzige Menschen. Das tat früher etwa Frau Liutkienė, die selbst kaum gehen konnte und jetzt verstorben ist. Neben Frl. Riaukaitė gibt es noch ein paar andere.
Mir ist unwichtig, wer mich einladet, entscheidend ist die Bitte, einen Sterbenden zu versorgen. Der Direktor aber verfolgt die Einladenden, damit das Alters- und Invalidenheim strengstens von der Kirche getrennt bleibe und daß alle, die ihr Leben hindurch glaubten, wenigstens atheistisch stürben! Ist das nicht grausam? Oder ist das Gewissensfreiheit? Eigentlich müßten körperbehinderte Invaliden die Möglichkeit haben, telefonisch einen Priester zu verständigen, und alle Voraussetzungen für deren Versorgung sollten bestehen.
Man bemüht sich, Frl. Riaukaitė auch deshalb zu verleumden, weil sie die Pflegebefohlenen vor Benachteiligung zu schützen versucht. Ihr ihre Vergangenheit vorzuwerfen, wäre dasselbe, als wollte man (den verstorbenen Ersten Parteisekretär) Sniečkus deshalb belangen, daß seine Eltern Kulaken — Großbauern — waren.
Es wird gefragt, wozu man den alten Menschen überhaupt Geld gebe, der Staat sorge doch für sie, neue Heime würden gebaut . . .
Meine Antwort:
V. Savičius widerspricht sich hier selbst, denn er berichtet, daß sich die Invaliden wegen der gespendeten Rubel sogar zerstritten haben. Brauchten sie das Geld nicht, würden sie darum streiten?
Zugegeben, sie werden mit Lebensmitteln versorgt. Doch welche Gemeinschaftsküche erfüllt alle Wünsche? Oder ist die Heimversorgung etwa so vollkommen, daß, sozusagen, nur noch Kranichsmilch fehlt? Da möchte ein Kranker vielleicht einen Apfel oder eine Apfelsine. Für den Zweck hat man sogar ein Geschäft eröffnet. Wie aber kaufen, wenn man kein Geld hat? Und sollen die einen schlemmen, während den anderen das Wasser im Munde zusammenläuft? Gläubige spüren das und spenden ein paar Rubel, bitten darum, zu beten oder eine Litanei zu singen.
V. Savičius möchte diesen Ärmsten wohl auch das verbieten. Wie human gedacht ist das eigentlich?
Vorfall Nr. III
Der Dieb St. Mažutavičius
V. Savičius wirft mir unschönes Verhalten vor, daß ich den Dieb St. Mažutavičius unterstütze, der doch in die Kirche von Gargždai eingebrochen war.
Meine Erklärung:
Während seines Aufenthalts im Kreis Kaltinėnai hat Mažutavičius tatsächlich die Kirchen der Umgebung erfolgreich ausgenommen. Nach Endnejavas kam die Kirche von Gargždai an die Reihe. Es stimmt, daß ich ihm nach der Verurteilung Lebensmittel und etwas zu Rauchen brachte, denn er hat alle für seine Schandtaten um Vergebung gebeten und mich über seine Verteidiger um etwas Rauchbares gebeten. Mit ihm zusammen saß ich unter verschärftem Regime im Straflager Alytus: er wegen Raub, ich wegen Katechismusunterricht für Kinder. Damals teilten wir den letzten Bissen. Wohl wissend, was seiner in Zukunft erwartet, konnte ich nicht so herzlos sein, wie das V. Savičius wohl gern wollte, und seine Bitte überhören, denn er hat mir auch in der Not geholfen. Ich verurteile die bösen Taten, liebe aber den Menschen.
Verbrechen werden nach sowjetischem Gesetz hart bestraft, besonders im Wiederholungsfall. Doch Strenge macht die Verurteilten meist nicht besser, verhärtet sie nur noch mehr, denn sie fühlen sich von der Gesellschaft zurückgestoßen und verurteilt.
Auch die Sowjetregierung versuchte sie durch ermutigende Versprechen zu bessern, Freiheit regt zur Besserung an, und das hilft viel. Ganz gewiß steckt auch in diesen Abgeurteilten noch manch guter Kern, und sie können zu guten Menschen werden. Das habe ich selbst im Lager erfahren dürfen. Indem ich Mažutavičius Lebensmittel gab, appellierte ich ja an seine menschlichen Gefühle, die allein ihn zur Scham wegen der unguten Taten veranlassen und zum Guten führen können. Dem heiligen Don Bosco gelang es, städtische Rowdies zu vorbildlichen Jugendlichen zu machen. Solche Erziehungsmethoden empfehlen auch weltbekannte Pädagogen wie Förster, Pestalozzi u. a. Kaum zum Papst gewählt, besuchte Papst Johannes XXIII. das Gefängnis Regina Coelo in Rom: »Da ihr nicht zu mir komme.! kmntet, komme ich zu euch.« Einer der Gefangenen fragte: »Gelten auch mir die Worte der Hoffnung, die Sie sprachen? Ich bin ein Schwerverbrecher.« Der Papst sagte kein Wort und schloß ihn in seine Arme. Verdammen ist menschlich, vergeben göttlich. Verständlich, daß der Atheist V. Savičius das nicht verstehen wird, denn für ihre Feinde kennen Atheisten nur Haß und Rache. Sind nicht doch jene schuldiger, die mit ihrer Gottlosigkeit Menschen vom Schlage eine Mažutavičius so erzogen haben?
Vorfall Nr. IV
Die Lehrerin Frau T. Papievienė
Angeblich hätte ich die Lehrerin der Mittelschule Gargždai deswegen angegriffen, daß sie aktiv mit den Schülern arbeite.
Meine Antwort:
1. In meiner Predigt vom 18. Februar, über die Pflicht der Eltern gegenüber ihren Kindern, erwähnte ich die Lehrerin Frau Terese Papievienė nicht wegen ihrer Rührigkeit, sondern wegen Terrorisierung und Verleumdung von Schülern. Ich sagte, daß die Lehrerin T. Papievienė von der II. Mittelschule am 14. Februar d. J. sechs Schülern der 2. Klasse die Zensur »mangelhaft« gab, weil sie sich kein Pimpfenabzeichen angesteckt hatten. Diese Kinder wollten der Organisation eben nicht angehören, doch sie trieb alle, ohne viel zu fragen, in die Aula der Schule zur Verleihung der Abzeichen. Einige der Kinder wie L. Vainius, Daukantas, Ge-raitė, Dumbraitė u. a. trugen die Abzeichen nicht — möglicherweise aus Protest. Daher erhielten die Kinder die Zensur »mangelhaft«, am 15. Februar erneut an A. Kuprelis, Geraitė u. a. Dazu wurde gedroht: »Ich werde euch bei der Kinderaufbewahrung einsperren lassen, d. h. der Miliz übergeben!« Ist das etwa kein Terror?
Die Eltern meldeten sich mit Protesten: »Es ist mein Kind, wie kommen Sie dazu, es so zu behandeln? Wieso fragen Sie nicht erst, bevor Sie solche Zensuren schreiben? Was soll das >mangelhaft< eigentlich pädagogisch bezwecken?« Mehr noch, diese Lehrerin richtet ihre Angriffe auch gegen Geistliche. »Diese sollen nicht wagen, das Nichtanlegen der Abzeichen zu befehlen«, erklärt sie unter Drohungen.
Das ist doch Verleumdung vor versammelter Klasse. Hier bedarf es keiner Befehle noch Direktiven — guten Katholiken ist völlig klar, wie sie eine Gottlosenorganisation zu werten haben, die den Glauben aus den Herzen der Kinder tilgen will. Das versteht sich von selbst.
Außerdem erklärte die Lehrerin Frau Papievienė vor allen Schülern: »Alte frömmelnde Betweiber bespucken das Kreuz, ihr geht zur Kirche und küßt es hinterher und könnt euch Seuchenkrankheiten holen. Wozu geht ihr überhaupt in die Kirche? Gott gibt es dort nicht. Vom Weihrauchdampf kann man sich nur anstecken. Betweiber spenden alte, abgegriffene Münzen für den lieben Gott, und die gibt man euch, damit ihr euch ansteckende Krankheiten holt.« Man frage die Lehrerin, wann Gläubige je ein Kreuz bespuckt, Seuchen verbreitet hätten, wo jemand von Weihrauch ansteckende Krankheiten bekommen hat? Das ist Verleumdung. Wer gestattet dieser Frau, Kirche und Gläubige so zu schmähen? Sind wir als Gläubige etwa Sklaven, haben wir keine Rechte? Haben Gottlose das Vorrecht, uns mit Dreck zu bewerfen wie es ihnen beliebt? Und diese Frau will Lehrerin sein, zur Intelligenzschicht gehören?!
Die Lehrerin verbietet, droht den Mädchen mit schlechten Noten, weil sie zur Adoration gehen, zwingt Minderjährige Fragebogen auszufüllen: Gehst du zur Kirche? Wer führt dich da hin! Warum gehst du hin? Du sollst nicht mehr in die Kirche gehen!
Warum eigentlich warnt Frau T. Papievienė die Regierung nicht vor den gesundheitsschädlichen, abgegriffenen Münzen, wo die Kirchen doch eine ungeheuerliche Steuerlast aufbringen — etwa 25 Kopeken für die Kilowattstunde Strom zahlen, verglichen mit vier Kopeken des Normaltarifs.
2. Im April verlas die Lehrerin Frau T. Papievienė den Schmähartikel der Zeitung Bangos vor der versammelten Klasse IIc und fügte noch eigene Verleumdungen gegen die Geistlichkeit hinzu: »Mit Messern stechen sie auf Menschen ein . . .« Wer? Wo? Man kann sich nur wundern, wie so was zur Kindererziehung zugelassen wird, denn der Frau fehlt es selbst an Erziehung! Warum verstößt sie gegen die Verfassung, die doch klar verbietet Unruhe oder Haß im Zusammenhang mit religiösem Glauben zu schüren!?
Vorfall Nr. V
Sonstige Ausfälle des V. Savičius
Angeblich bemühe sich A. Šeškevičius mit Hilfe der verleumderischen Sendungen von Radio Vatikan für sich selber Reklame zu machen.
Meine Antwort:
Jeder Litauer weiß, daß geheime Verbindung mit dem Vatikan und dem Ausland mit dem Verlust der Freiheit verbunden ist und hinter Gittern endet. Wer sehnt sich wohl nach dieser Art »Ehre«?
Allerdings trifft zu, daß der Vatikansender über das Alten- und Invalidenheim Laugaliai am 13. November 1978 völlig korrekt berichtet hat, während V. Savičius durch Faktenverdrehung versuchte, diese für die Atheisten schändlichen Tatbestände zu vertuschen. Doch hat die Redaktion der Zeitung Bangos (Die Welle) das falsche Todesdatum des St. Milašius nicht in derselben Absicht veröffentlicht? Beabsichtigte man den Vatikansender zu kompromittieren? Etwa so, der Vatikansender verbreite Verleumdungen, da doch der Direktor des Alten- und Invalidenheims Laugaliai erst viel später mit dem Priester zusammengetroffen ist, als aus Rom gemeldet wurde. Ich glaube, der Vatikansender wird auch in Zukunft in der Lage sein, schändliche atheistische Ausfälle zu veröffentlichen. Nicht nur der Vatikan, sondern das gesamte Ausland ist verärgert, daß im bisher ehrenvollen Volk der Litauer Leute wie Savičius aufkommen, die Litauen nur Schande bereiten. Wie können anständige Litauer, wie kann das Ausland dazu schweigen!
V. Savičius meint schließlich: »Es wird dem Pfarrer kaum gelingen, die Sache seiner Kirche zu verbessern, wie sehr er sich auch bemüht, mehr Menschen auf seine Seite zu ziehen.«
Dazu erkläre ich:
Es grenzt fast an ein Wunder, daß das litauische Volk immer noch so glaubenstreu ist. Denn starke Mächte haben sich gegen den Glauben, die Gläubigen und Priester verschworen: Presse und Fernsehen, Rundfunk und Kino, atheistische Organisationen, jede Art von Pression wird gegen Schüler, Jugendliche, Angestellte um ihres Glaubens willen angewandt; unmäßige Besteuerung der Kirchen, Gerichtsurteile, Haftstrafen für Verteidigung des Rechts, Geldstrafen für religiöse Prozessionen zur Ehrung der Toten, Verfolgung gegen Katechese der Kinder, Behinderung des Priesterseminars, Unterdrückung der gesamten katholischen Kirche in Litauen, Vorenthaltung eines religiösen Pressewesens, Verbot aller öffentlichen Religionslehre, die es trotz aller Linientreue in anderen sozialistischen Ländern durchaus gibt . . . Und trotzdem — die katholische Kirche hält durch, wird sogar stärker, während dem Atheismus unter gleichen Umständen wohl schon längst der Atem ausgegangen wäre. Gerade diese ehrlose Repressionspolitik zeigt dem litauischen Volke ja tagtäglich das wahre Gesicht der Gottlosigkeit — und führt zwingend zu einer Hochachtung der Religion. Daher gibt es in Litauen auch nach solch riesigen Anstrengungen der Gottlosen nicht mehr als eine Handvoll wirklicher Atheisten.
Gargždai, 12. April 1979
gez. Pfarrer A. Šeškevičius