An den Generalsekretär des ZK der UdSSR Michail Gorbatschow Erklärung

der Priester der Diözese Panevėžys der Katholischen Kirche Litauens

Im Jahre 1987 werden die Katholiken Litauens das 600jährige Jubiläum seit der Einführung des Christentums in Litauen feiern. Uber 600 Jahre hinweg ist die christliche Lehre tief in unserem Volke eingewurzelt. Die Verfassung der UdSSR garantiert die Gewissensfreiheit, die Aktivisten des Atheismus machen aber diese Garantie der Verfassung zunichte:

1.     Die Kinder der Gläubigen werden an den Schulen verfolgt und moralisch terrorisiert, wenn sie öffentlich die Kirche besuchen. Sie werden zwangs­weise gegen den Willen ihrer gläubigen Eltern in die atheistischen Organi­sationen eingeschrieben. Denen, die sich nicht einschreiben lassen wollen, wird gedroht, keine höhere Schule oder Hochschule besuchen zu dürfen. Jenen, die sich einschreiben lassen, wird verboten, ihren religiösen Pflichten nachzugehen und manche Abiturienten, die aktiv an Gottesdiensten teil­nehmen, werden nicht einmal zur Reifeprüfung zugelassen. Jene, die ihren religiösen Pflichten nachgehen wollen, müssen sich verstecken und werden so schon von ihren jungen Tagen an zum Heucheln gezwungen. Das ist eine schmerzliche Wunde unserer Gesellschaft.

2.     Verschiedene Staatsbedienstete und Lehrer dürfen nicht ihren religiösen Pflichten nachgehen, wie es ihre Uberzeugungen und ihr Gewissen von ihnen verlangen. Wenn sie dies dennoch wollen, sind sie gezwungen, in weitent­fernte Ortschaften zu fahren, wo niemand sie kennt, und ihre Kinder in der Nacht taufen zu lassen, damit es niemand sieht. Die gläubigen Lehrer müssen gegen ihr Gewissen wie die Atheisten reden, obwohl der Artikel 50 der Ver­fassung der LSSR die Gewissensfreiheit garantiert. Wenn ein Mann, der einen verantwortungsvollen Posten innehat, seine Frau und seine Kinder verläßt und eine neue Familie gründet, dann wird das als seine persönliche Angelegenheit betrachtet, und er wird nicht bestraft, wenn aber ein Staats­bediensteter seiner religiösen Pflicht öffentlich nachgeht, dann wird er dis­kriminiert.

3.     Die Verfassung der UdSSR garantiert Gleichheit aller Bürger. Wie sieht es aber im konkreten Leben aus? Für die Atheisten ist alles da: Die Presse, der Rundfunk, das Fernsehen . . . , die Gläubigen werden zu diesen Kom­munikationsmitteln nicht zugelassen. Nach dem 2. Weltkrieg konnte nur ein Teil der gläubigen Familien ein Gebetbuch oder einen Katechismus erwerben. Alle Schulen, angefangen beim Kindergarten bis zur Universität, dienen nur den Atheisten, die Kinder der gläubigen Eltern den Katechismus zu lehren, ist dagegen sogar in der Kirche verboten; die Priester werden bestraft oder vor Gericht gestellt, wenn sie die Kinder unterweisen. Die Gläubigen dürfen keine Ausflüge veranstalten und sich keine Busse mieten, ja nicht einmal mit einem Taxi darf man zu Ablaßfeierlichkeiten z. B. nach Šiluva, Žemaičiu Kalvarija — fahren.

Nicht immer dürfen die Gläubigen für einen Kranken im Krankenhaus zu seinem Sterben einen Priester rufen.

Es wird nicht erlaubt, wie das üblich ist, bei einem Verstorbenen im Auf-bahrungssaal zu beten.

4.     Gemäß Artikel 50 der Verfassung der LSSR ist die Kirche vom Staat getrennt, tatsächlich ist es aber ganz anders: Wenn die Bischöfe oder die Verwalter der Diözesen für die Pfarreien die Priester ernennen oder sie ver­setzen, so liegt die letzte Entscheidung darüber doch beim Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten als dem Vertreter der atheistischen Regierung, und das ist dem Wohl der Kirche nicht dienlich. Er entscheidet bei der Wahl der Kandidaten für das Bischofsamt oder für den Verwalter der Diözesen, bei der Wahl des Lehrpersonals für das Priesterseminar, über die Aufnahme der Kandidaten für das Priesterseminar und läßt nur eine viel zu geringe Zahl zu, wodurch ein Mangel an Priestern entstanden ist. Dies alles ist eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Kirche. Die Bediensteten der Zivilregierung mischen sich sogar in die Angelegen­heiten des Gottesdienstes ein und wollen z. B. wissen: Warum hat dieser Priester den Gottesdienst abgehalten? Warum wird für die leidenden inhaf­tierten Priester gebetet? ... Sie mischen sich sogar in Familienangelegenheiten ein und in die Zusammensetzung der Kirchenkomitees...

5.     Das Christentum wurde zuerst in Vilnius eingeführt, deswegen ist die Kathedrale von Vilnius die Wiege des christlichen Litauens. Aber dieses Heiligtum ist den Gläubigen weggenommen worden. Der heilige Casimir ist der Schutzpatron Litauens, die Kirche seines Namens in Vilnius aber ist in ein atheistisches Museum umgewandelt worden, wie auch die mit den Spen­den der Gläubigen errichtete Kirche von Klaipėda zu einem Philharmonie­saal gemacht wurde. Das ist eine Verhöhnung der Gläubigen.

6.     Die UdSSR hat sich verpflichtet, die Allgemeine Deklaration der Men­schenrechte einzuhalten, deren Artikel 18 besagt: »Jeder Mensch hat An­spruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Religion oder seine Uberzeugungen. . . allein oder in der Gemeinschaft mit anderen, in der Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden.«

Die UdSSR hat sich ebenfalls verpflichtet, die Vereinbarungen der Kon­ferenz von Helsinki zu erfüllen, in deren Teil VII gesagt wurde: »Die Teil­nehmerstaaten werden die Menschenrechte achten, einschließlich der Ge­wissens- und Religionsfreiheit.«

Im Teil X wird gesagt: »Die Teilnehmerstaaten werden ihre Verpflichtungen gewissenhaft erfüllen, und zwar sowohl jene, die sich aus dem internationalen Recht ergeben, als auch jene, die aus den allgemein anerkannten Prinzipien und Normen hervorgehen; sie werden sich auch an alle Vereinbarungen und

Beschlüsse halten, die dem internationalen Recht entsprechen und an denen sie teilnehmen.« Deswegen sind alle oben angeführten Fälle von Unrecht den Gläubigen gegenüber Vergehen gegen die internationalen Verpflich­tungen.

7. Wenn die Priester oder die Gläubigen das ihnen zugefügte Unrecht und die Verleumdungen vor der Öffentlichkeit aufzeigen, werden sie der Ver­leumdung der Sowjetunion beschuldigt und verurteilt: Priester Alfonsas Svarinskas, Priester Sigitas Tamkevičius, Priester Jonas Matulionis und manche christliche Laien sind nur wegen der Verteidigung der Rechte der Gläubigen verurteilt worden. Wenn die Regierung die Verfassung und ihre Verpflichtungen einhält, dann muß man sie alle freilassen.

Wir wenden uns an Sie als das Oberhaupt des Staates, damit die genannten mit der Verfassung nicht übereinstimmenden Ungerechtigkeiten und Diskri­minierungen den Gläubigen gegenüber beseitigt und gutgemacht werden.

Im Jahre 1985.

Es unterschrieben folgende Priester:

Petras Adomaitis        Paulius Čiučkis

Bronius Antanaitis        Feliksas Čiškauskas

Juozas Antanavičius        Algirdas Dauknys

Vincentas Arlauskas        Juozas Dubnikas

Boleslovas Babrauskas        Steponas Galvydis

Jonas Bagdonas        Juozapas Garška

Juozas Bagdonas        Juozas Biedraitis

Bronius Balaiša        Kazimieras Girnius

Antanas Balaišis        Mykolas Gylys

Vytautas Balašauskas        Antanas Gobis

Jonas Balčiūnas        Alfonsas Gražys

Juozas Balčiūnas        Antanas Gružauskas

Jurgis Balickaitis        Klemensas Gutauskas

Kostas Balsys        Gaudentas Ikamas

Petras Baltuška        Vincentas Inkratas

Algis Baniulis        Tadas Ivanovskis

Petras Baniulis        Alfonsas Jančys

Kazimieras Baronas        Paulius Jankevičius

Henrikas Bernatovičius        Juozas Janulis

Vladas Braukyla        Vytautas Jasiūnas

Adolfas Breivė        Jonas Jatulis

Petras Budriūnas        Paulius Juozėnas

Jonas Buliauskas        Jonas Jurgaitis

Jonas Butkys        Antanas Juška

 

Alfonsas Kadžius Antanas Kairys Vytautas Kapočius Stasys Kazėnas Lionginas Keršulis Petras Kiela Antanas Kietis Anicetas Kisielius Paulius Klezys Petras Krasauskas Vladas Kremenskas Stanislovas Krumpliauskas Petras Kuzmickas Jonas Labakojis Juozas Lukšas Leonas Lukšas Petras Markevičius Vytautas Marozas Aleksandras Masys Vytautas Masys Juozapas Mickevičius Antanas Mikulėnas Algirdas Miškinis Paulius Miškinis Antanas Mitrikas Kazimieras Mozūras Jonas Nagulevičius Algirdas Narušis Lionginas Neniškis Petras Nykstąs Albinas Paltanavičius Antanas Petrauskas Albinas Pipiras Jonas Pranevičius Augustinas Pranskietis Robertas Pukėnis Izidorius Puriuškis Antanas Rameikis Jonas Rimša Edmindas Rinkevičius

P. S. Zur Zeit der Unterschrift gab es i Abschriften sind an die Bischöfe und schickt worden.

Pranciškus Sabaliauskas Raimondas Saprigonas Aurelijus Simonaitis Bronius Simsonas Leonardas Skardinskas Jonas Skirelis Mykolas Stonys Vincentas Stankevičius Bronius Strazdas Alfonsas Strielčiūnas Aloyzas Sungaila Paulius Svirskis Ignas Šiaučiūnas Bronius Šlapelis Paulius Šliauteris Gediminas Šukys Juozapas Šumskis Albertas Talačka Leonardas Tamošauskas Pranas Tamulionis Stasys Tamulionis Petras Tarulis Petras Tijušas Vytautas Tvarijonas Jonas Uogintas Benediktas Urbonas Sigitas Uždavinys Jonas Vaičiūnas Antanas Valančiūnas Antanas Valantinas Juozapas Varnas Paulius Varžinskas Antanas Vaškevičius Virginijus Vailentas Vytautas Zakrys Stasys Zubavičius Antanas Zulonas Bronius Žilinskas Sarafinas Žvinys

i der Diözese Panevėžys 130 Priester, an die Verwalter der Diözesen ver-

An die Bischöfe und Verwalter der Diözesen Litauens

Erklärung

der Priester der Diözese Vilkaviškis

Da wir uns darum sorgen, daß das 600jährige Jubiläum der Taufe Litauens würdig begangen wird, bitten wir, die unten unterzeichneten Priester der Diözese Vilkaviškis, die Bischöfe und die Verwalter der Diözese Litauens um folgendes:

1.     Den Heiligen Vater Johannes Paul II. einzuladen, 1987 Litauen zu be­suchen.

2.     Den Heiligen Vater zu bitten, aus Anlaß des Jubiläums der Taufe Li­tauens den Diener Gottes Erzbischof Jurgis Matulaitis selig zu sprechen und offiziell auch dem seligen Mykolas Giedraitis diese Benennung zuzuge­stehen.

3.     Die Regierung der Sowjetunion zu bitten:

4.     daß die Priester nicht gehindert werden, die Kinder zu katechisieren, wie es die Kanones der Kirche von ihnen verlangen,

5.     daß die Gläubigen, besonders aber die Kinder und die Jugendlichen wegen öffentlichen Praktizierens der Religion nicht verfolgt werden und nicht gezwungen werden, den atheistischen Organisationen beizutreten,

6.     daß die Kathedrale von Vilnius und die Kirche von Klaipėda den Gläu­bigen zurückgegeben wird, und daß in den neuen Städten und Mikrorayonen der Städte Vilnius und Kaunas wie auch der anderen Städte neue Kirchen gebaut werden dürfen,

7.     daß dem verbannten Apostolischen Administrator der Erzdiözese Vilnius, Bischof Julijonas Steponavičius ein Zurückkehren zu seinem Amt erlaubt wird,

8.     daß die Gläubigen dieselben Freiheiten der Rede und der Presse in An­spruch nehmen dürfen wie die Atheisten,

9.     daß die Obrigkeit der Kirche bei der Ernennung der Priester nicht be­hindert wird,

10.   daß die geeigneten Kandidaten nicht daran gehindert werden, sich für das Priesteramt vorzubereiten und Priester zu werden,

h)        daß die Prozeßakten der wegen der Verteidigung der Rechte der Kirche und der Gläubigen verurteilten Priester Alfonsas Svarinskas, Sigitas Tamkevičius, Jonas Matulionis wie auch der gläubigen Laien überprüft und sie alle in die Freiheit enüassen werden.

4.     Das gläubige Volk besser über das Leben, die Tugenden und die Tätig­keit des Dieners Gottes, des Erzbischofs Jurgis Matulionis, zu informieren. Auch die anderen verehrungswürdigen Persönlichkeiten unseres Volkes in der Öffentlichkeit herauszuheben, wie Priester Andrius Rudamina, Priester Jurgis Pabrėža, Priester Alfonsas Lipniūnas, Erzbischof Mečislovas Reinys, Bischof Vincentas Borisevičius, Professor Stasys Šalkauskis, Professor Pranas Dovydaitis, die Jugenderzieherin Marija Pečkauskaitė und andere.

5.     Dafür Sorge zu tragen, daß sich die Leitung und der Lehrkörper des Prie­sterseminars überall als leuchtendes Beispiel des kirchlichen Geistes zeigen und daß sie diesen Geist auf die Alumnen übertragen. Daß keine Semina­risten zu Priestern geweiht werden, die sich den kirchlichen Geist im Priester­seminar nicht angeeignet haben.

6.     Die so schön begonnene Arbeit der Verbreitung der Abstinenz fortzu­setzen. Dafür zu sorgen, daß in allen Diözesen und Pfarreien wenigstens einmal im Jahr Tage der Abstinenz veranstaltet werden.

Am 1. Juni 1986.

Es unterschrieben folgende

Pranas Adomaitis Vincas Akelis Antanas Aleksandravičius Algirdas Andrišiūnas Jonas Alesius Vincas Bandža Jonas Baranauskas Kęstutis Bekasovas Vladas Bobinas Jonas Bučinskas Vytautas Budas Jonas Buga Boleslovas Čegelskas Vincas Čėsna Vaclovas Degutis Antanas Diškevičius Petras Dumbliauskas Gvidonas Dovydaitis Antanas Gražulis Juozas Gražulis Jonas Grudzinskas

Juozas Gumauskas Vytautas Guogis Vytautas Gustaitis Vytautas Insoda Vincas Jalinskas Boleslovas Jarušauskas Juozas Klimavičius Kazimieras Juškevičius Petras Kražauskas Kazimieras Kudirka Lionginas Kunevičius Juozas Kupstaitis Antanas Liubšys Antanas Liesis Jonas Maksvytis Jonas Malinauskas Juozas Matulaitis Juozas Matulevičius Antanas Mieldažys Juozas Mieldažys Stasys Mikalajūnas

Kazimieras Montvila Petras Orlickas Bronius Paltanavičius Algirdas Pasilauskas Pranas Perlaitis Vincas Petruševičius Ignas Plioraitis Gvidonas Pušinaitis Juozas Radzevičius Vaclovas Radzevičius Antanas Račkauskas Bolaslovas Ražukas Valerijus Rudzinskas Salemonas Samuolis Petras Sitka

Vaclovas Stakėnas Gintautas Steponaitis Jurgis Sventickas Pranciškus Šulskis Antanas Urbanavičius Vitas Urbonas Juozas Užupis Petras Vagneris Romualdas Vaičiulaitis Vytautas Vaitauskas Tadeušas Vallianas Jonas Varkala Antanas Vitkus Juozas Žemaitis Kęstutis Brilius

Nicht angetroffen wurden folgende Priester:

Petras Balanda Andrius Gustaitis Donatas Jasulaitis Juozas Juškaitis Jonas Kavaliauskas Leonardas Kavaliūnas Jonas Palukaitis

Andriejus Rimas Jonas Rusinas Adolfas Sadauskas Gracijus Sakalauskas Gintautas Skučas Juozas Šalčius Raimundas Žukauskas

An den Generalsekretär des ZK der KPdSU, Michail Gorbatschow Abschriften: An die Bischöfe und Verwalter der Diözesen Litauens Erklärung

der Priester der Diözese Vilkaviškis, der Katholischen Kirche Litauens

Die Priester Sigitas Tamkevičius, Alfonsas Svarinskas, Jonas-Kąstytis Ma­tulionis und etliche einfache Laien leiden unter Gefängnis- und Verbannungs­strafen.

Dem gläubigen Volke und uns, den Priestern Litauens, ist es klar, daß sie wegen ihrer Treue zu Gott und der Kirche verurteilt worden sind.

Aus diesem Grunde bitten wir, die Priester der Diözese Vilkaviškis, Sie, die inhaftierten Priester wie auch die anderen Gläubigen freizulassen.

Es unterschrieben folgende Priester:

Pranas Adomaitis Vincas Akelis Antanas Aleksandravičius Algirdas Andrišiūnas Jonas Alesius Vincas Bandža Jonas Baranauskas Kęstutis Bekasovas Juozas Berteška Vladas Bobinas Jonas Bučinskas Gediminas Bulevičius Vytautas Būdas Jonas Būga Boleslovas Čegelskas Vincas Čėsna Vaclovas Degutis Antanas Diškevičius Gvidonas Dovydaitis Petras Dumbliauskas Vincas Dumčius Antanas Gražulis Juozas Gražulis Jonas Grudzinskas Juozas Gumauskas Vytautas Guogis Vytautas Gustaitis Andrius Gustaitis Vytautas Insoda Vincas Jalinskas Boleslovas Jarušauskas Juozas Juškaitis Juozas Klimavičius Kazimieras Juškevičius Petras Kražauskas Kazimieras Kudirka Lionginas Kunevičius Juozas Kupstaitis Antanas Liesis Antanas Liupšys

Jonas Maksvytis Juozas Matulaitis Juozas Matulevičius Antanas Mieldažys Juozas Mieldažys Stasys Mikalajūnas Kazimieras Montvila Petras Orlickas Bronius Paltanavičius Algirdas Pasiliauskas Juozas Pečiukonis Pranas Perlaitis Ignas Plioraitis Gvidonas Pušinaitis Juozas Radzevičius Vaclovas Radzevičius Antanas Račkauskas Boleslovas Ražukas Valerijus Rudzinskas Salemonas Samuolis Petras Sitka Gintautas Skučas Vaclovas Stakėnas Gintautas Steponaitis Jurgis Sventickas Juozas Šalčius Prancinškus Šulskis Antanas Urbanavičus Vitas Urbonas Juozas Užupis Petras Vagneris Romualdas Vaičiulaitis Vytautas Vaitauskas Tadeušas Vallianas Jonas Varkala Antanas Vitkus Juozas Zdebskis Juozas Žemaitis Kęstutis Brilius

Nicht angetroffen wurden folgende Priester:

Donatas Jasulaitis Jonas Kavaliauskas Leonardas Kavaliūnas Jonas Palukaitis Vincas Petruševičius

Jonas Rusinas Alfonsas Sadauskas Gracijus Sakalauskas Kazimieras Skučas Raimundas Žukauskas

Rimas Andriejus 

Kaišiadorys

Am 10. Juni 1986 hat der Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegen­heiten, Petras Anilionis, bei den Dekanen der Diözese Kaišiadorys eine »Gehirnwäsche« vorgenommen. Er beantwortete das Schreiben der Priester an M. Gorbatschow und bemühte sich, sie zu überzeugen, daß die sowjetische Religionsfreiheit besonders weit sei, »sogar die Kinder der Mitglieder der Kirchenkomitees dürfen an den Hochschulen studieren«. P. Anilionis »ver­gaß« aber zu sagen, daß nur solche Jugendliche aufgenommen werden, die durch Eintreten in atheistische Organisationen ihren Glauben ableugnen, und die nichts mit dem Sicherheitsdienst zu tun gehabt haben.

Während der Versammlung beschuldigte der Bevollmächtigte den Priester Jonas Zubrus, daß er in fremden Pfarreien Predigten halte.

Vilnius

Am 11. Juni 1986 hat der Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegen­heiten, P. Anilionis, die Dekane der Erzdiözese Vilnius in die Kurie nach Vilnius engeladen, Auch ihnen hat er, genau wie auch den Dekanen der anderen Diözesen, auf das Schreiben der Priester der Erzdiözese Kaunas und der Diözese Panevėžys, adressiert an M. Gorbatschow, geantwortet.

Der Bevollmächtigte brachte seine Unzufriedenheit zum Ausdruck darüber, daß unter dem Gratulationsschreiben an S. Exz. Bischof Julijonas Stepona­vičius aus Anlaß seines 50jährigen Priesterjubiläums Unterschriften gesam­melt werden. Nach der Auffassung von P. Anilonis kann jeder Priester ein­zeln dem Bischof gratulieren, denn über solche Kollektivgratulationen seien die Litauer im Ausland und konkret das Journal »Akiračiai« (Horizonte) entsetzt.

Kaunas

Die Dekane der Diözesen Kaunas und Vilkaviškis waren am 18. Juni 1986 in die Kurie nach Kaunas eingeladen. Hier beantwortete P. Anilionis das

Schreiben der Priester der Diözesen Kaunas und Panevėžys an M. Gor­batschow.

»Welch eine Hinterhältigkeit! Manche der Priester, die ich besucht habe, sagen, daß es gut sei, daß die Priester Alfonsas Svarinskas und Sigitas Tam-kevičius verhaftet worden seien — so lebe man ruhiger. Wenn aber die Unterschriftensammler kommen, haben sie es eilig mit den Unterschriften. Vergessen sie nicht, daß diese Schreiben nicht in den Papierkorb geworfen, sondern registriert und analysiert werden, und wenn es einmal nötig wird, dann wird an alles gedacht — dann beschuldigt ihr euch selber.« Mit dieser Drohung eröffnete der aufgebrachte P. Anilionis die Versammlung. Ihm hat nicht gefallen, daß in den Erklärungen die internationalen Vereinbarungen und Deklarationen als Begründung genommen wurden. Seiner Ansicht nach sollte man sich gut merken, daß die in den internationalen Vereinbarungen vorgesehenen Rechte und Freiheiten nur soweit garantiert werden, soweit sie der Sicherheit des Staates und der staatlichen Ordnung nicht schaden.

»Ihr habt doch die vollkommene Pressefreiheit: 160 000 Gebetbücher! Wann hat es so viele gegeben? Etwa 200 Stück für jede Pfarrei! Und wieviele Menschen sind denn in der Kirche? In der Pfarrei Šlavantai zum Beispiel, an Ostern 33, in Šventežeris 120 und in Lazdijai 200 — es genügt also voll­kommen«, log P. Anilionis weiter. Der Dekan von Lazdijai, Priester Vincas Jalinskas, protestierte dagegen und sagte, daß es nicht die Wahrheit sei: In Lazdijai waren es an Ostern über 2000 Menschen, und in Šventežeris min­destens 1200 Menschen.

Es hat P. Anilionis sehr mißfallen, daß es Pfarreien gibt, wie beispielsweise im Dekanat Lazdijai die Pfarreien Veisiejai, Kapčiamiestis, die den Regie­rungsbehörden keine statistischen Daten über religiöse Dienstleistungen ge­ben. Andere Pfarreien geben nur verminderte Zahlen an. »Wir werden rech­nen, daß es in diesen Pfarreien keine religiösen Dienstleistungen gegeben hat. Denkt daran, daß das in der Zukunft schlimme Folgen haben könnte, wenn der Staat die Auflage der neuen Gebetbücher festlegen wird«, be­merkte der Bevollmächtigte einschüchternd.

Als die Frage nach dem Katechismus erhoben wurde, behauptete P. Anilionis, daß die Regierung genügend Katechismen herausgeben ließ, und außerdem gebe es auch in den Gebetbüchern einiges aus dem Katechismus. »Und über­haupt, wozu die Lügen! Ein Priester hat mir gesagt: — Wir versorgen uns selber mit Katechismen! —Warum schreit man dann noch, daß sie fehlen?«, erregte sich der Bevollmächtigte. (Die Gläubigen werden mit illegal herge­stellten Katechismen und Gebetbüchern versorgt, unter der Gefahr der Durch­suchungen und Verhaftungen; kürzlich gab es zwei Prozesse wegen der Her­stellung religiöser Bilder. Es gab Durchsuchungen, Verhöre, Drohungen. Ist das die von P. Anilionis gelobte und propagierte »vollkommene« sowjetische Pressefreiheit?! — Anm. d. Red.) per Redner erinnerte während seiner Rede an zwei Seminaristen, die auf seine Anordnung wegen der illegal vervielfältigten religiösen Literatur des Priesterseminars verwiesen wurden. Es sei angeblich dem Bevollmächtigten sowieso bekannt, daß man im Priesterseminar mit der Schreibmaschine ver­vielfältigte Literatur verbreite. »Wenn wir die erwischen, dann wird es kein Pardon geben! Man beklagt sich, daß es an Priestern mangelt«, setzte P. Anilionis fort, »warum läßt man sie dann in andere Republiken? Das Prie­sterseminar zu Kaunas bereitet die Priester nur für Litauen vor, und das zu Riga für die ganze Sowjetunion. Siehe, zum Beispiel der Priester Jonas Zubrus.. . Warum rennt er nach Nowosibirsk, usw. Wenn es dort Gläubige gibt, sollen sie ihre Priesterkandidaten in das Priesterseminar nach Riga schicken und sie werden eigene Priester haben. Für den Priester Zubrus wird es auch in Litauen genügend Pfarreien geben.«

Der Bevollmächtigte gab zu, daß in der Diözese Telšiai ein großer Mangel an Priestern herrscht. Nicht selten versorgt ein Priester drei bis vier Pfar­reien. Nach seiner Überzeugung seien aber die Extremisten-Priester daran schuld, weil sie die Bischöfe extra aufwiegeln, damit diese die neugeweihten Priester ungleichmäßig unter die Diözesen verteilen, damit sie dann die so­wjetische Regierung wegen Mangel an Priestern beschuldigen können. Um diese Frage lösen zu können, hat P. Anilionis geraten, die Extremisten zur Vernunft zu bringen, damit diese die Beschöfe nicht belehren. Dann werde sich die Lage ändern. (Es ist aber unverständlich, warum P. Anilionis sich nicht dazu entschlossen hat, wenigstens auf eine Diözese hinzuweisen, in der es zu viele Priester oder keine Pfarrei ohne Priester gibt? — Anm. d. Red.)

»Ihr beklagt euch in euren Erklärungen, daß in das Priesterseminar psychisch Kranke aufgenommen werden. Daran sind die Priester schuld, die ihnen Empfehlungsschreiben ausstellen. Bringen Sie genügend loyale, gesunde Kan­didaten, und keine Fanatiker oder Antisowjetler, dann werden alle aufge­nommen«, erklärte P. Anilionis. »Zwietracht mit der sowjetischen Regierung wird immer schlimme Folgen haben. Versuchen Sie nicht, mich zu erpressen! In der Kirche von Radviliškis ist es z. B. unbedingt notwendig, die Decke höher zu versetzen. Der Pfarrer, Vizedekan L. Vaičiulionis, versuchte mich zu erpressen und erklärte mir: »Die Leute schicken sich an, nach Moskau zu fahren! Wollen wir uns nicht doch einigen? Geben Sie uns die Erlaubnis!« Sie brauchen nicht nach Moskau zu fahren. Ich kenne die Lage auch sehr gut. Man muß die Decke nach oben verlegen, denn die Leute krieeen keine Luft. Schuld daran bin aber nicht ich und auch nicht die sowjetische Regie­rung, sondern der Pfarrer der Pfarrei, der den Forderungen der Ortsverwal­tung nicht nachkommt und das Statut der religiösen Gemeinschaften nicht achtet. Solange dieser Zustand besteht, solange wird die Pfarrei keine Er­laubnis erhalten.« Der Bevollmächtigte erlaubte dem Priester L. Vaičiulionis nicht, sich zu rechtfertigen; er unterbrach ihn und sprach weiter. Dem Redner mißfiel auch, daß die Gläubigen und die Priester nicht nur in den Kirchen, sondern auch an den vom Volke heiliggehaltenen Stätten beten: Auf dem Berg der Kreuze, auf dem kleinen Friedhof in Žarėnai-Latveliai, besonders aber in Alksnėnai. »Hier erregen die Extremisten — der Priester Antanas Lukošaitis und der Priester Antanas Aleksandravičius, unterstützt von den klösterlich lebenden Frauen die religiösen Leidenschaften; sie beten im Freien und an öffentlichen Plätzen, obwohl nur einige hundert Meter ent­fernt die Kirche steht«, empörte sich P. Anilionis.

»Man darf auch nicht sagen, daß wir uns in die Ernennungen der Priester einmischen. Mit der Ernennung des Priesters Juozas Gražulis zum Pfarrer von Rudamina waren wir nur deswegen nicht einverstanden, weil die Aus­landsagenten — die Anhänger der »Chronik« sich das gewünscht haben; denn sie wollen ein gleichbleibendes Netz der Korrespondenten in der Republik haben. Solche Pläne werden wir nicht unterstützen! Und daß wir denselben Priester nicht als Pfarrer nach Meteliai ließen, dafür müssen sie uns nur dankbar sein. Wir sorgen dafür, daß er der Kirche länger erhalten bleibt. Wenn er in der Nähe seines extremistischen Bruders (Priester Antanas Gra­zulis, der in Alytus tätig ist) wäre, könnte er sich auf die Wege der Extre­misten begeben, die ins Gefängnis führen. Wir sorgen dafür, damit Priester J. Gražulis gute Freunde und eine gute Umgebung bekommt, die ihn vor einem Unglück bewahren«, erzählte P. Anilionis.

Der Dekan von Vilkaviškis, Priester Vytautas Vaitauskas, fragte ihn, was man mit der Katechisierung der Kinder machen solle. In Gražiškiai, wo er früher tätig war, habe es nur einige Kinder gegeben, da sei es möglich gewe­sen, sie auch einzeln in einem separaten Raum zu überprüfen. Wie solle man aber in Vilkaviškis vorgehen, wo sich Hunderte von Kindern auf die Erst­kommunion vorbereiten? Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayon­exekutivkomitees, Juozas Urbonas, habe die Kinder während der Über­prüfung in der Kirche überfallen, ihnen die Katechismen weggenommen und gedroht.... Anilionis unterstrich, daß dem Priester nur erlaubt sei, die Kinder zu überprüfen, keinesfalls aber sie zu lehren oder ihnen etwas zu erklären; was aber »überprüfen« bedeute, müsse jeder Priester genau wissen und es einhalten. Was J. Urbonas angehe, er werde bald in Pension gehen, und deswegen hat Anilionis geraten, nicht viel Aufsehen um ihn zu machen. Vielmehr stellte er die Pfarrei Kybartai als Beispiel hin, wie man mit der Regierung auskommen könne: »Wie schön die Atheisten und die Gläubigen miteinander leben können, wenn kein Krach gemacht wird, beweist das Beispiel von Kybartai. Solange Sigitas Tamkevičius dort war, schien der Strom der Erklärungen der angeblich benachteiligten Pfarrkinder nicht mehr aufzu­hören; als aber ein vernünftiger Priester Alfonsas Sadauskas dort hingekom­men ist, geht alles in Ordnung, nicht einmal die Klosterfrauen können die Gläubigen aufhetzen. In dieser Hinsicht könnte Kybartai ein Beispiel für die anderen Pfarreien sein«, lobte P. Anilionis. (Es stimmt aber nicht; die Gläu­bigen von Kybartai haben viele schmerzliche und ungelöste Probleme. — Bern. d. Red.)

»Die Extremisten von »Amerikos balsas« (Stimme Amerikas) haben unsere Gespräche als »Gehirnwäsche« bezeichnet«, erregte sich der Bevollmächtigte. »Uns sind aber andere Fälle bekannt, nämlich daß die Extremisten bei den Bischöfen eine »Gehirnwäsche vornehmen (es wurden Andeutungen auf die Adressen der Bischöfe von Telšiai und Kaišiadorys gemacht), und nach einer solchen »Gehirnwäsche« kommen wir auf keinen gemeinsamen Nenner mehr. Die Bischöfe sollten eine »Gehirnwäsche« bei den Extremisten vornehmen, aber nicht umgekehrt.

Das Abscheulichste sei im Zusammenhang mit den Erklärungen nach Auf­fassung von P. Anilionis das, daß das Schreiben der Priester der Diözese Panevėžys mit dem Absender des greisen Priesters Jonas Vaičiūnas abge­schickt worden ist. (Als er sich rechtfertigen sollte, gab der genannte Priester zur Antwort: »Ich bin schon alt, und fürchte mich nicht; ich werde sowieso bald sterben.« Das sei — wie der Bevollmächtigte sagt — ein Davonlaufen vor der Verantwortung vor dem Gesetz, ein Mißbrauch der Humanität der sowjetischen Regierung.) Die Priester der Erzdiözese Kaunas hatten unter der Erklärung die Adresse der Kurie angegeben.

Der Bevollmächtigte P. Anilionis weigerte sich, nach der Rede noch beim gemeinsamen Mittagessen zu bleiben.

Joniškis

Am 1. April 1986 waren die Mitglieder der Kirchenkomitees des ganzen Rayons zu einer Begegnung mit dem Stellvertreter des Bevollmächtigten des RfR, Juozėnas, nach Joniškis eingeladen. Zu Beginn der Versammlung lobte Juozėnas die sowjetische Freiheit: Seiner Meinung nach werden ausreichend Gebetbücher herausgegeben, die Priester werden mit Meßbüchern versorgt, alle, die nur Lust dazu haben, dürfen an religiösen Zeremonien teilnehmen usw.

Etwa eine halbe Stunde lang sprach der Stellvertreter Juozėnas über die »Vergehen« des Pfarrers von Žagarė, des Priesters Gustavas Gudanavičius. Die Vergehen dieses Extremisten kann man, nach der Ansicht von Juozėnas, in vier Gruppen unterteilen:

1.     Katechisierung der Kinder. Im Sommer vergangenen Jahres habe er vor der Abendmesse die Kinder in den Glaubenswahrheiten unterrichtet.

2.     Er führe Beerdigungsprozessionen mit Kreuz und Trauerfahnen durch die Stadt.

3.     Er halte politische Predigten.

4.     Er schreibe an die sowjetische Regierung verleumderische Erklärungen.

In den Erklärungen greife er öffentlich die Politik der sowjetischen Regierung hinsichtlich der Kirche an.

»Wahrscheinlich ist der Priester G. Gudanavičius davon überzeugt, daß wir es nicht wagen, ihn als alten Mann wegen der antisowjetischen Propaganda ins Gefängnis zu bringen, aber so kann es nicht weiter gehen. Deswegen muß zunächst einmal das Kirchenkomitee von Žagarė vom Pfarrer verlangen, seine verbrecherische Tätigkeit einzustellen«, sagte der Stellvertreter Juo-zėnas.

Als Priester G. Gudanavičius voriges Jahr den Kindern die Glaubenswahr­heiten erklärte, sind die Ortsvorsitzende Jasienė und als ihre Begleiterinnen die Milizbeamtin in Uniform Juralienė und eine Vertreterin der Schule in die Kirche eingedrungen. Ohne Rücksicht darauf, daß auch erwachsene Menschen mit den Kindern in der Kirche anwesend waren, notierten die Mitglieder der Kommission die Namen der lernenden Kinder auf, und stellten dem Priester G. Gudanavičius ein Protokoll zusammen. Der Rayonstaats­anwalt warnte Priester G. Gudanavičius, daß ihm wegen der religiösen Un­terrichtung der Kinder 3 Jahre Gefängnis drohen. Kurz darauf beklagte sich dieselbe Milizbedienstete Juralienė in der Rayonzeitung, daß viele Väter und Mütter des Rayons weinen, weil sie mit ihren Kindern keine gemeinsame Sprache mehr finden und daß die Kinder Halunken werden. Priester G. Gudanavičius hat in seiner Predigt den Leuten erklärt, daß die Verbreitung des Bösen mit der Unwissenheit der Heranwachsenden auf dem Gebiet der Religion zusammenhänge. Er sprach, daß die Kinder gehindert würden, den Glauben kennenzulernen, und das führe sie von selbst schon auf den sitten­losen Weg. Nach dieser Predigt wurde Priester G. Gudanavičius beschuldigt, er habe eine politische Predigt gehalten. Der Parteiführer Jasas schrieb in der Rayonzeitung, daß 28 Propagandisten in der Umgebung von Žagarė die atheistische Weltanschauung verbreiten und daß die individuelle Arbeit unter den Gläubigen besonders erfolgreich geführt werde. Die atheistischen Akti­visten besuchen die gläubigen Familien und überzeugen die Eltern, ihre Kinder nicht in die Kirche zu lassen. Der Pfarrer gab auch zu diesem Artikel von der Kanzel herab einen Kommentar und sagte, daß in der Pfarrei gegen 28 Propagandisten nur ein einziger Priester stehe und auch dem sei verboten, die Familien der Gläubigen zu besuchen . . . Die Predigt wurde als politischer Exzeß hingestellt.

Juozėnas verlangte, daß die Mitglieder der Kirchenkomitees mit mehr Ernst die Tätigkeit der Priester kontrollieren sollten. Nach den Bestimmungen der Behörde des Bevollmächtigten des RfR müssen die Kirchenkomitees:

1.     bei den Rayonexekutivkomitees die Erlaubnis einholen, wenn der eine oder andere Priester zu den Ablaßfeierlichkeiten kommen soll. Das Komitee hat die Pflicht, jene Priester, die keine solche Erlaubnis haben, nicht zum Altar treten zu lassen;

2.     aufzupassen, daß die Priester die Kinder nicht in Katechismus unter­richten;

3.     in den Pfarreien keine Allerseelenprozessionen zum Friedhof zuzulassen; Beerdigungen dürfen sich nicht in religiöse Demonstrationen verwandeln. Dem Priester ist es verboten, an den Beisetzungen teilzunehmen. Man darf kein Kreuz und keine Fahnen tragen.

Wenn der Redner auch die erhöhte Aktivität der Priester im Rayon Joniškis beklagte, so sieht die Wirklichkeit im Rayon wie auch in den anderen Rayons in Nordlitauen traurig aus. Hier einige Tatsachen: Voriges Jahr wurde für die Pfarrei Joniškis ein neuer Vikar ernannt, Priester Alvydas Grabnickas, der gerade das Priesterseminar abgeschlossen hatte. Als die Gottlosen merk­ten, daß sich der Vikar mit den Kindern und mit der Jugend beschäftigte, begannen sie ihn demonstrativ zu verfolgen, sogar dann, wenn er Kranken­besuche machte. Die Gottlosen erdreisteten sich, dem Pfarrer von Joniškis Anweisungen zu geben, welche Priester er zu Ablaßfeierlichkeiten einladen und welche er nicht einladen solle. Das Kirchenkomitee der Pfarrei Kriukiai erfüllt die Anweisungen der Zivilregierung, ohne den Pfarrer davon in Kenntnis zu setzen. In der Kirche von Pašvitinys sind fast keine Kinder und keine Jugendliche zu finden. Der Dekan, Priester Boleslovas Stasuitis, von den Gottlosen eingeschüchtert, hat eine Frau gebeten, sie möchte ihre Kinder nicht in der Kirche bei der hl. Messe ministrieren lassen. Sehr wenige Kinder werden in den Pfarreien des Rayons zur Erstkommunion vorbereitet. Etwas besser ist die Lage in der Pfarrei Žagarė. Hier werden jedes Jahr etwa 20 Kinder zur Erstkommunion geführt. Vor etwa 10 Jahren waren es immerhin noch über 100 Kinder jährlich. Auch die Leute werden verschiedenartig terrorisiert, die S. Exz., dem Bischof Julijonas Steponavičius, irgendeinen Dienst erweisen, ihn z. B. zu den Ablaßfeierlichkeiten, zur Beerdigung eines Priesters oder anderswo hinfahren. Bei ihrer Bestrafung sagen die Beamten ganz offen: »Fahren Sie den Bischof und die Priester nicht!« Während der atheistischen Veranstaltungen an der Schule von Žagarė werden die Schüler gegen den Bischof aufgebracht. Es wird ihnen erklärt, daß Vilnius solange keinen Bischof haben wird, solange Bischof J. Steponavičius lebt, und das ist das einzige Hindernis.

Prienai

Am 3. April 1986 wurden die Mitglieder des Kirchenkomitees von Prienai in das Rayonexekutivkomitee eingeladen. Etwa 25 Personen waren versam­melt, die Ungläubigen machten den wesentlich größeren Teil aus. Der Stell­vertreter des Bevollmächtigten des RfR, Juozėnas, leitete die Versammlung. Zu Beginn sprach der Redner von der Parteiversammlung und betonte, daß sich die Lebensbedingungen in den Jahren der sowjetischen Regierung we­sentlich verbessert hätten: »Der Verdienst ist gut, und man kann auch leicht Autos kaufen; während der Ablaßfeierlichkeiten in Žemaičių Kalvarija kann man bis 5000 Personenautos zählen«, sagte der Stellvertreter Juozėnas. Juozėnas tadelte die Gläubigen wegen der Erklärungen, die an die sowje­tische Regierung in Moskau gerichtet werden mit den Forderungen, die ge­schlossenen Kirchen wieder zurückzugeben und die unschuldig verurteilten Priester freizulassen. Während der Versammlung wurde erklärt, daß es den Priestern verboten sei, die Weihnachtsbesuche zu machen; es sei nicht erlaubt, die Gläubigen zu besuchen und ihre Wohnungen zu segnen. Das Komitee­mitglied Vobolis protestierte dagegen: »Soll ich Ihrer Ansicht nach vielleicht mein Haus in die Kirche bringen, damit es gesegnet werden kann?! Wir laden doch nicht den Parteisekretär zu uns ein, sondern den Priester. Für den Unterhalt der Kirche und der Priester sorgen wir selber, die Gläubigen. Sie geben doch keine Kopeke dafür aus, deswegen bitten wir Sie, sich nicht in unsere Angelegenheiten einzumischen.« Als er gefragt wurde, warum junge Männer gehindert werden, in das Priesterseminar einzutreten und warum die Kandidaten verschiedenartig terrorisiert werden, versuchte Juozėnas sich herauszuwinden und erklärte, daß in das Priesterseminar wesentlich mehr Kandidaten aufgenommen werden, als man im allgemeinen aufnehmen dürfte. Daß aber viele Kirchen keinen Priester haben, dagegen könne man nach Meinung des Redners nichts tun; auch in der Landwirtschaft fehle es an Spezialisten. Einer der Komiteemitglieder erkundigte sich, wo man eine Genehmigung bekommen könnte, um ein Kreuz aufstellen zu dürfen. Die Frage wurde nicht beantwortet. Im vergangenen Jahr hat Juozėnas bei der Beantwortung einer ähnlichen Frage erklärt, daß die Rayonverwaltung im Einvernehmen mit dem Ortsarchitekten eine solche Genehmigung ausstelle. Die im Saal anwesenden Parteiführer und der Architekt selbst schwiegen dazu, denn sie wußten ganz genau, daß sie nicht berechtigt sind, solche Er­laubnisse zu erteilen.

Der Vorsitzende des Rayonexekutivkomitees Maruškevičius stellte in seiner Rede fest, daß es Gesetze gebe, die von den Gläubigen in der Zukunft mit ganzer Strenge eingehalten werden müssen.

Šakiai

Der Pfarrer der Pfarrei Šakiai, Priester Juozas Žemaitis, wurde am 19. Juni 1986 in das Rayonexekutivkomitee vorgeladen. Dort wurde er von der Stell­vertreterin des Rayonexekutivkomitees von Šakiai, Kasparevičienė, dem Vor­sitzenden des Exekutivkomitees der Stadt, Angonis, und von Staatsanwalt Diržius erwartet. Die Stellvertreterin Kasparevičienė beschimpfte den Pfarrer, weil dieser trotz einer Ermahnung, die er im vorigen Jahr erhalten habe, auch dieses Jahr wieder organisiert und systematisch die Kinder in den Glaubenswahrheiten unterrichtete und damit den § 143 des StGB verletze. Der Priester J. Žemaitis stellte fest, daß es keinen organisierten Kinderunter­richt gebe. Während des Abendgottesdienstes werde für alle Gläubigen, unter denen auch nicht wenige Kinder sind, katechetische Predigten gehalten, und alle könnten sie hören, die sie hören wollen. Der Staatsanwalt Diržius riet an, die Kinder nach Hause zu schicken und nur zu den Erwachsenen zu spre­chen. Der Pfarrer erklärte darauf, daß es in Litauen mit Sicherheit bislang noch keinen Priester gibt, der die Kinder aus der Kirche verjagen könnte. »Es wurden genügend Katechismen herausgegeben, die Eltern sollen ihren Kindern selber die Glaubenswahrheiten beibringen«, sagte die Stellvertreterin Kasparevičienė. Priester J. Žemaitis korrigierte die Worte der Stellvertreterin und erinnerte daran, daß die Katechismen, die in einer geringen Auflage vor sechs Jahren herausgegeben wurden, innerhalb von ein paar Wochen vergrif­fen waren und daß man in der letzten Zeit einen Katechismus weder kaufen noch ausleihen könne. Auf die Forderung der Stellvertreterin Kasparevičienė und des Staatsanwaltes Diržius, die sowjetischen Gesetze nicht zu brechen, gab Priester J. Žemaitis zur Antwort, niemand habe sich mit antisowjetischer Tätigkeit beschäftigt und Gesetze verletzt. Die Glaubenswahrheiten aber zu erklären und den Eltern zu helfen, ihre Kinder auf den Empfang der Sakra­mente vorzubereiten, sei seine Hauptpflicht als Priester.

Šilalė

Am 10. Juli 1986 drang eine Gruppe der Verantwortlichen des Rayonexeku­tivkomitees in die Kirche von Šilalė ein: Die Stellvertreterin des Vorsitzenden M. Karinauskienė, der Direktor des TGMK Lesčiauskas, die Leiterin der Abteilung für allgemeine Angelegenheiten Sakalauskienė, der Leiter der Kulturabteilung Vytautas Jankauskas. Zu der Zeit wurde in der Kirche gerade die hl. Messe gefeiert. Sieben Frauen und etwa fünfzig Kinder nahmen an der hl. Messe teil. Die Kinder beantworteten laut die Texte der hl. Messe. Solange der Gottesdienst dauerte, behinderten die Beamten niemand, hernach aber gingen alle in die Sakristei und erklärten dem Pfarrer, Priester Antanas Ivanauskas, daß sie ihn bei der Glaubensunterweisung der Kinder ertappt hätten. Der Pfarrer stellte klar, er hätte eine hl. Messe gefeiert, und die Kin­der hätten daran eben teilgenommen. Die Beamten stellten ein Protokoll zusammen, wonach die Kinder unterrichtet worden seien und zwangen den Pfarrer, das Protokoll zu unterschreiben. Priester A. Ivanauskas stellte auf der Rückseite des Protokolls fest, daß das Protokoll falsch sei. Priester A. Ivanauskas wurde mit einer Strafe von 50 Rubel belegt.

Gargždai (Rayon Klaipėda)

Der Vikar der Pfarrei Gargždai, Priester Antanas Šeškevičius, wurde am 30 Dezember 1985 in das Alten- und Invalidenheim nach Laugaliai gerufe um dort einen Schwerkranken mit den heiligen Sakramenten zu versehe Diese Gelegenheit wollten auch die anderen Kranken des Heimes ausnütze Kaum daß der Priester den Sterbenden mit den Sterbesakramenten versehe hatte, war schon auf dem Korridor ein Radau zu hören. Die Stellvertreteri des Heimdirektors, Jadvyga Dotienė, jagte alle weg, die dem Priester b: gegnen wollten . . . Eine alte Frau beklagte sich ganz verstört und weinen bei dem weggehenden Priester: »Jetzt werden sie uns in ein Irrenhaus brin gen...« Die alten Leute wurden mit dem Exempel der Janina Raukai geängstigt: Als Janina Raukaitė sich wegen der religiösen Einschränkunge und anderer Mängel beschwert hatte, wurde sie in das Heim für psychis kranke Invaliden in Macikai im Rayon Šilalė verlegt. J. Riaukaitė hat einig Male gebeten, sie in das Heim von Laugaliai zurückzuversetzen; auf ihr Bitten reagierte aber aus der Verwaltung niemand.

Der Heimdirektor läßt es nur dann zu, daß ein Priester kommt, wenn jemand ganz offensichtlich im Sterben liegt. Die Bitten anderer Kranker, die das Bett nicht mehr verlassen können, einen Priester zu rufen, erfüllte er nicht.

*

An das Oberste Gericht der LSSR 

Erklärung

des Priesters Antanas Šeškevičius, Sohn des Kazys, wohnhaft Rayon Klaipėda, Gargždų m. Tilto 1-2.

Am 26. März dieses Jahres hat mich die Administrativkommission beim Exekutivkomitee des Deputiertenrates der Stadt Gargždai im Rayon Klaipėda zu einer Strafe von 50 Rubel verurteilt, weil ich am 14. März einen Verstor­benen die Žemaitis gatvė entlang mit kirchlichen Gewändern begleitet habe und damit den Artikel 50 des Statutes der religiösen Gemeinschaften ver­letzte. Da ich damit nicht einverstanden war, wandte ich mich an das Rayon­volksgericht von Klaipėda. Ohne meine Beweise und die Beweise der Zeugen wie auch die Aussagen der Teilnehmer der Beerdigung und der Gläubigen zu beachten, bestätigte auch dieses am 17. April diese Strafe. Meiner festen Uberzeugung nach hat mich die Administrativkommission wie auch das Volks­gericht ungerecht behandelt, deswegen wende ich mich an Sie und bitte Sie, den begangenen Fehler zu berichtigen und den Beschluß zu widerrufen und zwar aus folgenden Gründen:

1.        Artikel 50 verbietet religiöse Prozessionen, Handlungen und Zeremonien im Freien. Eine Beerdigung ist aber weder eine Prozession, noch eine Zeremonie oder eine religiöse Handlung, sondern ein Trauergefolge zum Friedhof. Wenn ein Soldat oder ein Schüler, ein parteiangehöriger Atheist beerdigt wird, wird auch ein entsprechendes Trauergefolge mit äußerlichen Ehrenbezeichnungen veranstaltet. Wenn ein Gläubiger beigesetzt wird, geht der Priester nach einer hundertjährigen Tradition mit Chorrock und Birett vor dem Sarg. Niemand nennt eine Beerdigung eines Soldaten, eines Parteiangehörigen oder eines Gläubigen eine Prozession, sondern schlicht Trauergefolge. Eine religiöse Prozession gibt es dann, wenn man beispielsweise am Fronleichnamsfest mit dem Allerheiligsten durch die Stadt oder durch die Felder geht oder wenn die Gläubigen an den Tagen der Kreuze die Kreuze besuchen gehen. Jetzt sind aber solche Prozessionen in unserem Lande nicht mehr möglich.

Die Familienangehörigen und die Verwandten wollten also am 14. März den verstorbenen K. Kerpė wie einen Christen, und nicht wie einen Atheisten beerdigen. Deswegen haben sie mich gebeten, daß ich ihn in einem Trauer­gefolge bis zu dem etwa 300 Meter entfernten alten Friedhof begleite. Es ist meine Pflicht, die Wünsche der Gläubigen gemäß den Statuten zu erfüllen. Die Teilnehmer des Trauergefolges und auch der Priester haben den Artikel 50 des Statutes der religiösen Gemeinschaften nicht verletzt. Also wurde der Priester zu Unrecht bestraft.

 

2.        Die Vorsitzende der Stadt Gargždai, J. Miliauskienė hat 1985 dem Kirchenkomitee ein Schreiben zugeschickt, wonach »Umzüge, Aufmärsche und Prozessionen, darunter auch Trauerkondukte« aus Verkehrssicherheitsgründen verboten sind. Diese Anordnung ist aber nirgends veröffentlicht worden, weder in der Zeitung noch anderswo. Sowohl Parademärsche als auch Beisetzungsumzüge ohne Kirche finden genauso statt wie auch früher. Das heißt, das Verbot ist nur für uns. Die Gläubigen kennen es aber nicht. Deswegen begleiten sie die Verstorbenen aus den Dörfern und aus der Stadt bis in die Kirche und dann geleiten sie eben nach alter Tradition von Gargždai ihn bis zum alten Friedhof, und fahren hernach bis zu dem 2 km entfernten neuen Friedhof in Laugaliai. — Nachdem mir die Strafe auferlegt worden war, hat die Administrativkommission außerdem mir und 20 Gläubigen gegenüber erklärt, daß Trauergefolge erlaubt seien, aber der Priester müsse sich dabei in ein Auto setzen. In Wirklichkeit ist der Verkehr auf der abseits liegenden Žemaitės gatvė sehr schwach, und deswegen kann es keine Verkehrsbehinderung geben. Beim Aussprechen meiner Strafe hat die Administrativkommission weder mit Worten noch schriftlich eine Verkehrsbehinderung erwähnt. Ein Priester, der angetan mit einem Chorrock und mit dem Birett auf dem Kopf vor dem Sarg geht, und nicht in einem Auto sitzt, ist der größte Verbrecher. Hat er vielleicht den Verkehr mehr behindert als ein breites Auto mit einem Sarg? Ist es wirklich logisch, ihn zu bestrafen?

3.     1977 rief mich der Bevollmächtigte für religiöse Angelegenheiten, K. Tumėnas, nach Vilnius und gab Antwort auf meine Erklärung vom 19. 7. 1977: Die Priester dürfen vor dem Sarg gehen, und man darf auch ein Kreuz dabei tragen. Er kam auch nach Gargždai und informierte den Genossen Leita darüber. Deswegen haben wir unsere Gläubigen ohne jegliche Behin­derung beigesetzt, bis im vergangenen Jahr unbedachte Exzesse der Ortsver­waltung begannen, die es verbieten, so zu beerdigen. Ist denn Artikel 50 für einen Bevollmächtigten schwerer zu verstehen als für gewöhnliche Atheisten? Kann er ihn ins Gegenteil umwandeln, so daß eine Bestrafung fällig ist? Wenn es so ist, daß jeder die Gesetze auslegt, wie es ihm paßt, dann kann es sein, daß alles chaotisch wird.

4.     Die Beerdigung eines Gläubigen mit Priester, Kreuz und Fahnen sichert auch das 1966 herausgegebene und sicher mit der Regierung abgestimmte »Romos katalikų apeigynas Lietuvos vyskupijoms« (Römisch-Katholisches Zeremonienbuch für die Diözesen Litauens) auf Seiten 256 bis 265 zu. Dieses Zeremonienbuch hat auch der Bevollmächtigte K. Tumėnas als Grundlage genommen. Dieses Zeremonienbuch ist nicht widerrufen worden.

5.     Auch in den Rayonstädten wird in dieser Weise beerdigt, wo der Straßen­verkehr nicht geringer ist, ebenso in den rayonfreien Städten und in Städten von der Größe Gargždai, wie auch in Kirchdörfern. Gehört denn Gargždai zu einer anderen Republik, in der andere Gesetze herrschen?

6.     Dem Volksgericht des Rayons Klaipėda wurde eine Bestätigung der 528 Gläubigen und der Beerdigungsteilnehmer überreicht, worin sie mit ihren Unterschriften ihren Willen erklären, ihre Toten immer christlich (mit einem Priester, mit Kreuz und Fahnen) beerdigen zu lassen und auch selber so beerdigt zu werden wünschen.

Die drei Teilnehmerinnen der Beisetzung von K. Kerpė (Kerpienė Stefanija, Tochter des Jonas, wohnhaft in Doviliai, Urbonienė Stasė, Tochter des An­tanas, wohnhaft im Kolchos »J. Janonis«, Telšinskienė Zuzana, wohnhaft in Saulažoliai) haben vor Gericht deutlich ausgesagt, daß die Angehörigen die Verwandten, die Nachbarn und Mitarbeiter des Verblichenen wollten, daß ich den Verblichenen christlich beerdigen solle und daß sie mich darum gebeten haben. Ich habe ihren Willen erfüllt, denn als Priester konnte ich nicht anders.

Deswegen bitte ich das Oberste Gericht, die ungerechte Strafe zu annullieren und so auf die Stadtverwaltung von Gargždai einzuwirken, damit sie in Zu­kunft die Beerdigungen nicht behindert.

Anlage:

1.     Eine Kopie der Erklärung an das Volksgericht des Rayons Klaipėda.

2.             Eine Kopie der Zeugenaussagen der Gläubigen und der Teilnehmer der Beerdigung der Pfarrei Gargždai.

Gargždai, am 21. 4. 1986.

P.S. Am 31. Juli 1985 hat die Administrativkommission beim Exekutiv­komitee des Deputierten-Rates der Stadt Gargždai den Priester Antanas Šeškevičius der Organisation einer Beerdigungsprozession von der Kirche zum Friedhof beschuldigt und ihn mit einer Strafe von 40 Rubel belegt. Als Priester A. Šeškevičius sich weigerte, die Strafe zu bezahlen, kam am 29. Juli die Gerichtsvollzieherin Galina Kavoliūnienė zu ihm ins Haus und kon­fiszierte im Beisein des Zeugen Vladas Stakauskas sein Transistorgerät Vef-202.

Kazokiškės (Rayon Trakai)

Der Priester Jonas Zubrus war während der Pfingstfeiertage 1986 nach Kazokiškes eingeladen, um dort in der Kirche die Predigt zu halten. Nach den Feiertagen bestrafte die Rayonadministrativkommission den Ortspfarrer Priester Jonas Kazlauskas mit einer Geldbuße von 50 Rubeln, weil er ohne Einvernehmen mit der Rayonverwaltung dem Priester J. Zubrus erlaubt hatte, eine Predigt zu halten.

Der Bevollmächtigte des RfR, Petras Anilionis, verwarnte Priester J. Zubrus wegen der in der Kirche von Kazokiškės gehaltenen Predigt schriftlich. Der Prediger habe angeblich die Gläubigen desinformiert, weil er behauptet habe, daß sich die Hoffnungen der Aufklärer und der Positivisten des 18. Jahr­hunderts, daß Büdung und Wissenschaft alle Probleme lösen würden, nicht erfüllt hätten.

Tauragnai (Rayon Utena)

Der Pfarrer der Pfarrei Tauragnai, Priester Bronius Šlapelis, wurde im Juni 1986 mit einer Strafe von 25 Rubeln deswegen belegt, weil er ohne Erlaubnis der Rayonverwaltung die Priester der benachbarten Pfarreien zur Ablaßfeier seiner Pfarrei eingeladen hatte.

Vievis (Rayon Trakiai)

Im Juli 1986 hat die Rayonadministrativkommission von Trakiai den Pfarrer der Pfarrei Vievis, Priester Antanas Černa, mit einer Strafe von 10 Rubeln deswegen belegt, weil am Fest St. Peter und Paul ohne Erlaubnis der Rayon­verwaltung Gastpriester in der Kirche von Vievis den Gottesdienst und die Predigt gehalten haben. Nach einer Schelte durch die Regierungsgottlosen war Priester A. Černa nervlich derartig fertig, daß er sich im Krankenhaus behandeln lassen mußte.

Vepriai (Rayon Ukmergė)

Die Kalvarienablaßfeierlichkeiten von Vepriai sind in Oberlitauen (Aukštai­tija) weit bekannt. Obwohl die Kapellchen der Kreuzwegstationen schon lange von der sowjetischen Regierung vernichtet worden sind, versammeln sich trotzdem die Gläubigen aus verschiedensten Gegenden Litauens an Pfingsten sehr zahlreich in Vepriai und gehen nach der hl. Messe die Kreuz­wegstationen dort, wo die ehemaligen Kapellchen standen.

Auf Verlangen der sowjetischen Regierung muß der Ortspfarrer, Priester Juozas Vaičeliūnas, dem Stellvertreter des Exekutivkomiteevorsitzenden von Ukmergė, Antanas Perednis mitteilen, welche Priester an den Festtagen die Gottesdienste und die Predigten halten werden.

Dieses Jahr wurde der Pfarrer der benachbarten Pfarrei Pabaiskas, Priester Petras Tavoraitis eingeladen, die Predigten zu halten. Der Stellvertreter A. Perednis wollte keine Erlaubnis dazu geben, weil der Priester P. Tavoraitis sich weigert, sich an den Wahlen zu beteiligen, und weil er am Allerseelentag mit den Gläubigen zum Friedhof geht, um dort zu beten.

Vilnius

Etwa um dieselbe Zeit, als man von der Ernennung des Verwalters der Erzdiözese Vilnius, des Priesters A. Gutauskas zum Prälaten erfuhr, ver­breitete sich in Litauen auch die Nachricht von dem Interview, das er der kommunistischen Zeitung Österreichs »Volksstimme« am 12. 9. 1985 ge­geben hatte. In wieweit dieses Gespräch der Wahrheit entspricht, in wieweit es also die authentischen Worte des Priesters A. Gutauskas wiedergibt, oder in wieweit es aus der Feder des Korrespondenten stammt, wird der Leser kaum feststellen können ...

Die Aussage des Verwalters A. Gutauskas, er kenne in der Diözese Vilnius keine Menschen, die wegen ihres Glaubens und wegen ihrer Treue zur Kirche verfolgt oder irgendwie anders unter Druck gesetzt würden, hat die Gläubigen schockiert. Ein lebendiges Beispiel solcher Verfolgung ist doch der Bischof Julijonas Steponavičius und seine schon 25jährige Verbannung. Hat denn der Priester A. Gutauskas tatsächlich schon vergessen, daß auch er selbst seinerzeit von der Presse angegriffen wurde, daß auch ihm die Arbeitserlaub­nis entzogen wurde und er das priesterliche Amt nicht voll ausüben durfte?! Der Verwalter hat sich während des Gesprächs geäußert, daß die Politik eine Angelegenheit der Partei sei, die Priester sollten aber beten. Zu der Zeit, als Priester A. Gutauskas die Arbeitserlaubnis entzogen wurde, hat er sich auch nicht mit Politik beschäftigt. Warum wurde er denn dann bestraft?! Zur Zeit fährt der Verwalter Priester A. Gutauskas im Ausland herum, seine Äußerungen sind in der atheistischen Presse zu finden (die kirchlichen Ka-nones verbieten die Mitarbeit in der atheistischen Presse), das ist aber nicht der Dienst des Gebets! Hält sich der Verwalter an diese Devise, die er dem Korrespondenten gegenüber vertreten hat, nämlich daß Politik nicht Sache des Priesters sei?

Wo beinahe alle, die in das Priesterseminar eintreten wollen oder dort studie­ren, auf die eine oder andere Weise vom Sicherheitsdienst terrorisiert werden und wo eine öffentliche Erklärung des Priesters Rokas Puzonas vorliegt, in der diese Einmischungsprozedur genau beschrieben wird, erschüttert die Behauptung des Verwalters A. Gutauskas, daß er keine Fakten der Ein­mischung der Zivilregierung in die Aufnahme der Kandidaten für das Prie-stertum kenne. In Litauen ist allen wohl bekannt, was unbefugte Kräfte von den Kandidaten fordern und wer letztendlich über ihre Zahl und Aufnahme entscheidet. Ist es der Rektor des Priesterseminars oder der Bevollmächtigte des RfR?

Als er über die verurteilten Priester Alfonsas Svarinskas und Sigitas Tam-kevičius gefragt wurde, rechtfertigte sich der Verwalter, er könne nicht viel darüber sagen, weil der Gerichtsprozeß in Kaunas stattgefunden habe. In Wirklichkeit fand dieser Prozeß in Vilnius statt und war eine Sensation. Mit Begründung kommt bei den Gläubigen die Frage auf. wie konnte Priester A. Gutauskas von einem Prozeß nichts wissen, der beinahe eine Woche ge­dauert hat und wo sich die Gläubigen jeden Morgen im Tor der Morgenröte versammelt haben und erst danach zum Gerichtspalast fuhren?

Der Verwalter war stolz darauf, daß die höheren Geistlichen nicht einmal so schlecht leben: Sie fahren ins Ausland, sie besuchen Rom, Lourdes, Nairobi... Das ist aber nur die eine Seite der Medaille, und wie sieht die andere aus?!

Am Schluß des Gesprächs soll Priester A. Gutauskas ein in der Staats­druckerei auf gutem Papier gedrucktes Gebetbuch (oder Meßbuch) mit Leder­einband gezeigt haben. Man sollte aber wissen, daß das gute Papier kein sowjetisches, sondern ein Geschenk des Vatikan ist, und auch der Leder­einband nicht aus der Staatsdruckerei stammt, sondern privat angefertigt ist.

Wenn der ehrwürdige Verwalter wirklich das derzeitige Leben der Kirche in Litauen so sieht, wie es in seinem Interview dargestellt wird, wie kann er dann erfolgreich die Angelegenheiten der Kirche vertreten, wo er doch die sichtbare Wirklichkeit ignoriert?

Die Erlaubnis der Gottlosen, die eine oder andere Kirche zu restaurieren, ist nur ein zweitrangige Sache, die die Verkündigung des Evangeliums im atheistischen Litauen unserer Tage nur wenig erleichtert. Was wird aus den restaurierten Kirchen, wenn es keine Gläubigen mehr gibt?

Kaunas

Im Frühjahr 1986 hat der Bevollmächtigte des RfR Petras Anilionis ver­langt, dem Diakon des Interdiözesanpriesterseminars zu Kaunas, Edmundas Atkočiūnas die Priesterweihe zu verweigern. Die Ursache dafür: der Diakon hat im Studienjahr die Vorlesungen über die sowjetische Verfassung nicht besucht. Nur der Reaktion der Priester und den Bemühungen des Bischofs von Telšiai Antanas Vaičius ist es zu verdanken, daß der Bevollmächtigte seine Forderung widerrufen hat.

Kretinga

Am 19. Februar 1986 ist in Kretinga Petras Paulaitis gestorben, der 35 Jahre in sowjetischen Lagern gelitten hat. Während der Beerdigung haben seine Freunde ein dreifarbenes Band in den Nationalfarben auf seinen Sarg gelegt. Die Beisetzungszeremonien vollzog der Priester L. Šarkauskas. Obwohl der Pfarrer der Pfarrei Kretinga, Priester B. Burneikis nicht an der Beisetzung teilgenommen hat, wurde er nach Vilnius zum Bevollmächtigten P. Anilionis zu einer Rechtfertigung wegen der Beerdigung des verstorbenen P. Paulaitis vorgeladen. Der Bischof von Telšiai, Antanas Vaičius, wurde gezwungen, schriftlich zu versichern, daß sich solche »Vergehen« nicht mehr wiederholen werden.

Kaišiadorys

Nachdem das Journal »Tarybinė moteris« (Die sowjetische Frau) den Artikel »Šventoji šeima« (Die heilige Familie) von V. Balkevičius gebracht hatte, in dem die Ehre Jesu und seiner Mutter Maria schamlos beleidigt wurde, hat der Bischof der Diözese Kaišiadorys, S. Exz. Vincentas Sladkevičius, der Redaktion des obengenannten Journals schriftlich erklärt, daß er auf das Abonnement dieses Journals verzichte.

Telšiai

Am 12. Juni 1986 wurde in der Kathedrale von Telšiai des 60. Jahrestages der Gründung der Kirchenprovinz Litauen gedacht. An der Feier nahmen die Bischöfe L. Povilonis, V. Sladkevičius, R. Krikščiūnas, der Verwalter Prälat K. Dulksnys, zahlreiche Priester und eine große Menge Gläubige, besonders aber Jugendliche teil.

Während des Gottesdienstes wurde für die verstorbenen Bischöfe der Diözese Telšiai, die Mitarbeiter der Bischofskurie und die Professoren des Priester­seminars gebetet. Nach dem Gottesdienst gratulierte die Jugend der Kathe­drale von Telšiai ihrem Bischof Antanas Vaičius zu seinem 60. Geburtstag und zum Namenstag.

Die Feierlichkeiten endeten mit einem gewaltigen und gleichzeitig ergreifen­den Klang des Liedes von Maironis »Lietuva brangi, mano tėvyne ...« (Li­tauen, mein teures Heimatland).

Vilnius

Am 17. Mai 1986 wurde in der St. Michaelkirche zu Vilnius des 100. Ge­burtstags des Professors Stasys Šalkauskis gedacht. Priester Vaclovas Aliulis sprach in zwei Predigten über das Leben, die Person und die Werke von Professor S. Šalkauskis. Auch die Frau von Professor S. Šalkauskis nahm an der Gedenkfeier teil, der die Jugend und die Gläubigen aus anderen Städten nach dem Gottesdienst Blumen überreichten.

Eine ähnliche Gedenkfeier wurde auch in der Kirche der St. Antonpfarrei in Kaunas veranstaltet.

Žemaičių Kalvarija

Zu den großen Ablaßfeierlichkeiten vom 2. bis 9. Juli in Žemaičių Kalvarija kamen große Scharen von Gläubigen, besonders aber von Jugendlichen aus ganz Litauen. Neu gestärkt für ein gutes Leben kehrten die Wallfahrer nach Hause zurück, nachdem sie die Kraft ihres Glaubens intensiv erfahren und sich selber alle als Kinder des Marienlandes erlebt hatten.

Am Sonntag und Mittwoch dieser Ablaßfeiertage, die traditionsgemäß zum Tag der Priester geworden sind, führte der Bischof von Telšiai, Antanas Vaičius, die Gläubigen auf den Kreuzwegstationen über die Kalvarienberge. Bei den einzelnen Stationen wurden bei den Kapellen Predigten gehalten. Während der Ablaßfeierlichkeiten in Žemaičių Kalvarija wurden 23 000 hl. Kommunionen ausgeteilt. Obwohl der Sicherheitsdienst die Leute verschie­dentlich behinderte, haben sich dieses Jahr mehr Gläubige daran beteiligt als im vergangenen Jahr. Mit der Absicht, eine Kontrolle der gehaltenen Predigten einzuführen, verlangte der Bevollmächtigte für Religionsangelegen­heiten, Petras Anilionis, daß Bischof A. Vaičius noch vor den Ablaßfeier-

Henkelten die Namen jener Priester einreichen solle, die die Predigten halten würden. Aus der erhaltenen Liste der Priester strich P. Anilionis sofort den Namen des Priesters Edmundas Atkočiūnas. Ungeachtet der Forderungen des Bevollmächtigten wurden in Žemaičių Kalvarija etwa 60 Predigten ge­halten.

Bald nach den Ablaßfeierlichkeiten kam P. Anilionis nach Telšiai zu Bischof A. Vaičius, wohin auch der Dekan von Plungė, Priester R. Gasčiūnas und der Pfarrer der Pfarrei Žemaičių Kalvarija, der Priester J. Dambrauskas vorge­laden waren. P. Anilionis rügte den Bischof und die genannten Priester sehr scharf, daß in Žemaičių Kalvarija während der Ablaßfeierlichkeiten seine Anweisungen nicht befolgt wurden. Der Bevollmächtigte nahm vor allem an den Predigten des Vikars von Telšiai, Priesters Boleslovas Jonauskas, des Pfarrers von Žarėnai-Latveliai, Priesters Algimantas Pakamanis und des Pfarrers der Pfarrei Kiaukliai, Priesters Rokas Puzonas Anstoß. Priester B. Jonauskas wurde wegen seiner Predigt zur Stellungnahme sogar in den Sicherheitsdienst nach Vilnius gerufen.

Alksnėnai (Rayon Vilkaviškis)

Am 18. September 1985 kam der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayon­exekutivkomitees von Vilkaviškis, Juozas Urbonas, zum Pfarrer der Pfarrei Alksnėnai, Priester Antanas Lukošaitis. Er entrüstete sich über die Pastoral­tätigkeit des Priesters A. Lukošaitis unter den Gläubigen, besonders aber über die Gottesdienste auf dem Friedhof von Žalioji und die zahlreichen Besuche der Menschen in den Kapellchen von Alksnėnai. Da beinahe aus ganz Litauen Gläubige in das Kapellchen von Alksnėnai kommen und dort hl. Messen gefeiert und Predigten gehalten werden, drohte J. Urbonas dem Priester A. Lukošaitis an, er werde ihn genau so fertig machen, wie er die Priester der Pfarrei Kybartai, Sigitas Tamkevičius und Jonas-Kąstytis Ma­tulionis fertig gemacht habe. Der Stellvertreter machte dem Pfarrer ausdrück­lich klar, daß gegen ihn ein Strafprozeß eingeleitet sei. Darauf antwortete der Priester: »In euren Händen habt ihr den Prügel, wir haben in den unseren den Rosenkranz.« Nach diesen Worten sagte der Stellvertreter nichts mehr. Er verabschiedete sich und verließ das Pfarrhaus.

Am 25. September 1985 wurde Priester A. Lukošaitis zwecks »Umerziehung« zu dem Bevollmächtigten des RfR P. Anilionis vorgeladen. Die Hauptan­schuldigung war, daß Priester A. Lukošaitis sogar 4 Pfarreien betreue. P. Anilionis erklärte, daß die hl. Messen für die Verstorbenen auf dem Friedhof von Žalioji vom Gesetz nicht erlaubte religiöse Handlungen seien. Der Be­vollmächtigte erinnerte an den Prozeß gegen den Vikar von Kybartai, Priester J. Matulionis, als einen »Verletzer der öffentlichen Ordnung« und gab zu verstehen, daß Priester A. Lukošaitis als ähnlicher Ordnungsverletzer be­trachtet werde, wenn er auch weiterhin Gottesdienste auf dem Friedhof von Žalioji abhalte. Er verbot ganz entschieden, die Kapelle von Slabadai und die Kapelle auf dem Friedhof von Žalioji zu betreuen. Beim Abschied versuchte p. Anilionis den Priester A. Lukošaitis durch Drohungen einzuschüchtern, daß er nur ja alle Anweisungen befolge.

Rumšiškės (Rayon Kaunas)

Mit Erlaubnis des Priesters Juozas Žemaitis, wurden in der Kirche von Rumšiškės im Oktober 1985 Gruppenszenen für den Film »Paskenduolė« (Die Ertrunkene) gedreht. Auf der einen Seite der Kirche saßen etwa 100 Schauspieler, auf der anderen Seite die Gläubigen. In der Predigt während des Gottesdienstes erklärte der Pfarrer, daß auch die Kirche für die »Kultur« ihren Beitrag leisten müsse. »Müssen wir jenen die Arbeit erschweren, die es auch so schon schwer haben?«, bemitleidete der Pfarrer J. Žemaitis die Filmschaffenden.

Über die Grobheiten der atheistischen Passagen des Films war sogar die Wo­chenzeitung »Literatūra ir menas« (Literatur und Kunst) entsetzt.

Mikoliškiai (Rayon Kretinga)

Am 11. März 1986 wandte sich das Kirchenkomitee der Pfarrei Mikoliškiai an das Präsidium des Obersten Rates der LSSR mit einem Gesuch um Hilfe: »Das Präsidium des Obersten Rates der LSSR hat am 18. Juli 1976 durch eine Anordnung die Satzungen der religiösen Gemeinschaften be­stätigt. Die dritte Bestimmung versichert: »Eine religiöse Gemeinschaft hat das Recht... Transportmittel zu erwerben.«

Diese Bestimmung ist für unsere Pfarrei sehr praktisch, denn für uns ist es unbedingt notwendig, einen Autobus mit etwa 26 Sitzplätzen oder we­nigstens einen »Latvija« zu erwerben, um die Kolchosbauern aus den Dör­fern an Feiertagen in die Kirche und von dort wieder nach Hause zu bringen. Sie leben 4 bis 11 km von der Kirche entfernt. Mit dem Linienbus kann man weder hin- noch zurückfahren, weil der Fahrplan nicht paßt. Für ältere Menschen ist es unzumutbar, den Weg hin und her zu Fuß zurückzulegen. In der Nähe der Kirche leben nur drei Familien.

Wir haben den Autopark gebeten, er möchte die Fahrzeiten an Sonntagen für die Busse ändern. Man war aber nicht geneigt, es zu tun, obwohl das keine Schwierigkeiten gemacht hätte. Einige Zeit haben wir uns die Auto­busse bei verschiedenen Betrieben gemietet, die Ortsverwaltung hat das aber verboten. Wir haben die Leitung des Kolchos »J. Janonis« gebeten, daß sie die Kolchosbauern an Sonntagen gegen Bezahlung in die Kirche und wieder zurück fahren möchte, sie hat dies aber verweigert. Was bleibt uns übrig? Wir sind gezwungen, das von Ihnen uns zugesprochene Recht in Anspruch zu nehmen, uns ein Transportmittel zu erwerben. Wir wandten uns an den Ministerrat der LSSR, ob man uns nicht einen gebrauchten Autobus oder wenigstens einen »Latvija« verkaufen möchte. Die Antwort war positiv, es wurde nur nach einer Zustimmung des Bevollmächtigten des Rates für Re­ligionsangelegenheiten verlangt. Dieser legt aber die Bestimmung so aus, daß das Wort »Transportmittel« in den Satzungen nur ein Personenauto be­deute (anfangs hat auch der Bevollmächtigte erlaubt, einen Autobus zu er­werben; bald aber begann er, die Satzungen eigenwillig zu deuten).«

Die Gläubigen der Pfarrei Mikoliškiai machen in ihrer Erklärung darauf aufmerksam, daß im Verhalten des Bevollmächtigten P. Anilionis jede Logik fehlt, denn »um ein Personenauto zu erwerben, benötigt man keine Geneh­migung«, in den Satzungen steht aber ausdrücklich, daß die Gemeinschaft das Recht hat, ein Transportmittel zu erwerben. »Das ist unmenschlich«, schreiben die Gläubigen. »Man versucht extra den Kolchosebauern das Leben schwer zu machen, wogegen die sowjetische Verfassung doch behauptet, daß die KPdSU für das Volk da ist und dem Volk dient (Artikel 6).«

»Wir hoffen auf eine gerechte und humane Antwort wie auch auf eine Er­laubnis, wenigstens einen, wenn auch nicht mehr neuen, Autobus erwerben zu dürfen, wenn wir mehr schon nicht erwarten können«, beschließt das Kir­chenkomitee der Pfarrei Mikoliškiai sein Bittgesuch.

Am 19. April 1986 wandte sich das Kirchenkomitee der Pfarrei Mioliškiai wiederum an den Bevollmächtigten des RfR P. Anilionis mit der Bitte, ihnen die Verkehrsmöglichkeiten zu erleichtern. Die Bürger von Mikoliškiai nennen eine ganze Reihe von Betrieben und Organisationen — das Ministerium der LSSR für Auto, Transport- und Straßenverkehr, die Autoparks von Kretinga und Klaipėda, die Verwaltung des Kolchos »J. Janonis«, die sich alle gewei­gert haben, ihnen zu helfen.

»Genau, wie man einen Menschen nicht dazu zwingen kann, nichts zu essen oder nichts zu trinken, genauso kann man die Gläubigen nicht dazu zwingen, die Kirche nicht zu besuchen«, schreibt man in der Erklärung. »Deswegen bitten wir Sie im Namen aller, durch Ihre Vermittlung uns zu helfen. Sie haben genügend Macht, sich an entsprechende Behörden zu wenden.« (...) »Helfen Sie uns, einen Autobus mieten zu können, denn das geht vielleicht etwas einfacher. Wir werden Ihnen für Ihre gezeigte Humanität dankbar sein.«

Der Bevollmächtigte des RfR verweigerte den Gläubigen von Mikoliškiai seine Hilfe.

Prienai

An den Generalsekretär des ZK der KPdSU Genossen M. Gorbatschow Abschriften an die Bischöfe und Verwalter der Diözesen Litauens den Bevollmächtigten des RfR P. Anilionis

Erklärung

der Gläubigen der Pfarrei Prienai

Seit einer Reihe von Jahren werden unsere Priester wegen ihrer Hausbesuche bei den Gläubigen terrorisiert (1986 in der Stadt Prienai, T. Armijos g-je). Wir selber laden die Priester ein; die gottlosen Lehrer aber kommen ungebe­ten zu uns ins Haus und versuchen, hier eine Agitation gegen unsere reli­giösen Uberzeugungen zu führen und sie werden deswegen weder bestraft, noch terrorisiert.

Kann man das vielleicht vor dem Gesetz in Einklang bringen mit dem Gleichheitsprinzip zwischen den Gläubigen und Ungläubigen, das unsere Ver­fassung verkündet?

Welches Gesetz verbietet uns, den Priester (als einen vollberechtigten Bürger der Sowjetunion) ins Haus einzuladen? Wir wollen in Häusern wohnen, die nach unseren christlichen Traditionen alljährlich von einem Priester gesegnet werden. Kann denn dieser unser bescheidener Wunsch etwa eine Gefahr für die sowjetische Ordnung sein?

Wir bitten Sie zu veranlassen, daß die Verwaltungsorgane des Rayons Prienai den Terror gegen unsere Priester einstellen und sie nicht hindern, unsere Wohnungen zu besuchen.

Es unterschrieben 1650 Gläubige.

 

Pašilė (Rayon Kelmė)

Am 13. April 1986 gratulierten die Gläubigen und die Kinder der Pfarrei Pašilė nach dem Hochamt ihrem Pfarrer, Priester Stanislovas Anužis, zu seinem Namenstag. Ein vom Kirchenchor gesungenes »Lang soll er leben« wurde mit einem von den Kindern dargebotenen kleinen Theaterstückchen ergänzt... Das mißfiel dem von der Regierung befürworteten Vorsitzenden des Kirchenkomitees Antanas Pakutinskis. Er beschimpfte die Chorsänger, die Kinder und den Kirchenwärter Antanas Saunorius, wie er nur gerade konnte.

Am 14. April machte A. Pakutinskis über die Gratulation eine Meldung an das Rayonexekutivkomitee. Als er aus der Rayonstadt zurückkam, drohte er dem Kirchenwärter A. Saunorius wegen seines »Vergehens« mit dem Si­cherheitsdienst, nannte ihn Staatsverbrecher usw.

Indura (Gebiet von Gardinas)

Der Bevollmächtigte des RfR für das Gebiet von Gardinas hat vom Pfarrer der Pfarrei Indura, Priester Kazimieras Žilius verlangt, er solle in der Messe für die Verstorbenen die Lesung aus dem Brief an die Philipper nicht lesen, die mit den Worten beginnt »Unsere Heimat aber ist im Himmel« (Phil. 3, 20). Nach Ansicht des Bevollmächtigten von Gardinas, handle es sich um eine antisowjetische Ausdrucksweise, denn wenn die Heimat im Himmel ist, dann bedeute es, daß die Sowjetunion nicht die richtige Heimat der Gläubigen ist.

Derselbe Bevollmächtigte machte Priester K. Žilius Vorwürfe, warum er Personen, die ohne Ehesakrament zusammenleben, keine Absolution erteile. Das sei eine Art Strafe, die nur für Gläubige angewendet werde, das Statut der religiösen Gemeinschaften erlaube den Priestern aber nicht, den Gläu­bigen gegenüber Strafen auszusprechen.