Eingabe der Gläubigen wegen der Kirche

Eine Eingabe folgenden Inhaltes wurde vor Ostern vom Territorium der RSFSR (damit sie von den KGB-Funktionären der Litauischen SSR nicht abgefangen werden könnte) nach Moskau gesandt:

An den Generalsekretär des ZK der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, L. Brežnev, in Moskau

Eingabe

der Katholiken der Stadt Klaipėda, Litauische SSR

In den Jahren 1956 bis 1961 wurde mit Genehmigung des litauischen Minister­rates auf Kosten der Gläubigen von Klaipėda eine katholische Kirche gebaut und völlig fertiggestellt. Auf Verfügung der Regierung durfte sie indes nicht zu Gottesdiensten genutzt werden, sondern wurde in einen Raum für die Philhar­monie umgewandelt.

Das Gebäude, in dem zur Zeit der katholische Gottesdienst stattfindet, ist hier­für ungeeignet, es befindet sich in schlechtem Zustand und ist zu klein, so daß an Feiertagen die Gläubigen auf der Straße stehen müssen. Bereits die Tatsache, daß der Bau einer Kirche in Klaipėda genehmigt worden ist, zeigt, daß das jetzt benutzte Gebäude für den Gottesdienst als ungeeignet befunden wurde.

Wir Gläubigen wenden uns an Sie in der Hoffnung, daß Sie unserem Ansinnen Verständnis entgegenbringen werden. In der Hoffnung auf eine baldige Norma­lisierung der Lage bitten wir Sie, zu veranlassen, daß das an uns Gläubigen begangene Unrecht wieder rückgängig gemacht und uns die auf Kosten der Gläubigen errichtete Kirche zurückgegeben wird.

Die Eingabe wird durch die nachstehenden Unterschriften bekräftigt. Litauische SSR, Klaipėda, den 19. März 1972

Unterzeichnet wurde die Eingabe von 3023 Gläubigen.

Indes, bis jetzt wurde dem Gesuch der Klaipėdaer Bürger lediglich von KGB Organen Aufmerksamkeit geschenkt. Der als Absender des nach Moskau gesandten Schreibens fungierende, in Klaipėda ansässige Jonas Saunorius wurde dreimal ins KGB bestellt, wo die Sicherheitsleute von ihm die Namen der Initia­toren und Organisatoren erfahren wollten. Wohl aus dem gleichen Grunde wurde J. Saunorius zum Beauftragten des Rates für religiöse Angelegenheiten, Rugienis, nach Vilnius vorgeladen.

Am ersten Ostertag 1972 nahmen KGB-Organe zwei Amateurfotografen fest, die die auf der Straße betende Menge ablichten wollten. Sie wurden beschuldigt, die Aufnahmen für das Ausland machen zu wollen. Dort fänden derartige Fotos offene Arme, meinten die sich zurechtweisenden Sicherheitsfunktionäre.

Die Einwohner von Klaipėda sind gewillt, sich noch einmal an die Obrigkeit der UdSSR mit der Bitte um Rückgabe der Kirche zu wenden.