Vilnius

Schüler der Klasse VII d der 41. Mittelschule beschlossen, auf ihre Art des 16. Februars (verbotener Unabhängigkeitstag Litauens) zu gedenken. Sie planten, an dem Feiertag ohne Pionierhalstuch zum Unterricht zu erschei­nen, das man durch Bänder in den (verbotenen) Nationalfarben ersetzen wollte, usw. Einige Schüler schrieben Losungen wie „Freiheit für Litauen" an die Wand.

Die Schülerin A. Nagrockytė schilderte die Stimmung in der Klasse ihren Eltern, die alles an den Geheimdienst meldeten, für den beide arbeiten. Am 17. Februar erschien in der 41. Schule der Geheimdienstmann Kazlaus­kas. Es wurden die Klassenlehrerin, Frau Nijolė Varnienė, und alle Lehrer vernommen, die an dem Tage in der VII. Klasse unterrichtet hatten, darun­ter Frau Živile Baltaduonienė, Gražina Kazlauskienė, Janina Petkevičienė u. a. Als besonders übereifrige Helfershelfer der Geheimpolizei entpupp­ten sich alsbald der Schuldirektor Vytautas Banevičius und Frau Petke­vičienė, Organisatorin der „Arbeiten außerhalb des Unterrichts". Die Lehrerkonferenz zu Ende des Trimesters befaßte sich neben Unterrichts­problemen dann auch mit obigem Fragenkomplex. Die Schüler Vytautas Jusevičius und Albinas Prakelis wurden vom Direktor, in Gegenwart der ge­samten Lehrerschaft, vernommen. Aktivere Schüler erhielten schlechtere Be­tragensnoten, und die Klassenlehrerin wurde wegen „mangelhafter prophy­laktischer Arbeit" schriftlich getadelt.

Direktor V. Banevičius zeichnete sich erneut durch aktive Liebedienerei ge­genüber dem Geheimdienst aus. Er deklarierte den 18. April (Erster Oster-feiertag) zum „Samstag der Nachbarhilfe". Alle anderen Schulen in Vilnius absolvierten diesen zusätzlichen Arbeitstag am Samstag, dem 17. April. Nur in der Schule Nr. 41 erfolgte eine Verlegung auf den Ostersonntag. Frau Petkevičienė, Organisatorin der „Arbeiten außerhalb des Unterrichts", handelte nicht viel besser, als sie der Schülerin Simonaitytė das Tagebuch wegnahm und dem Direktor übergab, der es an den Geheimdienstbeamten Kazlauskas weiterleitete.

Aus den Tagebucheintragungen ergab sich eine religiöse Einstellung des Mäd­chens. Vor Beginn des Verhörs wurde die Schülerin Simonaitytė von Direk­tor Banevičius eindringlich ermahnt, seine Fragen wahrheitsgetreu zu beant­worten, denn Gläubige dürften doch nicht lügen. Dann stellte er seine Fra­gen: „Welche Kirche besuchst du? Welche Priester hast du dort gesehen? Hast du an Prozessionen teilgenommen? Gibt der Pfarrer dir Geld? Von wem hast du das Gebetbuch gekauft?", und ähnliche Fragen. Die Atmosphäre in der 41. Schule war stickig geworden. Der Geheimdienst wühlte in intimsten Gewissensfragen der Lehrer und Schüler.

Kaunas

Vor kurzem wurde der Kandidat der Mathematikwissenschaften, A. Pa­tackas, aus seinem Amt als Lektor der Landwirtschaftlichen Akademie ent­lassen und zwangspensioniert, weil er „religiösen Vorurteilen anhängt".

Kaunas

Der Vorsitzende des Komitees für das Hoch- und Mittelschulwesen, Zabulis, hat für seinen Amtsbereich den obligatorischen „Samstag der Nachbar­schaftshilfe" auf Ostersonntag, den 18. April, verlegt.

In einigen Hochschulen setzte man den zusätzlichen Arbeitstag trotzdem und vorsätzlich anders an, da zu befürchten war, daß die Studenten am Ostersonntag einfach nicht erscheinen würden.

In der Landwirtschaftlichen Akademie wurde der Ostersonntag zum Ar­beitstag, und zwar zur Ableistung der „Nachbarschaftshilfe" proklamiert. Verschiedene Studenten der höheren Semester erklärten, sie würden an den für Sonntag festgelegten Studienarbeiten nicht teilnehmen, und hielten ihr Wort. Am Ostersonntag erschienen überhaupt nur wenige Studenten: bei den Anfangssemestern fehlte etwa die Hälfte. In der Fakultät für Mechani­sierung erschienen fünf von 75, in Seminaren höheren Semesters jeweils vier bis fünf von 26 bis 27 Studenten.

Bisher war der studentischen Jugend Sowjetlitauens nur die Feier des Weih­nachtsfestes verwehrt gewesen. Die Erklärung des Osterfestes zum Arbeits­tag war daher ein Novum für die Landwirtschaftliche Akademie. Die Vor­ankündigung, daß der Sonntag, der 18. April, ein Arbeitstag sei, war übri­gens von dem neuen Rektor der Akademie, dem Dozenten Dormantas, un­terzeichnet.

Krosna

Bereits vor Ostern begann der Direktor der hiesigen Mittelschule, Dalius Mockevičius, die Schülerinnen der 10. Klasse wegen Kirchenbesuches zu ter­rorisieren. Er drohte, Teilnehmer an der Osterprozession regelrecht einfan­gen zu wollen. Wer an der Prozession teilnehme, werde in keine Hochschule aufgenommen werden. Die Lehrerin, Frau Navickiene, beschimpfte Kirch­gängerinnen offen als „Kühe".

Milašaičiai (Rayon Raseiniai)

Als die Briefträgerin des Postamtes Milašaičiai im Sommer 1975 mit ihrer Tochter die Post sortierte, hatte das Kind sein mitgebrachtes Gebetbuch auf die Fensterbank gelegt. In diesem Moment kam die Lehrerin, Frau Ušin-skienė, ins Postamt, sah das Gebetbuch und begann das Mädchen zu be­schimpfen. Sie wurde so wütend, daß sie das Gebetbuch in den Abfalleimer warf, das Kind beiseite stieß und durch die Tür hinausstürzte. Das Mädchen holte sein Gebetbuch aus dem Abfalleimer, wischte es sauber ab und küßte es. Die zur Zeit des Vorfalles im Postamt anwesenden Zeugen äußerten ihre Empörung über das Benehmen der Lehrerin Ušinskienė, die kein Recht habe, religiös eingestellte Kinder zu unterrichten, geschweige denn sie herumzustoßen .. .

Sasnava (Rayon Kapsukas)

Das Lehrerkollektiv der Mittelschule Sasnava hatte beschlossen, alle Kinder unbedingt zu Atheisten zu machen.

Vor Ostern versuchten die Lehrer unter Führung des Direktors, Juozas Zda­nius, in den Unterrichtspausen religiös eingestellte Schüler vom österlichen Kirchenbesuch abzuhalten. Durch besonderen Eifer zeichneten sich dabei die Lehrerinnen Benulienė, Zygmantienė und Ščepauskienė aus. Sie versuchten, Schüler mit Hinweis auf zu erwartende Unannehmlichkeiten, Verminderung der Betragensnoten und mit anderen Mitteln einzuschüchtern. Trotzdem nahmen sehr viele Kinder an den Osterfeierlichkeiten teil, und 68 marschier­ten in der Auf erstehungsprozession mit. Diese Zahl wurde von der Englisch­lehrerin Jenkevičienė festgestellt. Sie kam mit einem Autobus angefahren, postierte sich an der Kirchplatzumfriedung und machte sich demonstrativ Notizen, während ein Fotograf aus dem Autobus stürzte, um die Prozes­sionsteilnehmer zu fotografieren. Nach Ostern wurden die Schüler von den Lehrern angefahren, wie sie es wagen könnten, am Gottesdienst teilzuneh­men, was natürlich mit einer niedrigeren Betragensnote honoriert werden müsse.

Die Lehrerin Benulienė meinte anscheinend, die Kinder am besten dadurch zu Atheisten zu machen, daß sie die Geistlichkeit, kirchliche Bräuche, Chri­stus und die Heiligen lächerlich machte. Hier einige Beispiele solcher athe-stischer Erziehungsmethoden: „Hört nur, Kinder, welchen Blödsinn die Re­ligion verbreitet. Da behaupten sie, im Himmel heizten die Teufel Kessel mit heißem Teer. Ich frage euch, wo kriegen die da oben wohl Teer her?" Und hier bricht sie dann in künstliches Gelächter aus.

Doch gibt sich die Lehrerin mit solchem Lächerlichmachen, das sie fast in jeder Stunde wiederholt, keineswegs zufrieden. Nach Ostern z. B. erschien sie in ihrer Klasse mit dem Vorschlag: „Als Geschenk zum l.Mai werden wir einen Abend zur Verhöhnung des Glaubens veranstalten. Das Ganze wird furchtbar lustig sein." Dann liest sie ein Gedicht vor, das Christus und die Heiligen in unflätiger Weise verhöhnt, wobei sie nach jedem Vers in lau­tes Gelächter ausbricht.

Auf Anordnung der Lehrerin sollte der als Kirchgänger bekannte Schüler Juozas Kučinskas an dem atheistischen Abend ausgerechnet dieses Gedicht aufsagen. Als sich der Junge energisch dagegen verwahrte, wurde die Leh­rerin ausfällig: „So ist das also .. . Wenn sich das nicht ändert, bekommst du bei mir keine gute Note mehr." Und sogleich wurde die Drohung ver­wirklicht. Der Schüler wurde aufgerufen, konnte aber seine Aufgabe so gut, daß er alle Fragen beantwortete. Worauf die Lehrerin laut verkündete: „Ich schreibe trotzdem nur eine Drei..."

Am 24. April rief die Klassenlehrerin die Schülerin Elvyra Navickaitė auf, die ihre Aufgabe ebenfalls sehr gut konnte. Dann aber verlangte die Lehrerin, das Mädchen möge die Namen aller Kinder nennen, die zusammen mit ihr an der Osterprozession teilgenommen hätten. Das Kind weigerte sich, seine Freunde zu verraten. Elvyra bekam daher von der Lehrerin die Gesamtnote — ungenügend. Als sich die Mutter des Mädchens deswegen bei der Lehrerin beschwerte, erklärte die Klassenlehrerin: „Das müssen wir so machen, wegen der atheistischen Propaganda."

Die Klassenlehrerin der VII. Klasse, Frau Benulienė, drohte ihren Schutz­befohlenen dauernd, wer die Kirche besuche, brauche sich erst gar nicht um die Aufnahme in eine höhere Schule zu bemühen. Solche bekämen von ihr eine negative Charakteristik als Fanatiker und gesellschaftsfeindliche Ele­mente.

Solche und ähnliche Methoden atheistischer Erziehung werden in der Mittel­schule von Sasnava nicht nur von Frau Benulienė praktiziert. Der Direktor, Juozas Zdanius, und sein Stellvertreter Bulota z. B. verzapfen superdummen und schier unglaublichen Unsinn. Die Lehrerinnen Bulotienė, Daugėlienė und Ščepauskienė desgleichen. Nach den Feiertagen jammerten sie z. B. im Unterricht den Schülern vor: „Welche Schande ihr unserer Schule gemacht habt — 90 Schüler waren in der Kirche! Wie sollen wir das nur vor der Rayonsverwaltung redttfertigen ...?"

Richtigstellung

In der Nummer 21 der „Chronik der Litauischen Katholischen Kirche" er­schien eine nicht ganz zutreffende Darstellung über die Schließung der Kapelle in Kačergiškės. Hier die Geschichte, wie sie sich wirklich verhält: Als Gemeindepfarrer des Kirchspiels Paringis betreute Pfarrer S. Savickas seinerzeit auch die Kapelle in Kačergiškės. Dann ernannte die Kurie Pfar­rer V. Jašukas zum Pfarrherrn der kleinen Gemeinde Paringis, dem als Nachfolger von Pfarrer L. Savickas auch die Betreuung der Kapelle Kačer­giškės oblag. Es ist zwar nicht weit von Paringis bis zur Kapelle Kačergiškės, doch ist der Weg schlecht, und Pfarrer Jašukas haßte das Reisen. Die Gläu­bigen aus Kačergiškės und Umgebung versprachen, Pfarrer Jašukas jeden Sonntag per Fuhrwerk zu befördern, doch dieser lehnte ab. Vielmehr reiste er nach Vilnius zum Beauftragten des Rates für religiöse Angelegenheiten, Rugienis, dem er mittelte, daß er die Kapelle in Kačergiškės nicht mehr be­treuen wolle. Rugienis war überrascht, zu erfahren, daß es dort überhaupt eine Kapelle gibt. Sie war ihm unbekannt. Als man nach Kriegsende alle Kirchenbauten registrierte, wurde die Kapelle vergessen, sie hatte auch kein Kirchenkomitee! So kam es eben erst jetzt zur Schließung des Kirchleins. Die Gläubigen von Kačergiškės und Umgebung haben sich mehrfach in Wort und Schrift an die zuständigen Stellen in Vilnius und in Moskau gewandt. Es half alles nichts. Der Beauftragte des Rates für religiöse Angelegenheiten verbot, in der Kapelle Gottesdienste abzuhalten. Der Beauftragte des 1961 gewählten Kirchenkomitees wurde nicht bestätigt und die Kapelle noch im selben Jahr endgültig geschlossen.

 

Der wirkliche Grund für die Schließung der Kapelle in Kačergiškės dürfte allerdings der Umstand gewesen sein, daß sie sich im Grenzgebiet zur Weiß­russischen SSR befindet und daß sich hier nicht nur viele Litauer, sondern auch Gläubige aus Weißrußland zum Gottesdienst einfanden.