Varputėnai

Im April 1977 verstarb im Dorf Šilkalniai der Schüler Petras Vozbutas der 11. Klasse der hiesigen Mittelschule. Die Eltern beschlossen, ihren Sohn kirchlich bestatten zu lassen. Das wiederum erregte die Geister der Mitarbeiter der Mutter des Verstorbenen, der Lehrerin Vanda Vozbutienė:

— Was machst du da nur? Eine Schande für die ganze Schule!

— Schuldirektor Juozas Daraška war erzürnt, noch erregter zeigte sich die Leh­rerin Frau Vanda Grybauskienė, Leiterin der Lehrabteilung:

— Das werden wir dir niemals verzeihen!

Frau Vanda Vozbutienė wurde dann auch tatsächlich auf alle nur mögliche Art und Weise terrorisiert und so lange eingeschüchtert, bis sie die Aggressivität ih­rer Kollegen nicht mehr ertragen konnte und ihren Abschied nahm. Es ist zu bemerken, daß ein solches Benehmen keineswegs nur für fanatisch ver­anlagte Lehrer typisch ist. Auch andere benehmen sich so ähnlich, aus Angst, bei der zuständigen Bildungsabteilung oder dem örtlichen Parteikomitee in Ungnade zu fallen.

Šaukėnai, Rayon Kelmė

Frau Dana Oškelienė unterrichtet Geschichte in der hiesigen Mittelschule. Als sie in einer Unterrichtsstunde die Entstehung der Welt aus der Materie zu erklä­ren suchte, fand zwischen ihr und dem Schüler Linas Meilius folgender Dialog statt:

— Frau Lehrerin, wenn die Welt aus der Materie entstand, wie ist dann die Ma­terie selbst entstanden?

— Was geht dich das an?

— Wer weiß das denn eigentlich?

— Setzen, du Idiot!

— Wenn ich ein Idiot bin, wollen Sie mich bitte zum Arzt schicken?

— Hinaus mit dir! Der Schüler mußte die Klasse verlassen.

Antasava, Rayon Kupiškis

Im Sommer 1977 erscholl Kindergesang aus der Kirche von Antasava, und freu­dig erregt stürmten mehr Kinder hinzu und baten die Organistin, Frl. P. Biliaus-kaite, ihnen neue Lieder beizubringen.

Nach Beginn des Schuljahres verlangten die Lehrer von den Schülern, sie sollten nicht mehr in der Kirche singen. Die Kinder gehorchten nicht. Jetzt begannen formelle Befragungen, wer zum Singen geht. Schriftlich sollte angegeben wer­den, wer im Chor mitsingt und wer nicht.

Am 19. März 1978 hatten sich in der Wohnung von Jonas Simonis Kinder ver­sammelt, um Osterlieder zu probieren. Ihr Singen wurde plötzlich unterbro­chen, als der stellvertretende Rayonvorsitzende des Rayon-Exekutivrats, Asti-kas, der Ortsvorsitzende von Antasava, J. Nakas, und die Schuldirektorin, Frau Valda Sanvaitiene, ins Zimmer stürzten. Sie fuhren die Organistin an, was sie hier mache:

— Wir lernen singen, lautete die Antwort.

— Wissen Sie, daß Sie damit gegen das Gesetz verstoßen? Nur Eltern haben das Recht, ihre Kinder zu unterrichten, nicht aber Sie! — erklärte der stellvertreten­de Vorsitzende Astikas.

— Ich aber weiß, daß nach der neuen Verfassung Gewissensfreiheit nicht ein­geengt werden darf und Verfolgung von Gläubigen verboten ist!

Die Kommission begann nun mit einer formellen Vernehmung der Organistin

—              fragte nach genauem Wohnort, Art der Arbeit und Arbeitsstelle. Die Namen aller Kinder und die näheren Umstände ihres »Vergehens« wurden aufgeschrie­ben. Abschließend wurde noch gedroht, man werde sich wohl noch einmal tref­fen .. .

Einige Wochen später erschien Astikas in der Mittelschule, um die Kinder zu überreden, sie sollten nicht in der Kirche singen. Wieder wurde verlangt, alle die zum Singen gehen, schriftlich zu benennen, und gedroht, wer zum Singen geht bekommt eine so schlechte Charakteristik, daß ihn keine Hochschule auf­nimmt.

Die Lehrerinnen, Frau Irena Dluckienė und Valė Martinkienė, suchten die El­tern auf und baten inständig darum, den Kindern die Teilnahme am Kirchen­chor zu verbieten.

Einige Zeit später erklärte die Direktorin Frau Sanvaitienė auf einer Elternver­sammlung, Jonas Simonis habe sich eines schweren Vergehens schuldig ge­macht, indem er sein Zimmer für Chorproben der Kinder bereitgestellt habe, schwer schuldig sei auch die Organistin. Wenn sie nicht aufhöre, Kinder zu un­terrichten, werde sie dafür schwer zu büßen haben.

Tauragė

Klassenlehrer K. Pušinskas der 11. Klasse der II. Mittelschule hatte seine Schü­ler versammelt, um den verstorbenen Großvater ihres Klassenkameraden Kisie­lius zu ehren, jedoch verhinderte Direktor Jurgis Jankauskas den Kirchgang und drohte bei Nichtbefolgung des Verbots mit Herabsetzung der Betragensno­te bis auf »ungenügend«. Trotz dieser Drohung nahmen 14 Schüler der 11. Klasse an der Beerdigung teil.

Die Lehrerversammlung erteilte den Teilnehmern an der Beisetzung am 19. April die Ermahnung, sich künftig nicht wieder so zu verhalten.

Pikeliai, Rayon Mažeikiai

Fräulein Roma Jasmentaitė, Leiterin der »Jungen Pioniere«, versuchte, die kleine Laima Bružokaitė unter Druck in die Pionierorganisation einzuschrei­ben, doch dürfe sie zu Hause nicht erzählen, was man in der Schule macht. Als Laimas Mutter von der Aufnahme ihres Kindes in die Pionierorganisation er­fuhr, befahl sie dem Kind, zur Lehrerin zu gehen und sich streichen zu lassen, was Laima auch tat.

Nach Ostern, als die Lehrerin erfuhr, daß Laima in der Kirche gewesen war, be­gann sie das Kind so zu schikanieren, daß die Kleine zu weinen begann. Wer wagt es, die Lehrerin Frl. Jasmentaitė daran zu erinnern, daß sie in der Schule weder die Rolle eines roten Inquisitors zu spielen, noch ein Recht besitzt, sich in Gewissensfragen ihrer Schüler einzumischen?

Šiauliai

Am 24. Februar 1978 sah sich Direktor Snieškus der IX. Mittelschule veranlaßt, die Schüler der 9. Klasse zu fragen: »Wieso gibt es in dieser Klasse noch zehn Schüler, die dem Komsomol nicht angehören?« Es stellte sich heraus, daß ein Teil der Schüler — Virginija Vidugirytė, Alma Šileikaitė, Gitana Tamošiūnaitė und Dalia Judikavičiūtė — dem Komsomol aus religiöser Überzeugung nicht angehören. Der Direktor bezeichnete diese Schülerinnen daraufhin als »armseli­ge Persönlichkeiten« und drohte mit Ausschluß aus der Mathematik-Klasse, falls sie dem Komsomol nicht bald beitreten.

Bei seinen Umerziehungsversuchen an gläubigen Schülerinnen bemüht Direktor Snieškus sogar Lektoren des Pädagogischen Instituts. Am 13. Februar versuch­te einer der Umerziehungshelfer, die Schülerin Dalia Judikavičiūtė zu überre­den, das Praktizieren ihres Glaubens aufzugeben und dem Komsomol beizutre­ten.