Vilnius

Vor Weihnachten 1978 haben zwei Domherren von Krakau das Kardinalskäpp-chen des Hl. Vaters Johannes Paul II. mitgebracht und der Mutter der Barm­herzigkeit im Osttor von Vilnius geschenkt. Vorläufig wird diese Tatsache von den Gläubigen in Litauen stark verheimlicht.

Der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten, Petras Anilionis, hat sich beim Bischof Liudvikas Povilonis erkundigt, ob der Papst ohne Wissen der sowjetischen Regierung jemanden zum Kardinal erheben kann. Könnte er einen verbannten Bischof oder einen einfachen Priester zum Kardinal ernen­nen? Der Bischof hat bestätigt, daß in allen drei Fällen diese Möglichkeit wirk­lich vorhanden ist.

Diese Besorgnis des Bevollmächtigten hat in Litauen sowohl Freude als auch Angst ausgelöst: für die katholische Kirche Litauens wäre es wirklich ein großer Gewinn, wenn sie einen Kardinal hätte, ähnlich dem Primas von Polen Kardinal Wyszinski, aber es wäre ein schreckliches Unglück, wenn zu diesem hohen kirchlichen Posten ein Kollaborateur der atheistischen Regierung ernannt würde.

Die Lektoren des Vereins Žinija (Wissen) haben in ihren Vorträgen für das Volk erwähnt, daß der Pfarrer der Pfarrei der Unbefleckten Empfängnis Maria in Vilnius, Priester Stanislovas Lidys, ein guter Freund des Hl. Vaters Johannes Paul II. ist; der Priester Stanislovas Lidys selber bemüht sich, eine Einladung von den in Rom lebenden litauischen Priestern zu erhalten, damit er nach Italien reisen kann. Der Priester S. Lidys hat sich schon in den USA aufgehalten, in Polen, Portugal und ist als vertrauter Mitarbeiter der atheistischen Regierung bekannt, der breite Verbindungen mit der litauischen Emigration unterhält.

Kaunas

Am 24. Dezember hat der stellvertretende Bevollmächtigte des Rates für religiö­se Angelegenheiten, Raslanas (ein alter Tschekist), einen portugiesischen Jour­nalisten zum Priesterseminar von Kaunas begleitet, der in der nächsten Zeit ei­nen ausführlichen Zeitungsartikel über die Lage der Kirche in Litauen schreiben will. Den genannten Journalisten hat Raslanas als einen Katholiken vorgestellt. Danach hat der Sicherheitsbeamte den katholischen Journalisten zu einer »ka­tholischen« Familie mitgenommen, um den Heiligabend zu verbringen. Wenn der portugiesische Journalist wirklich ein Gläubiger ist, dann wird er mit Hilfe von Raslanas keinen gerechten Artikel über Litauen schreiben können. Raslanas ist direkt verantwortlich für die Ermordung unschuldiger Menschen in dem Wäldchen Rainiai. Jeder ausländische Journalist, der die »Chronik der LKK« liest, wird hundertmal mehr über Litauen wissen, als wenn er es durch das Fenster eines KGB-Wagens anschaut.

Kaunas

Im Zusammenhang mit der allgemeinen Aufschreibung der Einwohner, die am 17. Januar 1979 stattfand, ist im Milizgebäude von Kaunas ein dreitägiges Semi­nar für die Instrukteure der Aufschreibung durchgeführt worden. Das Seminar hat eine Vertreterin aus Vilnius, Aldona Simutienė, geleitet. Unter verschiede­nen Fragen wurde erklärt, wie man einen »Kultdiener« (Priester) aufschreiben muß. Die Frage, »wo arbeitet«, beantworten — »arbeitet nirgendwo« und auf dem Formular als nirgendwo Arbeitenden aufführen. In der Rubrik für Ausbil­dung eintragen — »Spezialmittlere«, auf keinen Fall die Höhere. Die anderen Kultdiener, wie Organisten, Sakristane, sind von dieser Frage nicht betroffen.

Klaipėda Kurie der Diözese Telšiai

Telsiai, den 14. November 1978 Nr. 404

Dem Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten bei dem Ministerrat der UdSSR in der Litauischen SSR

Im Zusammenhang mit den Beschwerden der Gläubigen von Klaipéda war ich von Ihnen gebeten worden, nach Klaipéda zu reisen, damit ich mich an Ort und Stelle mit der Lage bekannt mache und Ihnen darüber referiere. Danach habe ich von Ihnen die Beschwerde der Gläubigen von Klaipeda zuge­stellt bekommen, mit Ihrer Resolution, daß ich bis zum 17. November meine Meinung schriftlich dazu äußern soll.

1. Zur Ausführung Ihres Wunsches bin ich nach Klaipéda gereist. Ich habe Rücksprache genommen mit dem Dechanten von Klaipéda, Pfarrer Jonas Baikauskas, und mit den stellvertretenden Vorsitzenden des Exekutivkomitees der Stadt Klaipéda.

Die Gespräche ergaben den Eindruck, daß das Exekutivkomitee der Stadt Klai­peda geneigt ist, nur das jetzige Gebetshaus zu renovieren, d. h. die Installation von Ventilatoren und Heizung und ähnliches zu genehmigen. An eine Erweite­rung des Baues denken sie nicht. Ähnliche Meinung vertritt auch der Pfarrer Jo­nas Baikauskas.

2. Auf Ihre Bitte, in Sache Klaipéda schriftlich zu antworten, berichte ich folgendes:

Im Leben wird sowohl in den ökonomischen als auch in den ideologischen Be­reichen die Wirklichkeit manchmal vor den Regierungsspitzen verheimlicht. Das ist nichts anderes als Irreführung der Leitenden. Deshalb bemühe ich mich, in Beantwortung Ihrer Bitte, ganz offen zu sein. Ich bitte, meinen Bericht in die­sem Sinne auch zu empfangen.

Die Frage der Kirche von Klaipéda (jetzt Philharmonie) ist nicht nur eine Frage der Diözese Telšiai, sondern auch die aller Diözesen der Republik. Die Kirche in Klaipéda wurde mit den Opfern von allen Gläubigen der Republik und sogar von Priestern gebaut. Es leben noch fast alle am Bauen beteiligten Gläubigen und Priester, mit dem Bischof Liudas Povilonis.

Obwohl die Beschwerden nur von einem sehr kleinen Teil der Gläubigen ge­schrieben und öffentlich Unzufriedenheit geäußert wird, aber wen immer man befragt — einen von den Priestern oder von gläubigen Laien —, alle sagen, daß man die Kirche nicht hätte wegnehmen sollen: Die Regierung hat die Baugeneh­migung erteilt, Baustoffe zugewiesen; die Gläubigen haben geopfert, gearbeitet. Warum wurde die Gemeinschaft der Gläubigen bestraft? — Diese Meinung wird nicht nur in der Diözese Telsiai vertreten.

Als die Frage nach der Erweiterung des existierenden Gotteshauses aufgekom­men ist, wurde klar, daß nur wenige davon begeistert sind. Denn alle hoffen und erwarten, daß die erbaute Kirche zurückgegeben wird. Außerdem gibt es nicht wenige, die behaupten, daß die Erweiterungsarbeiten eine offizielle Preis­gabe der beschlagnahmten Kirche wären, und der Erweiterungsbau könnte ebenfalls weggenommen werden . . .

Deshalb bin ich der Meinung, daß bei dieser Stimmung die Erweiterungsarbei­ten nicht populär wären.

Und das jetzige Gebetshaus ist für Klaipeda wirklich zu klein.

Die Stadt ist in den letzten Jahren sehr gewachsen und ist noch am Wachsen. Es

wächst auch die Zahl der Gläubigen.

Ein Teil der Gläubigen ist gezwungen, entweder die Kirche überhaupt nicht zu besuchen oder zu den Nachbarkirchen hinzufahren, denn im Gebetshaus von Klaipeda ist es im Sommer schwül, im Winter kann man sich nicht auf den schmutzigen Zementboden hinknien. Wegen Platzmangel gibt es keine Sitzbän­ke für ältere Menschen und solche von schwächlicher Gesundheit. Die zu Taufen und Trauungen kommen, sind oft gezwungen, sich draußen auf­zustellen, mit Säuglingen auf den Armen in dem kalten, feuchten Küstenwetter, und müssen warten, bis sie mit der Bedienung an die Reihe kommen. Zu klein sind auch die Behelfsräume.

Die an größeren Feiertagen versammelten Gläubigen können im Innern nicht alle unterkommen. Sie stehen auf dem kleinen Vorhof und sogar auf der Stra­ßenkreuzung. Die Jüngeren klettern auf die Zäune. Bei schlechtem Wetter keh­ren sie mißmutig nach Hause, ohne Gottesdienst. Diejenigen, die hineinkom­men, werden im Gedränge oft durch Verlust von Knöpfen geschädigt. Ohn­machtsanfälle kommen vor, die Kommunionbank wird durchbrochen, die die Gläubigen vom Altar trennt.

Ich meine, daß das alles die wichtigste Ursache ist, warum ein Teil der Gläubi­gen öfters Beschwerden schreibt und damit die Unzufriedenheit der hiesigen Mehrheit mit der kirchlichen und zivilen Obrigkeit ausdrückt.

gez. K. A. Vaičius

Verwalter der Diözese Telšiai und der Prälatur Klaipėda

Šakiai

Am 27. Dezember 1978 hat die stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomi­tees des Rayons Šakiai, Donata Noreikienė, die Priester des Rayons zum Exeku­tivkomitee eingeladen. Von 19 Priestern sind nur 6 erschienen, wovon die Stell­vertreterin sehr betroffen war.

Der Milizbeamte Žaleniakas hat den Priestern erzählt, daß die Straffälligkeit in Litauen zurückgeht — die Kriminalität und die Schwarzbrennerei von Schnaps sind verschwunden. Die Ursache aller derzeitigen Delikte — die Trunksucht. Schade, daß Žaleniakas nicht herausgestellt hat, wer an der jetzigen Trunksucht und täglich wachsenden Straffälligkeit schuld ist.

Das Fernbleiben der Priester des Dekanats Šakiai vom Rayon ist ein sehr gutes Beispiel für alle Priester Litauens, wie man ähnliche Begegnungen ignorieren muß.

Upninkai, Rayon Jonava

Am 25. August 1978 sind Verbrecher durch das Fenster in das Kirchlein von Upninkai eingestiegen und haben kleine Leuchter, Statuen von kleinen Engeln und ein kleines Kreuz gestohlen.

Deltuva, Rayon Ukmergė

In der Nacht vom 4. zum 5. November 1978 haben Diebe versucht, durch die Tür in die Kirche in Deltuva einzudringen, aber irgend jemand ist dazwischen­gekommen, und die Diebe sind geflohen.

Kėdainiai

Am 17. Oktober 1978 hat die Ortsregierung des Rayons Kėdainiai die Priester zusammengerufen und sie mit den »neuesten Instruktionen« bekannt gemacht. Nach dem Vortrag hat die Meinung der Mehrheit über diese »Instruktionen« der Pfarrer von Labūnava, Hochw. Steponas'Pilka, gesagt: — Das werden wir nicht machen! Uns selber eine Schlinge um den Hals legen wir nicht.

Videniškiai, Rayon Molėtai

Am 26. Oktober 1978 hat die stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees des Rayons Molėtai, Danutė Gančierienė, den Pfarrer von Videniškiai, Hochw.

Kan. Jonas Jonis, vorgeladen und ihn wegen seiner Predigten ausgeschimpft, besonders für die Predigt, die er am 1. Oktober 1978 am Patroziniumstag des Rosenkranzfestes in Alunta gehalten hat.

Außerdem hat sie vorgeworfen, daß in einigen Pfarreien die Kinder Katechis­musunterricht erhalten, bei der hl. Messe ministrieren, an den Prozessionen teil­nehmen, und zu den Patroziniumstagen werden Priester ohne Erlaubnis des Rayons eingeladen.

Auch der Pfarrer von Molėtai, Ignas Milašius, das Kirchenkomitee von Alunta und andere wurden vorgeladen, denen dieselben Vorwürfe gemacht wurden.

Plomenė, Rayon Kaišiadorys

Am 1. November 1978 hat auf dem Friedhof von Palomenė, auf dem fast nur die Gläubigen beerdigt sind, eine Trauerprozession stattgefunden. Obwohl die zivile Totenehrung nicht gestört wurde, hat man diese Prozession der Gläubigen als Gesetzesverletzung angesehen, und die Administrationskommission von Kaišiadorys hat den Pfarrer von Palomenė, Jonas Zubrus, mit einer Strafe von 50 Rubeln belegt.

Pfarrer Jonas Zubrus hat an das Volksgericht des Rayons Kaišiadorys eine Er­klärung geschrieben, mit der Forderung, die ungerecht verhängte Strafe zu an­nullieren. In der Erklärung wurden die von der Verfassung der UdSSR garan­tierten Rechte und Freiheiten aufgeführt, ebenso die internationalen Vereinba­rungen.

Ungeachtet dieser wichtigen Argumente hat das Volksgericht des Rayons Kai­šiadorys die dem Pfarrer Jonas Zubrus verhängte Strafe für gerecht erklärt.

Pajūralis, Rayon Šilalė

In der Nacht vom 19. zum 20. November wurden im Friedhof von Pajüralis über 50 Kreuze auf den Gräbern der Gläubigen umgestürzt. Traurig und nachdenklich haben die Gläubigen sich am Montagmorgen auf dem Friedhof versammelt, erstaunt über eine solch unerhörte Tat. Das ist eine neue überlegte Aktion der Atheisten, das ist die neue Methode der Atheisten, die Gläubigen zu beleidigen — durch Schändung der Toten.

Plungė

In der Nacht vom 12. zum 13. November 1978 haben gottlose Banditen auf dem alten Friedhof von Plungė etwa 30 alte Kreuze und Denkmäler vernichtet. Der Pfarrer hat das bei der Miliz gemeldet, die ist aber ohnmächtig, etwas zu tun.

In der letzten Zeit ist in Litauen eine neue Art des Banditismus aufgekommen — der ideologische Banditismus.

Upyna, Rayon Šilalė

Vom 11. zum 12. September 1978, bei dunkler und windstarker Nacht, sind Verbrecher durch das Fenster in die Kirche eingestiegen und haben das Allerhei-ligste mit dem Tabernakel — einem Panzerschrank — weggeholt. Bis jetzt fehlt jede Nachricht.

Der Pfarrer, Adolfas Pudžemys, hat am 15. Oktober einen Sühnegottesdienst veranstaltet. Sehr viele Menschen haben daran teilgenommen, besonders zahl­reich sind Jugendliche gekommen, die den Kreuzweg und den Rosenkranz gebe­tet haben. Pfarrer Alfonsas Svarinskas hat als Sühneopfer die hl. Messe gefeiert und eine entsprechende Predigt gehalten.

Die Menschen sind tief verletzt — die Gottlosen haben das geschändet, was je­dem Christenmenschen das Teuerste ist — das Allerheiligste Sakrament.

Viešvėnai, Rayon Telšiai

Auf Verlangen der Rayonregierung hat der Bevollmächtigte des Rates für reli­giöse Angelegenheiten, P. Anilionis, durch die Diözesankurie dem Kathedralvi­kar Jonas Kauneckas verboten, die Pfarrei Viešvėnai zu versorgen. Der Grund des Verbots wurde nicht angegeben. Offensichtlich mißfällt es der Rayonregie­rung, daß der Glockenturm renoviert, die Kirche neu angestrichen, das geist­liche Leben erwacht ist.

Den Lehrern der achtjährigen Schule von Viešvėnai gefällt nicht, daß ein Teil der gläubigen Schüler zur Kirche geht, bei der hl. Messe ministriert und an den Anbetungsstunden teilnimmt. Sie klagen, daß deshalb die atheistische Arbeit unmöglich wird.

In der Kirche von Viešvėnai zündet sonntags (der Gottesdienst findet hier nur sonntags statt) der Invalide des großen Vaterländischen Krieges, Savickis, die Kerzen an. Und das wird ihm als Verbrechen angerechnet — im Monat Oktober wurde er dreimal zum Kriegskommissariat in Telšiai vorgeladen, wo die Sicher­heitsbeamten auf ihn gewartet haben. Während des Verhörs hat man den Invali­den, dessen Gesundheitszustand schwach ist, mit verschiedensten Beschuldigun­gen, Fragen und Einschüchterungen so zugerichtet, daß er danach zu Hause mindestens drei Tage lang schwer krank war.

Šiauliai

Die Produktionsleiterin des Brot-Makkaroni-Kombinats in Šiauliai, Viera Ža-barovskaja, hat die Teigkneterin der Brötchenabteilung, Ieva Gintautienė, vor­geladen und ihr streng befohlen, unbedingt ihre Fotoaufnahme beizubringen, die für die Ehrentafel benötigt werde. Am 5. November hat man an Ieva Gin­tautienė ein Aktivistenabzeichen mit Büchlein und eine Prämie von 20 Rubeln ausgehändigt.

Am 10. November wurde Gintautienė wiederum von der Produktionsleiterin ge­rufen und ausgeschimpft, weil sie ihr viele Unannehmlichkeiten bereitet hätte: für die Ehrentafel hätte sie sich mit einem Kreuzlein am Hals fotografieren las­sen. Wegen dieser Fotoaufnahme wurde die Produktionsleiterin zum Parteiko­mitee des Rayons vorgeladen und dort schwer ausgeschimpft. I. Gintautienė hat ruhig erklärt, sie sei gläubig und verstehe nicht, was sie verbrochen hätte. Ihre Fotoaufnahme ist auf der Ehrentafel nicht erschienen.

Raseiniai

In der Nacht vom 5. bis 6. Mai 1978 wurde die Kirche von Raseiniai ausgeraubt. Den Dieb hat die Miliz gefaßt. Es ist Pocius Eduardas, Sohn des Paul, wohn­haft in Raseiniai, V.-Grybo-Straße 10. E. Pocius hat nicht nur die Kirche be­raubt, sondern auch zwei Kaufläden — einen in Raseiniai, den anderen in der Ukraine.

Der Dieb hat zwei Kulturwerte von besonderer Seltenheit gestohlen — vergolde­te Kronen von einem Bild, auf dem die heilige Jungfrau Maria mit dem Jesus­kind dargestellt wird.

Die Gläubigen waren erfreut, daß die verlorengegangenen Kostbarkeiten wie­dererlangt werden können. Leider ist die Wiedererlangung nicht geglückt. Der Untersuchungsrichter behauptet, er hätte die Untersuchung von Pocius nicht beenden können: dieser sei sofort von der medizinischen Kommission übernommen und als psychisch krank erklärt worden, und damit zugleich auch als unverantwortlich für seine Taten.

Warum sind die Ärzte zu dem Dieb so barmherzig, warum wurde der Abschluß der Untersuchung verhindert? Warum will man alles vertuschen? Nun, E. Po­cius ist ein Komsomolz.

Wenn der Angeklagte psychisch krank ist, wie konnte er denn die Mittelschule absolvieren, warum wurde er ins Komsomol aufgenommen? In dem Prozeß sind seine Gedanken klar, ja logisch. Er konnte zeigen, wie er die Vergehen be­gangen hat, und es sieht nicht danach aus, daß man ihn nicht bis zu Ende hätte vernehmen können.

In der Akte des Pocius über die Beraubung von Kaufläden sind mehrere Seiten vollgeschrieben, aber über die der Kirche — lediglich einige Sätze.

Die Begutachtung und den Prozeß hat man ein halbes Jahr lang verschleppt. In­teressant ist es, daß einige Wertgegenstände aus dem Kaufladen wiedererlangt wurden, die aus der Kirche nicht.

Die Eltern des Pocius sind zu den Juristen hin- und hergelaufen, anstatt daß sie der Kirche geholfen hätten, die Wertgegenstände zu finden, wenigstens zum Pfarrer gekommen wären.

Als das Prozeßergebnis bekannt wurde, wurde in der Nacht wieder das Fenster eingeworfen, durch das der Dieb hereingestiegen war.

Die Kirche von Raseiniai ist ein Kulturdenkmal, vom Staat registriert und ge­schützt. Auch das beraubte Bild wird vom Staat geschützt. In diesem Falle je­doch war der Staat um den Schutz des Komsomolzen-Diebes, nicht um den Schutz der Kulturwerte besorgt.

Die Gerichtsverhandlung des E. Pocius war geheim, und die Versammelten wurden nicht in das Gericht hereingelassen.

Die Umstände des Prozesses und die geheime Gerichtsverhandlung geben einen Grund zum Gedanken, daß hier Falschheit dahintersteckt. Man hat offenbar befürchtet, daß die unerwünschten Begleitumstände geklärt und die Namen der anderen Verbrecher aufgedeckt werden. Deshalb haben die Richterin Z. Andri-uskevičiūtė, die Beiräte A. Šaipokaitė, P. Batvinas und die Staatsanwältin V. Patrauskaite die Situation und die Ehre des Komsomol gerettet, indem sie den Eduardas Pocius zum Schizophreniker erklärt und ihn für eine Zeitlang in einem psychiatrischen Krankenhaus eingeschlossen haben.

Salos, Rayon Rokiškis

Die im gotischen Stil im vergangenen Jahrhundert erbaute Holzkirche von Salos wurde während des Ersten Weltkrieges schwer beschädigt und hatte bisher keine Kapitalrenovierung erhalten. Als Priester Petras Nykštus zum Pfarrer in Salos ernannt wurde, hat er sich um die Renovierung der Kirche zu kümmern begon­nen. Für die Arbeiten brauchte man Geld. Als die Pfarrkinder gebeten wurden, dieses Vorhaben zu unterstützen, setzte eine vielfältige Verleumdungskampagne ein. Die Atheisten der Gemeinde haben während der Renovierungsarbeiten der Kirche die Gläubigen, die dem Pfarrer zu Hilfe gekommen waren, auf verschie­denste Weise zu erpressen versucht. So haben sie z. B. den Fahrer, der gewagt hatte, Bretter für die Kirche zu holen, mit einer Geldstrafe belegt. An einem Sonntag, als der Pfarrer das Kirchenkomitee zur Beratung über die Kirchenre­novierung einberufen hatte, ist mit den Mitgliedern des Komitees zur Sakristei auch der Vater des Direktors des Technikums für Landwirtschaft Bagdonaviči­us, Mykolas Bagdonavičius, gekommen und hat vom Pfarrer verlangt, er sollte die Renovierungsarbeiten aufgeben.

Die Atheisten von Salos haben angefangen, erlogene Gerüchte in Umlauf zu bringen, in der Kirche von Salos sei eine Monstranz aus purem Gold gewesen, der Pfarrer aber habe diese für 30000 oder 50000 Rubel verkauft, und dafür würde er jetzt für sich ein Haus bauen, einen Wagen kaufen usw. Am 27. Oktober 1978 hat die Volkskontrolle der Gemeinde Salos das Kirchen­komitee einberufen und verlangt, den Pfarrer zu zwingen, die Monstranz zu zei­gen. Die Vorsitzende der Volkskontrolle der Gemeinde Salos, Baronienė, ist zu­sammen mit den Mitgliedern des Kirchenkomitees Gimbutis und Kaušakis zum Pfarrhaus gekommen. Der Pfarrer verlangte ein Schreiben, von wem sie ge­schickt seien. Baronienė sagte, sie wäre vom stellvertretenden Vorsitzenden des Rayons Rokiškis, Firo, angerufen worden, der ihr diese Überprüfung befohlen hätte. Als der Pfarrer zögerte, hat Baronienė gedroht: »Wenn du diese Über­prüfung nicht gestattest, dann wird der Sicherheitsdienst überprüfen.« Der Pfarrer erklärte, daß sie nur mit Erlaubnis des Bischofs die Monstranz überprü­fen könne. Der Prüferin hat der Pfarrer lediglich erlaubt, die Monstranz anzu­schauen, aber zum Berühren kam sie nicht.

Žalioji, Rayon Vilkaviškis

Die Gläubigen von Žalioji und Klausučiai wollten am Allerseelentag in christli­cher Weise ihre Toten ehren und hatten sich an den Pfarrer von Didvyžiai, An­tanas Lukošaitis, gewandt, mit der Bitte, in der Kapelle des Friedhofs die hl. Messe zu feiern. Die Pfarrangehörigen hatten für diesen Gottesdienst ein Zelt­gerüst vorbereitet, damit es bei Regenwetter nicht auf den Altar regne. An die­sem Trauergottesdienst haben viele Gläubige teilgenommen. Am 10. November 1978 wurde die Raumpflegerin der Kapelle von Slabadai, Z. Dvylaitytė, durch den stellvertretenden Vorsitzenden des Exekutivkomitees des Rayons Vilkaviškis, J. Urbonas, verhört. Er fragte nach allen möglichen Klei­nigkeiten: Wer hat auf dem Friedhof von Žalioji den kleinen Altar aufgebaut, wo hat sich der Priester angekleidet, wer hat ihn gefahren, woher hat man die Teppiche bekommen usw., als ob man da ein großes Verbrechen begangen hät­te. Nachdem man die Raumpflegerin lange ausgefragt hatte, hat man noch an­gefangen sie zu verhöhnen, bis sie die Geduld verloren hat und weggegangen ist.

Žalioji, Rayon Vilkaviškis

Als die Gläubigen der katholischen Pfarrei Žalioji in der für die Auslandslitauer bestimmten Zeitung Gimtasis kraštas (Geburtsland — v. 21. September 1978, Nr. 38) den Artikel Kovoje už taiką ir nusiginklavime (Im Kampf für Frieden und Abrüstung) gelesen und daraus erfahren hatten, daß in der Zeit eine Sitzung des Präsidiums der Katholiken Europas der Berliner Konferenz in Vilnius statt­findet, haben sie am 22. September Erklärungen an vier Teilnehmer abge­schickt: den Vizepräsidenten Prof. Dr. Viktoras Butkus, Rektor des Priesterse­minars in Kaunas, den Weihbischof Liudas Povilonis, den Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten Petras Anilionis und den stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrates der Litauischen SSR Algirdas Česnavičius. In den Erklärungen, die von 103 Gläubigen unterzeichnet waren, steht unter ande­rem geschrieben: »Wir haben viele Erklärungen geschrieben an die höchsten In­stanzen der sowjetischen Regierung mit mehreren Hunderten von Unterschrif­ten der Gläubigen, welche die Rechte auf ihre weggenommene Kirche wieder­erlangen wollen, aber alles war umsonst. Alle unsere Erklärungen sind im Pa­pierkorb des Stellvertreters des Exekutivkomitees des Rayons Vilkaviškis gelan­det. So sind wir immer wieder als rechtlose Sowjetbürger ausgegangen. Helft uns, das Recht auf unsere unter schweren Bedingungen der Nachkriegsjahre re­novierte Kirche wiederzubekommen, um dort nach getaner Arbeit ruhig zu be­ten. Widrigenfalls werden wir immer, wenn wir unsere Kirche sehen, die jetzt zu einer Mühle umfunktioniert ist, eine unheilbare Wunde der Glaubens- und Ge­wissensfreiheitsverletzung in uns tragen.«

Als die Erklärung geschrieben war, haben alle ungeduldig auf eine Antwort ge­wartet, in der Hoffnung, daß diesmal ihre Stimme vielleicht gehört wird, insbe­sondere deshalb, weil ein italienischer Teilnehmer dieser Sitzung, U. Zapulis, gesagt hat: »Ich möchte unterstreichen, daß die Lage der Katholiken in Sowjet­litauen sehr gut ist . . . und die Gläubigen alle Voraussetzungen haben, ihre Pflichten gut zu erfüllen.«

Als nach dem Schreiben der Erklärung anderthalb Monate vergangen waren und immer noch keine Antwort gekommen war, haben die Gläubigen am 14. Dezember 1978 beschlossen, selbst nach Vilnius hinzufahren und in dem Zen­tralkomitee der KP nach Wahrheit und Hilfe zu suchen. Die Hingefahrenen ha­ben im Zentralkomitee schwer einen finden können, der sie sich angehört hätte. Schließlich hat sie der Mitarbeiter des ZK der KP Kraujelis empfangen. Nach­dem er sich die Bitte der Gläubigen angehört hatte, erklärte er, daß er ihnen nicht helfen könne, und daß sie sich an den Bevollmächtigten des Rates für reli­giöse Angelegenheiten oder an das Präsidium des Obersten Rates wenden müß­ten. P. Anilionis hat den angereisten Gläubigen versprochen, alles zu unter­suchen und ihnen Nachricht zu geben.

Nach kurzer Zeit hat P. Anilionis ein Schreiben zugeschickt, in welchem den Gläubigen von Žalioji erklärt wird, daß ihre Kirche zu Recht geschlossen wurde und die Belange der Gläubigen von den Nachbarkirchen übernommen werden. Wie gut wäre es, wenn der Sitzungsteilnehmer des Präsidiums der Berliner Kon­ferenz, der Italiener U. Zapulis, in die Pfarrei Žalioji kommen und sehen könn­te, welche Rechte und Freiheiten die Katholiken in Wirklichkeit haben, wie man sie verhöhnt, und daß sie sich bei niemandem beklagen können; und wenn U. Zapulis nach Klaipėda hingefahren wäre und gesehen hätte, wie die Men­schen mit kleinen Kindern draußen beten, weil in der kleinen Kapelle kein Platz da ist, und die von ihnen selbst erbaute Kirche zur Philharmonie umfunktioniert ist.