Mordovia

Vladas Lapienis wird am 19. Oktober 1979 seine Strafzeit im Arbeitslager been­den. Dann wird er ins Exil gehen.

Kaunas

Die Sowjetregierung erlaubte 1979 20 Kandidaten den Eintritt in das Priestersemi­nar in Kaunas. Die Bewerber wurden so ausgewählt, daß sie ganz im Sinne des KGB arbeiten können. Mitte August erschien eine Anzeige, in der es hieß, daß die Regierung jungen Männern das theologische Studium gestatten würde. Zulassungen erhielten: Josifas Aškelovičius, Jonas Baltrušaitis, Henrikas Berno-tavičius, Modestas Čalkūnas, Medardas Čeponis, Antanas Garmus, Gintautas Jankauskas, Sigitas Jurčys, Petras Linkevičius, Juozas Marčiulionis, Lukian Ra-domskij, Jonas Sabaliauskas, Aurelijus Simonaitis, Jonas Skirelis, Stasys Stani-kūnas, Remigijus Šulinskas, Bronius Tamelis, Juozas Vertas, Vytautas Žvirdinas, Kazimieras Danyla.

Die Zulassung wurde folgenden durch den Bevollmächtigten des Rates für religiö­se Fragen und den KGB verwehrt:

1. Kazys Gražulis, Pfarrei Miroslavas, 2. Vytas Kaknevičius, Pfarrei Sangrūda, 3. Julius Sasnauskas, Pfarrei St. Michael, Vilnius, 4. Vladas Baliūnas, Pfarrei Pas­valys, 5. Gintas Gurskis, Pfarrei Vilkaviškis, 6. Algis Šaltis, Kaunas, 7. Saulius Kelpša, Pfarrei Garliava, 8. Aleksandras Hofmanas, Vilnius.

PS: Die Chronik hatte nur eine unvollständige Liste der abgelehnten Bewerber.

Kaunas

Am 18. April 1979 sandte das Katholische Komitee für die Verteidigung der Rech­te der Gläubigen ein Schreiben an die UNESCO, in dem die Ausschreitungen ge­genüber katholischen Kindern in der Litauischen SSR angeprangert wurden (s. Chronik Nr. 38). Das Schreiben enthielt Unterschriften von 128 Personen, unter ihnen folgende Priester: J. Alesius, F. Baliūnas, J. Babonas, V. Radzevičius, L. Vaičiulionis, B. Gimžauskas, J. Vaicekauskas, Z. Grinevičius, S. Kadys, J. Povi­laitis, P. Bubnys, A. Ylius, P. Mitkutis, K. Daknevičius, R. Mizaras, wie einem Mitglied der Helsinki-Gruppe O. Lukauskaitė-Poškienė, und den Gläubigen: J. Petkevičius, J. Petkevičienė, A. Bružaitė, A. Andreika, S. Andreikienė, G. Stanelytė, G. Bružaitė, R. Vaitkutė, M. Jurevičius u. a.

Truskava, Rayon Kėdainiai

Der ehemalige Pfarrer von Salos, Pater Petras Nykštas, wurde bei seiner Arbeit ständig von den örtlichen Atheisten behindert. Beschwerden und Verleumdungen wurden gegen ihn erhoben. Dieses Jahr versetzte man ihn in die Pfarrei Truskava, wo weder Kirche noch Pfarrhaus existieren. Die Kirche brannte im letzten Krieg ab. Den Katholiken steht dort ein Raum im ehemaligen Krankenhaus zur Verfü­gung, Tür an Tür mit nichtgläubigen Familien.

Viele Gläubige versammelten sich zum Willkommensgruß und streuten Blumen. Sie demonstrierten somit ihre Zugehörigkeit zu den Priestern, die der Kirche loyal gegenüberstehen. Bedauerlich ist nur, daß die meisten Ordinariate solche Priester nicht verteidigen.

 

Pociūnėliai, Rayon Radviliškis

Pfarrer A. Kokūbauskas erhielt eine Vorladung zum litauischen Staatssicherheits­komitee des Rayons Radviliškis für den 12. Juli 1979 um 11.00 Uhr.

Der Pfarrer antwortete schriftlich und nannte die Gründe für sein Nichterschei­nen:

1.     In der Vorladung hätte keine Begründung gestanden.

2.     Vorschläge oder Forderungen müßten direkt vom Bevollmächtigten des Rates für religiöse Fragen kommen, und das auch noch über den Bischof.

3.     Wichtige Verordnungen müßten schriftlich erfolgen mit einer ebenfalls schrift­lichen Antwort.

Am 17. Juli 1979 erfolgte eine erneute schriftliche Vorladung. Es wurde darin an­gedroht, ihn mit Gewalt zu der Behörde zu bringen. Pfarrer Jokūbauskas teilte erneut schriftlich mit, daß er aus den in seinem ersten Brief genannten Gründen nicht kommen würde und wies im übrigen darauf hin, daß Willkür und Gewalt mit Stalins Tod geendet hätten.

Am 3. August 1979 brachte die Miliz den Pfarrer gewaltsam zur Sicherheitspolizei nach Radviliškis. Der Chef der Sicherheitspolizei, Astrauskas, beschuldigte den Pfarrer, die sowjetische Ordnung beschmutzt, das Gesetz übertreten, sowjetische Angestellte beleidigt und Leute gezwungen zu haben, den antisowjetischen Sender Radio Vatikan zu hören.

Der Priester erklärte, sich immer an die Gesetze gehalten zu haben. Er forderte nur deshalb die Gläubigen auf, Radio Vatikan zu hören, weil es sonst keine Quel­le für religiöse Nachrichten gäbe, auch sei es das offizielle Publikationsorgan des Papstes. Er würde nur solche Gesetze nicht beachten, die den Gesetzen Gottes und der Helsinki-Schlußakte entgegenstehen. Die »Erziehung« des Priesters dauerte neun Stunden lang.

 

Druskininkai

Die Kriminalität in den litauischen Städten ist erschreckend angestiegen. In dem Erholungsort Druskininkai hob die Polizei einen Diebesring aus, der Büros und Geschäfte bestohlen hatte, in Privathäuser eingebrochen war usw. Anfang Okto­ber 1978 brachen die Diebe in die russisch-orthodoxe Kirche in Druskininkai ein, stahlen Gefäße, die während des Gottesdienstes gebraucht werden, und Kreuze und einige wertvolle Gemälde, die sich in der Kirche befanden. Grob geschätzt be­trug der Schaden zweitausend Rubel.

In der Nacht zum 28. Oktober 1978 stiegen die Diebe durch ein Fenster in die Kir­che von Ratnyčia ein, brachen die Tür zur Sakristei auf, durchwühlten alles. Sie suchten augenscheinlich Geld und Kirchengefäße. Aus der Sakristei nahmen sie zwei Kelche mit Patenen, einen Kommunionkelch, ein blaues neues Meßgewand, eine neue Stola und anderes mit. In der Kirche brachen sie den Tabernakel auf und stahlen den Kommunionkelch mit den geweihten Hostien, die sie dann in der ganzen Kirche zerstreuten. Sie brachen auch den Opferstock auf. Ohne die Ent­weihung des Sakramentes mitzurechnen, erlitt die Kirche in Ratnyčia einen Scha­den von über 1500 Rubel. Bei der Untersuchung wurde der Schaden dann nur auf 350 Rubel festgesetzt. Wahrscheinlich, um die Schuld der Diebe zu mindern. In der Nacht zum 4. Januar 1979 brachen dieselben Diebe die Tür des ehemaligen Konventes in Liškiava auf, zerbrachen Schlösser, beschädigten die Flurtür der Kirche sowie die Sakristeitür und zertrümmerten die Kirchentür. Sie durchsuchten die Sakristei, warfen alles durcheinander auf der Suche nach Geld und Wertge­genständen. Sie nahmen einen wertvollen Kelch und eine Patene mit. In der Kir­che brachen sie auch noch den Opferstock auf.

Die Polizei in Druskininkai ergriff die Diebe. Es handelte sich um Turinas, Man-kelevičius und Bugelskis. Die Gerichtsverhandlung fand vom 6.—13. Juli in Druskininkai statt. Der 22 Jahre alte Turinas, bei dem ein Revolver und ein zer­legbares Gewehr gefunden wurde, erhielt eine Gefängnisstrafe von sechs Jahren. Mankelevičius erhielt dreieinhalb Jahre Gefängnis und Bugelskis, dessen Anwalt nachwies, er habe nur bei sechs Einbrüchen mitgemacht, wurde freigesprochen mit fünf Jahren Bewährungsfrist. Bei Gruppenkriminalität und schweren Einbrü­chen sieht die Rechtsprechung eine Gefängnisstrafe von fünf bis fünfzehn Jahren vor. Nach offiziellen Schätzungen hatten diese Diebe Diebstähle im Gesamtwert von über 28000 Rubel begangen.

 

Telšiai

Am 26. September 1979 gab der Pfarrer der Gemeinde Alsėdžiai folgenden Be­richt an die Diözesankurie in Telšiai ab: »Ich möchte die Diözesankurie in Telšiai davon in Kenntnis setzen, daß in der Nacht zum 23. September dieses Jahres un­bekannte Einbrecher in die Kirche von Alsėdžiai eingedrungen sind. Sie stiegen durch ein Fenster ein und hinterließen die Kirche in einem katastrophalen Zu­stand. Die Tabernakel an sieben Altären wurden aufgebrochen und verwüstet. Der Tabernakel des Hauptaltars war aufgebrochen und die Hostien ringsum ver­streut. Das Ziborium wurde gestohlen. Zwei massive Engelsfiguren mit dreiarmi-gen Kandelabern in ihren Händen wurden ebenfalls vom Altar entwendet. Am Antonius-Altar war der Tabernakel zertrümmert und das Reliquiar mit einer Reli­quie des hl. Antonius geraubt. Der Tabernakel des Bartholomäus-Altars war zer­brochen und zwei verzierte Leuchter gestohlen. Der Tabernakel des Altars des heiligen Kreuzes war aufgebrochen, und verschiedene Votivgaben sind herunter­gerissen oder gestohlen. An den Altären der hl. Anna, hl. Barbara und am Tauf­altar sind die Tabernakel beschädigt. Lediglich der Altar des hl. Kazimir blieb un­angetastet, was der Blumendekoration zu verdanken ist, die den Altar verstellte. Bemerkenswert ist ferner, daß zwei Opferstöcke, die in der Nähe des Altars für je­den sichtbar stehen, völlig unberührt blieben. Naheliegend ist die Schlußfolge­rung, daß die Diebe nicht am Geld interessiert waren, sondern lediglich an der Entweihung und Plünderung der Kirche. Auf dem Kirchplatz fand man am näch­sten Tag überall menschliche Exkremente und Erbrochenes. Bis um 3.00 Uhr früh konnte man um das Kulturzentrum von Alsėdžiai lauten Krach hören. Es ist dort auch der Ort, wo sich gewöhnlich allerhand Gesindel herumtreibt . . .«

 

Kapčiamiestis, Rayon Lazdijai

Am 5. August 1979 schrieben der Pfarrer von Kapčiamiestis, Pater Ignas Pliorai-tis, und 38 Gläubige an das Kultusministerium der Litauischen SSR einen Brief, in welchem sie sich darüber beschwerten, daß in der Nacht zum 26. Juni dieses Jah­res unbekannte Rowdies zwei wertvolle Grabmäler aus dem 19. Jahrhundert auf dem alten Friedhof beschädigt hätten. Sie gaben ihre Besorgnis zum Ausdruck, daß ähnliches mit dem letzten Grabmal auch passieren könnte. Es handelt sich dabei um das Grab von E. Plioterytė, der im Jahre 1831 an dem Aufstand teilge­nommen hatte. Sie baten außerdem, daß Trinkereien vom Friedhof ferngehalten würden, denn direkt daneben befindet sich ein Restaurant. Auch möchten die zwei Grabsteine repariert werden.

Der Vorsitzende Vanagas des Lazdijai Rayons Exekutivkomitees antwortete dar­aufhin, daß es Aufgabe des örtlichen Komitees sei, die demolierten Kreuze wieder an ihren Standort zu setzen und die Überwachung und Instandhaltung alter Fried­höfe zu besorgen. Es stand ebenfalls da: »Wir wehren uns gegen unbegründete Behauptungen, die darauf hinauslaufen, Atheisten irgendwelche Schuld zuzu­schreiben.«

 

Smalvos, Rayon Zarasai

Am 11. Juli 1979 machte der Distriktsvorsitzende von Smalvos, L. Kazlauskas, Versuche, das Kreuz von der Pfarrhausmauer entfernen zu lassen. In einem Teil des Gebäudes hat die Distriktverwaltung eigene Räume. Pfarrer Marijonas Sa-vickas wurde zum Exekutivkomitee des Rayons Zarasai bestellt und erhielt die Auflage, das Kreuz innerhalb von drei Tagen zu entfernen. Die Gemeinde von Smalvos appellierte daraufhin an die Sowjetregierung und bat, das ganze Gebäu­de wieder vollständig der Gemeinde zur Verfügung zu stellen. Es gehöre sowieso von Rechts wegen der Pfarrei vom Smalvos. Das Gesuch wurde von 81 Gläubigen unterzeichnet.

 

Šiauliai

Der KGB hat seit kurzem eine verstärkte Kampagne von Erpressungen, Verleum­dungen und Einschüchterungen gegen verschiedene ehemalige politische Gefange­ne gestartet.

Nachstehende Einwohner von Šiauliai wurden mehrfach verhört: Lehrerin Jadvy­ga Kaušienė, Vytautas Ališauskas, bei »Vairas« beschäftigt, der Arzt Vincas Fili-pavičius und andere. Mit den verschiedensten psychologischen Druckmitteln ver­suchte der KGB, von ihnen »tendenziöse« Informationen von folgenden Einwoh­nern zu erhalten: Mečislovas Jurevičius, Balys Galdikas, Jadvyga und Jonas Pet­kevičius. Letztere Familie hat aus irgendwelchen Gründen das besondere Interesse der Sicherheitspolizei hervorgerufen. Sie müssen sich ständig gegen Verleumdun­gen und Drohungen zur Wehr setzen.

Der KGB bereitet offensichtlich etwas für diese armen Opfer vor.

Šiauliai

Am 24. August 1979 holte die Miliz Mečislovas Jurevičius zum Verhör. Er wurde von Oberstleutnant Vasiliauskas verhört. Der Sicherheitsagent wollte von ihm wissen, wer den Marsch von Meškuičiai zum Kreuzberg organisiert hätte. »Wir wissen, daß Sie für den 26. August einen Marsch nach Šiluva organisieren«, sagte der Leiter der Sicherheitspolizei.

»Ich kann es Ihnen sagen«, antwortete Jurevičius: »Es ist Christus.«

 

Utena

Am 5. Juli 1979 sprach Fräulein Daktaraitytė in der Halle des Kulturzentrums in Utena. Sie ist Abgeordnete des Ausschusses für die Erhaltung der Bauwerke in der Litauischen SSR und des Zentrums der Gesellschaft für kulturelles Erbe. Sie sprach anläßlich der Eröffnung eines Forschungsprojektes mit dem Ziel, Unterla­gen über die Sprache zu sammeln. Sie empfahl, weder das Material noch die Dienste der Kulturministerien in Anspruch zu nehmen.

 

Pasvalys

Am 28. Juni 1979 sollte Vladas Majauskas aus Paberžiai beerdigt werden. Sein Sohn Petras Majauskas bat den Vorsitzenden des Kombinates 8. März, Stasys Ži­donis, ob er einen Bus für die Beerdigung haben könnte. Die Antwort war: »Für die Kirche gebe ich keinen Bus.« Die Entfernung von Paberžiai nach Pasvalys be­trägt fünf Kilometer. Er hielt sein Wort.

 

Kaunas

Liudas Simutis erhielt von der Miliz die Erlaubnis, in der Stadt Kaunas zu woh­nen. Noch vor kurzem befahl ihm dieselbe Behörde, Litauen zu verlassen.