Der Priester Leonas Šapoka wurde in der Nacht des 8. Oktober 1980 im Pfarrhaus von Luokė ermordet. Erst als die Presse der freien Welt dieses sadistische Vergehen weitgehend zu kommentieren begann, wurde am 15. August 1981 in der »Tiesa« (»Die Wahrheit«) ein Artikel von Vytautas Žeimantas (Spez. Korrespondent des KGB) veröffentlicht: »Die Mörder sind gefaßt.«

Am 2., 3., 4. und 7. Dezember 1981 fand im Saal der Fabrik »Mastys« in Telšiai die Gerichtsverhandlung gegen die Mörder des Priesters Leonas Šapoka statt. Der große Saal konnte nicht alle fassen, die der Gerichtsver­handlung beiwohnen wollten, deswegen verfolgten viele die Verhandlung über Lautsprecher in der Vorhalle. Die Sicherheitsbeamten aus Vilnius be­obachteten aufmerksam die Menge; an Miliz fehlte es ebenfalls nicht. Den Vorsitz hatte der Richter des Obersten Gerichts der LSSR Jukna, Staats­anwalt — Mackevičius, die Verteidiger — Šidlauskienė, Jankauskas und Aleksandravičius.

An einem Tag wurde die Gerichtsverhandlung gefilmt. Die Verbrecher — Jonas Sabaliauskas, geb. 1955, Agronom; Danielius Mockevičius, geb. 1962, Kommjugendlicher, Verwalter der Veterinärstation in Raseiniai; Adomas Lukšas, 30 Jahre alt, ein typischer Dieb. Sabaliauskas und Lukšas standen nicht zum ersten Mal vor Gericht. Der Staatsanwalt Mackevičius erhob in seiner Rede die Frage: »Was führte sie auf die Anklagebank, warum haben sie einen Menschen so grausam ermor­det?« Eine Antwort darauf fand er aber nicht. Er verlangte für Jonas Sa­baliauskas die Todesstrafe und für die zwei anderen — je 15 Jahre Freiheits­entzug.

Das diese Verhandlung beobachtende Publikum gewann den Eindruck, daß hier nicht diese drei Verbrecher, sondern die Gottlosigkeit verurteilt wird, die, wenn jungen Herzen Gott entrissen wird, einen Leerraum dort zurück­läßt, Menschen zu Bestien macht.

Im Verlauf des Prozesses sind einige Umstände klargeworden, die die so­wjetische Presse verschwiegen hat. Und zwar, daß die Initiatoren dieses sadistischen Verbrechens — der Tierarzt Preibys und der Tierarzt Zigmas Mockevičius sauber herausblieben, die schwere Strafe aber fiel auf die zweit­rangigen Figuren — auf die Ausführer der Tat.

Der Priester Leonas Šapoka unterstützte den Tierarzt Preibys, der ein Wai­senkind war, beim Studium, ferner eine Wohnung zu bekommen und ein Auto zu erwerben. Der Dank dafür war folgender: Preibys erzählte seinen Vettern Zigmas (Mitglied der Kommunistischen Partei, Schwarzhändler mit Arzneien und Autos) und Danielius, daß der Priester Šapoka viel Geld Habe, ängstlich sei und deswegen, wenn man ihm etwas Angst machen würde, werde er von selbst das Geld hergeben. Preibys fuhr mit beiden Vettern zu dem Priester Šapoka hin, wo die Verbrecher sich mit den Räumlichkeiten des Pfarrhauses gründlich bekannt machten. Vor dem Gericht verleumdete Preibys den Priester Šapoka, daß er das Zölibat nicht eingehalten habe, sich selbst aber verteidigte er, daß er den Verbrechern nur so viel über den Pfarrer erzählt habe, daß der sehr freigebig sei. Preibys blieb also nur Zeuge.

Zigmas Mockevičius hat den ganzen Uberfall auf Priester L. Šapoka organi­siert, am Schluß aber verweigerte er die Teilnahme, deswegen wurde an seiner Stelle Adomas Lukšas dazu eingeladen. Nach dem Verbrechen verkaufte Zigmas Mockevičius sein Auto (in dem Sommer hatte er schon drei verkauft) und legte sich in ein psychiatrisches Krankenhaus... deswegen blieb er »unanklagbar«.

Die Verbrecher stellten einen genauen Uberfallplan auf das Pfarrhaus her und, nachdem sie eine Flasche Schnaps ausgetrunken hatten, gingen sie ans Werk. Sabaliauskas überfiel den Pfarrer. Unter der Folter zeigte der Pfarrer, wo das Kirchengeld aufbewahrt ist — 578 Rubel landeten in den Händen der Sadisten. Die Folterungen dauerten einige Stunden lang — der Richter be­hauptete, daß 83 Schläge versetzt wurden. Die Expertise ergab: eine Rippe gebrochen, drei Brandwunden am Körper, 50 Schläge auf den Körper, eine Wunde durch Messerschnitt am Hals, 6 — 7 Halswirbel gebrochen, erwürgt. Da das Geld des Pfarrers bei der Sparkasse deponiert war, konnten es sich die Verbrecher nicht aneignen.

Die Verteidiger sprachen, daß die Angeklagten keine Erziehung bekommen hätten, deswegen seien sie hinter Gittern gelandet.

Keiner der Angeklagten hat um Gnade gebeten, und am letzten Tag waren sie in bester Stimmung, als ob sie irgendwas von mildernden Umständen gehört hätten.

Die Mutter des zum Tode verurteilten Sabaliauskas erzählte dem Publikum, daß ihr Sohn recht gut gewesen sei, nur ein Unglück, daß er mit Zigmas Mockevičius bekannt wurde, der ihn in das Verbrechen hineingezogen hat. Den Gerichtsbeschluß nahm das Publikum mit stürmischem Applaus entgegen. »Was wird das aber helfen?!« sagten die anderen. »Auf diese Weise kann man ganz Litauen erschießen. Man muß die bankrottgegangene atheisti­sche Erziehung ändern, die das Volk lahmgeschlagen hat.«

Die reine Wahrheit über die Ermordung des Priesters Leonas Šapoka fand das Gericht nicht und wird sie mit Sicherheit auch niemals finden. Noch während diese Gerichtsverhandlung andauerte, wurde in Vilnius bereits das Mitglied der Helsinki-Gruppe, der Priester Bronius Laurinavičius, ermordet. Auch seine wahren Mörder werden im Dunkeln bleiben.

LITAUER, VERGISS ES NICHT!

Sergej Kowaliow, Julius Sasnauskas, Balys Gajauskas, Anastazas Janulis, Viktoras Petkus, Vytautas Skuodis, Mečislovas Jurevičius, Petras Paulaitis, Vytautas Vaičiūnas, Algirdas Statkevičius, Povilas Pečeliūnas, Antanas Terleckas, Gintautas Ješmantas, Genė Navickaitė und andere tragen die Ketten der Unfreiheit, damit du frei leben und glauben darfst.!