An den ersten Sekretär des ZK der KP Litauens Petras Griškevičius

Erklärung

des Priesters Kastytis-Jonas Matulionis, Sohn des Leonas, wohnhaft in Vilnius, Gorkio 17-6.

Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Exekutivkomitees Rayon Vilkaviškis, Urbonas, ist am 17. Februar d. J. nach Kybartai gekommen. Er verlangte, daß der Stellvertreter des Vorsitzenden des Kirchenkomitees von Kybartai, Kostas Abraitis, ein Schreiben unterzeichnen soll. In ihm wird verlangt, daß mir in der Kirche zu Kybartai das priesterliche Amt auszuüben nicht erlaubt sei. Denn ich sei kein Priester, habe das Priesterseminar nicht ab­geschlossen ... der Bischof kenne einen solchen Priester nicht, und daß nur der Pfarrer Sigitas Tamkevičius mich eingeladen habe usw. Unter die­sem Schreiben unterschrieb der Stellvertreter des Vorsitzenden des Kirchen­komitees von Kybartai nicht, weil nicht die Mitglieder des Kirchenkomitees und nicht die Beamten der Regierung über das Priestertum entscheiden, sondern die geistliche Obrigkeit. Während seines Aufenthaltes in Kybartai berührte mich der Stellvertreter in seinen Vorträgen vor einigen Organisa­tionen, indem er mich verleumdete und einen Hochstapler (litauisch: apsišaukėlis) nannte.

Wer ist ein Hochstapler?

Im Wörterbuch der derzeitigen litauischen Sprache (»Mintis«, V., 1972, Seite 34) wird ein apsišaukėlis so beschrieben:

1.     wer sich für jemanden anderen ausgibt, unberechtigt irgendeinen Titel oder fremden Namen sich aneignet;

2.     wer sich mit irgendwas in Verruf bringt, sich herausstreicht, sich rühmt. Alles, was in der Beschreibung genannt wird, paßt nicht zu mir, denn ich habe weder einen Titel, noch fremden Namen mir angeeignet; ich habe weder geprahlt, noch mich gerühmt. Diese Arbeit erledigt der Stellvertreter des Vorsitzenden des Exekutivkomitees J. Urbonas selbst.

Nach seinen Reden ließ J. Urbonas dem Vorsitzenden des Exekutivkomitees ein Schreiben zurück, mit dem ich in seinem Kabinett bekannt gemacht wurde. Dort schreibt man, daß ich kein Priesterseminar abgeschlossen habe, ... be­sitze keine Arbeitsbescheinigung, .. . habe kein Recht, das priesterliche Amt auszuüben, ... verrichte keine der Öffentlichkeit nützliche Arbeit, ... des­wegen werde ich nach gültigen Gesetzen bestraft.

Auf diesen ungerechten Angriff antworte ich folgendes:

1.     Ich bin ein Priester, ich habe das Priesterseminar im Fernunterricht ab­geschlossen und die Priesterweihe bekommen, — deswegen habe ich das Recht, alle Priestern zugehörigen Pflichten zu erfüllen.

2.     In der Sowjetunion ist die Kirche vom Staat getrennt, und deswegen muß alle die Religion betreffenden Fragen die kirchliche Führung Litauens ent­scheiden und regeln. In diesem Falle wurde auch so gehandelt.

Ich bin schon seit einiger Zeit Priester; ich gehe allen einem Priester zuge­hörigen Pflichten nach, und der, der die Macht hat, es zu erlauben oder es zu verbieten, — hat weder untersagt, noch widerrufen. In Litauen gibt es eine Kirchenprovinz, ihr stehen die Bischöfe vor, also ihnen, als rechtmäßiger Priester, gehöre ich zu. Nicht der J. Urbonas oder andere Personen entscheiden über mein Priestertum, sondern die Kirche. Wegen der Arbeitsbescheinigung erkläre ich folgendes: Nach dem Krieg besaß sie keiner der Priester Litauens. Als die Regierung die Bescheinigung für notwendig gehalten hat, stellten die Regierungsbehörden sie aus. Ähnlich ist es auch in meinem Fall: Wenn die Arbeitsbescheinigung notwendig ist, soll die dafür zuständige Behörde sie mir ausstellen und die Frage wird gelöst. Wozu braucht man und wem wird Verleumdung, Drohung und Auf­wiegelung der Gläubigen nützen? Er beschuldigt mich — ich verrichte keine nützliche Arbeit! Ich arbeite nicht unter den Atheisten, sondern unter Gläu­bigen. Die Gläubigen, wie Sie wissen, Genosse Sekretär, bilden in Litauen die Mehrheit. Ich verrichte eine sehr nützliche Arbeit. Ich bin ein Priester! Das Priestertum wird mir niemand nehmen können, und wo ich nur sein werde, — werde ich die einem Priester zugehörige Arbeit verrichten.

In Litauen besteht ein Priesterseminar im Fernkurs. Den Ansporn zur Ent­stehung gab die jetzige Zeit. Nicht alle werden in das Priesterseminar zu Kaunas aufgenommen, die dort lernen möchten. Deswegen, solange der Sicherheitsdienst entscheiden wird über die Eignung der Kandidaten für das Priesterseminar und sie aussieben wird, solange wird auch das Priester­seminar im Fernkurs bestehen. Wo sollen die Jugendlichen lernen, die Priester werden wollen, wenn sie in das Priesterseminar zu Kaunas nicht aufgenommen werden?!

Die einzige Antwort darauf und ein realer Weg — das Priesterseminar im Fernkurs. Ein ähnliches Priesterseminar besuchte auch unser Papst Johannes Paul II. Ich bin ein Priester! Ob das der J. Urbonas und ihm ähnliche wollen oder nicht — das ist eine vollendete Tatsache. — Ich bitte mich nicht mehr zu diskriminieren.

Ich habe genug Diskriminierung in der Vergangenheit erlebt: Im Jahre 1959 wurde ich wegen des Singens in der Kirche von Valakbūdis des Konserva­toriums verwiesen. Im Jahre 1974 wurde es befohlen, mich aus dem Amt des Leiters — Direktors der Bildergalerie zu entlassen; im Jahre 1977 aus der wissenschaftlichen Bibliothek der Universität zu Vilnius, wo ich als Künstler arbeitete.

Anschließend versah ich das Amt eines Sakristans; ich habe gelernt und bin Priester geworden.

Verehrter Sekretär, ermahnen Sie die dazu zuständigen Behörden, damit ich nicht mehr diskriminiert werde; wenn es nötig ist, daß ich bei den Re­gierungsbehörden als Priester registriert werden soll, sollen die Behörden es tun, d. h. registrieren und den Registrierschein an folgende Adresse schicken:

232001 Vilnius, Gorkio 17-6 Priester K. Matulionis

Am 28. 2. 1982        Unterschrift Priester Matulionis

 

An den ersten Sekretär des ZK der KP Litauens P. Griškevičius

Klageschrift

der Gläubigen der Pfarrei Kybartai

Uns, die Gläubigen der Pfarrei Kybartai, versetzte in Erstaunen und er­schütterte die Nachricht, daß das Exekutivkomitee des Rayons Vilkaviškis den uns schön betreuenden Priester Kastytis-Jonas Matulionis aus unserer Kirche hinausjagen will. Der Rayonbeamte wollte den Leuten beweisen, daß der uns betreuende Priester nicht echt ist und, daß er keine Regierungser­laubnis besitzt, das priesterliche Amt auszuüben.

Bei der Gelegenheit erklären wir: Da in der Sowjetunion die Kirche vom Staat getrennt ist, eignet es sich nicht den Regierungsbeamten, zu entscheiden, welcher Priester echt und welcher unecht ist. Andererseits, wenn, ungeachtet der Trennung der Kirche vom Staat, trotzdem eine Erlaubnis der Regierung notwendig ist, damit ein Priester sein Amt ausüben darf, dann bitten wir, befehlen Sie, als Oberhaupt der Partei, den zuständigen Regierungsbehörden die notwendige Erlaubnis für Priester Kastytis-Jonas Matulionis auszustel­len. Dieser Priester ist für unsere Pfarrei sehr notwendig und wir werden nicht erlauben, ihn aus Kybartai wegzujagen.

Den 28. Februar 1982        Unterzeichnet von 1033 Einwohnern

von Kybartai

 

Am 30. März 1981 wurde der Priester Kastytis-Jonas Matulionis, wohnhaft in Vilnius, Gorkio 17-6, einige Male dringend in die Staatsanwaltschaft der Republik zum Stellvertreter des Staatsanwaltes Bakučionis vorgeladen. Anfang Juli 1981 erstattete dem Priester Kastytis-Jonas Matulionis ein Be­amter der Miliz einen Besuch mit einem Schreiben der Miliz des Rayons Vilkaviškis, in dem gebeten wird, zu überprüfen, ob der genannte Priester angemeldet ist und unter der angegebenen Adresse wohnt, wo er arbeitet, ob er an Gott glaubt und anderes. Da der Milizmann den Priester nicht zu­hause antraf, befragte er einen dort wohnenden Verwandten. Beim Weg­gehen ließ er eine Vorladung zurück, daß der Priester Kastytis-Jonas Ma­tulionis am 16. —17. Juli um 8.30 Uhr in die Milizabteilung, die sich in der Dzeržinskio Straße befindet, kommen soll.

Am 18. März 1982 fand Priester Kastytis-Jonas Matulionis in seinem Brief­kasten in Vilnius, Gorkio 17-6 eine Aufforderung, am 18. März 1982 um 10 Uhr bei dem Stellvertreter des Staatsanwaltes Rayon Vilkaviškis, P. Bo-gušauskas, vorstellig zu werden.

In keinem dieser Fälle ist Priester Matulionis zu den Regierungsbehörden hingegangen, weil er kein Vergehen begangen hatte. Alle diese Vorladungen hatten nur den einen Zweck — einen Priester, der die Priesterweihe ohne Erlaubnis der Regierung empfangen hatte, zu nötigen.