Kaunas

Im Mai 1982 fand in Moskau eine Konferenz der Vertreter aller Religionen der Welt zur Frage des Friedens statt. Der Bevollmächtigte des RfR Litauens schickte zu dieser Konferenz den Bischof Liudvikas Povilonis, den General­vikar Mgr. Liudvikas Mažonavičius und den Rektor des Priesterseminars Dr. Viktoras Butkus. Die Gläubigen und Priester Litauens stimmen nicht zu, daß die Geistlichen an solchen Konferenzen teilnehmen sollten, weil die von Moskau vorbereiteten »Konferenzen zur Verteidigung des Friedens« nur eine Heuchelei von Anfang bis Ende ist. Jene Geistlichen, die sich der Gewalt beugen, sollten wenigstens nicht im Namen der Gläubigen und der Priester reden, sondern nur im eigenen Namen.

Die Teilnehmer der von den Sowjets vorbereiteten Veranstaltungen »zur Verteidigung des Friedens« sollten den Gedanken des Hl. Vaters Johannes Paul II. nicht vergessen: »Wenn man den Frieden will, dann ist es notwendig, die Freiheit und die Rechte des Menschen zu achten!« Die gläubigen Men­schen würden ihren Oberhirten dankbar sein, wenn sie bei den Konferenzen »zur Verteidigung des Friedens« die Rechtlosigkeit und die erfahrenen Be­nachteiligungen der Katholischen Kirche in Litauen an die Öffentlichkeit brächten.

Die im Jahre 1981 nach Litauen gekommenen Bischöfe Deutschlands haben gesagt: »Keiner von uns nimmt an der Friedenskonferenz in Berlin teil. Ihr aber dient der Propaganda, die vom Frieden schreit, euch aber unterdrückt.« Die Katholiken Litauens verstehen überhaupt nicht die Geistlichen der westlichen Welt, die sich von Moskau an der Nase herumführen lassen. Man kann noch verstehen, daß Geistliche gezwungenermaßen zu diesem Spek­takel »zur Verteidigung des Friedens« fahren. Wie kann man aber jene recht­fertigen, die freiwillig hinfahren — sie verteidigen weder die Rechte der Gläubigen, noch erweisen sie dem wahren Frieden einen Dienst.

Vilnius

Am Abend des 11. März 1982 fand in der Kirche St. Nikolaus zu Vilnius ein Gottesdienst für Abstinenz statt. Zahlreiche Priester aus der Provinz nahmen daran teil, die Kirche war mit Gläubigen vollgepfropft. Eine Gruppe von Priestern feierte die hl. Messe in Konzelebration. Der Pfarrer von Val­kininkai, Algimantas Keina und der Pfarrer von Šeduva, Bronislovas Anta­naitis, hielten inhaltvolle Predigten.

Kurz danach wurde der Pfarrer der Kirche St. Nikolaus, Juozas Tunaitis, in das Exekutivkomitee des Rayons der Stadt Vilnius gerufen. Er mußte sich dort schriftlich rechtfertigen, warum eine derartige »Veranstaltung« ohne Erlaubnis in der Kirche stattgefunden habe.

Kybartai

Als der Priester Jonas-Kastytis Matulionis öffentlich seinen Dienst in der Kirche von Kybartai zu versehen begann, begann der Sicherheitsdienst die Leute anzuwerben, damit sie den Priester bespitzeln, wo er wohnt, wie oft er in seiner Wohnung in Vilnius anwesend ist. Die Rayonbeamten von Vilka­viškis schrieben ihm drohende Briefe.

Im Frühjahr 1982 wurde an den Staatsanwalt der Stadt Vilnius eine anonyme Beschwerde geschrieben (bestimmt eine Tat des Sicherheitsdienstes!), daß der Bürger Jonas Matulionis, wohnhaft in Vilnius, Gorkio 17-6, nirgends arbeitet, schmarotzt-vagabundiert, nicht ständig in seiner Wohnung wohnt, nur selten zurückkommt, randaliert usw. Die verleumderische anonyme Be­schwerde schickte der Staatsanwalt an die Miliz von Vilnius. Die Miliz lud den Priester Jonas Matulionis zur Stellungnahme. Zweimal ist der Priester Jonas Matulionis zur Miliz hingegangen.

Am 25. März 1982 teilte der Untersuchungsrichter Žerebeckis dem Priester J. Matulionis mit, daß man ihm auf Grund einer eingegangenen anonymen Beschwerde, wenn er nicht in seiner Wohnung in Vilnius wohnt, die Woh­nung wegnehmen will. Der Untersuchungsrichter Žerebeckis weigerte sich, die anonyme Beschwerde zu zeigen. Den Untersuchungsrichter interessierte, wo Priester J. K. Matulionis gearbeitet hat, wo er jetzt arbeitet, welches Prie­sterseminar er abgeschlossen hat, wo sich das geheime Priesterseminar be­findet, wann er die Priesterweihe bekommen hat usw. Priester J. Matu­lionis erklärte, daß die anonyme Beschwerde verleumderisch ist, daß er in Vilnius gewohnt hat und auch jetzt noch wohnt, nur an Sonntagen helfe er als Priester dem Pfarrer von Kybartai, Sigitas Tamkevičius aus. Dann drohte der Untersuchungsrichter, daß der Priester J. Matulionis noch öfters in seinem Amt werde erscheinen müssen.

Am 28. Februar 1982 schickte Priester J. Matulionis eine Erklärung an den ersten Sekretär des ZK der KPL, Petras Griškevičius ab, in der er verlangte, den verantwortlichen Mitarbeitern des Rayons Vilkaviškis und der Stadt Vilnius die gegen ihn betriebene Verfolgung und Verleumdung zu verbieten und einen Priesterausweis auszustellen (siehe »Chronik der LKK« Nr. 52).

Am 6. Mai 1982 lud der Bevollmächtigte des RfR Anilionis den Priester J. Matulionis wegen des an den Sekretär des ZK der KPL geschriebenen Briefes zu sich.

Priester J. Matulionis fuhr an dem angegebenen Tag zum Amt des Bevoll­mächtigten des RfR hin. Mit ihm sprach der Stellvertreter des Bevollmäch­tigten Juozėnas. Zu Beginn des Gesprächs erklärte Juozėnas, daß es eine schriftliche Antwort auf die Erklärung nicht geben wird, er werde alles mündlich erklären. Der Stellvertreter des Bevollmächtigten des RfR erklärte, daß er das geheime Priesterseminar und die Erklärung der Gläubigen von Kybartai und ihre Unterschriften nicht anerkenne. Deswegen werde er ihm auch keinen Priesterausweis ausstellen. Er erinnerte daran, daß Priester J. Matulionis in der Vergangenheit verurteilt gewesen ist und daß die an Griškevičius adressierte Erklärung in der »Chronik« abgedruckt worden ist.

Als der Priester J. Matulionis sagte, daß er ein Zeugnis des Pfarrers von Kybartai, Sigitas Tamkevičius besitze, das bezeugt, daß er ein richtiger Priester ist, erklärte Juozėnas nervös:

»Wir erkennen weder die Zeugnisse von Tamkevičius, noch von Svarinskas an!«

Sind sie denn keine Priester?«, fragte Priester J. Matulionis, »die meisten Priester Litauens können bezeugen, daß ich ein Priester bin. Wenn Sie kein Zeugnis brauchen, um so besser. Machen Sie einmal Schluß mit dieser Kampagne gegen mich, befehlen Sie den Untergebenen des Rayons, sie sollen mit der Verleumdung aufhören«, verlangte Priester J. Matulionis.

»Die Mitarbeiter des Rayons gehen ihren Pflichten gewissenhaft nach und wir werden ihnen nichts sagen. Ihnen aber werden wir kein Zeugnis aus­stellen und Ihr Priestertum erkennen wir nicht an«, wiederholte Jeozėnas am Schluß der Unterredung.

Am 10. Mai 1982 war Priester J. Matulionis wiederholt zu dem Untersu­chungsrichter Krikštoponis vorgeladen. Diesmal zeigte Priester J. Matulionis ein Zeugnis des Pfarrers von Kybartai Sigitas Tamkevičius vor, daß er wirklich ein Priester ist und dem Pfarrer von Kybartai aushilft. Der Unter­suchungsrichter Krikštoponis behielt eine Abschrift des Zeugnisses, notierte sich aus dem Arbeitsbüchlein die letzte Arbeitsstelle des Priesters J. Ma­tulionis auf und aus dem Strafzeugnis — zu wieviel Jahren er verurteilt war (3 Jahre auf Bewährung). Der Untersuchungsrichter erkundigte sich, ob Priester J. Matulionis nicht beim Sicherheitsdienst vorgeladen gewesen ist.

Als der Priester J. Matulionis fragte, was man mit ihm weiter vorhat, ant­wortete Krikštoponis, daß es nach einem Monat eine strenge Verwarnung geben kann und nach vier Monaten einen Prozeß. Auf die Frage, ob man einen Priester verurteilen kann, wenn er seine Pflichten erfüllt, antwortete der Untersuchungsrichter nicht.

Žalpiai (Rayon Kelmė)

Am 30. November 1981 belegte die Administrativkommission des Exekutiv­komitees von Rayon Kelmė den Pfarrer der Pfarrei Žalpiai, Juozapas Raz-mantas, mit einer Strafe von 50 Rubel, weil er am Vorabend von Aller­seelen mit den Pfarrangehörigen auf dem Friedhof gemeinsam für die Ver­storbenen gebetet hatte.

Am 2. Februar 1982 wandte sich der Pfarrer Juozapas Razmantas wegen der unberechtigten Bestrafung an den Staatsanwalt des Rayon Kelmė. Am 15. Februar 1982 antwortete der Staatsanwalt P. Simanas, daß die Strafe berechtigt zugesprochen wurde. Denn der Pfarrer der Pfarrei Žalpiai, Juozapas Razmantas und die Gläubigen sind am Vorabend von Allerseelen zum Friedhof hingegangen und haben dort gebetet. Sie verletzten damit den Artikel 50 des Statutes der religiösen Gemeinschaften, bestätigt vom Prä­sidium des Obersten Rates der LSSR am 28. 7. 1976. Die Gerichtsvollzieherin des Rayonvolksgerichts von Kelmė, Irena Saka­lauskienė, konfiszierte am 11. Februar 1982 das Rundfunkgerät des Pfarrers J. Razmantas, weil sie kein anderes Vermögen bei ihm gefunden hatte.

Vilnius

Nijolė Sadūnaitė und ihr Bruder J. Sadūnas werden gehindert, ihre Verbin­dungen mit ihren im Ausland lebenden Verwandten und Freunden aufrecht­zuerhalten. Auch weiterhin werden an Nijolė Sadūnaitė und an Jonas Sa­dünas aus dem Ausland, sogar von den nächsten Verwandten wie vom Onkel, der in Chicago lebt, abgeschickte Briefe und Geschenke beschlag­nahmt. Vom 10. bis 14. Dezember 1981 haben N. Sadūnaitė und J. Sadūnas 26 eingeschriebene Briefe mit Gratulationen zu Weihnachten und Neujahr an ihre Verwandten und Freunde nach 18 ausländischen Staaten verschickt. Nur 5 Briefe haben die Adressaten erreicht.

Adakavas (Rayon Tauragė)

Im Herbst 1981 haben die gläubigen Eltern aus Adakavas an den ersten Sekretär der KP Litauens Griškevičius eine Klageschrift geschrieben. In der Klageschrift wurde darauf hingewiesen, daß die Direktorin der Achtjahre­schule zu Adakavas, Žąsytienė verschiedenartig die Kinder verspottet, die die Kirche besuchen.

Als die »Chronik der LKK« in der Nr. 50 diese Nachricht veröffentlicht hat, sind sofort alle Tschekisten von Tauragė in Bewegung geraten. Am 16. März sind zwei Tschekisten nach Adakavas gekommen, um die Eltern Jonas Griškus, Jadvyga Giedraitienė und Marijona Lauraitienė, die unter der Klageschrift unterschrieben haben, zu verhören.

»Woher hat die >Chronik< erfahren, daß Sie eine Klageschrift geschrieben haben? Wer hat sie geschrieben? An wen noch, außer an Griškevičius, hat man sie geschickt? Sie dürfen ruhig nicht nur an Griškevičius, sondern auch nach Moskau schreiben. Nur in die >Chronik( darf das nicht hineinkommen.« Als sie gefragt wurden, wer sie sind, sagten die Tschekisten ihren Namen nicht. Sie erklärten nur, daß sie vom Sicherheitsdienst aus Tauragė kommen. Sie drohten den Unterzeichnern, daß man sie wegen verleumderischer Kla­geschriften hinter Gitter bringen werde. Als die Eltern gesagt haben, daß die Klageschrift richtig sei, daß die Žasytienė wirklich die Kinder terrorisiert, schrien die Tscheksten die Eltern an. »Stillschweigen! Das geht euch nichts an!

Erst am Abend, nachdem sie den Eltern noch gedroht haben: »Wir werden uns noch wiedersehen!« sind die Tschekisten weggefahren.

Rokiškis

Der Organist von Rokiškis, Vytautas Grigaliūnas, wurde am 18. März 1982 in das Rayonexekutivkomitee von Rokiškis vorgeladen. »Man darf nicht die Kinder Kirchenlieder singen lehren. Das verbieten geheime sowjetische Ge­setze«, fiel der Stellvertreter des Vorsitzenden des Exekutivkomitees Firas den Organisten an.

Nach der Unterhaltung mit V. Grigaliūnas rief der Stellvertreter Firas den Pfarrer der Pfarrei, den Dekan Povilas Ciuckis telefonisch an und verlangte, er soll den Kindern verbieten, in der Kirche zu singen; widrigenfalls würde er ihn streng bestrafen.

Panoteriai (Rayon Jonava)

Am 2. Februar 1982 wurden in das Kulturhaus des Städtchens Panoteriai etwa 50 Personen eingeladen, unter ihnen das Pfarrkomitee der Pfarrei Panoteriai. Den Pfarrer Vytautas Pesliakas lud man nicht ein. Während dieser Versammlung sprach Neimantienė, die Stellvertreterin des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees von Jonava. Nach einer kurzen Einführung begann sie das am 28. Juli 1976 herausgegebene Statut der reli­giösen Gemeinschaften zu erklären: Wem das Vermögen der Gemeinschaft gehört..., wie man mit dem Geld der Gemeinschaft umgehen soll.. ., daß der Priester kein Recht hat, die Kinder in Glaubenwahrheiten zu unterrich­ten..., daß man die Klagen über die »Vergehen« des Priesters an das Exekutivkomitee oder an die Ortsverwaltung richten soll. .. Schließlich sagte sie, daß in dem Kirchenkomitee von Panoteriai einige Mitglieder feh­len und daß man sie gleich an Ort und Stelle wählen müsse. Außerdem müsse man einen neuen Vertrag unterzeichnen und eine Liste des kirchlichen In­ventars aufstellen.

Auf dem Präsidiumstisch lagen schon die Formulare für die neuen Verträge zum Unterzeichnen, die Liste der Mitglieder des Komitees und das Statut der religiösen Gemeinschaften.

Im Saal entstand ein Lärm. Die Versammelten waren entsetzt über die Rede der Stellvertreterin des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees, Neiman-tenė. Sie kritisierten, stritten miteinander, widersprachen einer dem anderen: »Wir haben doch gespendet, die Spenden gehören uns, die erworbenen Sa­chen gehören uns! . .. Was wollt ihr von der Kirche? Solange die Menschen noch in die Kirche gegangen sind, herrschte noch Ordnung, jetzt aber sind sämtliche Ordnungen von den Säufern zerstört; man hat schon Angst, auf die Straße hinauszugehen!... Welche Mitglieder fehlen im Komitee: der Sa-kristan, der Organist, oder noch ein anderer?! Wahrhaftig eine Maskerade!« usw.

»Wer hat Ihnen das Recht gegeben, mich aus der Zahl der Mitglieder des Kirchenkomitees zu streichen?« — erkundigte sich der Pfarrer Vytautas Pesliakas.

»Ihre Anwesenheit im Komitee ist unerwünscht« — antwortete die Stellver­treterin Neimantienė, — »Sie dürfen kein Mitglied des Komitees sein.« »Warum darf ich kein Mitglied des Komitees sein? Ist mir vielleicht die li­tauische Staatsangehörigkeit aberkannt worden? Oder ist vielleicht mein Per­sonalausweis nicht sowjetisch?« — versuchte der Pfarrer weiter zu klären. Der Pfarrer V. Pesliakas sagte, daß das Statut der religiösen Gemeinschaften verfassungswidrig ist, daß gegen dieses Statut sich beinahe alle Priester und zwei Bischöfe Litauens ausgesprochen haben.

Die Frage der Auflistung des kirchlichen Inventars angehend, unterstrich der Priester, daß für das materielle Vermögen der Kirche nur der Pfarrer allein verantwortlich sei; er legt bei der Übernahme einer Pfarrei einen Eid vor Gott ab, daß er diese Verantwortung auf sich nimmt... Er erinnerte daran, daß in allen Kirchen dieser Gegend schon eingebrochen wurde und in die Kirche von Jonava schon zweimal — 1979 und 1981. In beiden letzten Fällen wurden die Einbrecher erwischt, ein Prozeß aber wurde gegen sie nicht eingeleitet.

Der Pfarrer V. Pesliakas hob die grobe Lüge der Rayonverwaltung und die offene Einmischung in die innere Ordnung der Kirche hervor. Vor einigen Jahren hat man in der Pfarrei Panoteriai auf Wunsch der Gläubigen ver­kündet, daß in der Oktav von Allerseelen an zwei Tagen die Gottesdienste am Tage abgehalten werden. Der Ortsvorsitzende protestierte dagegen: »Ich muß Ihnen mitteilen, daß die Rayonverwaltung nicht erlaubt, die Gottes­dienste am Tag abzuhalten!« Als der Pfarrer gefragt hat, warum diese Ver­sammlung auf solche betrügerische Weise zusammengerufen wurde (in der Einladung wurde hingewiesen, daß es eine Einwohnerversammlung sein wird), versuchte Neimantienė zu erklären, daß »eine Einwohnerversammlung oder eine Gläubigenversammlung ein und dasselbe ist«.

»Ihrer Meinung nach, also, so viele Einwohner die Sowjetunion hat, so viele

Gläubige sind es auch« — vergewisserte sich Pfarrer V. Pesliakas.

»Man muß den Vertrag unterzeichnen« — sagte die Stellvertreterin zum

Priester.

»Die Verträge sind einseitig und für die Gläubigen schädlich. Außerdem besteht noch ein Vertrag aus dem Jahr 1948« — widersetzte sich der Priester. »Die Personen, die jenen Vertrag unterzeichnet haben, sind vielleicht schon alle gestorben« — sagte Neimantienė — »deswegen gelten sie nicht mehr; man braucht neue.«

»Wenn das so ist, Stalin ist auch schon längst gestorben, und seine Taten wurden sogar verurteilt. Man verlangt aber trotzdem nicht, daß die Kolchos­bauern wieder neue Erklärungen schreiben sollten, daß sie ihre Felder, ihre Geräte und das Vieh dem Kolchos von neuem übergeben. Sie sind zu seiner Zeit Kolchosbauern geworden« — gab der Pfarrer nicht nach. Piiester V. Pesliakas legte in seinem Gespräch auseinander, wie hinterlistig solche Verträge in Deltuva, Pabaiskas, Vepriai abgeschlossen wurden. Die Einwohner von Deltuva wurden von den Mitarbeitern der Ortsverwaltung gefragt: »Habt ihr bei der Restaurierung der Kirche geholfen? Versprecht ihr, wieder zu helfen, wenn sie restauriert wird?« Wenn sie eine zusagende Antwort bekommen haben, dann befahlen sie den Leuten, zu unterschrei­ben ...

»Wollt ihr, daß die Kirchensteuern herabgesetzt werden? — haben sie die Gläubigen in Pabaiskas gefragt. — »Wenn ihr das wünscht, dann unter­schreibt.«

In Vepriai wurden die Säufer, die gekommen waren, um ihre »Tinte« (alko­holische Getränke) einzukaufen, gebeten, neben dem Kaufladen zu unter­schreiben. Erst nach einiger Zeit wurde es klar, daß auf solche Weise die neuen Verträge unterzeichnet wurden.

Die Einrichtung des Kirchenkomitees — das ist eine alte Praxis, — sagte Pfarrer V. Pesliakas. Es sind schon Jahrhunderte, seit dem die Kirchenko­mitees existieren. Sie dürfen aber nur als Helfer des Pfarrers arbeiten. Sie dürfen nicht allein, ohne den Pfarrer oder gegen den Pfarrer arbeiten. Widri­genfalls ziehen sie die Strafe der kirchlichen Exkommunikation auf sich. Denn wenn die Gläubigen einen Komiteevorsitzenden wählen würden, dann wäre ich gleichzeitig der Pfarrer und der Komiteevorsitzende. Daß eine Person auch mehrere Ämter innehaben kann, zeigt das Beispiel des L. Breschnew.

Die Leute waren verärgert über eine derartige Versammlung und gingen nach Hause, ohne das Ende abzuwarten.

Die Stellvertreterin des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees Neiman­tienė versprach dem Pfarrer der Pfarrei Panoteriai Vytautas Pesliakas, ihn zu einem separaten Gespräch in die Rayonverwaltung einzuladen.

Kapčiamiestis (Rayon Lazdijai)

Am 15. Februar 1982 war der Pfarrer von Kapčiamiestis, Ignas Plioraitis, zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees von Laz­dijai, L. Vanagas vorgeladen. Er machte ihm Vorwürfe, daß das Pfarrkomitee die Verträge nicht unterzeichnet hat, daß der 20er der Pfarrei noch nicht gebildet und das Inventar der Kirche noch nicht aufgenommen und nicht eingeschätzt ist. L. Vanagas beschuldigte den Pfarrer der Beeinträchtigung und las ihm irgendwelche Artikel vor, in denen es stehe, daß er wegen der Be­einträchtigung beim Abschließen der Verträge zur strafrechtlichen Verant­wortung gezogen werden könne.

Nachher ermahnte er den Pfarrer, daß die Kinder während der hl. Messe nicht ministrieren, an den Prozessionen nicht teilnehmen dürfen und ähn­liches. Das wird als Unterrichtung der Kinder betrachtet, was verboten sei. Die Regierung erlaubt den Religionsunterricht nur an den geistlichen Se­minaren.

Er verlangte, der Rayonverwaltung einen Bericht zu erstatten, wann und welche Wallfahrten stattfinden werden und welche Priester dazu eingeladen werden. Er befahl ihm, zum Jahresende einen Bericht über die finanzielle und religiöse Lage der Pfarrei zu erstatten. Er ermahnte ihn, daß es keinen Handel mit Rosenkränzen, Kreuzchen usw. am Kirchhof geben darf. Diese Gegenstände darf man nur in der Sakristei verkaufen. Weiter erklärte L. Vanagas, daß die Rayonverwaltung die Pfarrei Kapčia­miestis nur noch aus Mitleid existieren läßt. Denn es sei kein Vertrag abge­schlossen, es gebe keinen 20er. Zu jeder Zeit kann das Pfarrkomitee abge­setzt und die Kirche geschlossen werden.

Die Unterhaltung, bei der am meisten von L. Vanagas gesprochen wurde, dauerte eine Stunde.

Am 16. Februar 1982 ist L. Vanagas in die Ortsverwaltung von Kapčia­miestis gekommen. Dort wurden die Mitglieder des Pfarrkomitees wiederholt zusammengerufen. Eineinhalb Stunden lang trug L. Vanagas dasselbe vor, was er dem Pfarrer vorgetragen hatte. Nach diesem Gespräch erkundigt sich die Rayonverwaltung seit einigen Tagen beinahe jeden Tag bei den Verant­wortlichen der Ortsverwaltung:

»Seid ihr mit dem Pfarrkomitee schon einig geworden, an welchem Tag es möglich sein wird, das ganze Vermögen der Kirche aufzunehmen und einzuschätzen? Teilt es uns schnell mit!

Eine Mitteilung bekam die Rayonverwaltung immer noch nicht. Žalioji (Rayon Vilkaviškis)

Am 6. Oktober 1981 hat der Vorsitzende des Ortsrates von Juodupėnai, Albinas Pečiulis ein am Straßenrand im Wald von Žalioji aufgestelltes

Kreuz abgesägt. Beim Absägen des Kreuzes standen auch der Vorsitzende des Ortsrates von Klausučiai, Adomas Gudynas daneben und noch einige andere Personen.

Am Längsbalken des abgesägten Kreuzes stellten die Leute die abgesägten Teile des Kreuzes pyramidenförmig auf und schmückten es mit einer kunst­vollen metallenen Sonne. In dieser Lage blieb das Kreuz, von den Gläubigen mit Blumen geschmückt, bis zum Frühjahr stehen.

Ende März 1982, vor dem Besuch des Bevollmächtigten des RfR, P. Ani-lionis, in Vilkaviškis, wurde das Kreuz auseinandergerissen.

Žalioji (Rayon Vilkaviškis)

Im Februar 1982 haben die Gläubigen der Pfarrei Žalioji eine Erklärung an den Ministerrat der LSSR geschrieben. Sie verlangten, ihnen die in eine leerstehende Mühle umgewandelte Kirche zurückzugeben. Die Gläubigen von Žalioji beten schon seit fünf Jahren gemeinsam mit dem Priester auf dem Friedhof. Die Erklärung unterzeichneten 150 Gläubige. Einige Tage, bevor der Bevollmächtigte des RfR Anilionis nach Vilkaviškis kommen sollte (der Besuch von Anilionis im Rayon fand am 24. April 1982 statt), drangen der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomi­tees von Vilkaviškis, Juozas Urbonas, und der Vorsitzende des Ortsrates von Klausučiai, Adomas Gudynas, in die Wohnung von Bronius Micke­vičius ein.

Die Beamten fragten, soweit sie nur konnten, die Mitglieder der Familie aufdringlich mit der Absicht aus, zu erfahren, wer die Erklärung geschrieben habe. Als Bronius Mickevičius zugab, daß er die Erklärung geschrieben habe, zeigte Urbonas die Blätter einer Akte, die eine vom Bevollmächtigten Ani­lionis zugeschickte Antwort enthielt und fügte hinzu, daß die Kirche von Žalioji nicht zurückgegeben werde und daß es verboten sei, am Friedhof zu beten.

Kabeliai (Rayon Varėna)

Am 26. August 1981 ertrank in Kabeliai der 46 Jahre alte Arbeiter der Fischerei, der Teichwart Antanas Lukšys. Er ertrank in der Nacht beim Fischen im Auftrag der Leiter der Fischereiwirtschaft. Er fischte nachts, damit kein unbefugtes Auge sehen kann, wie das Fischlein zum Tisch der »Herrschaften« schwimmt. Der Verstorbene war ein Parteiangehöriger, aber gläubig. Er ging zu den Sakramenten, und deswegen wurde er mit religiösen Zeremonien beigesetzt. Und gerade hier begann seine Geschichte nach dem Tode.

In Kabeliai ist es schon zu einer schönen Sitte geworden: Bei der feierlichen Abschiednahme von den Verstorbenen haben die Vertreter der Leitung des

Gutes teilgenommen; der Trauerkondukt ist für eine Schweigeminute vor dem Geschäftsgebäude stehen geblieben; manchmal war auch ein Orchester dabei; am Grab erklangen ein paar herzliche Worte. Und so wurde es immer ge­halten, ohne Unterschied, ob der Verstorbene Parteiangehöriger war oder nicht.

Die Beisetzung von A. Lukšys war bescheidener. Die Leitung des Gutes nahm aus irgendwelchen Gründen nicht daran teil, obwohl der Verstorbene alle seine arbeitsfähigen Lebensjahre dem Gut hergegeben hat. Er war ein Fachmann für Mechanisierung, ein findiger Arbeiter, und später, als seine Gesundheit schlechter wurde, ging er als Teichwärter arbeiten. Bald nach seinem Tode errichteten die Arbeitskollegen des Verstorbenen am Rande des Teiches, wo das Lied seines Lebens abriß, ein schönes metal­lenes Kreuz.

Am 1. November 1981 fand eine bürgerliche Ehrung der Verstorbenen statt. Es wurden die in diesem und in vergangenen Jahren verstorbenen Arbeiter des Gutes genannt. A. Lukšys wurde jedoch nicht genannt. Haben sie ihn vielleicht vergessen?

Nach einigen Tagen bekam die Frau des Verstorbenen, Mutter von vier Kindern, einen schriftlichen Befehl des Ortsvorsitzenden von Marcinkonys. Das eigenwillig und ohne Erlaubnis auf dem Areal des Teiches aufgestellte Kreuz müsse entfernt werden — widrigenfalls werde es umgeworfen. Lukšienė gehorchte diesem Befehl nicht.

Am Abend des 12. März 1982 verschwand das Kreuz. .. Die »Helden«, die im Schutze der Dunkelheit diese »Heldentat« vollbracht haben, sind der Direktor des Gutes, Aigis Antulis, der Ortsvorsitzende Juozas Mortūnas, der Parteisekretär Vladas Mickevičius und der Leiter der Werkstätten, Sigitas Vasiliauskas gewesen.