Belorusskaja SSR (Weißrußland)

Pelesa (Rayon Voronovo, Gebiet Gardinas)

Im Jahre 1962 riß die Sowjetregierung den Turm der Kirche von Pelesa ab und funktionierte die Kirche selbst in ein Getreidelager um. Für diese lebensvolle Pfarrei der Litauer war das ein unaussprechlicher Schmerz und unheilbare Wunde, weil die Einwohner von Pelesa diese aus großen Steinen erbaute großartige Kirche mit eigenen Händen und auf eigene Kosten er­richtet hatten. Obwohl sie auch nicht mehr glaubten, daß die Regierung die Kirche zurückgeben könnte, versuchten die Einwohner von Pelesa trotzdem, sich an die höchsten Ämter zu wenden. Und hier ein seltenes Beispiel von Taubheit der Regierung:

Seit dem Jahre 1976 richteten die Einwohner von Pelesa nach Moskau und nach Minsk 33 Erklärungen. Das erste Mal unterzeichneten 20 Gläubige eine Erklärung an den Bevollmächtigten für Religionsangelegenheiten nach Minsk. Die zweite nach Moskau unterschrieben 600 Gläubige. Die Antwort war folgende: »Es ist nicht verboten, in den benachbarten Kirchen zu be­ten — Polnisch in Rodūnė (für die entferntesten Dörfer etwa 25 km) und Litauisch in Dubičiai (30 und noch mehr Kilometer entfernt). Auf die an­deren Erklärungen gab man etweder überhaupt keine Antwort oder wieder­holte die schon erwähnte Antwort.

1983 steht die Kirche als Lager leer. Im Zentrum von Pelesa und in Bolceske (Zentrum des Kolchoses) befinden sich große Lagerhäuser, in denen man bis zu einer Million Tonnen Getreide unterbringen kann. Diese Lager­häuser brachten sie nie voll. In die Kirche aber bringen sie nur ein paar Tonnen hinein, damit sie eine Ausrede haben. Zur Zeit (seit Anfang März) gibt es kein Getreide in der Kirche.

Im August 1982 kamen der Bevollmächtigte des Rates für Religionsange­legenheiten für Weißrußland, A. Kiziuk und der Stellvertreter des Vorsit­zenden des Rayonexekutivkomitees aus Voronovo, N. Kuzmič, in die Zen­trale des Kolchoses Bolceške. A. Kiziuk sprach zu den versammelten Men­schen, daß es keinen Wert habe, wegen der Rückgabe der Kirche nach Minsk zu fahren, denn er werde sie wirklich nicht zurückgeben. N. Kuzmič zeigte eine von den Einwohnern von Pelesa geschriebene Erklärung und griff die Leute an, daß darin die Tatsachen verdreht seien. Er verlangte von jedem, seine Unterschrift zu zeigen. Sehr mutig verhielten sich bei der Be­sprechung die Frauen Petronė Mindžiulienė, Marija Reginienė, Janė Va­liukevičienė, Marija Kruopienė. Die Frauen verlangten, man solle die Er­klärung durchgehend und laut vorlesen und nachweisen, was darin ungenau sei und was der Wirklichkeit nicht entspreche.

Dann beschuldigte Kuzmič Frau Marija Kruopienė, daß sie das Schreiben der Erklärungen organisiere, und daß sie während einer Versammlung in Pelesa vor ein paar Jahren einen Aufstand organisiert habe, wo alle Men­schen wütend die Regierungsvertreter angegriffen und die Kirche zurückzu­geben verlangt hätten.

Als die Besprechung zu Ende ging, versicherte der Vertreter des Vorsitzen­den des Rayonexekutivkomitees, N. Kuzmič, daß die Kirche von Pelesa der Regierung und nicht den Gläubigen gehöre, und daß, solange die Sowjet­union bestünde, die Gläubigen die Kirche nicht zurückbekommen würden. Nachdem es klar war, daß ihre Gesuche und Klagen, die sie an die Regie­rungsbehörden gerichtet hatten, keine Abhilfe schufen, richteten die Leute auf dem Friedhof von Pelesa vor dem Fest Allerheiligen 1982 ein kleines Kapellchen ein, wo sie sich am 29., 30. und 31. Oktober wie auch am 1. No­vember zum gemeinsamen Gebet versammelten. Am Fest Allerheiligen waren etwa 300 Leute dabei.

Da kein Priester anwesend war, beteten die Leute selber den Rosenkranz für die Verstorbenen; singend in einer Trauerprozession mit Kerzen beteten sie für alle Verstorbenen und für die Kämpfer dieses Landes, die auf diesem Friedhof beigesetzt sind und die für die Freiheit des Volkes und des Glau­bens ihr Leben gaben.

Wenn auch niemand in der Kapelle die Hl. Messe zelebriert hat, so war trotzdem ein schöner Altar hergerichtet. In der Kapelle wurden die Ver­storbenen aufgebahrt, einige wurden sogar aus Lyda hergebracht. Man mußte aber die Verstorbenen in der Kapelle zurücklassen und sah sich gezwungen, in irgendeine andere Kirche zur Hl. Messe zu fahren und für den Verstor­benen zu beten.

Leider befahl der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees, N. Kuzmič, der den Vorsitzenden des Zwanziger J. Kanevičius zu sich ge­laden hatte, die Kapelle abzureißen, eine Strafe von 50 Rubel zu bezahlen und zu sagen, wer den Bau der Kapelle organisiert habe. Nur nach wieder­holter Vorladung ins Rayon, hat J. Kanevičius die Kapelle abgerissen. A. Baisevičius und A. Stankevičius halfen dabei.

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Nach dem Krieg stand noch im Dorf Dubiniai neben der Wegkreuzung ein Denkmal des Vytautas, und in den Dörfern Pelesa und Dubiniai 16 schöne Kreuze. Im Jahre 1964 riß man das Denkmal und die Kreuze ab und ver­brannte sie in dem 5 km entfernten Wald.

An der Stelle, wo früher das Denkmal stand, stellte die Jugend 1982 eine kleine Sonne auf, als Andenken, daß alle Einwohner dieses Dorfes in ihren Herzen eine Sonne anzünden müssen, damit sie standhafte Hüter des Glau­bens und des Litauertums bleiben.

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Ab 1. September 1968 wurde die Lehrerin für litauische Sprache Ona Ba-barskytė aus dem Rayon Prienai in die Achtjahreschule von Pelesa ver­setzt. Bis zur Versetzung dieser Lehrerin arbeitete an der Stelle ein guter Lithuanist, Admundas Mažeikai, den die Abteilung für Bildungswesen ent­ließ, weil er »bei der Beurteilung durchfiel.«

Statt sich besser für den Unterricht vorzubereiten und ihre Arbeitsmethode zu verbessern, geht O. Babarskytė von Anwesen zu Anwesen und macht den hier ansässigen Litauern Schwierigkeiten, indem sie nachspioniert, zu wem Gäste aus Litauen kommen und wer diese Gäste seien, was sie tun usw. In der Schule aber können die Schüler der sechsten oder siebten Klasse nicht nur kein noch so kurzes litauisches Gedicht vortragen, sondern lesen auch nur mit Schwierigkeiten ein Büchlein mit leichtem Inhalt. Die Lehrerin O. Babarskytė wurde also mit Gewißheit nicht hergeschickt, um den Kindern die litauische Sprache zu lehren, sondern um mitzuhelfen, im Lande das Litauertum zu vernichten.

Berichtigung

In der Nummer 55 der »Chronik der LKK« war im Abschnitt »In der so­wjetischen Schule« eine kurze Nachricht untergebracht, daß auf Verlangen der Lehrerin O. Adomaitienė an der Grundschule zu Pakiršinys jene Schüler aufzustehen hatten, die die Kirche besuchen, und daß die ganze Klasse auf­gestanden sei.

Der Verfasser dieser Nachricht will berichtigen, daß nicht die ganze Klasse aufgestanden ist, sondern nur jene, die die Kirche besuchen.