Ablaßfeier in Šiluva

Das Fest Maria Geburt wird in vielen Pfarreien Litauens mit einer fest­lichen Ablaßfeier begangen, aber die berühmtesten Ablaßfeiern an diesem Feste finden in Šiluva und in Trakai statt.

An der Ablaßfeier dieses Jahres in Šiluva nahmen etwa 45 000 bis 50 000 Pilger aus Litauen und den benachbarten Republiken teil. Scharen von Gläubigen gingen an allen Tagen der Oktav auf den Knien um den Marien­altar in der Kapelle, beteten den Rosenkranz und flehten um den Schutz der Mutter Gottes für sich selbst und die verfolgte Kirche Litauens. Die Hl. Kommunion wurde den Gläubigen nicht nur in der Kirche und in der

Kapelle, sondern auch auf dem Kirchhof gereicht. Es wurden 40 000 Kom­munionen ausgeteilt.

Am Sonntag, dem 11. September (das ist der wichtigste Tag der Ablaßfeier) brachten die Bischöfe Liudvikas Povilonis und Romualdas Krikščiūnas das Hl. Meßopfer dar. Nach dem Gottesdienst bewegte sich eine Menge von Gläubigen, darunter nicht wenige Jugendliche, auf den Knien vom Haupt­altar aus um die Kirche und betete den Rosenkranz für die verhafteten Priester. Vor den Gläubigen gingen die Priester Vaclovas Stakėnas und Leonas Kalinauskas. In den zwei vergangenen Jahren führte der Priester A. Svarinskas solche Prozessionen an.

Am 13. September, also beim Gedenken an die Erscheinung der Mutter­gottes in Fatima, konzelebrierte Seine Exzellenz Bischof Julijonas Stepona­vičius zusammen mit 30 Priestern die feierliche Hl. Messe. Bei diesem Anlaß hielt Bischof J. Steponavičius eine eindrucksvolle Predigt.

Am 14. September wurde für die Nüchternheit des Volkes gebetet. An der konzelebrierten Hl. Messe beteiligten sich wieder etwa 30 Priester. Bei der Predigt des Priesters P. Puzaras ging es um die Bekämpfung des Alkoho­lismus.

Am 15. September, dem letzten Tag der Ablaßfeier, wurde nach dem Hoch­amt und einer feierlichen Prozession ein neuerrichtetes Denkmal-Kreuz am Grabe des Bischofs Labukas eingeweiht. Bischof Vincentas Sladkevičius vollzog die Weihe und hielt eine Predigt.

Am 12. September hielt der Pfarrer von Pociūnėliai, Priester Antanas Jo-kubauskas, in einer freien halben Stunde zwischen zwei Gottesdiensten von der Kanzel aus eine aktuelle Predigt in der Kirche, in der er auch die von den Tschekisten verfolgte Kirche Litauens erwähnte. Der Pfarrer von Šiluva aber wurde vom Sicherheitsdienst vernommen und gescholten, weil er den Priester A. Jokubauskas hatte reden lassen. Am 13. September wurde der Priester A. Jokubauskas mit Gewalt nach Radviliškis gebracht und dort einige Stunden lang vernommen. In seiner Wohnung in Pociūnėliai wurde eine Durchsuchung gemacht. Während der Durchsuchung wurden ein paar alte Nummern der Untergrundveröffentlichungen »Aušra« (»Die Morgen­röte«) und der »Chronik der LKK« gefunden und mitgenommen. Nachdem er nochmals eine freie Zwischenzeit gefunden hatte, sprach Priester A. Jo­kubauskas am 15. September wieder von der Kanzel zu den Gläubigen. Er erläuterte, mit welchen Mitteln die Atheisten in Litauen gegen den Glauben kämpfen, erzählte von der Vernehmung und von der von den Tschekisten durchgeführten Hausdurchsuchung.

Die zahlreiche und aktive Teilnahme der Gläubigen an der Ablaßfeier in Šiluva verursachte bei den Atheisten viel Unruhe und Sorge. Dem Bericht der Verkehrspolizei nach sind allein am Sonntag etwa viertausend Personen­autos zu der Ablaßfeier nach Šiluva gekommen. Den Taxifahrern im Rayon Raseiniai war untersagt, die Leute in Richtung Šiluva zu befördern. Am Omnibusbahnhof in Raseiniai warteten viele Gläubige auf den Omnibus nach Šiluva, zusätzliche Omnibusse setzte aber niemand ein. Šiluva selbst war voll von Milizmännern in Uniform, Sicherheitsbeamten und Spionen, die ständig die Pilger beobachteten.

Es gibt Meldungen, daß Gläubige aus Riga, die mit zwei gemieteten Om­nibussen gefahren sind, Šiluva nicht erreichen konnten. Sie wurden alle vernommen und nach Riga zurückgeschickt.

Eine kleine Gruppe von Gläubigen aus Kybartai (etwa 20 Personen) ging am 11. September, den Rosenkranz betend, zu Fuß von Tytuvėnai nach Šiluva. Als es bis nach Šiluva nur noch etwa 2 km weit war, setzten Miliz­männer sie mit Gewalt in einen Omnibus, brachten sie in die Milizabteilung von Raseiniai und notierten sich ihre Namen. Der Sicherheitsbeamte Kava­liauskas und der Stellvertreter des Milizvorstehers verlangten, sie sollten Rechtfertigungen schreiben. Die Gläubigen aber verweigerten dies mit der Begründung, daß sie kein Vergehen begangen hätten. Minderjährigen und Kindern, die ohne ihre Eltern dabei waren, drohte man an, sie dem Jugend­richter zu übergeben. Nachdem sie aber ohne Frühstück bis 14 Uhr ausge­halten hatten, liefen sie bei einer günstigen Gelegenheit weg.

Varduva

Als zwischen dem 2. und 10. Juli 1983 in Varduva die großen Ablaßfeiern von Žemaičių Kalvarija stattfanden, war es strengstens verboten, die Gläu­bigen der benachbarten Rayons, besonders aber die Jugend, von der Arbeit wegzulassen. An den arbeitsfreien Tagen wurden vor allem in den Arbeits­und Erholungslagern der Jugend besondere Pflichtveranstaltungen vorbe­reitet, so daß die Schüler an den Ablaßfeiertagen nicht einmal nach Hause gelassen wurden.

Die Teilnehmer der Prozessionen wurden diesmal von weitem mit Hilfe von Ferngläsern beobachtet oder von Sicherheitsbeamten, die sich unter die Menge der Gläubigen mischten. Dieses Jahr gab es zweitausend Kom­munizierende mehr als im vergangenen Jahr: Es wurden etwa 22 000 Hl. Kommunionen ausgeteilt. Am 6. Juli, dem sogenannten Priestermittwoch, nahmen an der Ablaßfeier etwa 150 Priester und eine große Menge von Gläubigen teil. Gemeinsam mit Bischof Antanas Vaičius konzelcbrierten 90 Priester die Hl. Messe in dem Anliegen, daß dem Volk die Kraft zur Enthaltung von Alkohol gewährt werden möge. Die Predigten während der Ablaßfeier durften die Priester nur nach einer von der Regierung bestätigten

Liste halten. Der Priester J. Pakalniškis nannte bei seiner Predigt den Namen des Priesters Alfonsas Svarinskas und mußte sich wegen dieses »Vergehens« vor dem Rayonexekutivkomitee von Plungė rechtfertigen. Der Berg der Mädchen wurde an allen Tagen der Ablaßfeier von den Regie­rungsbeamten eifrig bewacht.

Kėdainiai

Die Gläubigen der Pfarrei Kėdainiai hatten sich geeinigt, am Sonntag, dem 14. August, unter Rosenkranzgebet zu Fuß zu den Feierlichkeiten des Jubi­läumsjahres der Erlösung in Josvainiai (10 km entfernt) zu gehen. Der Pfarrer der Kirche von Kėdainiai, Priester Vaclovas Ramanauskas, kündigte im voraus von der Kanzel aus diesen Marsch an. Als die Rayonverwaltung von Kėdainiai davon erfuhr, befahl sie den örtlichen Priestern, sich nicht an diesem Marsch zu beteiligen, und den Gläubigen zu raten, mit Autos zur Ablaßfeier zu fahren, denn den Fußgängern könnten sich ihrer Meinung nach allerhand Unbefugte anschließen und »die Wallfahrt zu einer politi­schen Aktion umfunktionieren«.

Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees von Kė­dainiai, Juškevičius, und die Ortssekretärin von Josvainiai, Grūdienė, legten dem Pfarrer der Pfarrei Josvainiai, Priester L. Kalinauskas, eine Warnung zur Unterschrift vor, aus der hervorging, daß während der Ablaß­feier (am 14. August) keine Prozessionen außerhalb der Grenzen des Kirch­hofes gemacht werden dürften. Der Priester unterschrieb die Warnung nicht.

Trotz verschiedener vorangehender Einschüchterungen fand die Pilgerreise zu der Ablaßfeier des Jubiläumsjahres der Erlösung statt: die Gläubigen beteten laut den Rosenkranz und kamen, von Sicherheitsbeamten und Autos der Verkehrspolizei begleitet, zu Fuß in die Kirche von Josvainiai.

Kražiai (Rayon Kelmė)

Am 21. August 1983, dem Festtag des Hl. Rochus, wurde der 90. Wieder­kehr des blutigen Gemetzels von Kražiai gedacht, das die vom Zaren ge­schickten Kosaken veranstaltet hatten.

Zuerst wollte man diesen Gedenktag am 14. begehen, aber an diesem Tag war Kražiai voll von Beamten des Sicherheitsdienstes und der Miliz. Der Pfarrer von Kražiai war vor dieser Gedenkfeier gewarnt worden. Als der Pfarrer dazu sagte, daß es um »die Taten des Zaren geht, die wir alle ver­urteilen«, sagte der Sicherheitsbeamte, er solle sich nicht dumm stellen, denn »Du verstehst ja sehr gut, daß es gehüpft wie gesprungen ist, ob ich vom Zaren oder von der heutigen Regierung rede«.

Trotz aller Bemühungen des Sicherheitsdienstes fand die Gedenkfeier statt. Unter der Führung der Jugend gingen die Gläubigen die Kreuzwegstationen, um so die Opfer der Verteidiger der Kirche zu ehren.

Nach der Hl. Messe erinnerte der Priester J. Zdebskis mit einigen Worten an dieses grausame Geschehen, wo das Blut der Niederlitauer in Strömen floß, so daß das Flüßchen Kražantė rot gefärbt war.

Der Priester J. Zdebskis sprach davon, daß auch jetzt die Kirche verfolgt werde und daß man den Glauben vernichten wolle. Er gedachte der neuesten Märtyrer, der Priester A. Svarinskas und S. Tamkevičius, die Opfer für den Glauben und die Kirche seien. Anschließend ging das betende Volk auf den Knien um die Kirche auf dem Pflaster, das vor 90 Jahren mit dem Blut der Märtyrer getränkt war.

Zum Schluß der Gedenkfeier ließ die Jugend einen Kranz aus Eichen-blättem in das Flüßchen Kražantė hinunter.