Die Dekane und Vizedekane der Erzdiözese Kaunas und der Diözese Vilka­viškis waren am 7. Mai 1983 in die Kurie zu Kaunas eingeladen, um die Belehrung des Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten, Petras Anilionis, anzuhören. Die Rede des Bevollmächtigten drehte sich um die Erklärungen, die die Priester Litauens in den Monaten Juli bis Oktober der sowjetischen Regierung zugesandt hatten. Um die Erklärungen zu überprüfen, war im Februar ein verantwortlicher Beamter des Rates für Religionen aus Moskau nach Litauen gekommen. Hier hatte er Begegnungen und führte Gespräche mit den Bischöfen Litauens, besuchte das Priester­seminar und beauftragte P. Anilionis, darüber mit den Dekanen zu sprechen. Da die Forderungen der Erklärungen, die aus verschiedenen Diözesen Li­tauens zugeschickt worden waren, einander glichen, zog P. Anilionis die Folgerung und behauptete, daß sie eine zentrale Stelle inspiriert haben müsse. Zu Beginn der Versammlung zitierte der Bevollmächtigte den Ar­tikel 50 der sowjetischen Verfassung, wo es heißt, daß »den Bürgern der LSSR die Gewissensfreiheit garantiert wird, sich zu einer beliebigen oder zu keiner Religion zu bekennen, religiöse Kulthandlungen auszuüben oder atheistische Propaganda zu betreiben«. P. Anilionis drehte und wand sich, um zu beweisen, daß die Geistlichen und die Gläubigen schon allein des­wegen zu der atheistischen Propaganda der ideologischen Aktivisten schwei­gen müßten, weil ihnen ja gestattet ist, religiöse Kulte auszuüben, denn andernfalls würde, nach den Worten des Bevollmächtigten, ja bereits die Gewissensfreiheit der Atheisten verletzt. Jemand hat einmal gesagt: »Der Wolf darf das Schäfchen reißen, das gerissene Schäfchen aber darf nicht einmal schreien.« Nach demselben Prinzip handelt auch die »demokratisch­ste« Verfassung der Welt, die sowjetische Verfassung, die der atheistischen Propaganda die Freiheit garantiert und die Atheisten berechtigt, die Religion mit allen modernsten Mitteln zu zerstören, wogegen den Gläubigen, die die Mehrheit der Einwohner Litauens bilden, nur das Recht gelassen wurde, schweigend zu dulden.

P. Anilionis machte den versammelten Dekanen Vorwürfe wegen des Tones, in dem die Erklärung gehalten war und der seiner Meinung nach nicht paßte, weil er so hohe Aktivisten des ZK der KP beleidigen könnte, wie P. Griš­kevičius, Šepetys, und ihn selbst, den Bevollmächtigten des RfR. In seiner Rede wurde immer wieder wiederholt: »Provozieren Sie nicht! Bringen Sie keine Konflikte in die ganze Lage! Mit Gewalt werden Sie nichts erreichen!«

P. Anilionis war entsetzt über die in der »Chronik der LKK« (Nr. 54) ge­äußerte Ansicht, daß »Litauen Bischöfe braucht, die bereit sind, mit dem gläubigen Volk in die Gefängnisse, Lager und sogar in den Tod zu gehen, und nicht solche, die die »von unten begonnene geistige Wiedergeburt nur bremsen«. Die Erklärung des Priesterrates der Erzdiözese Vilnius an die Bischöfe vom 2. September 1982 nannte Anilionis den Ausbruch eines un­verschämt gewordenen Hasses, weil in der Erklärung behauptet wurde, daß »die Nachgiebigkeit der atheistischen Regierung gegenüber ein großes Un­recht für die Kirche ist«.

Weiter analysierte P. Anilionis den in den Erklärungen der Priester vor­kommenden Satz: »Wir haben kein Recht, die Verwaltung der Bistümer und der Pfarreien in die Hände der von der Zivilregierung gebildeten Ko­mitees zu übergeben.« Hier erklärte der Bevollmächtigte, daß in der sozia­listischen Ordnung die Kirche, ihr Eigentum, die Wertsachen der Kunst und der Kultur verstaatlicht seien; der Eigentümer sei also der Staat. Er setze die Bedingungen fest, unter denen die Gläubigen das Eigentum des Staates für die Kultbedürfnisse benützen dürften. Er zählte 14 Pfarreien der Erz­diözese Kaunas und 2 Pfarreien der Diözese Vilkaviškis auf, die zögern, Verträge mit dem Staat abzuschließen und drohte an, daß sie große Unan­nehmlichkeiten für sich heraufbeschwören könnten. Nachdem er in seiner Rede den Satz aus der Erklärung der Priester zitiert hatte: »Wir sind ver­pflichtet, durch Predigten und Katechisierung das Evangelium zu verkün­den«, griff Anilionis jene Kirchen an, in denen die aus ihrer Gefangenschaft zurückgekehrten politischen Gefangenen geehrt wurden und in denen ihnen erlaubt wurde, zu den Gläubigen zu sprechen. Der Bevollmächtigte erinnerte auch an den Paragraphen des Strafgesetzbuches, der darauf hinweist, daß es nur den Eltern erlaubt ist, ihre Kinder zu katechisieren. Er gab den Rat, sich den 1980 herausgegebenen Katechismus zu besorgen und daraus die Kinder vorzubereiten. »Wir sind nicht in Afrika oder Lateinamerika, wo die Menschen ungebildet sind, bei uns kann jeder lesen«, sagte der Bevoll­mächtigte, »der Priester darf nur die Kenntnisse des Kindes überprüfen und den Unwissenden zurückweisen«. Er erinnerte auch daran, daß in Litauen alljährlich etwa 50 000 Kinder zur ersten Beichte und zur Erstkommunion zugelassen werden. Er sagte nur nicht, wo sich die Eltern den Katechismus besorgen könnten, der vor drei Jahren herausgegeben und innerhalb von ein paar Wochen vergriffen war.

In der Erklärung der Priester wird gesagt, daß der Priester verpflichtet sei, die Sakramente nicht nur innerhalb der Grenzen der von ihm zu versorgen­den Pfarreien zu spenden, sondern, wenn es nötig ist, die Kranken und die Sterbenden an jedem Ort zu betreuen. Zu dieser Frage erklärte Anilionis, daß bei keiner Regierung der Priester für den ganzen Staat zuständig sei, sondern nur für ein begrenztes Territorium ernannt werde. Die Sterbenden dürfe man überall betreuen, behauptete Anilionis, unterstrich aber, daß es niemandem genehmigt werde, mit antisowjetischen Predigten in den Pfar­reien herumzufahren, in einer öffentlichen Versammlung zu reden und An­archie zu proklamieren (...)

Schon seit einigen Jahrzehnten leidet die Katholische Kirche Litauens schmerzlich unter der Einmischung der gottlosen Regierung in die Ange­legenheiten des Priesterseminars zu Kaunas. Deswegen ist es allen verständ­lich, wenn die Priester in ihrer Erklärung darum bitten, daß die von der Zivilregierung eingeführten Behinderungen abgebaut werden, und wenn die Forderung laut wird, das Limit der Kandidaten zu beseitigen und den Bi­schöfen die Aufnahme von Kandidaten in das Priesterseminar und die Berufung der Dozenten selber zu überlassen. Anilionis gab die Tatsache zu, daß es in Litauen an Priestern mangelt, und daß zu dieser Zeit 139 Pfarreien keinen eigenen Pfarrer haben, aber gleich darauf behauptete er dema­gogisch, daß das Limit unumgänglich sei, weil der Eintritt in alle Hoch­schulen und in Fachhochschulen begrenzt sei; deswegen sei es unangebracht, für das Priesterseminar allein eine Ausnahme zu machen. Er erinnerte dabei an die Erklärung des Stellvertreters des Vorsitzenden des Ministerrates der LSSR, wonach das Limit nicht erhöht wird, solange in der Republik ein Priesterseminar im Untergrund arbeitet. (Als ob es nicht selbstverständlich wäre, daß die Vorbereitung der Priester im Untergrund von selbst ver­schwinden würde, wenn das Limit aufgehoben wäre!)

In seiner Rede beschuldigte Anilionis die Pfarrer, daß sie solchen Jugend­lichen Empfehlungsschreiben für das Priesterseminar ausstellen, die durch ihre antisowjetische Tätigkeit schon bekannt geworden sind. (Als solche betrachtet der Bevollmächtigte alle Jugendliche, die es wagen, ihren Glauben öffentlich zu praktizieren, sich aktiv am kirchlichen Leben zu beteiligen und mit denen der Sicherheitsdienst keine gemeinsame Sprache finden kann).

P. Anilionis behauptete, daß seine Behörde die Priester und die Dozenten nicht bestimme; sie stelle nur die Anmeldungsbescheinigungen aus. Und gleich wieder beschuldigte er die Priester-Extremisten, diese würden sich überall hineinmischen und sogar die Bischöfe beeinflussen, daß diese die Priester nach ihrem Willen ernennen sollten, wo doch allen ganz klar sei, daß die Bischöfe ohne Zustimmung der Regierung keine Möglichkeit haben, einen Priester, nicht einmal den einfachsten Vikar, für eine Pfarrei zu ernennen noch irgendwohin zu versetzen.

Während der Versammlung machte P. Anilionis klar, daß es den Priestern verboten sei, die Pfarrkinder zu besuchen (Kaiende einholen). Er wies auf die Gründe des Verbotes hin:

1.     Es kommt vor, daß manchmal in derselben Wohnung mit den Mitgliedern einer gläubigen Familie auch Ungläubige wohnen; dann ist es nötig, die Gewissensfreiheit der Ungläubigen zu schützen.

2.     Das Gesetz verbietet das Almosensammeln in den Häusern. Wenn aber der Priester zu den Gläubigen kommt, wer wird dann feststellen können, ob dabei nicht Almosen gesammelt wurden?

3.     Der Priester nimmt während des Besuches liturgische Handlungen vor. Diese Handlungen sind aber nur in der Kirche, auf dem Friedhof oder beim Versehen eines Kranken gestattet. (Das bedeutet, daß die Ungläubigen ein­laden dürfen, wen sie wollen und wann sie wollen; den Gläubigen aber ist es nicht erlaubt, nur ein einziges Mal im Jahr den Priester einzuladen, da­mit er ihre Wohnung segne).

Anilionis machte Vorwürfe: »Irgend jemand stellt Kreuze auf die Gräber von Banditen (der in den Nachkriegsjahren gefallenen Freiheitskämpfer — Partisanen, Bern. d. Red.), nachher machen sie Radau, wenn sie abgerissen werden.« Anschließend unterstrich er, daß der Boden Eigentum des Staates sei, und deswegen sei es nicht erlaubt, ohne Genehmigung der Regierung Kreuze aufzustellen.

Der Bevollmächtigte konnte jedoch nicht erklären, warum die Atheisten in Litauen Tausende von Kreuzen, Säulenkapellen, Kapellchen und andere

Volkskunstdenkmäler vernichtet haben, die nicht auf Gräbern von Parti­sanen standen.

Auf die in der Erklärung der Priester geäußerte Bitte, das 500jährige Jubi­läum des hl. Kasimir feierlich begehen zu dürfen, antwortete P. Anilionis mit dem Vorwurf, daß es Priester gebe, die sich nicht an den Wahlen be­teiligen. Er teilte mit, daß die Regierung die konfiszierte Kirche von Klaipėda nicht zurückgeben werde, sondern möglicherweise den Bau einer anderen Kirche und die Restauration des jetzigen Kirchleins genehmigen werde.

Der Bevollmächtigte beschuldigte den Bischof Steponavičius, daß dieser nicht gewillt gewesen sei, nach Kaišiadorys zu gehen, sondern, nach dem Rat schlechter Berater es vorzog, auch weiter Märtyrer zu bleiben.

Er erinnerte daran, daß es verboten sei, in den Räumen der staatlichen Auf-bahrungsinstitute religiöse Handlungen vorzunehmen.

Abschließend erklärte Anilionis, daß der Staat seine Gesetze nicht den Ge­setzen der Kirche anpasse.

Schließlich betonte der Bevollmächtigte, daß zur Zeit in allen Bereichen eine strenge Einhaltung der Gesetze verlangt werde. Deswegen werde auch die Kontrolle über die Einhaltung der die religiösen Kulte betreffenden Gesetze verschärft.

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An den Apostolischen Administrator der Erzdiözese Kaunas und der Diözese den Vilkaviškis, Bischof L. Povilonis

den Apostolischen Administrator der Erzdiözese Vilnius, Bischof J. Steponavičius

den Apostolischen Administrator der Diözese Kaišiadorys, Bischof V. Sladkevičius

den Apostolischen Administrator der Diözese Telšiai, Bischof A. Vaičius

den Verwalter der Diözese Panevėžys, Prälat K. Dulksnys den Verwalter der Erzdiözese Vilnius, Priester A. Gutauskas

Bittschrift

der Jugend Litauens

Das Oberste Gericht der SSR Litauen zu Vilnius verurteilte am 7. Mai 1983 den Pfarrer von Viduklė, das Mitglied des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen, Priester Alfonsas Svarinskas, zu 7 Jahren Freiheitsentzug, die Strafe in einem Lager mit strengem Regime zu verbüßen, und zu 3 Jahren Verbannung. In demselben Gerichtssaal wurde nach der Verlesung des Gerichtsbeschlusses der Pfarrer von Kybartai, das Mitglied des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen, Priester Sigitas Tamkevičius, verhaftet.

Diese Ereignisse trafen nicht nur uns, die Jugend Litauens, sehr tief, sondern auch alle anderen Gläubigen. Es ist schmerzlich, wenn die edelsten Söhne Litauens und der Katholischen Kirche zu Opfern der Willkür der Atheisten werden, aber unvergleichlich schmerzlicher ist es, wenn dabei jene schwei­gen, die es lauthals in die ganze Welt hinausschreien sollten ... Uns imponieren die Bischöfe, die es gewagt haben, die Wahrheit zu sagen und von der Zivilregierung zu verlangen, daß sie die religiösen Gefühle des polnischen Volkes nicht verletzen sollten.

Kardinal S. Wyszynski sprach: »Die Zeit ist gekommen ... der Quelle des Bösen — der Gottlosigkeit — und allem, was mit dem Geiste Christi un­vereinbar ist, ein entschiedenes >Nein< zu sagen!«

Wir freuen uns auch über die guten Hirten anderer Völker, bei denen die Lage der Gläubigen auch nicht besser ist als in Litauen. Ihre Bischöfe schweigen nicht beschämend, sondern sie schreien, sie geben der Unwahrheit nicht nach. Vor nicht langer Zeit starb beispielsweise in der Tschecho­slowakei der Bischof Trochta, der sein ganzes Leben in Gefängnissen ver­bracht hatte. Da ist der Tscheche Kardinal Beran — ein Gefangener des Lagers von Dachau und später ein Verbannter; da ist Kardinal Stepinac — ein Gefangener und Verbannter; da ist Kardinal Slipyi — nachdem er mehr als 20 Jahre im Gefängnis verbracht hat, lebt er auch jetzt fern von seiner Erzdiözese. Sie waren keine Feinde des Volkes oder des Staates. Sie waren aber auch keine Mietlinge, sondern die guten Hirten, die die Katholische Kirche, die heiligsten Rechte der ihnen Anvertrauten verteidigt haben und eifrig den christlichen Geist in ihrem Volke pflegten. Ihnen gebührt die Ehre! Sie sind der Stolz der Katholischen Kirche und die Ehre ihres Volkes!

Freude durchströmte die Herzen der Gläubigen Litauens, als im November 1978 das Komitee der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubi­gen sich konstituiert hatte. Fünf Priester bildeten es damals: Priester A. Svarinskas, Priester S. Tamkevičius, Priester J. Kauneckas, Priester J. Zdebskis und Priester V. Vėlavičius. Dieses Komitee zog eine neue Furche der geistigen Wiedergeburt Litauens. Seine Tätigkeit war weder antikonsti­tutionell noch antistaatlich, sondern rein religiösen Charakters. Es kritisierte (dieses Recht gewährt der Artikel 49 der Verfassung der UdSSR) die Tätig­keit der staatlichen Organe, die die Religionsfreiheit einschränkt, strebte nach denselben Rechten der Religionsfreiheit, die die atheistische Propa­ganda für sich beanspruchte, und danach, daß die Gläubigen Litauens ihre religiösen Pflichten, die die Katholische Kirche von ihnen verlangt, unge­hindert erfüllen können. Sie erläuterte die Rechte der Gläubigen, ohne darauf zu achten, ob das jemandem paßt oder nicht.

Heutzutage, wo sich die sowjetische Presse bemüht, zu beweisen, daß die Gläubigen Litauens vollkommene Religions- und Glaubensfreiheit haben, ist es ein Verbrechen, zu schweigen. Die Beweisführung dieser Presse ist eine Verhöhnung der Katholischen Kirche und der Gläubigen. Ist das denn Re­ligionsfreiheit, wenn sich das Priesterseminar zu Kaunas nicht in den Händen der Bischöfe, sondern der Gottlosen befindet? Und das Ergebnis davon: Immer öfter fallen Priester von ihrem Beruf ab. Die Gottlosen wollen die schweigende Kirche Litauens von innen zerstören! Ist das denn Religions­freiheit, wenn die Bischöfe ohne Erlaubnis des Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten nicht, wann sie wollen und wo sie wollen, das Sakrament der Firmung spenden dürfen und wenn sie keinen Priester in eine andere Pfarrei versetzen dürfen? Aus diesem Grunde werden sehr oft die großen Pfarreien, besonders die Stadtpfarreien nicht von Priestern als Hirten, sondern von Mietlingen versorgt.

Ist das denn Religionsfreiheit, wenn die Hauptpflicht der Priester, die aus ihrer Berufung und aus der Sendung Christi erwächst, zwar das Lehren ist, ihnen aber nicht erlaubt ist, die Kinder zur ersten Beichte und zur Erst­kommunion vorzubereiten? Dafür werden die Priester mit Gefängnis und anderen administrativen Strafen bestraft! Das liturgische Zeremonienbuch ordnet an, daß am Allerseelentag eine Prozession am Friedhof durchge­führt werden soll, die Kanones der Katholischen Kirche verlangen auch von den Priestern, ihre Pfarrangehörigen zu besuchen — dafür aber werden gegen die Priester Administrativstrafen ausgesprochen! Ungeachtet der durch die sowjetische Presse proklamierten Gewissens- und Religionsfreiheit hat das Präsidium des Obersten Rates Litauens am 28. Juli 1976 das »Statut der religiösen Gemeinschaften« erlassen, das der ganzen Struktur der Katho­lischen Kirche, ihrem Geist und der Sendung der Priester völlig entgegenge­setzt ist.

Ist das denn Religionsfreiheit, wenn nur die einfachen Menschen sie in Anspruch nehmen dürfen? Was sollen die gebildeten Gläubigen anfangen? Wie sollen sie ihre religiösen Praktiken erfüllen, wenn sie deswegen aus der Arbeit entlassen werden? Die Verfassung der UdSSR garantiert dagegen die Gleichheit aller Bürger, ungeachtet rassischer, nationaler und religiöser Unterschiede! Den statistischen Angaben nach gab es im Jahre 1977 nur an den Schulen für allgemeine Bildung mehr als 30 000 Lehrer. Wo bleiben noch die Lektoren und Professoren, die an Berufsschulen, Technika, Höheren Schulen und Hochschulen tätig sind? Sie kommen auch noch hinzu. Wer möchte denn glauben, daß sie alle Atheisten sind?

Uber diese »Freiheit« der Religion hat das Komitee der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen gesprochen und geschrieben. Das mutige und offene Wort der Mitglieder des Komitees mißfiel der Zivilregie­rung: die sowjetische Presse schreibt ja öffentlich, daß in Litauen die voll­kommene Glaubens- und Religionsfreiheit gedeihe, das genannte Komitee brachte aber die wahre Haltung der sowjetischen Regierung hinsichtlich der Religion ans Tageslicht. Deswegen werden dem Priester Alfonsas Svarinskas und dem Priester Sigitas Tamkevičius, nachdem es keine wirklichen Ver­gehen gibt, ausgedachte und wirklich unbegründete Vergehen vorgeworfen — antikonstitutionelle und antistaatliche Tätigkeit. Verehrungswürdige Prie­ster werden mit schweren Lager- und Verbannungsstrafen belegt und in den Zeitungen verleumdet.

Wir, die Jugend Litauens, warten mit Sehnsucht auf Ihr mutiges Wort und Beispiel, Verehrte Exzellenzen, auf Ihre konkreten Taten. Wir bitten Sie, im Namen der Katholischen Kirche und des Litauischen Volkes: Redet jetzt, wenn aus dem Körper der Nation die besten Söhne herausgerissen werden! Redet nach dem Beispiel des Bischofs Valančius, des Bischofs Ba­ranauskas, des Bischofs Giedraitis, des Dieners Gottes, des Erzbischofs Jurgis Matulaitis, des Erzbischofs Matulionis, der Märtyrer-Bischöfe Reinys, Bori-sevičius, Ramanauskas. Wir bitten Sie, einen Tag des Gebetes für die Helden des Volkes, Priester A. Svarinskas und Priester S. Tamkevičius, in ganz Litauen auszurufen. Wir bitten Sie, an die Behörden der Zivilregierung Gesuche zu richten mit der Bitte, daß die genannten Priester freigelassen werden. Sorgt dafür, daß an den Gerichtsverhandlungen gegen die Priester alle Priester, oder wenigstens ihre Vertreter teilnehmen dürfen, denn der vor Gericht stehende Priester ist auch ein Mitglied der Diözesanfamilie. Darum bitten nicht nur wir allein, sondern das fordert von Ihnen auch das Dekret des II. Vatikanischen Konzils »Christus Dominus«, in dem gesagt wird: »Jenen geistigen Führern, die um des Namens Christi willen von Not und Verleumdung bedrängt, im Gefängnis festgehalten (von uns hervorgehoben) oder an der Ausübung ihres Amtes gehindert werden, sollen sie (die Bischöfe) in brüderlicher Gesinnung zugetan sein und ihnen ihre echte, tatkräftige Sorge widmen, damit deren Leiden durch das brüderliche Gebet und die Unterstützung gelindert und erleichtert werden.« (»Beschlüsse des II. Vati­kanischen Konzils«, Vilnius, 1968, Seite 205).

Bemerkung: Sehr verehrte Hirten, wir wenden uns an jeden von Ihnen mit der gleichen Herzlichkeit, Liebe und Hoffnung, obwohl wir nur ein Exemplar des Textes mit Unterschriften besitzen, das wir an Bischof L. Povilonis senden wollen. Wir sind davon überzeugt, daß Sie verstehen werden, wie schwer es ist, Unterschriften gleich auf fünf Exemplaren zu sammeln. Wir bitten Sie also, alle fünf Exemplare dieser Bittschrift so zu betrachten, wie wenn sie alle Unterschriften trügen.

Litauen, im Mai 1983.

Bemerkung: Es wurden 449 Unterschriften gesammelt.