»... der Satan zeigte ihm in einem Augenblick alle Reiche des Erdkreises und sagte zu ihm: »Diese ganze Macht will ich dir geben und ihre Herrlichkeit; denn mir ist sie übergeben, und wem ich will, dem gebe ich sie. Wenn du mich anbetest, soll sie ganz dein sein.« (Luk. 4. 5—7).

Wenn der Satan gewagt hat, Christus in Versuchung zu führen, dann ist es gar nicht verwunderlich, daß auch wir die Last der Versuchungen und Erpro­bungen erleben müssen. Nicht nur die einfachen Gläubigen werden in Ver­suchung geführt, sondern auch die Seelenhirten und ganze kirchliche Ge­meinschaften werden Versuchungen ausgeliefert.

Auch die Kirche Litauens erlebt heute eine Nacht der Prüfungen und tücki­schen Versuchungen, und zwar sowohl leitende Persönlichkeiten wie auch einfache Kinder der Kirche. Und es ist nicht leicht, Christus und dem Geiste seines Evangeliums treu zu bleiben.

Das christliche Litauen fühlt mit den Christen und dem ganzen Volke Po­lens, das durch die verbrecherische Ermodung des Priesters J. Popieluszko erschüttert ist. Wie wahr ist der Gedanke des Heiligen Vaters, daß solche Ereignisse deutlich beweisen, daß es nicht leicht ist, heute ein polnischer Christ zu sein.

Es ist aber auch nicht leicht, ein litauischer Christ zu sein. Und heute ist es noch viel schwerer, ein lebendiger Zweig am Baum der Litauischen Katho­lischen Kirche zu sein. Diese Wahrheit ist nicht nur klargeworden durch die Verfolgungen der nahen Vergangenheit, nein, sie ist schweres, schmerzliches Heute. Wenn die Regierungsgottlosen auch versuchen, durch ihre Verspre­chungen, Täuschungen und Nachgiebigkeiten in Angelegenheiten zweiten Ranges die Lage herunterzuspielen, so versuchen sie in Wirklichkeit doch, mit immer tückischeren Mitteln in das innere Leben der Kirche einzudringen, um sie von innen heraus zu zerstören. Das ist viel grausamer als ein offener Kampf.

Am 17. Januar 1985 wurde im Schauspieltheater zu Vilnius feierlich des 150. Geburtstages von Bischof Antanas Baranauskas gedacht. Die Vertreter der gottlosen Regierung nahmen daran teil. Fast ideal als Beispiel für ein gutes Zusammenleben zwischen Kirche und Staat! Es wird eines litauischen Dichters, eines Bischofs gedacht, der im vergangenen Jahrhundert mutig gegen die Einschränkungen der christlichen Tätigkeit durch den russischen Zaren gekämpft hat; eines Bischofs, den die damalige Regierung deswegen bestraft hat, weil er christliche Prozessionen im christlichen Litauen auch außerhalb der Tore des Kirchhofes organisiert hat.

Und am selben Tag standen in derselben Stadt Vilnius der Priester Jonas Kastytis Matulionis und der junge Christ Romas 2emaitis als Übertreter der öffentlichen Ordnung vor Gericht, weil sie am Allerheiligentag mit einer Schar Gläubiger in einer geordneten Prozession von der Kirche zum Friedhof gegangen sind, um für die Verstorbenen zu beten. Die Regierung des Zaren begnügte sich damals in ähnlichen Fällen mit Geldstrafen, heutzutage werden dafür aber 2 oder 3 Jahre Gefängnis gegeben.

Als der neue Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegenheiten aus Moskau, Konstantin Chartschew, Litauen besuchte, versprach er den Bi­schöfen Litauens die Zahl der Alumnen des Priesterseminars unter der Be­dingung bis auf 150 zu erhöhen, daß die Bischöfe versprächen, der gottlosen Regierung gegenüber »gut« zu sein; sie sollten versprechen, jene jungen Männer nicht zu Priestern zu weihen, die der Sicherheitsdienst nicht für seine atheistischen Zwecke anwerben kann. Im Priesterseminar wird intensiv eine Anwerbungsaktion durchgeführt: Beinahe jeden Tag wird einer der Semina­risten in das Kriegskommissariat oder eine ähnliche Institution vorgeladen, wo ihn die Verführer — Beamte des Sicherheitsdienstes — erwarten. Ein offener Brief des jungen Priesters Rokas Puzonas an den Sicherheitsdienst, in dem er beschreibt, wie er vom KGB angeworben wurde, bringt diese grausame moralische Vergewaltigung sehr deutlich an den Tag.

Die Regierungsgottlosen versprachen, die Kandidatenzahl für das Priester­seminar zu erweitern, kämpfen aber mit allen Kräften darum, daß er keine Kandidaten für das Priesterseminar mehr gibt. Sie betreiben eine verstärkte antireligiöse Propaganda in den Schulen und verfolgen jegliche Aktivität unter der katholischen Jugend. Sobald sich die Jugendlichen beim Kriegs­kommissariat anmelden, wird von ihnen sofort verlangt, in einem Fragebogen anzugeben, ob sie gläubig oder ungläubig sind. Außerdem werden jene Prie­ster, die mit Kindern oder mit der Jugend arbeiten, aus dem Munde der »loyalen« oder »gemäßigten« Priester verurteilt und in ein schlechtes Licht gestellt.

Als der neue Bevollmächtigte des Rates füi Religionsangelegenheiten der UdSSR, K. Chartschew, die Bischöfe Litauens besuchte, lobte er dauernd die Russen, die angeblich viel Gutes getan hätten und war beunruhigt, daß sich in Litauen ähnliche Dinge ereignen könnten wie in Polen.

Am 26. 1. 1985 druckte die » Valstiečiu laikraštis« (»Bauernzeitung«) einen Artikel des Kandidaten der Philosophiewissenschaften, J. Tichonowitsch ab, mit dem Titel »Die Katholische Kirche in Polen«. Darin wird unter anderem geschrieben: »In der Volksrepublik Polen gibt es etwa hundert periodische Veröffentlichungen, die verschiedene Richtungen des Christentums vertreten. Es gibt außerdem noch etwa 20 Bulletins und Sammlungen, die die katholi­schen Wissenschaftsvereine, die Gesellschaftsorganisationen, die Wissen­schafts- und Bildungseinrichtungen herausgeben .. . Die Regierung der Volks­republik Polen gab die Erlaubnis, etwa 600 neue Kirchen zu errichten und mehr als 300 Kirchen zu erweitern. . .«

Und in Litauen wird eine Kirche immer noch nicht zurückgegeben, die die Gläubigen im Schweiße ihres Angesichts errichtet haben! Als man den Be­vollmächtigten K. Chartschew nach dem Schicksal der Kirche von Klaipėda fragte, antwortete der Vertreter Moskaus schroff, daß sie niemals zurück­gegeben werde.

Dasselbe Schicksal traf auch die anderen Kirchen: In Gaurė (Rayon Tauragė) wurde die (vom KGB niedergebrannte) Kirche nicht mehr aufgebaut, in Batakiai benützen die Gläubigen das Glockenhaus, denn auch ihre Kirche war niedergebrannt worden. Als sie aber dieses kleine Glockenhaus um einen schuppenähnlichen Anbau mit provisorischem Dach aus einer Plane als Regenschutz erweiterten, befahlen die Beamten sofort, das »Gebäude« wie­der abzureißen.

Von einer katholischen Presse, periodischen Veröffentlichungen und Bulle­tins kann überhaupt keine Rede sein, denn sogar den liturgischen Kalender bekommen die Priester Litauens um einige Monate zu spät.

Die atheistische Regierang erlaubt zwar den Bischöfen Litauens dann und wann, zum Heiligen Vater nach Rom zu fahren, aber das Volk hat schon gemerkt, daß die Kirche Litauens jede solche Visite in der letzten Zeit sehr teuer bezahlen muß, nämlich mit einer neuen Verhaftung eines Priesters. Aber auch in Rom bleiben unsere Bischöfe nicht ohne ihre Agenten. Der auf unrühmliche Weise bekanntgewordene Beamte des Rates für Religions­angelegenheiten, Juozėnas, der zur selben Zeit wie der Bischof nach Rom gefahren ist, gibt Anweisungen, was und wie der Bischof reisen soll.

Der neue Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegenheiten der UdSSR sagte den Bischöfen Litauens, es sei geplant, noch einige Priester zu verhaften, damit Litauen nicht dem Beispiel Polens folge.

Ein weiteres Bestreben der Gottlosen: Sie wollen erreichen, daß die »loyalen« Priester die eifrigsten Bischöfe und Priester Litauens verurteilen. Es gibt schon Priester, die es wagen, öffentlich während der Predigt oder bei Exer­zitien, die beispielhaften Priester, besonders aber die verhafteten Priester zU verachten. Gegen den (amtsbehinderten) Bischof von Vilnius, Julijonas Steponavičius, wird auch weiterhin ständig ein unsauberer Krieg mit anony­men Briefen geführt.

Die »Chronik« sieht keinen Anlaß, auf derartige Schreiben eine Antwort zu geben, denn die Verfasser dieser Briefe stellen sich durch ihre übertrie­bene, unbegründete und an den Haaren herbeigezogenen Panegyriken und durch die unvergleichlich naive widersinnige Verachtung der anderen schon selbst in ein schlechtes Licht und beleidigen jene, die sie gelobt haben.

Es ist bedauerlich, daß es selbst in Rom noch Priester gibt, die an die von Anonymen in Litauen verbreiteten Gerüchte und an die vom Sicherheitsdienst propagierte »Vernunft« glauben, und die meinen, sie würden sich ein richti­ges Bild über die Lage in Litauen aus jenen Informationen machen, die sie in den Briefen von »Loyalen« erhalten. Wir wissen aus Erfahrung, daß Briefe mit einer der Regierung unpassenden Information niemals ins Aus­land gelangen. Was kann man also in einem Brief über die richtige Lage in Litauen schon schreiben?!

Das katholische Litauen verfolgt schon immer mit großer Aufmerksamkeit die Sendungen von Radio Vatikan. Es ist aber sehr schmerzlich, daß auch dorthin Desinformationen gelangen. Es zeigt sich beispielsweise, daß auch der in Litauen sehr hoch geschätzte Diplomat Lozoraitis irregeführt worden ist: Die »Chronik« hat niemals geschrieben, daß Litauen ohne Bischöfe blei­ben sollte, die »Chronik« war aber seinerzeit in Sorge und ist es auch jetzt, daß durch falsche Information ungeeignete Kandidaten zu Bischöfen geweiht werden könnten, die in der Katholischen Kirche in Litauen sehr viel Schaden anrichten würden.

Uns bleibt nur, zu beten, daß die tückische Taktik der Gottlosen nicht jene irrezuführen vermag, die der leidenden Kirche Litauens von Herzen helfen wollen.