Das Gebiet von Nowosibirsk

Der vor einem Jahr verurteilte Priester von Nowosibirsk, Josef Swidnickij, wird im Gebiet von Nowosibirsk, in der Stadt Kuibyschew, UP 91/12 ostr. 6 brigada 71, Index 632350 gefangengehalten. Seine Verwandten, die ihm am 2. Februar besucht haben, erzählen, daß sich seine Gesundheit stark verschlechtert hat, obwohl der Priester Josef immer guter Stimmung ist. Ihren Worten nach sieht er aus, »wie vom Kreuz heruntergenommen«. Die Verpflegung sei sehr schlecht, und die Pakete werden von den Kriminellen gestohlen. Vor kurzem haben den Priester ein schwerer Herzschlag getroffen. Früher hat er in der Küche gearbeitet, jetzt ist er zu einer anderen Arbeit versetzt worden — er muß Bretter schleppen. Das Wiedersehen wurde nur über eine Glaswand erlaubt und sprechen durfte man nur russisch.

Panevėžys

Am 24. Oktober 1985 kamen fünf Milizmänner zum Heimatkundler Juozas Ruzas und machten, nachdem sie einen Durchsuchungsbefehl vorgezeigt hatten, etwa 3 Stunden lang eine Hausdurchsuchung. Nachher tauchten etwa zehn Sicherheitsbeamte auf, die wieder das ganze Zimmer durchstöberten. Die Tschekisten verheimlichten ihre Namen und wollten sich nicht vorstellen. Später wurde erst klar, daß einer von ihnen mit Famliennamen Skudas hieß. Die Sicherheitsbeamten nahmen eine Schreibmaschine mit, sie waren sehr scharf auf die offiziell herausgegebenen Gedichte von Twardowski und sagten, sie seien gekommen, um die Erinnerungen von Vaidulis abzuholen, um sie zu vernichten. Dabei drohten sie Ruzas, wenn er nicht alle sechs Exemplare der Erinnerungen finde, werde er sechs Jahre Gefängnis bekom­men. J. Ruzas hat einige Exemplare der Erinnerungen gefunden und sie dem Sicherheitsdienst übergeben. Nach der Durchsuchung wurden J. Ruzas und seine Frau O. Ruziene zu einem Verhör gebracht. Am nächsten Tag wurden sie beide wiederholt verhört.

Viduklė (Rayon Raseiniai)

Die Einwohnerin von Vidukle, M. Saukienė, war am 30. November 1985 in den Sicherheitsdienst nach Raseiniai vorgeladen. Der Untersuchungs­beamte beschuldigte Frau M. Saukiene eines furchtbaren Verbrechens, das sie im Mai 1984, als sie im Krankenhaus in Raseiniai lag, begangen haben soll. Es stellte sich heraus, daß dieses große »Vergehen« darin zu sehen ist, daß die Kranke einen Rosenkranz, ein Heft mit Gebeten und in dem Heft ein Bild des Priesters A. Svarinskas bei sich hatte. Der Tschekist schrie die Frau an, wie sie ein Bild eines so großen Verbrechers mit sich herumtragen und den anderen zeigen könne. »Nicht einmal beten darf man für ihn!«, schrie der Sicherheitsbeamte, der nicht einmal seinen Namen genannt hatte. Die Frau erklärte ihm, daß der Priester kein Verbrecher, sondern ein Opfer von Lügen und Verleumdungen der Atheisten sei. »Wir, die Gläubigen, beten nicht nur für die eingekerkerten Priester, sondern auch für alle, die auf Ab­wege geraten sind, auch für euch, die Sicherheitsbeamten«, sagte Frau M. Saukiene. Die Frau erinnerte den Tschekisten daran, daß die Regierung den Priester A. Svarinskas amnestieren müßte, denn auch sie selbst setze ja den von dem Priester begonnenen Kampf gegen Alkoholismus fort. Er­zürnt beschuldigte der Sicherheitsbeamte den Priester A. Svarinskas des Mordes. Der Untersuchungsbeamte betrachtete als Vergehen die Tatsache, daß M. Saukiene im Krankenhaus öffentlich über den Gerichtsbeschluß gegen Priester A. Svarinskas in Vilnius erzählt hatte. Den Tschekisten interessierte, was die Verhörte von der Tätigkeit des Papstes halte. Er selbst erklärte, daß bei der Wahl Johannes Paul II. zum Papst ein großer Fehler gemacht worden sei, außerdem versicherte er, daß es in Litauen niemals so werde, wie es in Polen ist. Das Verhör dauerte drei Stunden.

Am 3. Oktober 1985 war die Einwohnerin von Viduklė, Adele Jucevičiūtė, in die Rayonverwaltung vorgeladen. Der Vorsteher des Sicherheitsdienstes erkundigte sich, wie sie sich traue, in der Kirche laut für den verhafteten Pfarrer der Pfarrei, Priester A. Svarinskas und für andere verhaftete Priester und Gefangene zu beten. Der Tschekist behauptete, daß es verboten sei, in der Kirche für solche Staatsverbrecher, wie es die verhafteten Priester sind, laut zu beten. Das Mädchen machte ihm klar, daß weder ihr noch den ande­ren Pfarrangehörigen irgendwelche Vergehen des Priesters A. Svarinskas oder der anderen verhafteten Priester bekannt seien. Im Gegenteil, sie hätten nur ihre aufopferungsvolle Arbeit, ihre Geduld und ihren Kampf gegen die Trunkenheit gesehen. Dank des Priesters A. Svarinskas hätten die meisten Leute während der Beerdigung oder an den Gedenktagen des Todes der Verstorbenen keine alkoholischen Getränke zu sich genommen. Und wer könne aufzählen, wieviel sie den Gläubigen geholfen haben?! Der Sicher­heitsbeamte blieb aber bei der eigenen Meinung und sagte, daß die Verfas­sung verbiete, in der Kirche laut zu beten, und verlangte, ein Versprechen zu schreiben, daß sie nicht mehr beten werde. Jucevičiūtė protestierte dage­gen und sagte, daß sie von Kindheit an sowohl zu Hause als auch in der Kirche bete, und sie werde es auch weiter tun, aber Versprechen werde sie keines schreiben. Der Untersuchungsbeamte interessierte sich, ob das Mäd­chen die Sendungen von Radio Vatikan höre. Das Mädchen bejahte dies und fragte, ob auch das verboten sei. Der Sicherheitsbeamte erklärte, daß es erlaubt sei, aber es sei verboten, die gehörten Sendungen mit anderen zu be­sprechen und daraus Schlüsse zu ziehen.

Am 25. März war A. Jucevičiūtė wieder vom Sicherheitsdienst vorgeladen. Und wieder dieselben Fragen, dieselben Drohungen; das Mädchen hat aber weder mündlich noch schriftlich irgendwelche Versprechen gegeben.