Das Jubiläumsjahr, auf das so viele Hoffnungen gesetzt und für das so lange Vorbereitungen getroffen wurden, ist vorbei. Wurden diese Hoffnun­gen erfüllt, haben sich diese Bemühungen gelohnt? Von oben her gesehen, nein. Viele Hoffnungen wurden zerschlagen und gingen nicht in Erfüllung.

Wir bekamen zu diesen Feierlichkeiten den Hl. Vater, Johannes Paul IL, nicht zu sehen; die Regierungsgottlosen hinderten den Hl. Vater, sich mit den Katholiken Litauens zu treffen.

Manche haben viele Hoffnungen auf die „Umgestaltung und Demokratisie­rung" gesetzt, die zur Zeit im sowjetischen Imperium stattfinden. Sie ver­suchten zu überzeugen, daß man keine Unterschriften mehr zu sammeln brauche, die enteigneten Kirchen würden auch so zurückgegeben und die inhaftierten Priester freigelassen. Es wurden immer neue Termine für die Rückkehr des Apostolischen Administrators der Erzdiözese Vilnius, Bischofs Julijonas Steponavičius, aus der Verbannung in Žagarė nach Vil­nius in Aussicht gestellt. Man erwartete, daß die Artikel des StGB, die gegen Andersdenkende und Gläubige gerichtet sind, geändert würden, daß das Statut der religiösen Gemeinschaften „milder" gefaßt würde, daß die Katechese erlaubt würde, daß man aufhören würde, die gläubige Schul­jugend zu verfolgen.

Das Jahr 1987 der „Umgestaltung" ist zu Ende, die Ergebnisse aber - die Lage der Kirche blieb faktisch unverändert! Sogar das eine oder andere „Zugeständnis" oder diese oder jene „Geste des Wohlwollens" der gott­losen Regierung stehen, obwohl sie durch die Massenmedien sogar im Ausland sehr weit verbreitet wurden, bis heute immer noch nur auf dem Papier, z.B. hängt die Frage der Rückgabe der Kirche der „Königin des Friedens" von Klaipėda immer noch in der Luft, - man verspricht sie erst in zwei Jahren zurückzugeben. Alles wird davon abhängen, wer in zwei Jahren an der Spitze der sowjetischen Regierung sitzen und welche Politik er hinsichtlich der Kirche führen wird. Wer weiß, wie dies alles noch enden wird. Sich über die Rückgabe der geraubten Kirche von Klaipėda zu freuen, ist es also wahrhaftig noch zu früh.

Die Frage der Befreiung der inhaftierten Priester. Auf diesem Gebiet hat die gottlose Regierung der ganzen Welt unmißverständlich gezeigt, wen sie im jetzigen Litauen als ihren schlimmsten Feind betrachtet: die Kirche und die Priester. Zu Zeiten der Umgestaltung und Demokratisierung ließ sie nur die Priester Alfonsas Svarinskas und Sigitas Tamkevičius noch im Lager. Alle anderen Dissidenten Litauens sind entweder schon in der Freiheit oder in der Verbannung. Die Kirche organisiert keine Demonstrationen oder andere öffentliche Aktionen gegen die sowjetische Regierung, sie ist aber für die Regierungsgottlosen wesentlich gefährlicher, weil sie die Macht des Atheismus auf dem geistigen Sektor unterbindet, indem sie das Volk auffordert, den christlichen Traditionen und der Moral treu zu bleiben, die seine Ahnen durch sechs Jahrhunderte bewahrt und geschätzt haben.

Nur deswegen haben sich die Regierungsgottlosen so eifrig bemüht, die Feierlichkeit der Jubiläumsveranstaltungen, besonders die der Zentralver­anstaltungen, zu unterdrücken. Die Oberhirten der Kirche und die Pfarr­herren der wichtigeren Pfarreien mußten immer wieder versichern, daß auch wegen der Jubiläumsfeierlichkeiten nur gewöhnliche Gottesdienste abgehalten werden und daß sie sich in keiner Weise von gewöhnlichen Gottesdiensten oder Ablaßfeierlichkeiten unterscheiden werden. Tatsäch­lich ist es auch gelungen, einen Teil der Oberhäupter der Kirche Litauens und der Pfarrherren durch Versprechungen auf den Weg der Kompromisse zu lenken.

Soll doch das von Gottlosen gewürgte Volk selbst suchen, wo es etwas Gründlicheres und Umfassenderes über den Weg des Christentums in sechs Jahrhunderte in Litauen finden kann. Wie nötig aber wären für unser Volk und für unsere Jugend, die in der Schule nur die atheistische Erzie­hung bekommt, derartige Veranstaltungen, in denen sie sich den christ­lichen Geist aneignen könnten, damit die 600-jährige Treue zum christ­lichen Glauben ein Schatz und ein Besitz der christlichen Generationen Litauens in ihrem 7. christlichen Jahrhundert werden könnte. Nicht eine „zu erwartende Gewogenheit" seitens der gottlosen Regierung ist notwen­dig, um die Hoffnung auf eine hellere Zukunft des Volkes und der Kirche festigen zu können, sondern eine Festigung der christlichen Sittlichkeit und der Prinzipien des Glaubens in jungen Seelen und Herzen.

Die Gottlosen waren im vergangenen Jahr auf allen ihnen zugänglichen Kanälen aktiv, nur damit der Geist des Evangeliumsbrotes unserer Jugend, die danach hungert, in einer Form dargereicht werde, in der sie es nicht verdauen kann, d. h. ohne besondere religiöse Erziehung, ohne erklärende Vorbereitung, in einer unverständlicher Weise, denn die Gottesdienste wurden in lateinischer Sprache gehalten.

Ist es nicht paradox: Während der Heilige Vater in Rom am Fest der Mut­ter der Barmherzigkeit im Tor der Morgenröte die hl. Messe für Litauer in litauischer Sprache gefeiert hat, untersagte in Litauen der Verwalter der Diözese während der Jubiläumsfeierlichkeiten und sogar während der Fei­er derselben Mutter Gottes im Tor der Morgenröte in Vilnius den zur Konzelebration versammelten Priestern, die hl. Messe in litauischer Sprache zu feiern. Man glaubt, daß es das Volk und die Jugend ja gar nicht zu ver­stehen brauche, was die Priester am Altar reden, was sie beten. Das Brot des geistigen Lebens wird in Stein verpackt dargereicht! Opfert doch die Seelen der jungen Generation den Gottlosen für ihre angeblich wichtigen, im Grunde aber erst versprochenen Zugeständnisse, kämpft nicht für sie. Das ist die Tücke des Teufels!

Wenn man in die Zukunft schaut, in das siebte Jahrhundert des Christen­tums in Litauen, bleibt für die Katholische Kirche Litauens als wichtigste Aufgabe die Notwendigkeit, die junge Generation unseres Volkes, die atheisiert wird, dem Christentum zurückzugewinnen. Der wahre Kampf für die Zukunft Litauens vollzieht sich im Herzen des jungen Menschen, für wen er sich entscheiden wird: Für Christus und sein Evangelium oder für die von den Gottlosen angepriesenen, meistens aber nicht eingehaltenen „Versprechungen", oder womöglich nur für andere glitzernde Kleinigkeiten, die die Herrscher dieser Erde ihren naiven Sklaven hinwerfen.

Das siebte Jahrhundert des christlichen Litauen muß mit einem intensiven Kampf um die jungen Herzen beginnen.

Dieses Jahr war auch durch einen mutigeren Ruf unserer Landsleute nach „Freiheit für Litauen" gekennzeichnet. Das Verlangen nach Freiheit ist jedem Menschen, erst recht jedem Volk, angeboren. In diesen Zeiten der „Umgestaltung" und der „Demokratisierung" haben die Litauer den Ober­häuptern der Welt und den Führern des sowjetischen Imperiums öffentlich erklärt, daß die Freiheit auch unserem Volke teuer ist.

Das Jahr 1988 ist das Jahr Mariens. Die in unserem Volk in sechs Jahrhun­derten gewachsenen Traditionen einer tiefen Liebe zu Maria fordern uns auf, uns auf den Weg des Gebetes und der moralischen Erneuerung, auf einen Weg der Freiheit zu begeben!

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